Gemeinsam entwicklen wir in klare Vorstellungen, was
wir wollen
und wie wir das gemeinsam durchsetzen. Doch die Auseinandersetzung reicht weit zurück.
Nachdem das Kapital Jahrhunderte gebraucht, um den Arbeitstag bis zu seinen normalen Maximalgrenzen und dann über
diese hinaus, bis zu den Grenzen des natürlichen Tags von 12 Stunden zu verlängern, erfolgte nun, seit der Geburt der
großen Industrie im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts, eine lawinenartig gewaltsame und maßlose Überstürzung.
Jede Schranke von Sitte und Natur, Alter und Geschlecht, Tag und Nacht, wurde zertrümmert.
Selbst die Begriffe von Tag und Nacht,
bäuerlich einfach in den alten Statuten, verschwammen so sehr, daß ein englischer Richter noch 1860 wahrhaft talmudistischen
Scharfsinn aufbieten mußte, um „urteilskräftig” zu erklären, was Tag und Nacht sei.
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 294.
„Für gesunde Menschen spielt es keine Rolle, ob sie 38,5 oder 41 Stunden arbeiten.”
Erwin Teufel, Ministerpräsident Baden Wüttembergs,
zur Arbeitszeitverlängerung der Beschäftigten seines Landes,
Financial Times Deutschland 21.04.2004
Dagegen besitzt der Arbeitstag eine Maximalschranke. Er ist über eine gewisse Grenze hinaus nicht verlängerbar.
Diese Maximalschranke ist doppelt bestimmt. Einmal durch die physische Schranke der Arbeitskraft.
National Health Service in den 50er Jahren
Ein Mensch kann während des natürlichen Tags von 24 Stunden nur ein bestimmtes Quantum Lebenskraft verausgaben. ...
Während eines Teils des Tags muss die Kraft ruhen, schlafen, während eines anderen Teils hat der Mensch andere
physische Bedürfnisse zu befriedigen, sich zu nähren, reinigen, kleiden usw.
Außer dieser rein physischen
Schranke stößt die Verlängerung des Arbeitstags auf moralische Schranken. Der Arbeiter braucht Zeit zur
Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kulturzustand bestimmt sind.
Die Variation des Arbeitstags bewegt sich daher innerhalb physischer und sozialer Schranken.
Beide Schranken sind aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum.
K. Marx, Kapital I, MEW 23, 246f.
„Im übrigen ist zu unterscheiden zwischen einer Verkürzung der Arbeitszeit an sich und einer
mit dieser Verkürzung Hand in Hand gehenden festen Regelung der Arbeitszeit überhaupt,
wie sie das Eingreifen des Staates oder der Abschluß von Arbeitstarifverträgen mit sich bringt.
Es mögen einem Unternehmer z.B. 3000 Arbeitsstunden pro Arbeiter im Jahre, also im Durchschnitt
eine zehnstündige Arbeitszeit [an 6 Wochentagen] pro Arbeiter im Jahre genügen,
er will aber, je nach den Anforderungen der Konjunktur, in der Disposition über diese Arbeitsstunden volle Freiheit bewahren,
also in Zeiten dringender Aufträge 12 Stunden, in den Zeiten der Geschäftsstille nach
Belieben auch acht Stunden arbeiten dürfen.”
Stellungnahme der Arbeitgeber gegen Arbeitszeitverkürzung,
Aus: Handwörterbuch der Staatswissenschaften, Elster u.a., Jena 1923
Zur Einigung im Europäischen Ministerrat, die EU-Arbeitszeitrichtlinie wieder zu lockern, erklärt der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum:
„Eine Änderung der Arbeitszeitrichtlinie wird von den Krankenhäusern grundsätzlich
begrüßt. Sie korrigiert eine Fehlentscheidung auf europäischer Ebene, die von Anfang an nicht zu halten war.
Die Anrechnung von Ruhezeiten während des Bereitschaftsdienstes hat hochqualifizierte ärztliche Arbeitszeit
künstlich verknappt. Die Korrektur, die die Krankenhäuser von Anfang an gefordert haben, kommt allerdings sehr spät.
Inzwischen sind gesetzliche und tarifliche Realitäten in Deutschland geschaffen worden. Die Krankenhäuser haben innerhalb von
5 Jahren bis zu 10.000 zusätzliche Stellen im ärztlichen Bereich geschaffen. Insgesamt sind den Kliniken Kosten in Höhe von
1,7 Mrd. Euro entstanden. Wenn das Europäische Parlament der Änderung der Arbeitszeitrichtlinie zugestimmt hat,
ist zu prüfen, inwieweit die Regelungen unmittelbar Anwendung finden bzw. Anpassungen des deutschen Arbeitszeitrechtes
erforderlich machen.”
Presseerklärung der DKG , 10.06.2008
Wir erklären die Beschränkung des Arbeitstages für eine Vorbedingung, ohne welche alle anderen Bestrebungen
nach Verbesserung und Emanzipation scheitern müssen.
Sie ist erheischt, um die Gesundheit und körperliche Energie der Arbeiterklasse, d.h. der großen Masse einer jeden Nation,
wiederherzustellen und ihr die Möglichkeit geistiger Entwicklung, gesellschaftlichen Verkehrs und sozialer und politischer
Tätigkeit zu sichern.
Wir schlagen 8 Arbeitsstunden als gesetzliche Schranke des Arbeitstages vor. Diese Beschränkung wird bereits allgemein
verlangt von den Arbeitern der Vereinigten Staaten Amerikas, und der Beschluß des Kongresses wird sie zur allgemeinen
Forderung der Arbeiterklasse der gesamten Welt erheben.
Karl Marx, Instruktionen für die Delegierten des Provisorischen Zentralrats zu den einzelnen Fragen, August 1866
Zur Information der Mitglieder auf dem Kontinent, deren Erfahrungen auf dem Gebiete der Fabrikgesetzgebung relativ gering sind,
fügen wir hinzu, daß alle gesetzlichen Beschränkungen mißlingen und vom Kapital durchbrochen werden,
wenn nicht die Tageszeit bestimmt wird, in die die
8 Arbeitsstunden zu fallen haben. Die Länge dieser Zeit sollte bestimmt sein durch die
8 Arbeitsstunden und die zusätzlichen Pausen für Mahlzeiten. Wenn z.B. die verschiedenen Unterbrechungen für Mahlzeiten
eine Stunde betragen, so muß die gesetzlich festgelegte Tageszeit auf 9 Stunden festgesetzt werden, sage von
7 Uhr morgens bis 4 Uhr abends oder von 8 Uhr morgens bis 5 Uhr abends etc.
Nachtarbeit ist nur ausnahmsweise zu gestatten in
Gewerben oder Gewerbszweigen, die vom Gesetz genau bezeichnet sind. Die Tendenz muß dahin gehen, jede Nachtarbeit abzuschaffen.
ebenda