Die Mails der Schichtplan-Fibel halten Dich etwa all 4 Wochen auf dem Laufenden – mit Urteilen, Geltendmachungen, Werkzeugen, Tipps, Seminarangeboten.
Wir speichern nur zu diesem Zweck die Mail-Adresse und das, was Du als Vorname einträgst. Wir geben sie nicht an andere weiter. Abbestellen durch einen Link am Ende jedes Newsletter. Bestellen mit wenigen Klicks:
Link und Lesezeichen: www.newsletter.schichtplanfibel.de
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Rufbereitschaft (01.03.2021)
Rufbereitschaft und Verpflichtung |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Ein Kollege der IT-Abteilung wohnt unter der Woche in Betriebsnähe, an den Wochenenden 300 KM entfernt bei Lebensgefährtin und Kindern.
August 2000: Eine Betriebsvereinbarung (BV GLAZ) regelt die gleitenden Arbeitszeit und verpflichtet zur Mehrarbeit.
Anfang 2003: Die Arbeitgeberin, tariffrei, kündigte die Betriebsvereinbarung.
September 2004: Die Arbeitgeberin ordnet an Wochenenden Rufbereitschaften an, ab Mitte 2005 über einen Dienstplan.
Dezember 2005: Der Kollege weigert sich an einem Wochenende die Rufbereitschaft zu leisten. Die Arbeitgeberin mahnt ihn ab.
Januar 2006: Mit Wirkung zum 01.01.2006 schließen die Betriebsparteien eine neue BV GLAZ, die nunmehr eine Regelung zur Rufbereitschaft enthält.
Aufgrund der Arbeitsverweigerung im Vormonat beteiligt die Arbeitgeberin den Betriebsrat. Dieser hat gegen die Kündigung keine Bedenken und sieht das Anhörungsverfahren als
beendet an. Die Arbeitgeberin kündigt fristgerecht zum April 2006.
Dagegen wehrt sich der Kläger in beiden Instanzen erfolgreich.
Die Entscheidung |
Die verhaltensbedingte ordentliche Kündigung wegen der Weigerung, an Wochenenden Rufbereitschaft zu leisten, ist unwirksam. Denn es fehlt an einer entsprechenden arbeitsvertraglichen oder kollektivrechtlichen Verpflichtung.
⇒ LAG Hessen Urteil 06.11.2007 – 12 Sa 1606_06
Aus der Begründung |
Der Arbeitnehmer ist allerdings berechtigt, Arbeiten abzulehnen, die der Arbeitgeber ihm unter Überschreitung des Direktionsrechts nach Art, Zeit und Ort zuweist. […]
Der Arbeitnehmer ist nur auf der Grundlage besonderer Arbeitsvertraglicher oder kollektivrechtlicher Vereinbarungen zur Leistung von Bereitschaftsdiensten und Rufbereitschaft verpflichtet (ErfK/ Preis 7. Aufl. § 611 BGB Rn.
832). Eine ihn dazu verpflichtende Regelung enthalten weder der Arbeitsvertrag der Parteien noch die BV GLAZ 2000. Sie folgt auch nicht aus einer konkludenten Änderung/Ergänzung des Arbeitsvertrages durch die tatsächliche gelegentliche Leistung von Rufbereitschaft am Wochenende durch den Kläger. […]
Die von der Beklagten behaupteten Regelungsabsprachen, die sie vor jeder Anordnung von Rufbereitschaft mit dem Betriebsrat getroffen haben will, wären nicht geeignet, die Nachwirkung der BV GLAZ 2000 zu beseitigen. Regelungsabsprachen vermögen Betriebsvereinbarungen nicht zu ersetzen, weil ihnen keine normative Wirkung im Bezug auf die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse zukommt (BAG 27.11.1985 u. 20.11.1990 AP zu § 77 BetrVG Nr. 14, 48).
Mit der Regelungsabrede kann zwar der Mitbestimmung genügt werden, […] aber keine […] individualrechtliche Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Rufbereitschaft begründet werden […].
Für die Praxis |
❍ Tarifverträge
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes verpflichten in § 6 (5) zur Leistung von Rufbereitschaften (ebenso etwa in § 12 TV AWO). Dies beschränkt sich auf Vollzeit-Beschäftigte und auch für die nur auf den Rahmen begründeter betrieblicher Notwendigkeiten.
❍ AVR
Wurden im Arbeitsvertrag allgemeine Vertragsregelungen in Bezug genommen? Dann lohnt vielleicht ein ⇒ genauer Blick.
❍ Regelungsabrede
Vielleicht stimmt der Betriebsrat, der Personalrat oder die MAV einem Dienstplan mit Rufbereitschaften ausdrücklich zu. Dann handelt es sich um eine bloße ›Regelungsabrede‹. Diese allein verpflichtet die Beschäftigten nicht zur Leistung von Rufbereitschaften.
❍ Betriebs- / Dienstvereinbarung
Erstaunlich oft wird der ›Tarifvorbehalt‹ im Gesetz übersehen:
§ 77 Abs. 3 BetrVG |
Gerade weil Tarifverträge und AVR üblicherweise die Arbeitspflichten begründen und beschreiben, sind Betriebs- und Dienstvereinbarungen hier gesperrt!
Betriebs- und Dienstvereinbarung können Rufbereitschaften organisieren, auch den Schutz vor Überlastung durch die zusätzliche Arbeit. Diese Regelungen sind dann verbindlich.
Doch die – vielleicht erschreckend einträchtigen – Betriebsparteien können die Beschäftigten nicht rechtswirksam zur zusätzlichen Arbeitszeit verpflichten. Die Beschäftigten können sich nur selbst im Einzelfall verpflichten, im Arbeitsvertrag, oder über ihren Tarifvertrag.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft (26.02.2021)
Rufbereitschaft und Verpflichtung |
➽ Zugespitzt: |
Die Entscheidung |
1. Für den einzelnen Arbeitnehmer besteht die dienstliche Notwendigkeit, Bereitschaftsdienst i. S. v. § 6 Abs. 5 TVöD zu leisten, immer dann, wenn zum einen die objektiv-sachliche Notwendigkeit zu bejahen ist, eine Rufbereitschaft vorzuhalten, und zum anderen die Übertragung von Rufbereitschaftsdiensten an den betreffenden Arbeitnehmer billigem Ermessen entspricht.
3. Die beharrliche Weigerung, einer billigen Ermessen entsprechenden Einteilung zu Rufbereitschaftsdiensten Folge zu leisten, kann nach einschlägiger Abmahnung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen.
⇒ LAG Köln Urteil 16.04.2008 – 7 Sa 1520/07
Aus der Begründung |
»Die Argumentation des Klägers, es habe zwar grundsätzlich eine dienstliche Notwendigkeit dafür bestanden, dass technische Mitarbeiter, des Sachgebiets, in dem er tätig war, zur Rufbereitschaft herangezogen würden, es habe aber keine dienstliche Notwendigkeit dafür bestanden, eine solche Rufbereitschaft gerade gegenüber seiner Person anzuordnen, ist nicht stichhaltig.
Mit derselben Begründung könnte jeder einzelne der vier anderen technischen Mitarbeiter des Sachgebiets für seine eigene Person die Ableistung von Rufbereitschaft ebenfalls verweigern. In diesem Fall wäre der Arbeitgeber gehindert, die Einführung einer Rufbereitschaft in die Tat umzusetzen, obwohl die sachliche Notwendigkeit, in dem bestimmten Sachgebiet eine Rufbereitschaft vorzuhalten, für jedermann unstreitig ist. […]
Dabei ist vorauszusetzen, dass die arbeitsvertragliche Vereinbarungen mit dem betreffenden Arbeitnehmer die Übertragung von Rufbereitschaftsdiensten nicht ausschließen.«
Für die Praxis |
§ 6 Abs. 5 TVöD erlaubt im ›Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten‹ die Belastung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus. Diese objektiv-sachliche Notwendigkeit bezieht nicht auf einzelne Beschäftigte, sondern auf den Betrieb, seine Organisation. War die Organisation der Arbeit in Form von Rufbereitschaft von der Sache selbst gefordert, unvermeidlich, zwangsläufig, alternativlos, nicht zu umgehen?
Bereitschaftsdienst und Ruhezeit |
➽ Zugespitzt: |
Die Entscheidung (Presseerklärung) |
Zur täglichen Ruhezeit stellt der Gerichtshof fest, dass nationale Rechtsvorschriften, die Arbeitszeiten gestatten, die 24 Stunden in Folge andauern können, mit dem Unionsrecht
unvereinbar sind.
Nach den griechischen Rechtsvorschriften kann es, wenn sich an einen normalen Dienst unmittelbar eine Bereitschaft anschließt, vorkommen, dass ein Arzt über 24 Stunden hinaus in Folge und sogar bis zu 32 Stunden arbeitet, und zwar dann, wenn unmittelbar nach der Bereitschaft ein neuer normaler Dienst beginnt. Dass Ruhezeiten nur zu »anderen Zeiten« gewährt werden, die keinen unmittelbaren Zusammenhang mit der verlängerten Arbeitszeit aufweisen, berücksichtigt nicht in geeigneter Weise die Notwendigkeit, die allgemeinen Grundsätze des Schutzes der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer einzuhalten, die die Grundlage der Unionsregelung über die Arbeitszeitgestaltung bilden.
Indem sie vorsehen, dass die Ruhezeit von 24 Stunden, die Ärzten nach jeder aktiven Bereitschaft zu gewähren ist, bis um eine Woche nach dem Tag des Bereitschaftsdienstes verschoben werden kann, stehen die griechischen Rechtsvorschriften nicht in Einklang mit der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung.
⇒ Europäischer Gerichtshof Urteil 23.12.2015 – C-180/14
Für die Praxis |
In deutschen Krankenhäusern kommt es vor, dass über 10 Stunden hinaus Arbeitszeit abgefordert wird. Dazu wird Bereitschaftsdienst angeordnet. Die Schichten verlängern sich auf bis zu 24 Stunden.
Die Ruhezeit darf dann nicht ersatzlos entfallen. Diese Ruhezeit muss nun zwar verschoben, jedoch noch im unmittelbaren Zusammenhang mit diesem Bereitschaftsdienst gewährt werden.
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, Auslastungsserfassung, Gesundheitsschutz, Pausen, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag .... 03.–07.05.2021 im BZ Wannsee ⇒2105031 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überwachung, Rufbereitschaft (17.02.2021)
Überwachen und untersuchen |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Ein MTRA (Medizinisch-technischer-Röntgenassistent) wird ausschließlich am Computer eingesetzt. Die Arbeitgeberin verlangt:
Er müsse seinen Finger scannen lassen, um seine Arbeitszeit über das Zeiterfassungssystem Model »ZEUS« zu erfassen. Und er müsse sich der vom Unternehmen für das gesamte MTRA-Team organisierten betriebsärztlichen Untersuchung unterziehen.
Es wird nun um drei Abmahnungen gestritten.
Die Entscheidung |
1) Ein biometrisches Zeiterfassungssystem ist in aller Regel nicht erforderlich im Sinne von Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO, § 26 Abs. 3 BDSG.
2) Die Anordnung einer arbeitsmedizinischen Pflichtvorsorgeuntersuchung ist nur als Maßnahme infolge einer Gefährdungsbeurteilung entsprechend § 5 ArbSchG zulässig. (§ 3 Abs. 1 ArbMedVV).
⇒ LAG Berlin-Brandenburg Urteil 04.06.2020 – 10 Sa 2130/19
Aus der Begründung |
Richtig ist der Vortrag der Beklagten, dass es bei einem Zeiterfassungssystem mittels Chipkarten- oder Transpondersystem nicht ausgeschlossen ist, dass Beschäftigte ihre Anwesenheit vortäuschen ohne tatsächlich anwesend zu sein. Allerdings dürfte dieses abgesehen von den unter 2.2.4 beschriebenen Sachverhalten einen Arbeitszeitbetrug und somit eine Straftat darstellen.
Wenn aber für die Aufdeckung von Straftaten entsprechend § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG personenbezogene Daten von Beschäftigten nur verarbeitet werden dürfen, wenn »zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte« den Verdacht begründen, muss das erst recht für den Fall gelten, dass zur Vermeidung von Straftaten eine ständige Verarbeitung besonders geschützter biometrischer Beschäftigtendaten erfolgen soll. Dieser Grundrechtseingriff ist aufgrund der Festlegung in § 9 DSGVO von hoher Intensität und kann bereits als solcher unverhältnismäßig sein, wenn der Eingriffsanlass kein hinreichendes Gewicht aufweist. Soweit der Eingriff der Abwehr bestimmter Gefahren dient, kommt es für das Gewicht des Eingriffsanlasses maßgeblich auf den Rang und die Art der Gefährdung der Schutzgüter an (vgl. auch BVerfG vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07, 1 BvR 595/07). […]
Weshalb es aber im Betrieb der Beklagten in Berlin unentdeckt bleiben soll, wenn der Kläger (bzw. andere Mitarbeiter) entgegen dem Dienstplan bzw. der im System hinterlegten Sollarbeitszeit zu spät erscheinen oder vorzeitig gehen, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. Selbst wenn entsprechend dem Vortrag der Beklagten nicht immer ein Praxismanager vor Ort sein sollte, sind die übrigen Beschäftigten vor Ort. Dass diesen eine etwaige Unterbesetzung nicht auffallen würde, ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen. […]
§ 26 Abs. 3 BDSG |
Auch übersieht die Beklagte, dass sie nicht nach Gutdünken ihre Beschäftigten anweisen kann, sich einer betriebsärztlichen Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen. Vielmehr hat der Arbeitgeber auf Grundlage der nach § 5 ArbSchG allgemein vorzunehmenden Gefährdungsbeurteilung den Umfang der arbeitsmedizinischen Vorsorgemaßnahmen festzulegen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV). Das Vorhandensein einer Gefährdungsbeurteilung ist grundlegende Bedingung für ärztliche Maßnahmen der Pflicht-, Angebots- und Wunschvorsorge. Zwar hat die Beklagte in der Berufungsverhandlung auf Nachfrage erklärt, dass sie davon ausgehe, dass es eine entsprechende Gefährdungsbeurteilung gebe, da die Untersuchung betriebsärztlich organisiert worden sei, doch verkennt die Beklagte hier erneut den wesentlichen Inhalt der bereits seit 1996 im ArbSchG vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilung. Dazu hätte es für die verschiedenen Tätigkeiten im Betrieb der Beklagten einer Beurteilung der mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen bedurft. Aus dieser hätte sich dann auch ergeben, ob der Kläger Tätigkeiten wie alle anderen MTRA ausübt und welche Gefährdungen damit verbunden sind oder ob der Kläger einen anderen Tätigkeitszuschnitt mit anderen Gefährdungen hat.
Da die Beklagte keine entsprechende Gefährdungsbeurteilung dargelegt hat und ohne Gefährdungsbeurteilung keine Pflichtvorsorge durchgeführt werden muss, wie sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 ArbMedVV ergibt, kann auch die diesbezügliche Abmahnung keinen Bestand haben und ist aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
|
Schwerbehindert: Keine Rufbereitschaft |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Ein Kollege arbeitet als Gruppenpflegekraft in einem Dialyse-Zentrum. 'Tariflich' und ergänzt über eine Betriebsvereinbarung werden im Anschluss an die Spätschichten Rufbereitschaften angeordnet. Diese Einteilung zur Rufbereitschaft erfolgt – und zwar möglichst auf freiwilliger Grundlage – üblicherweise im Anschluss an den Spätdienst, wobei nach Darstellung der Beklagten eine tatsächliche Inanspruchnahme der Arbeitsleistung während der Rufbereitschaft im zurückliegenden Zeitraum Januar bis Juni 2004 in 27% der Fälle erfolgt ist. Der Kläger verlangt, davon ausgenommen zu werden.
Die Entscheidung |
❍ Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, an den Tagen seines dienstplanmäßigen Einsatzes im Anschluss hieran Rufbereitschaft zu leisten.
❍ Es wird weiter festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, mehr als acht Stunden arbeitstäglich zu arbeiten, soweit nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG gegeben sind.
Leitsätze:
1. Nicht die Rufbereitschaft als solche, wohl aber die während der Rufbereitschaft geleistete Arbeit ist bei der Berechnung der gesetzlichen Arbeitszeit zu berücksichtigen.
2. Da der schwerbehinderte Arbeitnehmer nach § 124 SGB IX [heute § 207 SGB IX] zur Mehrarbeit nicht verpflichtet ist und als Mehrarbeit die Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit von 8 Stunden/Tag zählt (BAG AP § 124 SGB IX Nr. 1), überschreitet eine Einteilung des Schwerbehinderten zur Rufbereitschaft im Anschluss an die dienstplanmäßig zu leistende Arbeitszeit von 7 Std. 42 Min. die Grenzen billigen Ermessens, sofern die bis zum Erreichen der gesetzlichen Arbeitszeit verbleibenden Minuten keine sinnvolle Arbeitsleistung ergeben.
3. Die betriebliche Notwendigkeit zur Anordnung regelmäßiger Rufbereitschaft in einem Dialysezentrum erfüllt für sich genommen nicht die Voraussetzungen des § 14 ArbZG zur Durchbrechung der gesetzlichen Arbeitszeit in ,,außergewöhnlichen Fällen''.
⇒ LAG Hamm Urteil 30.03.2006 – 8 Sa 1992/04
Aus der Begründung |
[Rn. 29] Entgegen dem Standpunkt des Beklagten handelt es sich bei den im Einzelfall erforderlichen Arbeitseinsätzen während der Rufbereitschaft auch nicht um Anwendungsfälle des § 14 ArbZG. Auch wenn man davon ausgeht, dass es sich bei den während der Rufbereitschaft anfallenden Tätigkeiten um Notfälle im Sinne des § 14 Abs. 1 ArbZG oder um unaufschiebbare Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen im Sinne des § 14 Abs. 2 Ziff. 2 ArbZG handelt, ist zu beachten, dass die für diesen Fall gesetzlich vorgesehene Durchbrechung arbeitszeitrechtlicher Vorschriften nur in Frage kommt, wenn "deren Folge nicht auf andere Weise zu beseitigen sind" bzw. "wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können". Eben die Einführung von Rufbereitschaft stellt sich aber als entsprechende geeignete Vorkehrung zur Bekämpfung von Notlagen dar. Dass der Kläger – wie jeder andere Arbeitnehmer – in nicht vorhersehbaren Notfällen zur Arbeitsleistung herangezogen werden könnte, welche mittels der eingerichteten Rufbereitschaft nicht abgedeckt sind, bedeutet nicht, dass auch solche Fallgestaltungen, die nach der eigenen Darstellung des Beklagten mit einer gewissen Regelmäßigkeit anfallen, eine allgemeine Ausnahme von arbeitszeitrechtlichen Regeln nach § 14 ArbZG begründen können.
[Rn 30] Die Vorschrift des § 124 SGB IX knüpft nicht an einen Zusammenhang zwischen gesundheitlich bedingten Leistungseinschränkungen und konkreten Arbeitsbedingungen an, sondern räumt ganz allgemein den Schwerbehinderten und den ihnen gleichgestellten Personen das Recht ein, von Mehrarbeit freigestellt zu werden. Wie das Bundesarbeitsgericht in der bereits zitierten Entscheidung ausgeführt hat, verfolgt das Gesetz auf diese Weise das Ziel, dem schwerbehinderten Arbeitnehmer eine vergleichbare Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wie einem Nichtbehinderten zu verschaffen, wozu die Gewährung ausreichender arbeitsfreier Zeit nach Maßgabe der gesetzlichen Arbeitszeitbegrenzung auf acht Stunden arbeitstäglich gehört. Auf einen konkreten Zusammenhang mit den der anerkannten Behinderung zugrunde liegenden Erkrankungen kommt es hierbei nicht an, vielmehr gilt nach dem Gesetz ein abstrakter Maßstab für die Anerkennung der Schwerbehinderung bzw. behördliche Gleichstellungsentscheidung. […]
Tipps für die Praxis |
Ungeklärt ist: Erweitert die tarifvertragliche Begriffsbestimmung der 'Mehrarbeit' (etwa in § 7 Abs. 6 TVöD /TV-L für Teilzeitbeschäftigte) hier zugleich den Schutz des § 207 SGB IX? Kann eine Schwerbehinderte verlangen, von Überplanung verschont zu werden? Damit bekämen die Tarifverträge einen Sinn. Jede andere Deutung würde eine tarifliche Schlechterstellung wegen der Teilzeit bedeuten, entgegen § 4 TzBfG.
§ 14 ArbZG durchlöchert die Schutzregeln des ArbZG, in seltenen Eilfällen. In der Pflege und Betreuung von Patienten und Klienten berufen sich Arbeitgeber gelegentlich auf solche Ausnahmen. Dies hebelt noch nicht die zwingend vorausgehende Mitbestimmung aus.
Rufbereitschaften sind eine geeignete und dem Arbeitgeber zumutbare Maßnahmen, sich vorausschauend für Notlagen zu organisieren und diese abzuwehren.
Zugleich aber stellen Rufbereitschaften eine zusätzliche Belastung für die Beschäftigten dar. Sie verringern die beschäftigungsfreie Lebenszeit, die wir zur unbeschränkten Teilhabe am Leben brauchen.
Faustregel 1: Geordnete und freiwillige Rufbereitschaften sind schonender und auch besser bezahlt als überraschende Überstunden.
Faustregel 2: Zusätzliche und besetzte Stellen sind besser als Rufbereitschaften in unserer Freizeit.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Teilzeit aufstocken (04.02.2021)
Aufstocken! |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Es wollte der Paketlogistiker UPS am Standort Ditzingen Arbeitnehmer nur in einer von drei Schichten in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 17 Stunden beschäftigen und lehntenk Arbeitszeiterhöhungen auf 34 Stunden pro Woche in zwei Schichten grundsätzlich ab.
Der Betriebsrat verweigerte daher in mehr als hundert Fällen seine Zustimmung zur Einstellung von neuen Arbeitnehmern auf Einschicht-Arbeitsplätze mit 17 Wochenstunden, weil er darin eine Benachteiligung der aufstockungswilligen Arbeitnehmer sah.
Der Arbeitgeber musste in jedem Fall die arbeitsgerichtliche Ersetzung der Zustimmung erreichen.
Die Entscheidung |
1. Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen (wie BAG 01.06.2011 7 ABR 117/09 Rn. 29 der Gründe).
2. Anerkennenswerte Sachgründe liegen nicht vor. Eine Einschränkung der Flexibilisierung des Personaleinsatzes durch Mehrarbeit ist nicht erkennbar. Ein erhöhter Organisationsaufwand in Vertretungsfällen wie Urlaub und Krankheit ist hinzunehmen. Höhere Krankenstände und eine größere Zahl von Betriebsunfällen in Doppelschichten sind nicht zwingend auf die höhere Arbeitszeit zurückzuführen.
3. Dem Betriebsrat steht daher ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG zu.
⇒ LAG Baden-Württemberg Beschluss 21.03.2013 – 6 TaBV 9/120
Aus der Begründung |
[Rn 59] Die Organisationsfreiheit des Arbeitgebers darf jedoch nicht zur Umgehung des § 9 TzBfG genutzt werden. Wenn der Arbeitgeber, anstatt die Arbeitszeiten der aufstockungswilligen Teilzeitbeschäftigten zu verlängern, weitere Teilzeitarbeitsplätze ohne höhere Arbeitszeit einrichtet, müssen für diese Entscheidung arbeitsplatzbezogene Sachgründe bestehen (BAG aaO Rn. 30 der Gründe). Dem Arbeitgeber ist es nicht überlassen, ob er generell nur Teilzeitstellen oder nur Vollzeitstellen einrichtet. Vielmehr ist hierfür das Vorliegen arbeitsplatzbezogener Gesichtspunkte unerlässlich. […]
[Rn 61] Soweit die Arbeitgeberin geltend gemacht hat, in Doppelschicht tätige Arbeitnehmer seien regelmäßig nicht bereit, Mehrarbeit zu leisten, hat der Betriebsrat unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die Arbeitnehmer dazu in den Arbeitsverträgen verpflichtet seien und dass die Arbeitgeberin die Möglichkeit habe, diese Mehrarbeit mit Zustimmung des Betriebsrats anzuordnen. Die Kammer hält daher die vorgebrachten Erschwernisse bei der Arbeitszeiteinteilung für zumutbar und für keinen sachlichen Grund zur Rechtfertigung des behaupteten Organisationmodells. […]
[Rn. 63] Die Pausen zwischen den Schichten bewegen sich zwischen 30 – 45 Minuten und 2,5 Stunden. Eine Regelung mit dem Betriebsrat zur Beschränkung der Pausen ist bislang nicht getroffen. Eine unzumutbare Einschränkung der Flexibilität der Beklagten bei ihrer Personaleinsatzplanung ist daher auch diesbezüglich nicht anzuerkennen.
[Rn. 64] Schließlich ist auch der behauptete höhere Krankenstand und die höhere Zahl von Arbeitsunfällen bei den in Doppelschicht tätigen Arbeitnehmern kein ausreichender Sachgrund. Der Betriebsrat hat unwidersprochen vorgetragen, in den Einzelschichten seien vorwiegend Mitarbeiter mit Probezeit oder befristeten Verträgen tätig. Auch hieraus könne die niedrigere Krankenquote erfolgen. Dagegen seien in den Doppelschichten vorwiegend ältere Mitarbeiter tätig. Die Kammer hält insoweit die Argumentation der Arbeitgeberin, sie müsse Gesundheitsgefahren für die Mitarbeiter abwehren, für vorgeschoben, um ihre Organisationsentscheidung, nur Arbeitsplätze in einer Schicht anzubieten, durchzusetzen.
Tipps für die Praxis |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaft, Freistellung (31.01.2021)
Gesetzwidrige 24-Stunden-Dienste |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Ein Notfallsanitäter hat einzelvertraglich mit dem Kreisverband Mecklenburgische Seenplatte e.V. (tariffrei) seine über das Kalenderjahr wochendurchschnittliche Zeitschuld auf 54 Stunden verlängert. Es werden mit dem Betriebsrat vereinbarte 24-stündige Schichten abgefordert und Bereitschaftsdienst genannt. Er fordert 13.063,59 €Nachzahlung.
Die Entscheidung |
1. Arbeitsbereitschaft ist ebenso wie Bereitschaftsdienst eine vergütungspflichtige Arbeitsleistung im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB bzw. § 611a BGB.
2. Der Bereitschaftsdienst muss aber nicht wie Vollarbeit vergütet werden. Die Arbeitsvertragsparteien können für diese Sonderform der Arbeit ein geringeres Entgelt als für Vollarbeit vereinbaren.
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 15.09. 2020 – 5 Sa 188/19
Aus der Begründung |
Bereitschaftsdienst, den der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen und den der Arbeitnehmer dennoch leistet, bleibt Bereitschaftsdienst und wird nicht etwa von selbst zu voller Arbeitsleistung mit einem entsprechenden Vergütungsanspruch […] Hat die Ableistung der Bereitschaftsdienste gegen öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften verstoßen und waren die zugrundeliegenden Anordnungen gemäß § 134 BGB nichtig, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung.
Die Vorschriften zur Arbeitszeit, den Ruhepausen, zur Ruhezeit usw. dienen dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer und sollen ihn vor einer die Gesundheit gefährdenden Überbeanspruchung bewahren. Eine angemessene Vergütung der Arbeit wollen sie dagegen nicht sicherstellen […] .
Dem Ziel des Gesundheitsschutzes steht es grundsätzlich entgegen, finanzielle Anreize für eine Überschreitung der Arbeitszeitgrenzen zu setzen, indem beispielsweise die geringere Bereitschaftsdienstvergütung auf den Stundenlohn für Vollarbeit angehoben wird. Unabhängig davon führt aber ein Verstoß gegen § 3 ArbZG nicht zum Ausschluss eines Vergütungsanspruchs […] .
Dass die Höhe des Gehalts aus einer möglicherweise ganz oder teilweise unwirksamen Betriebsvereinbarung abgeleitet wurde, ändert nichts an der Wirksamkeit des Arbeitsvertrages. Eine betriebliche Einheitsregelung in Form einer Gesamtzusage oder gebündelter Vertragsangebote wird durch die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht ausgeschlossen […] .
Der Kläger hat keine Arbeitsleistungen erbracht, die von der vereinbarten Vergütung nicht erfasst sind. Die geleisteten 24-Stunden-Schichten wurden vollständig bezahlt. Soweit der Beklagte je 24-Stunden-Schicht nur 17,8 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben hat, folgt daraus nicht, dass jeweils 6,2 Stunden nicht vergütet wurden. […]
Der Kläger hat keine noch nicht vergüteten oder noch nicht durch Freizeit ausgeglichenen Arbeitsstunden über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus geleistet. Die Abrechnung des Arbeitszeitkontos zum Jahresende ist nicht Gegenstand des Verfahrens.
Tipps für die Praxis |
Für die Interessenvertretung und die Aufsichtsbehörden ist es wohl noch peinlicher als für den Arbeitgeber, wenn das Arbeitsgericht darauf hinweist: Die mitbestimmte betriebliche Praxis ist unzulässig weil schutzgesetzwidrig.
Für die betroffenen Beschäftigten entsteht nicht automatisch ein rückwirkender Anspruch auf Nachzahlung von Differenzen. Uns ist kein Fall bekannt, in dem mitbestimmt und doch fälschlich Bereitschaftsdienst angeordnet wurde und damit tatsächlich Vollzeit-Vergütung bzw. Überstundenvergütung zustand.
TVöD-AT § 7 Absatz 3 |
Was nicht durch TVöD-AT § 7 Absatz 3 erfasst ist, muss der Arbeitgeber mit der ungekürzten Stundenvergütung bezahlen. Es wird kein Bereitschaftsdienst angeordnet.
TVöD-K / -B T § 7.1 Absatz 1 |
Ein Verstoß gegen TVöD-K bzw. -B § 7.1 Absatz 1 lässt lediglich die Verpflichtung zu dieser Arbeitsleistung entfallen. Dann wird vertragswidrig Bereitschaftsdienst angeordnet. Leistet die Kollegin dennoch, dann Bereitschaftsdienst. Es wird nur die vereinbarte Vergütung für den Bereitschaftsdienst fällig.
Anderes gilt, wenn angeblich Rufbereitschaft, tatsächlich aber Bereitschaftsdienst angeordnet wird. Verlangt der Arbeitgeber eine kurze Reaktionszeit oder bestimmt er den Aufenthaltsort, dann ordnet er – wenn auch mit dem falschen Begriff Rufdienst / Rufbereitschaft – einen Anwesenheits-Bereitschaftsdienst an (BAG, Urteil 28.04.1971 – 4 AZR 538/68; BAG, Urteil 19.12.1991 – 6 AZR 592/89; BAG 31.01.2002 – 6 AZR 214/00; LAG-Köln – Urteil 13.08.2008 – 3 Sa 1453/07).
Streit um Bezahlung von Arbeitszeit-Überwachung |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Der BR-Vorsitzende schreibt dem Arbeitgeber:
»In den letzten Tagen gab [… es …] eine sehr beunruhigende Stimmungslage in der Belegschaft der Produktion. Da die freigestellten Mitglieder derzeit in Schlichtungsterminen sind, hat der Betriebsrat aufgrund der Ereignisse, von überhöhten
Anfragen der Produktionsmitarbeiter und über die Entgeltzuwendungen sowie deren Abrechnungen, […] beschlossen einen Ausschuss zu bilden.
Der Ausschuss wird vom .... bis .... zur Erfüllung der Aufgabe freigestellt.
Wir bitten um Unterstützung durch den Arbeitgeber, in Form des Wissens des Personalbüros die Entgelte und deren Abrechnungen, für den Arbeitnehmer transparent zu klären […] «
Ein Betriebsrat mailt dem Vorgesetzten, er sei ab übermorgen für vier Tage als Betriebsrat freigestellt.
Der Arbeitgeber kürzt daraufhin den Lohn. Das BR-Mitglied klagt. Erfolglos.
⇒ LAG Rheinland-Pfalz, Urteil 21.07.2020 – 8 Sa 400/19
Aus der Begründung |
(3) Es sprach allerdings teilweise gegen die Erforderlichkeit seines Vorgehens, dass der Kläger offenbar bei seiner Zeitprognose auch eine umfassende »Beratung« der Belegschaft einbezogen hatte. Die hierfür vorgesehenen Zeitanteile wurden vom Kläger auch dann nicht beziffert, als die Beklagte substantiiert bestritten hatte, dass vor dem Rücklauf der – bestrittenen – 220 Beratungsanträge frühestens ab Mittwoch, den 14. November 2018 eine Arbeitsbefreiung nicht erforderlich gewesen sei. […]
(4) Der Kläger hat insbesondere nicht widerspruchsfrei vorgetragen, in welchem zeitlichen Umfang er tatsächlich welche Art von Betriebsratsaufgaben erledigt haben will. Für die Beklagte, aber auch für das Gericht, war deshalb nicht erkennbar, ob der Kläger überhaupt im Umfang einer Vollzeitstelle Betriebsratsarbeit geleistet hat. Dieser Sachvortrag (vgl. exemplarisch BAG 15. März 1995 – 7 AZR 643/94 -) wäre aber schon deshalb notwendig gewesen, weil grds. nur für tatsächliche geleistete Betriebsratsarbeit eine Lohnfortzahlung aus § 37 Abs. 2 BetrVG abgeleitet werden kann. Sollte der Kläger nicht im Umfang einer Vollzeitstelle mit Betriebsratsarbeit befasst gewesen sein, so wäre es an ihm gewesen, die tatsächliche Grundlage seiner Prognoseentscheidung darzulegen.[…] Er beschränkt sich auf die pauschale Behauptung, es sei sehr viel Betriebsratsarbeit zu erwarten gewesen, weil er »immer wieder« auf die Lohnabrechnungen angesprochen worden sei. […]
Auch hatte der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt, wieso es zur Erstellung eines Flyers mit gerade einmal einer DIN-A4 Seite stichwortartiger Information zu nur fünf Abrechnungspositionen der gleichzeitigen Freistellung von drei vollzeitbeschäftigten Betriebsratsmitgliedern bedurfte und wieviel Zeit die Erstellung in Anspruch genommen hat.
Ebensowenig hatte der Kläger vorgetragen, von wann bis wann er sich am Montag, den 12. November 2018, in der Betriebsratssitzung befand, was einen Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 37 Abs. 2 BetrVG ohne weiteres auslösen würde. […]
(6) Im Rahmen des § 37 Abs. 2 BetrVG sind damit – wie in allen Fällen der Lohnfortzahlung ohne Erbringung der Arbeitsleistung, zB nach § 3 EFZG oder § 615 BGB – weitergehende Anspruchsvoraussetzungen darzulegen als es für den Vergütungsanspruch nach Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung notwendig ist. Dieser wird in der Regel bereits dadurch schlüssig vorgetragen, dass der Arbeitnehmer darlegt, in welchem zeitlichen Umfang er arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten erbracht hat, ohne dass die Art der Tätigkeit vorgetragen werden muss (BAG 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 – Rn. 13 f.). Hier genügt der kursorische Vortrag, weil der Arbeitgeber kraft seines Weisungs- und Organisationsrechts alle Einzelheiten der Arbeitsleistung kennen muss und deshalb substantiiert bestreiten kann.
Das gilt aber nicht in gleicher Weise für Betriebsratsarbeit, die sich der Kenntnis des Arbeitgebers zumindest teilweise entzieht. Von einem Betriebsratsmitglied muss deshalb erwartet werden, dass er seinen Vergütungsanspruch iRd. § 37 Abs. 2 BetrVG von sich aus nach Art und zeitlichem Umfang nachvollziehbar darlegt – auch weil es sich bei seiner Vergütungsforderung um eine Ausnahme vom Grundsatz »Ohne Arbeit kein Lohn« handelt (vgl. zu letzterem BAG 18. April 2012 – 5 AZR 248/11 – Rn. 14 unter Hinweis auf die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts, wonach gemäß § 326 Abs. 1 BGB die Gegenleistung entfällt, weil die Arbeitsleistung als Fixschuld mit Zeitablauf unmöglich wird; andererseits: BAG 15. März 1995 – 7 AZR 643/94 – zu II 1 c und d der Gründe).
(7) Dabei wird nicht verkannt, dass der Betriebsrat nicht sämtliche Details seiner Arbeit offenlegen muss. Die Art der Tätigkeit und der jeweils hierauf entfallende zeitliche Umfang nach Tag und Uhrzeit können jedoch regelmäßig dargelegt werden, ohne dass die Vertraulichkeit der Betriebsratsarbeit (vgl. Fitting 30. Auflage BetrVG § 79 Rn. 32 ff.) aufgehoben wird, so wie das etwa mit der Darlegung
»Betriebsratssitzung am Montag von ... Uhr bis ... Uhr« oder
»Prüfung von 10 Lohnabrechnungen am Donnerstag von ... Uhr bis ... Uhr« oder
»Erstellung des Flyers Schichtzuschläge am Montag von ... Uhr bis ... Uhr« oder
»Informationsveranstaltung am Dienstag von ... Uhr bis ... Uhr für die Belegschaft in der Abteilung X«
möglich wäre. Ein solcher Sachvortrag wäre auch dem Beweis zugänglich. Der pauschale Vortrag, der Kläger sei ganze »vier Tage« innerhalb der Kalenderwoche 46/2018 durchgängig mit Durchsicht von Lohnabrechnungen zur Prüfung tariflicher Vergütung beschäftigt gewesen, ist demgegenüber nicht ausreichend, weil er vorliegend den sonstigen Abläufen widersprach. Das hat die Beklagte mit der Berufungserwiderung zu Recht gerügt.
(8) Schließlich war auch zu berücksichtigen, dass der Kläger jederzeit seine vertraglich geschuldete Arbeit wieder hätte aufnehmen können, wenn sich die Prognose über die anfallende Betriebsratsarbeit nicht bestätigt. In Ermangelung eines abweichenden Sachvortrags war (zugunsten des Klägers) davon auszugehen, dass er sich in der Kalenderwoche 46/2018 während der regelmäßigen Arbeitszeit im Betrieb aufgehalten hat. Umso mehr war hier eine nachvollziehbare Darlegung der geleisteten Betriebsratsarbeit in Bestätigung der angestellten Prognose zu erwarten.
(9) Damit musste offenbleiben, ob ein entschuldbarer Irrtum des Klägers über das Bestehen einer Betriebsratsaufgabe oder über die Erforderlichkeit der getroffenen Maßnahmen einen Anspruch auf Fortzahlung seiner Arbeitsvergütung aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 37 Abs. 2 BetrVG tangiert […] .
Tipps für die Praxis |
❍ Freigestellt von der Arbeitspflicht ist jedes Mitglied des BR / PR / der MAV, soweit es notwendige Amtstätigkeit leistet.
❍ Die tatsächliche Zeit der Sitzungsteilnahme gilt als notwendige Amtstätigkeit – die Teilnahmeliste ist Nachweis genug. Ebenso: Teilnahme an Ausschüssen, Besprechungen mit dem Arbeitgeber, Sprechstunden.
❍ Ein Beschluss des Gremiums stellt nicht frei.
❍ Ein Beschluss des Gremiums kann die Erledigung notwendiger Aufgaben übertragen. Er belegt dann nur die 'Prognose', also die bloße Erwartung der Notwendigkeit.
❍ Eine aktive, nicht pauschal freigestellte Interessenvertreterin könnte Streit befürchten, was die Entgeltfortzahlung angeht. Sie sollte für ihre Initiativen zumindest stichpunktartig darstellen können: Die im betreffenden Zeitabschnitt tatsächlich von mir in Angriff genommene Aufgabe war notwendig.
❍ Insbesondere im Zuge der Amtstätigkeit entdeckte Verstöße gegen Schutzgesetze und Verträge eignen sich dazu gut. Fragt ein Arbeitgeber nervend nach, bekommt er eine unangenehme Antwort: »Da habe ich entdeckt, dass Sie unsere Mitbestimmung verletzten, indem Sie Überstunden anordneten. Sie haben Pausen durcharbeiten lassen – eine Straftat, die wir nun zur Anzeige bringen.«
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] billiges Ermessen (18.01.2021)
Billiges Ermessen - in jedem Einzelfall |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Einzelhandelsgeschäft, 70 Kassiererinnen, mit einem Schichtsystem montags bis samstags; eine Betriebsvereinbarung regelt die »Arbeitszeit/ Reduzierung von Überstunden«.
Eine Kollegin klagt wegen Kinderbetreuung, um ihren Einsatz ausschließlich in Frühschichten Montag bis Freitag durchzusetzen. Sie verlangt Festlegung für die Zukunft und zudem eine einstweilige Verfügung, weil es ihr eilt . Sie hat vor dem Arbeitsgericht Kiel (Urteil 30.04.2020 – 1 Ga 5 d/20) in der Hauptsache Erfolg; beide Parteien erklärten das schon angekündigte Berufungsverfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt.
Die Entscheidung |
Das Landesarbeitsgericht hatte nicht in der Hauptsache zu entscheiden, sondern lediglich über den Antrag auf eine vorläufige, einstweilige Verfügung. Dieser Zwischenschritt wurde vom LAG verwehrt:
2. Wird in einem Unternehmen nach wechselnden Dienstplänen gearbeitet, übt der Arbeitgeber bei jeder Dienstplanerstellung sein Ermessen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer aus. Ist ein Arbeitnehmer mit der Lage der für ihn festgelegten Arbeitszeit nicht einverstanden, ist für den konkreten Dienstplan festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 106 S.1 GewO gewahrt sind, insbesondere also, ob der Arbeitgeber billiges Ermessen gewahrt hat.
3. Ein Antrag des Arbeitnehmers generell festgestellt zu bekommen, dass er nicht verpflichtet ist, zu bestimmten Arbeitszeiten zu arbeiten (hier: Kassiererin im Supermarkt, die nicht am Nachmittag und am Samstag arbeiten will), ist in diesen Fällen regelmäßig unbegründet, weil es für die Frage der Billigkeit auf die Umstände bei Ausübung des Direktionsrechts ankommt und diese Umstände sich ändern können.
⇒ LAG Schleswig-Holstein, Beschluss 20.10.2020 – 1 SaGa 4/20
Aus der Begründung |
Die konkrete Zuweisung der Arbeitszeit wird durch die regelmäßig von der Beklagten aufgestellten, vom Betriebsrat mitbestimmten Dienstpläne vorgenommen. […]
Ein vertraglicher Anspruch auf die von der Klägerin begehrte Arbeitszeit besteht damit unzweifelhaft nicht. Vielmehr ist nach dem Vertrag eine Tätigkeit an allen Werktagen – auch samstags – sowie auch in der Spätschicht ab 13.00 Uhr vorgesehen. […]
aa) Eine Leistungsbestimmung im Sinne des § 106 S. 1 GewO entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind. Geht es um die Bestimmung der Lage der Arbeitszeit, sind bei der vorzunehmenden Interessenabwägung auch die Verpflichtungen des Arbeitnehmers zur Personensorge zu berücksichtigen. Geht es um die Personensorge für ein Kind, hat der Arbeitnehmer eine durch Art. 6 GG geschützte Rechtsposition, was seine Rechtsposition in der Abwägung verstärkt (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 26.11.2008 – 2 Sa 217/08 – juris; LAG Köln, Urt. v. 27.03.2012 – 12 SA 987/11 – juris).
bb) Maßgeblich für die Abwägung ist die Interessenlage im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts (std. Rspr., z.B.: BAG v. 23.09.2004 – 6 AZR 567/03 – juris).
cc) Nach diesen Grundsätzen kann nicht festgestellt werden, dass das Ermessen der Beklagten zukünftig bei der Erstellung jedes neuen Dienstplans darauf reduziert ist, dass die Klägerin nur zu den von ihr beantragten Zeiten eingesetzt werden darf. Der Klägerin geht es darum, bereits jetzt ein Abwägungsergebnis vorzugeben, bei dem die konkreten Umstände der Abwägung noch gar nicht feststehen. Denn maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Arbeitszeitzuweisung ist der Zeitpunkt der Aufstellung der jeweiligen Dienstpläne, da erst zu jenem Zeitpunkt die Beklagte ihr Ermessen gegenüber der Klägerin ausübt. Erst bei Einteilung in den jeweiligen Dienstplan kann daher überprüft werden, ob dem grundsätzlich schützenswerten Interesse der Klägerin im Einzelfall betriebliche Interessen der Beklagten oder Interessen anderer Arbeitnehmer entgegenstehen (ebenso: LAG Köln, aaO, Rn. 45).
Die Beklagte hat insoweit etwa auf das Weihnachtsgeschäft hingewiesen, das den Einsatz der Klägerin zwingend auch an einem Nachmittag oder dem Samstag erfordern könnte. Ob Interessen der Beklagten das zweifellos erhebliche Interesse der Klägerin an der Nichtbeschäftigung zu diesen Zeiten überwiegt, kann jeweils nur in der konkreten Situation unter Berücksichtigung und Abwägung der dann konkreten Interessen entschieden werden, nicht – wie mit dem Antrag geltend gemacht – jetzt generell-abstrakt für alle zukünftigen Einsätze. […]
Die Beklagte hat auch bereits darauf hingewiesen, dass die Klägerin ihre Interessen an der Dienstplangestaltung über den Betriebsrat einbringen kann, dessen Einwände regelmäßig berücksichtigt werden. Sollte dies der Klägerin nicht erfolgreich gelingen, bleibt es ihr unbenommen, gegen die jeweiligen konkreten Dienstpläne – ggf. im Rahmen einer einstweiligen Verfügung – vorzugehen.
Für Deine Praxis |
Wenn ein Plan im Arbeitsbereich ausgehängt wird, wird er meist noch nicht verbindlich angeordnet. Erst warten alle noch, ob der Betriebsrat / die Mitarbeitervertretung den Absichten des Arbeitgebers genau so zustimmt.
Manchmal tauchen in dieser Zeit der Prüfungen und Beratungen bei einer Kollegin noch überraschende Änderungen für die Lebensplanung auf. Kein Problem!
Arbeitgeber und Betriebsrat muss nochmal ran, ihr Plan kann noch geändert werden. Das mag etwas unübersichtlich sein. Doch die Rechtslage ist klar: Der Arbeitgeber darf sich nicht nur auf seine Überlegungen bei der ersten Aufstellung des Dienstplanes zurückziehen. Sonst bliebe sein billiges Ermessen fehlerhaft, und die Anordnung bliebe für die Kollegin rechtsunwirksam.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Teilzeit (28.11.2020)
Teilzeit nicht benachteiligen |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Der 10. Senat hat einen Streit zu entscheiden. Hat ein Arbeitnehmer in Teilzeit Anspruch auf die erhöhte Vergütung für ›Mehrflugdienststunden‹? Deren tarifliche Bestimmungen enthalten identische Auslösegrenzen für Voll- und Teilzeit. Der Arbeitnehmer in Teilzeit kommt erst in den Genuss der erhöhten Vergütung, nachdem er zunächst die Differenz zwischen seiner individuellen Auslösegrenze und der tarifvertraglichen Auslösegrenze gearbeitet hat.
Der Arbeitgeber erkennt für diese unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten einen sachlicher Grund: Die Mehrflugdienststundenvergütung diene dazu, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Die Belastung bestehe tarifkonform erst dann, wenn die Auslösegrenzen überschritten seien.
Uns fallen drei ähnliche Fallgestaltungen ein:
❍ Der Anspruch auf Überstundenvergütung entsteht erst, falls die tatsächliche Arbeitszeit der Teilzeitbeschäftigten die Schwelle zur Vollzeitarbeitszeit überschreitet.
❍ Der Anspruch auf Wechselschichtzulage entsteht erst, falls eine starre Belastungsanforderung überschritten wird (Auslösegrenze z.B.: binnen einem Monat erneut zwei Nachtschichten). Die Teilzeitbeschäftigten erhalten aber die Zulage dafür nur anteilig ihrer Zeitschuld.
❍ Betriebe rechnen die Urlaubstage abhängig der anteiligen Zeitschuld um.
Die offene Frage |
Der 10. Senat hat sich am 19.12.2018 der Rechtsauffassung des 6. Senats ⇒ angeschlossen: Teilzeitbeschäftigte werden benachteiligt, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der an ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert wird (verminderte Auslösegrenze für den Anspruch).
Dem mögen nicht alle folgen. So entschied auch das LAG Nürnberg (Urteil 30.04.2019 - 7 Sa 346/18, in Revision BAG - 6 AZR 254/19), es handele sich bei der Festlegung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte (§ 6 Abs.1 TVöD) zugleich um eine durch die Tarifparteien gesetzte sachlich begründete Belastungsgrenze.
Der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat nun am 11. November beschlossen, sich an den EuGH zu wenden:
⇒ § BAG Beschluss 11.11.2020 - 10 AZR 185/20 (A) |
Schauen wir zunächst, was die angesprochene Richtlinie regelt:
Europäische Richtlinie 97/81/EG |
Das Anliegen der Richtlinie hat die Schröder-Regierung Ende 2000 in nationales Recht umzusetzen versucht:
§ 4 Verbot der Diskriminierung |
Der Kern |
Wir betrachten Leistung und Gegenleistung. Die Leistung (Arbeitszeit) wird zur Rechtsvoraussetzungen der Gegenleistung.
❍ Die Verlängerung der Arbeitszeit über das festgelegte Arbeitsende hinaus belastet. Zum einen wird die geplante Freizeit geopfert. Zum anderen steigt die Belastung durch Arbeitszeit abhängig von der zunehmenden Schichtlänge. Diese Belastungen sind für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte objektiv und sachlich gleich. Die Vergütung soll dies ausgleichen. Eine Differenzierung wäre europarechtswidrig und bliebe wohl auch wegen Verstoß gegen § 4 TzBfG rechtsunwirksam.
❍ Die Leistung von Überplanung belastet, also die Ausdehnung der festgelegten Arbeitszeit über das vertraglich vereinbarte Maß hinaus. Zum einen wird Freizeit geopfert. Zum anderen steigt die Belastung durch Arbeitszeit abhängig von der zunehmenden Arbeitszeitmassierung (Anzahl Schichten). Das Ausmaß dieser Belastung ist im Einzelfall unterschiedlich. Es hängt davon ab, ob und wieviel die Beschäftigten abseits von diesem Beschäftigungsverhältnis in ihrer ›Freizeit‹ bezahlt und/oder unbezahlt arbeiten. Nebentätigkeiten und unbezahlte Sorgearbeit kummulieren Belastungen nicht nur, sie steigern diese exponentiell. Es ist dennoch zumindest denkbar, dass Tarifparteien aufgrund Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeitszeit hier bestimmte Auslösegrenzen festlegen. Diese Grenze für einen zusätzliche Ausgleich durch Vergütung müsste objektiv / sachlich begründet sein. Doch die bloße Gleichsetzung mit der wochendurchschnittlichen Zeitschuld (im öffentlichen Dienst derzeit zwischen 38,5 und 42 Stunden) reicht dazu kaum.
In den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst wird eine sonderbare, individuelle / subjektive Grenze gezogen. Überstunden sind da »Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten (§ 6 Abs. 1 Satz 1) für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen«. Je nach der konkreten AZ-Festlegung kann in einer Kalenderwoche erst nach 50 Stunden (fünf mal Schichten a 10 Stunden) die erste Überstunde entstehen, oder vielleicht bereits nach der 30. Stunde.
❍ Die Leistung von Wechselschichtarbeit belastet. Sie verschiebt den Schlaf-Wachrhythmus Es zwingt zur Arbeit, obwohl der Körper nach Schlaf ruft. Diese Belastungen sind für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte objektiv und sachlich gleich. Sie treten nicht abhängig vom Umfang der Arbeitszeit auf, sondern anhängig von der Arbeitsorganisation. Auch die tarifvertraglichen Rechtsvoraussetzungen bleiben für Voll- wie Teilzeitbeschäftigte unterschiedslos. Zwar fehlt in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes hier der etwa in § 24 Abs. 2 TVöD verlangte Verweis. Doch wichtiger: Es fehlt den Tarifparteien ein objektiver /sachlicher Zweck für eine automatische anteilige Kürzung. Der Pro-rata-temporis-Grundsatz (die entsprechend dem Umfang der Arbeitszeit anteilige Gleichbehandlung) ist hier nicht angemessen. Daher steht aufgrund § 4 TzBfG die ungekürzte Zulage zu (anders entschied aber der 10. Senat früher, Urteil 24.09.2008 – 10 AZR 634/07 zu § 8 Abs. 5 TVöD).
Was tun? |
Überstundenvergütung als solche, Überstundenzeitzuschlag und ungekürzte Wechselschichtzulage sind schriftlich geltend zu machen. Es liegen hier strittige grundsätzliche Sachverhalte vor. Deshalb reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.
Die aktivierte und aktivierende Interessenvertretung organisiert dies im Betrieb. Sie macht Mut und warnt zugleich vor. Erst liegt der Ball nun beim EuGH. Dort dauert die Bearbeitung zu normalen Zeiten bis zu eineinhalb Jahren. Danach muss der 10. Senat des BAG abschließend eine Entscheidung suchen. Danach erklärt das Arbeitgeberlager, dass nur ein spezieller Fall entschieden sei und überhaupt ...
Aussicht auf rascheren Erfolg bietet die Verweigerung von genau den Belastungen und Arbeitsleistungen, für welche die Arbeitgeber den rechtmäßigen Ausgleich vorenthalten. Das geht nur in gemeinsamen Aktionen. Im Kollektiv geht nie was schief!
Bildung unter Corona-Bedingungen |
Bildungstage 16. bis 18.12.2020: Letzte Plätze: Schichtplan-Fibel aktuell |
||||
![]() |
Drei Tage kommen Aktivisten zu Themen rund um das Arbeitszeit-Recht in unserer ver.di-Bildungsstätte Berlin-Wannsee zusammen. Als aktuelle Themen dieser ⇒Bildungstage haben wir bislang identifiziert: ❍ Teilzeit (rechtswidrige Änderungsvereinbarungen) ❍ Nicht gewährte Pausen vergüten oder buchen ❍ Kurzpausen 'anrechnen' ❍ Höchstarbeitszeit ❍ Überstunden und Bereitschaftsdienst ❍ mitbestimmen - Luxus in Corona-Zeiten? ❍ Durchführungsansprüche der Interessenvertretung Am 18.12. diskutiert Karin Spelge, Vorsitzende des 6. Senats des BAG, mit uns die Gleichbehandlung von Teilzeit. Zudem erläutert sie, warum und wie Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet werden mag, aber nicht anstatt dieser. Dann noch: Ausplanungsgrad in der Schichtarbeit; Aufzeichnung der Arbeitszeit usf.. |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Teilzeitvertrag, Aufzeichnungspflichten (19.09.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Pausen
⊗ bloße Schichtunterbrechungen
⊗ Anspruch auf Korrektur der Aufzeichnungen
Nicht gewährte Pausen: dokumentieren |
➽ Zugespitzt: |
Die Entscheidung |
1. Ist ein Arbeitszeitkonto eingerichtet, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass dieses Konto korrekt geführt wird. Denn ein Arbeitszeitkonto hält fest, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht nach ⇒ § 611 Absatz 1 BGB erbracht hat oder aufgrund eines Entgeltfortzahlungstatbestandes nicht erbringen musste. Es drückt damit – in anderer Form – seinen Vergütungsanspruch aus. Wird das Arbeitszeitkonto falsch geführt, kann der Arbeitnehmer eine Korrektur des Fehlers verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen. Das gilt nicht nur für den Fall, dass der Arbeitgeber unberechtigt Streichungen zuvor gebuchter Stunden vornimmt […], sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber tatsächlich geleistete Arbeitsstunden nicht verbucht.
2. Arbeitszeit im arbeitsschutzrechtlichen Sinne ist die Zeit zwischen dem Beginn der Arbeit (Arbeitsaufnahme) und dem Zeitpunkt der Beendigung der Arbeit (vgl. § 2 ArbZG ). Die Arbeitszeit wird arbeitsschutzrechtlich damit als ein kontinuierlicher Zeitraum begriffen, der lediglich – wie in ⇒ § 2 ArbZG geregelt – durch Ruhepausen im Sinne von ⇒ § 4 ArbZG unterbrochen sein kann. Arbeitsschutzrechtlich spielt es keine Rolle, ob der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum tatsächlich arbeitet, sich lediglich zur Arbeit bereithält oder ob er – weil vielleicht gerade keine Arbeit für ihn da ist – gar nicht arbeitet. Die Tarifvertragsparteien des TVöD haben keinen davon abweichenden Begriff Arbeitszeit gebildet.
[Die Arbeitgeberin hat die] dienstlichen Einsätze im mobilen Streifen- und Kontrolldienst der Bundespolizei unter Außerachtlassung eines jeweiligen Abzugs von 30 bzw. 45 Minuten zu berücksichtigen und die sich hieraus ergebenden Zeitdifferenzen dem Arbeitszeitkonto der Klägerin gutzuschreiben.
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 19.03.2019 – 2 Sa 11/18
Der Fall |
[Rn. 1 – Eine nicht verbeamtete, uniformierte Unterstützungskraft im Streifendienst des Bundesgrenzschutzes klagt, TVöD-Bund, Schichtarbeit, nicht Wechselschichtarbeit,] verlangt Zeitgutschriften [117 Stunden] auf dem Arbeitszeitkonto sowie Zuschläge nach § 8 Absatz 1 TVöD. Dahinter steht die Frage, ob eingeplante und gewährte Arbeitsunterbrechungen im Schichtdienst der Klägerin den Anforderungen an eine Ruhepause im Sinne von ⇒ § 4 ArbZG genügen.
[Rn. 6] Die Zeit, zu der die Arbeitsunterbrechungen zu Erholungszwecken eingelegt werden sollen, werden jedenfalls seit ungefähr November 2017 – nach Behauptung der Beklagten bereits seit 2015 – durch den Gruppenleiter der Polizeiinspektion vor Beginn der Streife festgelegt. Dabei werden für die gleichzeitig eingesetzten Streifenbesatzungen die Arbeitsunterbrechungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeplant, um die Chance zu erhöhen, dass die Arbeitsunterbrechungen ohne dienstliche Störungen zur Erholung genutzt werden können. Die konkrete Arbeitsunterbrechung wird dann vom Streifenführer angeordnet. Dafür hat er der Leitstelle inzwischen zu melden, dass sich die Streife in Pause befindet. Alle Mitglieder der Streife unterbrechen den Dienst gleichzeitig. Der Führer der Streife hat auch während der Arbeitsunterbrechung sicherzustellen, dass die Streife durchgehend über Funk und das dienstliche Mobiltelefon erreichbar bleibt. Innerdienstlich wird dies als Pause unter Bereithaltung bezeichnet.
[Rn. 9 – Ein Erlass habe in 2015 »klargestellt«, dass] Unterstützungskräfte im Streifendienst, die – wie die Klägerin – nicht in Wechselschicht eingesetzt sind, während der Schichtunterbrechung nicht vergütet werden, es sei denn, die Pause hätte wegen eines Notfalls oder eines sonstigen ungewöhnlichen Falles im Sinne von § 14 ArbZG abgebrochen werden müssen.
[Rn. 24 – Die Arbeitgeberin trägt vor:] Im außerordentlichen Einsatzfalle (⇒ § 14 ArbZG) hätte die Klägerin die Schichtunterbrechung vor Ort fortsetzen und beenden können. Sie wäre dann zu gegebener Zeit wieder von dort abgeholt worden.
Aus der Begründung: |
[Rn. 40] Eine Klage auf Korrektur des Arbeitszeitkontos um eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden ist zulässig. Da die Beklagte die Existenz des Arbeitszeitkontos im Arbeitsverhältnis zur Klägerin nicht in Frage gestellt hat, geht das Gericht davon aus, dass die Parteien damit das in § 10 TVöD geregelte Arbeitszeitkonto meinen. […]
Achtung:
In diesem Polizeibetrieb wird die regelmäßige Arbeitszeit (§ 6 Abs. 1 TVöD) tariffremd auf Arbeitszeitkonten (§ 10 TVöD; Umwandelkonten) saldiert. Dies ist im Betrieb unstrittig.
In der Folge differenziert hier die Gerichtsentscheidung nicht so sauber, wie wir es uns wünschen. Umgekehrt wird die Entscheidung umstandslos übertragbar auf andere Tarifverträge und AVR.
|
[Rn. 48] Zum Begriff der Pause gehört auch, dass die Dauer der Arbeitsunterbrechung im Voraus feststeht. Die Dauer der Pause muss allerspätestens zu ihrem Beginn bekannt sein, denn eine Arbeitsunterbrechung, bei deren Beginn der Arbeitnehmer nicht weiß, wie lange sie dauern wird, kann nicht zu der gewünschten Erholung führen. Denn der Arbeitnehmer muss sich in einem solchen Falle durchgehend zur Arbeit bereithalten (BAG 29. Oktober 2002 aaO). […]
[Rn. 53] Die Schichtunterbrechungen (Pausen unter Bereithaltung), wie sie vorliegend im Streifendienst gewährt werden, erfüllen die Voraussetzungen einer Ruhepause im gesetzlichen Sinne nicht. Denn die Dauer der streitgegenständlichen Erholungszeiträume steht bei ihrem Beginn nicht fest.
[Rn. 54] Denn wegen der fortbestehenden Alarmbereitschaft der Streife muss während einer Schichtunterbrechung jederzeit damit gerechnet werden, dass die Arbeit vor dem geplanten Ende der Schichtunterbrechung wieder aufgenommen werden muss. Damit ist der Erholungszweck der Schichtunterbrechung nahezu vollständig entwertet, weil die Mitglieder der Streife nicht in der Lage sind, vollständig abzuschalten. […]
|
[Rn. 60] Demgegenüber sieht es das Gericht nicht als erheblich an, dass die Beklagte die Klägerin durch Dienstanweisung von jeglicher Arbeitspflicht während der Schichtunterbrechungen ausdrücklich freigestellt hat.
Diese Weisungslage lässt sich in der Praxis nicht umsetzten. Es wäre auch falsch anzunehmen, dass sich die Klägerin, wenn sie diese Freiheit nicht nutzt, lediglich einem sozialen Druck der Kollegen und Kolleginnen aus der Streife beugen würde. Vielmehr ist es ihr eigenes Verständnis der Anforderungen an ihren Dienst bei der Bundespolizei, das ihr eine gänzliche Verweigerung jeglicher Arbeitstätigkeit während der Schichtunterbrechungen verbietet. Dieses Amtsverständnis ist vorbildlich und gereicht der Klägerin nicht zum Vorwurf. […]
|
[Rn. 63 Die Streife musste] während der Schichtunterbrechung wie bei einem Bereitschaftsdienst im Sinne von § 7 Absatz 3 TVöD jederzeit damit rechnen [..], auf Anforderung die Arbeit wieder aufzunehmen. Allein dieser Umstand steht bereits der Annahme, man habe mit der Schichtunterbrechung eine gesetzliche Ruhepause im Sinne von § 4 ArbZG gewährt, entgegen.
[Rn. 64] Der Umstand, dass die geplanten Schichtunterbrechungen relativ selten überhaupt nicht gewährt oder vorzeitig abgebrochen werden mussten, ändert an der rechtlichen Bewertung vorliegend nichts. Denn entscheidend ist der Umstand, dass die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Streife während der Pause ihren Erholungswert nahezu vollständig entwertet.[…]
Pausen unter Bereithaltung haben wenig Erholungswert. |
[Rn. 68] Soweit der Klägerin in einem Falle eine Schichtunterbrechung nicht gewährt wurde, weil sie – ebenfalls außerhalb der Regel – an einem langwierigen Transport beteiligt war, liegt offensichtlich kein Notfall vor. Es liegt auch kein außergewöhnlicher Fall im Sinne von ⇒ § 14 ArbZG vor, da diese Arbeitsanforderung nicht – wie es im Gesetz heißt – unabhängig von dem Willen der Betroffenen aufgetreten ist.
|
Schichtplan-Fibel extra Sonderwoche: Pausen als Hebel zur Entlastung Pausen verlängern die betriebliche Anwesenheit der Beschäftigten. Ihre Erholungswirkung aber ist fraglich. |
||||
![]() |
Die Arbeitswissenschaft empfiehlt Arbeitgebern, geregelte Pausen zu organisieren.
Wir machen das Beste daraus! 09.–13.11.2020 im BZ Mosbach ⇒1663-2011091 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Teilzeitvertrag, Aufzeichnungspflichten (19.09.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Teilzeitantrag bindet Arbeitnehmer/in
⊗ Teilzeitantrag verlangt vom Chef ein Ja oder Nein
⊗ Arbeitszeit aufzeichnen
Antrag auf Teilzeit |
➽ Zugespitzt: |
Der Fall |
Mit Schreiben vom 14.06.2018 beantragte der Kläger unter Bezugnahme auf § 8 TzBfG die Verringerung seiner wöchentlichen Arbeitszeit beginnend ab dem 01.10.2018 von 37,5 auf 20 Stunden. Dabei regte er an, die 20 Stunden auf eine fünftägige Arbeitswoche zu verteilen. Zu diesem Zeitpunkt war das Arbeitsverhältnis aus verschiedenen Gründen nicht mehr völlig unbelastet.
Die Rechtsvertretung des Kollegen schreibt – »haben wir Sie deshalb nochmals aufzufordern, bis zum 31.08.2018 über den Antrag unseres Mandanten […] zu entscheiden (…).«
Am 24.08.2018 zog der Kollege seinen Antrag auf Teilzeit mit sofortiger Wirkung zurück: »Dieser ist aufgrund meines Wunsches auf Entlastung entstanden. Da ich jedoch jetzt gesundheitlich derartig angeschlagen bin, kann ich mir eine Teilzeitstelle nicht leisten.«
Am 30.08.2018 erklärt sich der Arbeitgeber ausdrücklich mit der Teilzeitbeschäftigung des Klägers einverstanden: »Ihrem Wunsch entsprechend vereinbaren wir mit Ihnen ab dem 01.10.2018 zudem folgende Vertragsänderung: wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden, durchschnittliche tägliche Arbeitszeit 4 Stunden, Arbeitstage montags bis freitags. […] Die von Ihnen gewünschte Teilzeittätigkeit von 20 Wochenstunden ist auf Ihrer derzeitigen Stelle Business Processes aus betrieblichen Gründen nicht möglich.«
Der Arbeitgeber hatte im Vorfeld organisatorische Vorkehrungen für einen anderweitigen Einsatz des Klägers getroffen und diesbezüglich ein Zustimmungsverfahren gemäß § 99 BetrVG beim Betriebsrat durchgeführt.
Gegen dieses von ihm unerwünschte Ergebnis wendet sich der Kollege. Er habe seinen Antrag widerrufen. Die Klage hat für den Kläger keinen Erfolg.
Der Entscheidung erster Teil |
Das Verlangen des Arbeitnehmers hat sich deshalb jedenfalls auf den Umfang der Reduzierung der Arbeitszeit zu beziehen, seine bedingende Verknüpfung mit einer bestimmten Lage der Arbeitszeit ist zulässig; in diesem Fall kann das Änderungsangebot nur einheitlich angenommen oder abgelehnt werden […].«
Dem Arbeitgeber stehen mindestens zwei Monate zu, um die betriebliche Umsetzbarkeit des Teilzeit-Verlangens praktisch zu prüfen und um es zu ermöglichen.
Nach § 8 Abs. 2 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 TzBfG ist dem [Arbeitgeber] eine zweimonatige Prüf- und Überlegungsfrist eingeräumt, bis er dem Arbeitnehmer seine Entscheidung mitzuteilen hat. Entsprechend lang ist die Bindungsdauer für den Arbeitnehmer. […] Die einseitige Rücknahme eines Teilzeitverlangens im Sinne von § 8 Abs. 1, 2 TzBfG durch den Arbeitnehmer ist während der Erörterungsphase des § 8 Abs. 3 TzBfG bis zum Ablauf der Mitteilungsfrist aus § 8 Abs. 5 TzBfG ausgeschlossen.
⇒ LAG Düsseldorf Urteil 28.04.2020 – 8 Sa 403/19
Merke: |
Der Entscheidung zweiter Teil |
Das Änderungsangebot des Arbeitnehmers (§ 145 BGB), das dem [Arbeitgeber] spätestens drei Monate vor Beginn der begehrten Arbeitszeitreduzierung zugehen muss (§ 8 Abs. 2 Satz 1
TzBfG), muss nach allgemeinem Vertragsrecht regelmäßig so konkret sein, dass der Adressat des Angebots dieses mit einem einfachen »Ja« annehmen kann.
Der Inhalt eines zwischen den Parteien zustande kommenden Änderungsvertrags muss feststehen (vgl. BAG, Urteile vom 20.01.2015 – 9 AZR 860/13 […]). Das Verlangen des Arbeitnehmers hat sich deshalb jedenfalls auf den Umfang der Reduzierung der Arbeitszeit zu beziehen, seine bedingende Verknüpfung mit einer bestimmten Lage der Arbeitszeit ist zulässig; in diesem Fall kann das Änderungsangebot nur einheitlich angenommen oder abgelehnt werden (BAG, Urteil vom 18.02.2003 – 9 AZR 164/02 […]).
Beide Parteien müssen deshalb in besonderer Weise verdeutlichen, wenn sie ihre Willenserklärungen auf Beantragung bzw. Zustimmung zu einer Arbeitszeitreduzierung von einer Einigung
über weitere Punkte abhängig machen wollen, die aus Sicht des Gesetzgebers mit der Frage von Umfang und Lage der Arbeitszeit nicht verknüpft werden sollen […].
Der [Arbeitgeber] muss seinerseits seine Ablehnung unter Berücksichtigung des Gebots der Rechtsklarheit und Transparenz hinreichend deutlich formulieren. Denn der Arbeitnehmer muss Gewissheit haben, ob der Arbeitsvertrag seinem Angebot entsprechend geändert worden ist […].
Der [Arbeitgeber] handelte treuwidrig, wenn er den Eindruck erweckt, mit der Arbeitszeitverkürzung (und der Lage der verkürzten Arbeitszeit) einverstanden zu sein, um sodann darauf zu verweisen, wegen schwer zu erkennender Änderungen habe er den Teilzeitantrag tatsächlich gemäß § 150 Abs. 2 BGB abgelehnt. Der [Arbeitgeber] darf dem Arbeitnehmer im Rahmen eines
Verfahrens nach § 8 TzBfG keine Vertragsänderungen unterschieben (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 14.05.2014 – VII ZR 334/12 […] Rdz. 17 f.).
⇒ LAG Düsseldorf Urteil 28.04.2020 – 8 Sa 403/19
Weiter gedacht! |
Manche Personalabteilung übersendet ihre Zustimmung zum Teilzeitantrag zusammen mit einem geschmeidig aufgesetzten Änderungsvertrag. Dieser ergänzt als überraschende Klausel –
Die Beschäftigte verpflichtet sich zur Leistung im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit.
Oder etwa: Die verkürzte Arbeitszeit wird im Zuge der Dienstplanung verteilt.
Die Verkürzung entspricht dem ursprünglichen Antrag, die Zusatzklauseln jedoch widersprechen dem Antrag oder dem Willen der Antragsteller. Hier lehnt der Arbeitgeber tatsächlich den Antrag der Kollegin ohne Begründung ab. Er macht seine Ablehnung meist nicht im Begleitschreiben deutlich. Denn er schiebt zugleich ein ähnliches aber abweichendes Gegenangebot nach. Die Antragstellerin kann und darf dies als eine Annahme ihres Antrags verstehen und unterschreiben.
|
|
Die gesamte Arbeitszeit aufzeichnen |
➽ Zugespitzt: |
Der EuGh entschied vor 16 Monaten: Artikel. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zwingt Arbeitgeber, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer/innen objektiv zu dokumentieren.
⇒ EuGh Urteil 14. Mai 2019 – C-55/18
Am selben Abend noch verkündete der zuständige Arbeitsminister, Hubertus Heil, in den Tagesthemen:
»Dies ist eine wichtige Entscheidung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ... es gilt .... das werden wir umsetzen ... wir haben auch durchaus in der Umsetzung Gestaltungsspielraum ...«
Am 27. März 2020 ließ der Arbeitsminister das deutsche Arbeitszeitgesetz im HauRuck-Verfahren reformieren – für vier Monate wurden 12-Stunden-Schichten erlaubt.
Doch die Streichung der europarechtswidrigen Beschränkung der Arbeitszeit-Aufzeichnungen in § 16 Abs. 2 ArbZG fällt Minister Heil offenbar viel schwerer. Er wartet wohl noch auf grünes Licht von Seiten der deutschen Verbände der Arbeitgeber. Das zieht sich. Und die Arbeitgeber wünschen sich im Gegenzug deutliche Lockerungen; sie wollen weniger Schutz vor Überlastung durch ihre Massierungen der Arbeitszeit.
Eine Gerichtsentscheidung funkt nun dazwischen.
Der Fall |
Ein Bauhelfer hatte Streit mit dem Chef. Er verlangt die Vergütung aller Arbeitsstunden und legt seinen Stundenzettel vor, handschriftliche Eigenaufzeichnungen.
Vor dem Arbeitsgericht bringt der Arbeitgeber ein Bautagebuch bei. Es dient zur Dokumentation des Bauablaufs und zur Berechnung der Entgelte für die Grundleistungen der
Architekten und Architektinnen und der Ingenieure und Ingenieurinnen. Es enthält darum z. B. nicht die notwendige Anfahrts- und Rüstzeiten, die auch arbeitsvertragliche Arbeitszeiten sind.
Dem Kollegen werden für strittige 12,5 Stunden 156,65 Euro brutto nebst Verzugszinsen (§ 288 BGB) zugesprochen.
Leitsätze der Entscheidung |
1) Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Arbeitszeiterfassung (vgl. EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18 [CCOO]) ergibt sich aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechte-Charta.
2) Die in Leitsatz 1) genannte Verpflichtung trifft den Arbeitgeber, ohne dass es hierzu einer Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber oder einer richtlinienkonformen Auslegung des § 16 Abs. 2 ArbZG bedürfte.
3) Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen, handelt es sich auch um eine vertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Verletzt der Arbeitgeber diese vertragliche Nebenpflicht, gilt der unter Vorlage von Eigenaufzeichnungen geleistete Vortrag des Arbeitnehmers, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat, regelmäßig gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.
⇒ ArbG Emden Urteil 20.02.2020 – 2 Ca 94/19
Bemerkenswert |
Das Arbeitsgericht stellt sich auf denselben Standpunkt, den Arbeitsminister Heil unter anderem in seiner ersten Stellungnahme einnahm: Die Europäische Grundrechtscharta gilt, in Europa und auch in Deutschland. Sie greift unmittelbar. Sie bildet damit eine Anspruchsgrundlage.
Artikel. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union |
Im Streit ist die Darlegungs- und Beweislast abgestuft. Zunächst muss die Arbeitnehmerin ihre geleisteten Stunden belegen – zum Beispiel durch gründliche Aufzeichnungen der Zeitspannen an den einzelnen Tagen. Danach kann der Arbeitgeber dem entgegentreten – mit einer Vorlage aus seinem objektiv geführten, verlässlichen und zugänglichen Erfassungssystem.
Das Arbeitsgericht hat hier diese unbestimmten Rechtsbegriffe dankenswerter Weise ein wenig ausgeführt:
»(1) Das Attribut 'objektiv' dürfte dahingehend zu verstehen sein, dass die Erfassung und Aufzeichnung in einer Art und Weise erfolgen muss, die es dem Arbeitnehmer möglich macht, die geleistete Arbeitszeit mithilfe der Aufzeichnungen objektiv nachzuweisen (vgl. Klein/Leist, ZESAR 2019, 365, 368).
Das Merkmal 'verlässlich' ist wohl dahingehend zu verstehen, dass die Dokumentation der Arbeitszeit zuverlässig geschieht und etwaige Manipulationen ausgeschlossen sind (vgl. Klein/Leist, ZESAR 2019, 365, 368).
Schließlich müssten die Aufzeichnungen dem Arbeitnehmer auch 'zugänglich' sein; er muss die Möglichkeit haben, die Dokumente einzusehen und im Bedarfsfalle im Prozess als Beweismittel nutzen können (vgl. Klein/Leist, ZESAR 2019, 365, 369).«
Legt der Arbeitgeber nicht derartige Gegenbeweise vor, hat er Pech. Denn dann gelten die Aufzeichnungen der Kollegin als von ihm zugestanden / nicht wirksam widersprochen / unstrittig.
Schichtplan-Fibel extra Sonderwoche: Pausen als Hebel zur Entlastung Pausen verlängern die betriebliche Anwesenheit der Beschäftigten. Ihre Erholungswirkung aber ist fraglich. |
||||
![]() |
Die Arbeitswissenschaft empfiehlt Arbeitgebern, geregelte Pausen zu organisieren.
Wir machen das Beste daraus! 09.–13.11.2020 im BZ Mosbach ⇒1663-2011091 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftsdienst, AU-Meldung (30.08.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Bereitschaftsdienst
⊗ Folge-Anzeige bei AU
Bereitschaftsdienst |
➽ Zugespitzt: Arbeitgeber wollen die von ihnen gekaufte Arbeitszeit verlängern. Um das schutzrechtliche Normalmaß zu überwinden, sind vertragliche und gesetzliche Hürden zu umgehen. Eine davon ist die Mitbestimmung der gesetzlichen Interessenvertretung (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung). |
Die Schichtplan-Fibel entwickelt und pflegt rund um die Arbeitszeit eine frei zugängliche Sammlung an Dokumenten, Kommentaren und Vorschlägen: ⊕ ⇒ Grundstock.
Hier haben wir – im Ordner Betriebliche Vereinbarungen Betriebsrat – das Unterverzeichnis ⇒ Bereitschaftsdienst erweitert. Es enthält nun fünf einander ergänzende (Muster-)Vereinbarungen:
❍ Baustein 1.docx
Anlage 1.docx (Normalschichten)
Anlage 2.docx (Langschichten)
❍ Baustein 2 Schutz vor Überlastung.docx
❍ Baustein 3 Ausgleich von Belastungen.docx
❍ Baustein 4 Zuweisung der Stufe.docx
❍ Baustein 5 Ort des Aufenthalts.docx
In der Grundvereinbarung (Baustein 1) werden unter Regelungsnummer 3 die gesonderten Bausteine 2 bis 5 zu zwingenden Voraussetzungen dieses ›Gesamtkunstwerks‹. Ohne recht konkreten Gesundheitsschutz, ohne zugewiesene Höchststufe, ohne großzügige Regelung des Aufenthaltsortes, ohne die bereits lange vereinbarten Mindestvoraussetzungen – keine Bereitschaftsdienste.
Ausgangslage |
Dabei stoßen wir allerdings auf ein Problem. Nicht nur die Arbeitgeberin mag sich ein Arbeitszeitmodell ohne Bereitschaftsdienst kaum vorstellen. Auch die betroffenen Beschäftigten sperren sich gegen drastische Veränderungen.
Im zugrundeliegenden Projekt teilt die Arbeitgeberin in einem Zentral-OP vier bis fünf Pflegefachkräfte zu nächtlichen Bereitschaftsdiensten ein, bis zu 24 Stunden, pausenlos, im Ausgleich mit regelmäßig geschuldeter Arbeitszeit (anstatt). Insbesondere in den ersten Stunden der Bereitschaftsdienste wird oft ›hineingearbeitet‹. Die Unzufriedenheit mit diesen Zumutungen wächst zwar, doch fürchten viele Verluste bei ihrer monatlichen Vergütung.
Die Arbeitgeberin kann keine aktuellen umfassenden Erfassungen / Beurteilungen der Belastungen an den Arbeitsplätzen vorweisen. Sie lässt in mehrfacher Hinsicht gesetzwidrig arbeiten, ebenso am TVöD-K und am TV Ärzte VKA vorbei.
Marschrichtung |
Quer durch die neuen Vereinbarungs-Bausteine zieht sich nun das Motiv: Rückbau der Arbeitsverlängerung!
❍ Individuelle Wahl der Kolleg/innen/en zwischen Regel-Nachtschichten und (zusätzlichem) Bereitschaftsdienst
❍ Erfüllen der tariflichen Anspruchsvoraussetzung: Wechselschichtarbeit (Zulage, Zusatzurlaubstage)
❍ Arbeitszeitverkürzung durch Tausch von Bereitschaftsdienst mit kürzeren Normalschichten, kombiniert mit besser vergüteten Sonderformen der Arbeit.
Einzelvereinbarungen |
Die Erfassung und Bewertung der Belastungen im Arbeitsbereich wird zeigen: Es sind Maßnahmen zum Gesundheitsschutz notwendig. Vielleicht legen die Betriebsparteien dann auch fest, dass erst später am Abend von der Spätschicht in einen Bereitschaftsdienst gewechselt werden kann.
Diese (Muster-)Vereinbarungen warten diesen schon lange überfälligen und komplexen Schritt nicht ab. Sie greifen mit empfindlichen ›provisorischen‹ Maßnahmen vor und erhöhen so den Handlungsdruck auf die Arbeitgeberin. Die neuen ›Errungenschaften‹ werden überwiegend in Richtung derer gelenkt, die beim Umbau mitgehen, die nun weniger und in Normalschichten arbeiten.
Prozess |
Die Vereinbarungen sollen den Rückbau nicht bremsen oder gar abschließen. Sie sind darauf angelegt, einfach, gemeinsam oder nach einem begrenzten neuen Streit, fortentwickelt zu werden. Für jeden folgenden Schritt der angestoßenen Verbesserungen kann jeweils einer der fünf Bausteine gekündigt und erneuert werden. Da kann auch mit geringem Aufwand einvernehmlich angepasst werden.
Schlüssel-Element: Die Pausen |
Wir scheuen hier nicht, einen Widerspruch anzugehen: Die gesetzlich zwingend vorgeschriebene Unterbrechung der Arbeitszeit. Auch Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit. Das bringt die Verhältnisse zum Tanzen …
»Die inaktiven Zeiten des Bereitschaftsdienstes stellen keine Pausen iSv. § 4 ArbZG dar. Beim Bereitschaftsdienst kann der Arbeitgeber den Aufenthaltsort des Arbeitnehmers bestimmen und ihn jederzeit einsetzen. Der Arbeitnehmer kann nicht frei darüber verfügen, wo und wie er seine Ruhepausen verbringt. Das steht einer Pause, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Arbeitnehmer frei über die Nutzung des Zeitraums bestimmen kann (st. Rspr., BAG 13. Oktober 2009 – 9 AZR 139/08 – Rn. 30 mwN), entgegen.«
⇒ BAG Urteil 16.12.2009 – 5 AZR 157/09 Randnummer 12
»Arbeitszeitrechtlich schließen sich daher Arbeitszeit und Ruhepause aus. Ist ein bestimmter Zeitabschnitt der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG zuzuordnen, so kann es sich nicht um eine Ruhepause im Sinne dieses Gesetzes handeln. Gleiches gilt umgekehrt; eine Ruhepause iSd. § 4 ArbZG kann nicht gleichzeitig Arbeitszeit im arbeitszeitrechtlichen Sinn sein.«
⇒ BAG Urteil 13.10.2009 – 9 AZR 139/08 Randnummer 96
Schichtplan-Fibel extra Sonderwoche: Pausen als Hebel zur Entlastung Pausen verlängern die betriebliche Anwesenheit der Beschäftigten. Ihre Erholungswirkung aber ist fraglich. |
||||
![]() |
Die Arbeitswissenschaft empfiehlt Arbeitgebern, geregelte Pausen zu organisieren.
Wir machen das Beste daraus! 09.–13.11.2020 im BZ Mosbach ⇒1663-2011091 |
Anzeige der Fortdauer einer AU |
➽ Zugespitzt: Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) unterscheidet in § 5 die unverzügliche Pflicht zur Anzeige einer Arbeitsunfähigkeit (AU) von der späteren Pflicht zum ärztlichen Nachweis der AU. Wann und wem soll gemeldet werden, dass die AU länger als erwartet anhält? |
Der Fall |
In der Betriebsordnung einer Arbeitgeberin heißt es:
»10.2 Erkrankung/Arbeitsausfall/Arbeitsverhinderung
Können Sie wegen Erkrankung oder aus einem anderen unvorhergesehenen Grund die Arbeit nicht aufnehmen, verständigen Sie bitte unverzüglich – am ersten Arbeitstag zum Beispiel telefonisch mit Angabe der Gründe und der voraussichtlichen Dauer – Ihren Vorgesetzten. Die Meldung an die Krankenkasse gilt nicht als Entschuldigung. …«
Doch so ein Anruf beim Vorgesetzten kann offenbar unangenehm sein. Soll man sich am Telefon rechtfertigen? Reicht eine Email?
Die Arbeitgeberin mahnte einen Kollegen im selben Jahr zweimal ab wegen unterlassener Anzeige. Eine Fortsetzungsanzeige fehlte und führte zur verhaltensbedingten Kündigung.
Das Gericht gab ihr grundsätzlich Rückendeckung. Doch eine Kündigung wäre nur bei einer wiederholten erheblichen Störung gerechtfertigt, verursacht durch die verspätete Anzeige des Andauerns der Arbeitsunfähigkeit. Das BAG verwies den Fall zurück zur endgültigen Begutachtung an das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg.
Aus der Begründung |
[Rn. 34 Erfahrungssatz] Allein die fortgesetzte Dauer einer Arbeitsunfähigkeit spricht auch nicht allgemein dafür, dass eine Genesung unwahrscheinlicher wird. Erkrankungen können auch deshalb länger andauern und eine „Vielzahl“ von Folgekrankschreibungen erfordern, weil sie einen längeren, aber mit zunehmender Zeitdauer fortschreitenden Heilungsprozess erfordern.
[Rn. 30] Der Arbeitgeber kann grundsätzlich darauf vertrauen, der Arbeitnehmer werde, ohne eine anderslautende Anzeige, seine Arbeit nach Ablauf der mitgeteilten Dauer der Arbeitsunfähigkeit wieder aufnehmen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht für den Arbeitnehmer keine Pflicht zu bestätigen, dass es bei der zuletzt attestierten Dauer der Arbeitsunfähigkeit verbleibt. Er muss vielmehr ggf. ihre Fortdauer anzeigen.
Es besteht auch nicht generell eine größere Wahrscheinlichkeit, dass eine einmal eingetretene Arbeitsunfähigkeit über den zunächst mitgeteilten Zeitraum hinaus fortdauert und nicht wie mitgeteilt endet. Das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers kann demnach durch eine nicht unverzügliche Anzeige grundsätzlich unabhängig davon unterschiedlich schwer beeinträchtigt sein, ob es sich um eine Ersterkrankung oder ihre Fortdauer handelt. Dies hängt ab von den – festzustellenden – konkreten Umständen im Einzelfall, etwa davon, ob der Arbeitnehmer für termingebundene Arbeiten eingeplant und ob er durch andere Kollegen ersetzbar war.
⇒ BAG Urteil 07.05.2020 – 2 AZR 619/19
Tipp |
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) regelt in § 5 Abs. 1 eine unverzügliche Anzeigepflicht bereits ab dem ersten Krankheitstag, nicht erst ab dem Morgen des ersten Arbeitstages. Dies hat ja Konsequenzen für die Dauer von Fristen bei Lohnersatzleistungen.
Die Anwesenheit eines Vorgesetzten zum Meldezeitpunkt wird nicht verlangt. Die Suche nach ihm ist einem Arbeitsunfähigen nicht zuzumuten. Eine Email (Textform) reicht.
Diese Anzeigepflicht gilt ebenso unverzüglich, sobald die AU länger als vermutet dauert.
§ 5 Abs. 1 EntgFG regelt in Satz 4 auch die erneute Nachweispflicht. Die kommt aber recht ungefähr daher:
»Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, eine neue ärztliche Bescheinigung vorzulegen.«
Die (zwingende) Mitbestimmung der gesetzlichen Interessenvertretung ist ausgeschlossen, soweit – wie in diesem Fall – Gesetze etwas abschließend regeln.
Manch ein Betriebsrat gefällt sich dennoch, wenn er solche Betriebsordnung aushandelt und freiwillig unterschreibt. Muss er nicht!
Manche kühnen Vorgesetzte versuchen es ganz einseitig mit einer ›Verfahrensanweisung‹. Unzulässig!
Wir setzen bei unseren Seminaren ein:
⊕ ⇒ die Bausteine
⊕ ⇒ Arbeitsgesetze
⊕ ⇒ TVöD-K 2019-1 digital.
⊕ ⇒ TVöD-B 2019-1 digital.
⊕ ⇒ TVöD – in € und Stunde(Tarifsteigerungen ab März)
⊕ ⇒ TV-L– in € und Stunde
⊕ ⇒ Zeitschuld – umrechnen: tariftreu und tariffremd
⊕ ⇒ Urlaubsansprüche umrechnen
⊕ ⇒ Zusätzlicher Zusatzurlaub im TVöD-K
⊕ ⇒ Schichtplan-Fibel – Das Buch digitale Ausgabe.
⊕ ⇒ Feiertage 2019 – Lösungen für den TVöD-K und – B
⊕ ⇒ Höhergruppieren?
⊕ ⇒ PDF-XChange Editor- Installations-Version
⊕ ⇒ PDF-XChange Viewer – Portable-Version
⊕ ⇒ Urteilssammlungen
⊕ ⇒ Grundlagen
⊕ ⇒ Stellungnahmen
Lirum, Larum, Löffelstiel,
wer nichts lernt, der kann nicht viel.
Reiche Leute essen Speck.
Arme Leute essen Dreck.
![]() |
|||
Thema | Datum | Ort | Sem.-Nr. |
Übergriffe auf die Freizeit |
07.–11.09.2020 | BZ Mosbach | ![]() |
Pausen als Hebel zur Entlastung |
09.–13.11.2020 | BZ Walsrode | ![]() |
Schichtplan-Fibel | 16.–18.12.2020 | Berlin Wannsee | ![]() |
aktuell | u.a. mit BAG-Richterin Karin Spelge |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Streikbruch und Einigungsstelle (13.08.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Übergriffe auf die Freizeit – als Streikbruch?
⊗ Der Weg in die Eingungsstelle
Übergriffe auf die Freizeit – als Streikbruch? |
➽ Zugespitzt: Im Streik geht es darum, dem Gegner (Arbeitgeber) unseren Willen aufzuzwingen. Durch ausfallende Arbeitszeit soll ein wirtschaftlicher Schaden den notwendigen Druck erzeugen. Doch unser Druck verpufft, falls der Arbeitgeber die ausgefallene Arbeitszeit kurzfristig zur Nacharbeit anordnen kann. |
Der Fall |
Ein Kollege arbeitet nach TVöD-V (West) mit 39 Stunden im Wochendurchschnitt, nicht in Schichtarbeit. Der TVöD definiert für solche Fälle -
§ 7 Sonderformen der Arbeit |
In der Arbeitswoche vom 8. bis zum 14. Februar 2010 wurden ihm dienstplanmäßig 38,5 Arbeitsstunden festgesetzt.
Am Montag, dem 8. Februar 2010, nahm er an einem von ver.di organisierten Warnstreik teil. An diesem Tag betrug seine Arbeitszeit nach dem Dienstplan 8,5 Stunden.
An den weiteren vier Arbeitstagen von Dienstag bis Freitag arbeitete er insgesamt 34 Stunden, also mehr als ursprünglich geplant. In der nachfolgenden Woche erfolgte kein Zeitausgleich.
Die Arbeitgeberin vergütete alle in der Woche vom 8. bis zum 14. Februar 2010 tatsächlich geleisteten 34 Arbeitsstunden, minderte also nur um 4,5 Stunden.
Der Kollege verlangte die Zahlung von Überstundenzuschlägen für vier Stunden. Überstunden im Sinne des § 7 Abs. 7 TVöD lägen auch dann, wenn an verbleibenden Wochentagen zusätzlich zur dienstplanmäßig festgesetzten Arbeitszeit weitere Arbeitsstunden anfielen. Daher sei die individuelle Wochenarbeitszeit entweder um die Zeit der Streikteilnahme zu reduzieren oder aber die dienstplanmäßige Arbeitszeit am Streiktag fiktiv hinzuzurechnen.
Die Entscheidung |
[Der Kollege als Klägerin] hat während seiner Teilnahme am Warnstreik keine Arbeitsstunden »geleistet«.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die dienstplanmäßige Arbeitszeit in der Woche vom 8. bis zum 14. Februar 2010 nicht um die durch den Streik ausgefallene Arbeitszeit von 8,5 Stunden zu reduzieren. »Es ist vielmehr im Hinblick auf die Abweichung von der Vorgängerregelung in § 17 Abs. 3 BAT davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien bei Abschluss des TVöD bewusst davon abgesehen haben, bei der Regelung der Überstunden Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung einzubeziehen.» (Rn. 15)
⇒ BAG Urteil 14.05.2013 – 1 AZR 178/12
Im Ergebnis:
Der Kollege hat 8,5 Stunden gestreikt, zum Ausgleich wohl Streikgeld der Gewerkschaft ver.di bezogen und danach 4 der ausgefallenen Stunden nachgearbeitet.
Der Arbeitgeber hat das Monatsentgelt nur um 4,5 Stunden anteilig gemindert, er bekam liegengebliebene Arbeit erledigt und er zahlte nicht einmal Überstundenzuschläge.
Schlecht gelaufen!
Das geht besser! |
Es fehlte bereits im Vortrag dieser Klage, warum der Kollege von Dienstag bis Freitag über den Plan hinaus gearbeitet hat. Geschah dies auf Anordnung des Chefs, wurde es von diesem geduldet oder war es jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit notwendig? Hat der Arbeitgeber Nacharbeit verlangt und damit gegen das Arbeitskampfrecht verstoßen? Hat der Personalrat hier die Änderung von Beginn bzw. Ende der Schichten mitbestimmt?
Merke: Unsere Rechtsvertretungen tragen nur so gut vor, wie wir sie zuvor umfassend mit Details zu den Widersprüchen ausgerüstet haben.
Die Klage beschränkte sich ausdrücklich auf den Anspruch auf Zuschläge für die angeblichen Überstunden.
Die Arbeitsstunden waren weder zusätzlich noch Überstunden. Doch es wurde versäumt, einmal § 8 Abs. 2 TVöD zu prüfen -
§ 8 Ausgleich für Sonderformen der Arbeit |
Auch da bleiben für uns sehr unangenehme Fragen: Zwar hat der Kollege von Dienstag bis Freitag zusätzlich gearbeitet. Doch wie saldiert sich die tatsächliche Leistung gegen die Zeitschuld? Betrachtet wird der durch die Betriebsparteien festgelegten Ausgleichszeitraum (§ 6 Abs. 2 TVöD).
Haben ihn die Betriebsparteien tarifgemäß festgelegt – in seiner Lage und Länge?
Das BAG hat zudem festgestellt, dass ein Streik die Zeitschuld (im Ausgleichszeitraum) nicht reduziert.
Merke: Ein Streik funktioniert nur, falls wir gemeinsam und über den gesamten festgelegten Ausgleichszeitraum hinweg die Überarbeit unterbinden. Andernfalls würde unser Streik unsere Arbeitsleistung nur verschieben. Da muss Mitbestimmung aktiviert werden!
Im vorliegenden Fall lag keine Schichtarbeit vor. Darum blieb der Blick beschränkt auf § 7 Abs. 7 TVöD (siehe oben).
Kommen wir zu einem anderen Ergebnis, wenn Schichtarbeiter/innen nach einem Streik länger arbeiten?
§ 7 Sonderformen der Arbeit |
Arbeitet eine Schichtarbeiterin in den Tagen nach einem Streik ungeplant länger? Dann handelt es sich um geleistete Überstunden. Diese sind im TVöD (egal welcher Dienstleistungsbereich) vergütungspflichtig – 100 v.H. für die Leistung als solche, 30 (oder 15) v.H. als Zeitzuschlag.
Im Ergebnis: Durch den Streik bleibt Arbeit liegen. Das Gewerkschaftsmitglied erhält Streikgeld. Es holt wenig später die Arbeit nach.
Der Arbeitgeber kürzt zunächst das Entgelt anteilig um die Streikstunden. Dann erhält er die Arbeitsleistung und zahlt die Überstunden.
Die Streikwirkung wurde so auf 15 bis 30 % Überstundenzuschlag reduziert.
Merke: Ein Streik funktioniert nur, falls wir gemeinsam die Beseitigung der Streikfolgen durch ungeplante Überarbeit unterbinden. Da muss Mitbestimmung aktiviert werden!
Arbeitet eine Schichtarbeiterin nach einem Streik im Schichtplanturnus geplant länger? Dann wird am Turnusende abgeglichen. War da zunächst mehr geplant? Gleicht sich nun am Turnusende die (um die Streikstunden geminderte) tatsächlich geleistete Arbeitszeit einerseits und anderseits die weiterhin nicht reduzierte Zeitschuld aus? Dann hat der Arbeitgeber schlau geplant.
Im Ergebnis: Er bekommt die von ihm gekaufte fällige Zeitschuld. Er kürzt vielleicht für den Streiktag das Monatsentgelt anteilig (geplant, aber nicht gearbeitet). Und die Kollegin darf versuchen, aus § 8 Abs. 2 TVöD ihren Anspruch individuell durchzusetzen. Wirtschaftlicher Druck auf den Arbeitgeber?
Merke: Ein Streik funktioniert nur, falls wir gemeinsam bereits die Planung von Überstunden und Mehrarbeit im Turnus unterbinden. Da muss Mitbestimmung aktiviert werden!
Schichtplan-Fibel extra Übergriffe auf die Freizeit Sonderwoche: Überstunden, Planänderung, Einspringen Überraschend wird der Feierabend hinausgeschoben. Die eingeplante Pause fällt aus. Alle paar Tage folgen neue Angebote für Planänderungen und Schichtwechsel. Nicht einmal die freien Tage sind tabu. |
||||
![]() |
Dagegen hilft ein Zauberkraut: Aktivierende Mitbestimmung. 07.–11.09.2020 im BZ Mosbach ⇒1663-2009071 |
Der Weg in die Einigungsstelle |
➽ Zugespitzt: Arbeitgeber und Betriebsrat sollen über strittige Fragen mit dem ernsten Willen zur Einigung verhandeln (§ 74 Abs. 1 BetrVG). Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet bei mitbestimmungspflichtigen Gegenständen die Einigungsstelle. |
Der Fall |
In einem Industriebetrieb (Leichtmetallräder) streiten Betriebsrat (13 Mitglieder) und Arbeitgeber um den Gesundheitsschutz, konkret um ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) sowie um Gefährdungsbeurteilungen der Arbeitsplätze.
Der Arbeitgeber bleibt freundlich unverbindlich.
In seiner Sitzung vom 22.07.2019 beschließt der Betriebsrat, dem Arbeitgeber Entwürfe oder wichtige Regelungsinhalte von Betriebsvereinbarungen zu den Themen »psychische und physische Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 ArbSchG«, »betriebliches Eingliederungsmanagement« sowie zu weiteren arbeitsschutzrechtlichen Themen mit der Maßgabe zu übermitteln, diese binnen vier Wochen entweder gegenzuzeichnen, die Vereinbarung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung zuzusichern oder binnen dieser vier Wochen Verhandlungstermine durchzuführen, in denen dem Betriebsrat ein eigener Entwurf der Arbeitgeberin vorgelegt wird.
Nach Fristablauf bittet der Betriebsrat das Arbeitsgericht um die Bestellung der Einigungsstelle.
Der Arbeitgeber trägt vor: Ernsthafte Verhandlungen seien bislang weiterhin nicht geführt worden, deshalb könne auch nicht von deren Scheitern ausgegangen werden.
Das Arbeitsgericht folgt dieser Behauptung. Dagegen wendet sich der Betriebsrat nun an das LAG. Erfolgreich.
Die Entscheidung (Leitsätze) |
2. Ergibt sich aus konkretem Sachvortrag des Betriebsrats zur Besetzung des Gremiums, der ordnungsgemäßen Ladung aller ordentlichen und bzgl. entschuldigt fehlender Mitglieder der entsprechenden Ersatzmitglieder, zur Festlegung bzw. Genehmigung der Tagesordnung und zur nachfolgenden mehrheitlichen Beschlussfassung des beschlussfähigen Gremiums und den zum Beleg beigefügten Anlagen (Sitzungsprotokoll und Teilnehmerliste der entsprechenden Betriebsratssitzung), dass der Feststellung des Scheiterns von Verhandlungen und der Einleitung eines Beschlussverfahrens nach § 100 ArbGG ein wirksamer Betriebsratsbeschluss zugrunde liegt, ist es Sache des Arbeitgebers, sein bisher pauschales Bestreiten dahingehend zu konkretisieren, welche Angaben der Gegenseite nunmehr noch aus welchen Gründen weiterhin bestritten bleiben sollen. Anderenfalls ist der Sachaufklärungspflicht des Arbeitsgerichts Genüge getan, wenn es auf der Grundlage der konkreten und größtenteils mit entsprechenden Unterlagen belegten Angaben des Betriebsrats von einer wirksamen Beschlussfassung ausgeht.
3. [Es] liegt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für ein Einigungsstelleneinsetzungsverfahren nach § 100 ArbGG vor, wenn nunmehr beiderseits Regelungsentwürfe ausgetauscht wurden und hierüber jedenfalls ein knapp einstündiges gemeinsames Gespräch stattgefunden hat und der Betriebsrat danach das Scheitern der Verhandlungen feststellt, weil er unabänderlich an seinem Entwurf festhalten möchte und hierzu eine Einigung auf absehbare Zeit nicht für möglich hält.
Die Verhandlungsobliegenheit nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG geht nicht so weit, dass eine Betriebspartei von ihrer bisherigen Position abrücken müsste, um damit Verhandlungen aufrecht zu erhalten und ihr anderenfalls das Rechtsschutzbedürfnis für ein Verfahren nach § 100 ArbGG abgesprochen werden könnte.
⇒ LAG Düsseldorf Beschluss 07.04.2020 – 3 TaBV 1/20
Tipp |
Das folgende Vorgehen hat sich bewährt. Der Betriebsrat schreibt an die Geschäftsführung –
Sehr geehrte Damen und Herren |
Im Ergebnis geht eine Teilniederschrift gemäß § 34 Abs. 2 BetrVG an den Arbeitgeber. Sie beschränkt sich auf die tatsächlichen Ergebnisse und fällt vielleicht sehr kurz: »Nach ausführlichen Versuchen, im Verhandlungsweg zu einem zeitnahen Ergebnis zu kommen, stellte der Betriebsrat abschließend das Scheitern dieser Bemühungen fest.« Diese Dokumentation beschleunigt den weiteren Fortgang.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Rufbereitschaft wird Vollarbeitszeit (07.08.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Rufbereitschaft ohne Beachtung der Grenzen
⊗ Umdeutung und Vollvergütung
⊗ Spezifisch geltend machen
Rufbereitschaft war Arbeitszeit |
➽ Zugespitzt: Eine Klinik ordnet angebliche »Rufbereitschaften« an und nimmt sie bewusst über die tariflich zulässigen Grenzen hinaus in Anspruch. Die Geltendmachung der Vergütung für die gesamte Dienstzeit als Vollarbeit (samt Überstundenzuschlag) hat gute Aussichten. |
Die Entscheidung |
Ein Oberarzt bekommt für rund drei Jahre gesamt 74.057,12 € nachgezahlt für seine als tarifwidrige Rufbereitschaft geleisteten tatsächlichen Überstunden.
⇒ LAG Köln Urteil 04.03.2020 – 3 Sa 218/19
Der Fall |
Ein Oberarzt (Medizinische Klinik I, Nephrologie) verklagt die Universitätsklinik Köln auf tarifkonforme Vergütung seiner ›Dienste‹. Ihm sind irgendwie Rufbereitschaften anordnet worden. Er fällt unter den TV-Ärzte/TdL. Der Tarifvertrag regelt –
§ 7 Sonderformen der Arbeit |
Entsprechende Regelungen finden sich unter anderem:
TVöD § 7 Abs 3 und 4;
TV Ärzte VKA § 10 Abs 1 und 8;
BAT-KF § 7 Abs 3 und 4; TV-Ärzte KF § 6 Abs 4 und 6;
AVR.DD Anl 8 Abs 1 und 8; AVR.DD Ärzte § 6 Abs 1 und 8;
AVR Caritas Anl. 30 § 6 Abs 1 und 8 bzw. Anl 31 § 5 Abs 1 und 7 ...
Im Zuge von Transplantationen hatte der Kollege unmittelbar nach Anruf (binnen höchstens 30 Minuten) Telefonate zu führen und dabei einen mitgeführten Ordner (mögliche Empfänger/innen) zu Rate zu ziehen. Dies schränke die Freizeitgestaltung während der Bereitschaft deutlich ein. Er könne solche nur an nahe zur Klinik gelegenen Orten ausüben.
Die Klinik hat belegt: Die Inanspruchnahme aller Ärzte in Rufbereitschaft falle zu 4,18% der Stunden aller Rufbereitschaftsstunden an.
In 26,3% erfolge innerhalb der Rufbereitschaftsdienste eine Inanspruchnahme im Klinikum und in 47,4% erfolge eine Inanspruchnahme im Klinikum oder lediglich telefonisch am jeweiligen
Aufenthaltsort des diensthabenden Arztes.
Der Personalrat hat ausgewertet: Inanspruchnahmen in Rufbereitschaftsdiensten im Zeitraum von Mai bis Juli 2019 – in der nephrologischen Rufbereitschaft betrug der prozentuale Anteil
der Heranziehungsstunden 5,59%, die Inanspruchnahme im Klinikum 39,51% sowie im Klinikum und telefonisch insgesamt 58,02%.
Der Oberarzt fordert Ende Februar 2018 schriftlich die Anerkennung als Arbeitszeit und macht deren ›tarifrechtlich festgelegte korrekte Entgeltung‹ geltend.
Ein halbes Jahr später klagt er auf die Differenz zwischen gezahlter Rufbereitschaftsdienstvergütung und Bereitschaftsdienstentgelt.
Die Begründung der Gerichtsentscheidung erweist sich als eine Schatztruhe. Wir untersuchen unsere Funde Stück für Stück.
»keine räumlichen Beschränkungen« |
»Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers kommen die faktischen Einschränkungen, die mit der beklagtenseits angeordneten Rufbereitschaft im streitbefangenen Zeitraum verbunden waren, nicht einer ausdrücklichen räumlichen Aufenthaltsvorgabe gleich. Der Kläger muss sich unstreitig nicht an einem bestimmten Ort aufhalten und bleibt grundsätzlich ortsungebunden. Er kann sich – nicht nur im engen räumlichen Umkreis zur Klinik – frei bewegen, solange lediglich eine telefonische Erreichbarkeit sichergestellt ist. Soweit der Kläger die engen zeitlichen Vorgaben anführt, die im Fall eines möglichen Organangebots bestehen, lässt er unberücksichtigt, dass diese Vorgaben allein zeitlicher Natur sind und damit keine räumlichen Beschränkungen verbunden sind. Unstreitig erfolgen die kurzfristig einzuleitenden organisatorischen Maßnahmen in einem solchen Fall telefonisch oder via Internet, ohne dass eine sofortige Anwesenheit des Klägers in der Klinik erforderlich wäre. Die weiteren vom Kläger gerügten allgemeinen – auch räumlichen – Einschränkungen – (z.B. keine Kino- oder Theaterbesuch) spiegeln lediglich die normalen mit jeglicher Form von Bereitschaft verbundenen Einschränkungen wider.«
Kommentar: Typisch ist, dass Oberärzt/inn/en telefonisch den Facharzt-Standard rund um die Uhr gewährleisten (beratender Hintergrunddienst). Gelegentlich beobachten wir so etwas auch im technischen Dienst (Support über Telefon).
Gibt der Arbeitgeber eine zu kurz bemessene Reaktionszeit vor (etwa 30 Minuten vom Anruf bis zum Einsatz im Betrieb), so handelt es sich um die Bestimmung einer Stelle (Umkreis von 30 Minuten) und damit um tatsächlichen Bereitschaftsdienst.
Die Angemessenheit einer Reaktionszeit ist umstritten:
EuGH Urteil 21.02.2018 – C -518/15 ⊗ 8 Minuten seien zu eng;
BAG Urteil 16.10.2013 – 10 AZR 9/13 ⊗ 45 Minuten sei großzügig;
BAG 31.01.2002 – 6 AZR 214/00 ⊗ 20 Minuten seien zu eng;
LAG Hessen Urteil 06.10.2006 – 3 Sa 1439/05 ⊗ 10 oder 20 Minuten seien zu eng;
LAG-Köln – Urteil 13.08.2008- 3 Sa 1453/07 ⊗ 15 Minuten seien zu eng;
LAG Rheinland-Pfalz Urteil 20.09.2012 – 11 Sa 81/12 ⊗ 15 oder 20 Minuten seien zu eng.
Manchmal vergessen betriebliche Interessenvertretungen, im Zuge der Rufbereitschafts-Planung mitzubestimmen und die Freizeit zu schützen.
Arbeitgeber ziehen die Anordnung von Rufbereitschaft dem Bereitschaftsdienst vor. Der Rufdienst kommt billiger. Und Arbeitgeber dürfen für den Folgetag eine Schicht anordnen, falls sie nur die die auf 5,5-Stunden verstümmelte abschließende Ruhezeit (§ 5 Abs 3 ArbZG) einhalten wollen.
offensichtlich tarifwidrig |
»Zunächst bedarf es insoweit der Klarstellung, dass eine rechtswirksame Anordnung von Rufbereitschaftsdiensten im streitbefangenen Zeitraum nicht vorliegt, da die tariflichen Anforderungen an eine Rufbereitschaft nicht erfüllt sind.
Nach der ausdrücklichen Vorgabe in § 7 Abs. 6 TV-Ärzte TdL darf der Arbeitgeber eine Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten betrug der Umfang der Heranziehung von Ärzten im Bereich der Nephrologie in der Rufbereitschaft zur Arbeit im Juni 2018 47,4% und im Zeitraum von Mai 2019 bis Juli 2019 sogar 58,02%. Anhaltspunkte für eine mangelnde Repräsentativität dieser Werte sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht eingewandt. Dass bei einer Heranziehung zur Arbeit in rund 50% der Bereitschaften nicht von ›Ausnahmefällen‹ im Tarifsinn gesprochen werden kann, ist offensichtlich. Das ergibt sich letztlich zwingend aus einem Vergleich mit den vom Tarifvertrag an die Anordnung eines Bereitschaftsdienstes geforderten Voraussetzungen. § 7 Abs. 4 TV-Ärzte TdL schreibt insoweit vor, dass selbst Bereitschaftsdienst nur angeordnet werden darf, wenn erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Betrachtet man die von der Beklagten genannten Heranziehungswerte, erscheint danach selbst die Rechtmäßigkeit einer Anordnung von Bereitschaftsdiensten fraglich. Die Tarifwidrigkeit der angeordneten Rufbereitschaften steht außer Frage und lag damit auch für die Beklagte auf der Hand.«
Kommentar: Die Rufbereitschaft selbst ist weder Arbeitszeit noch Freizeit. Es handelt sich um Beschäftigung (§ 9 ArbZG). Der Arbeitsanfall (Arbeitszeit) ist aus der Erfahrung zu beurteilen. Bezieht sich dessen Bemessung auf dessen Anteil an der gesamten Dienstzeit? Oder wird betrachtet, in vielen Diensten es zu Inanspruchnahmen kommt? Das Gericht hat sich nicht lang damit aufgehalten. Seine Antwort steht ›außer Frage‹ und ›lag auf der Hand‹. Das Gericht betrachtete, wie viele Dienste durch Inanspruchnahmen belastet wurden.
Viele Hinweise sprechen dafür, dass es sich nur dann um Ausnahmefälle handelt, falls durchschnittlich weniger als ein Drittel der Dienste durch Inanspruchnahmen gestört wird .
Die typischen ›Hintergrund-Dienste‹ in Kliniken reißen meist diese Bedingung! Klinikleitungen vereinbaren deshalb oft attraktive Pauschalen für die Vergütung und behaupten danach wagemutig, ihre Dokumentationspflichten über die Arbeitszeit habe sich so erledigt.
Kein Bereitschaftsdienst! |
»Allein aus der tarifwidrigen Anordnung der Rufbereitschaft folgt nicht deren Umdeutung in Bereitschaftsdienst im Tarifsinn. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und hiervon ist auch das Arbeitsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung zutreffend ausgegangen (vgl. BAG, Urteil vom 04.08.1988 – 6 AZR 48/86, ZTR 1989, 147; BAG, Urteil vom 31.05.2001 – 6 AZR 171/00, ZTR 2002, 173).«
Kommentar: Zur Anordnung eines Dienstes gehören: Eindeutigkeit der Form der Arbeit; Mitbestimmung.
Zur Anordnung eines Bereitschaftsdienstes gehört regelmäßig zudem: Festlegung der als notwendig erkannten Maßnahmen zum Gesundheitsschutz; Festlegung der Stufe aufgrund der Auslastung; Bestimmung des Ortes zum Aufenthalt (muss nicht auf das Betriebsgelände beschränkt werden).
Dies alles kann schwerlich durch eine bloße Umdeutung ersetzt werden.
Weder Ruf- noch Bereitschaftsdienst |
»Nach dem Vorgenannten bleibt jedoch festzuhalten, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger bewusst tarifwidrige Dienste angeordnet hat. Sie hat den Kläger zu Diensten eingeteilt, die weder die tariflichen Voraussetzungen einer Rufbereitschaft noch diejenigen eines Bereitschaftsdiensts erfüllen. Sie hat damit den Kläger zu Diensten herangezogen, die weder arbeitsvertraglich noch tariflich geregelt sind. Gleichzeitig hat sie vom Kläger aber auch keine ›Vollarbeit‹ verlangt, da der Kläger während des Hintergrunddienstes nicht zur Erbringung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit, sondern lediglich zur Bereitschaft verpflichtet war, diese auf Abruf in bestimmten Fällen sofort zu erbringen. Für diese Tätigkeit fehlt es aber neben der arbeitsvertraglichen oder tarifvertraglichen Regelung an sich auch an einer entsprechenden Regelung der Vergütung.«
Kommentar: Hier wurde ›außertariflich – AT‹ angeordnet. Das ist noch kein Verstoß gegen ein Gesetz. Arbeitgeber, Interessenvertretung und Beschäftigte können sich auf zusätzliche Pflichten und Ansprüche einigen. Haben sie hier aber nicht. Achtung: Es gibt da Vorbehalte und Sperren z.B. in § 77 Abs.3 und § 87 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
Volle Vergütung: Stundenentgelt |
»In dieser Situation ist der Anwendungsbereich des § 612 Abs. 1 BGB eröffnet, denn die Beklagte verlangt von dem Kläger mit den tarifwidrigen Rufbereitschaften eine insgesamt
ungeregelte Bereitschaftsform und damit eine Tätigkeit außerhalb der arbeitsvertraglichen Regelungen. Dass diese Tätigkeit nicht unentgeltlich zu leisten ist, ist zwischen den
Parteien nicht im Streit. Wegen der Höhe der Vergütung greift daher § 612 Abs. 2 BGB ein. Nach dieser Vorschrift ist letztlich die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.
Das ist nach Auffassung der erkennenden Kammer im vorliegenden Fall die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung.
[…] Dementsprechend ist die von der Beklagten angeordnete tarifwidrige Rufbereitschaft wie Vollarbeit zu vergüten. Auch nach § 612 Abs. 2 BGB bleibt mangels einer üblichen Vergütung für die vorliegende Bereitschaftsform nur dieser Rückgriff. Da der Kläger nur einen Teil dieses Vergütungsanspruchs, nämlich den Prozentsatz von 60 v.H. der Bereitschaftsdienststufe I nach § 9 Abs. 2 TV-Ärzte TdL klageweise geltend macht, ist die Klage im oben genannten Umfang begründet.«
Kommentar: Wer zu bescheiden ist, wird vom Leben bestraft. Es steht die Vergütung in Höhe des vereinbarten Stundenentgelts zu, ebenso Zeitzuschläge. Vielleicht wurden sogar die tarifvertraglichen Voraussetzung für Überstunden erfüllt (100 v.H plus Überstunden-Zeitzuschlag). Doch in der Geltendmachung wurde ohne Not der Anspruch auf die Höhe des Entgelts für Bereitschaftsdienst beschränkt. Ein Gericht darf nicht etwas anderes als gefordert zusprechen. Das gilt aber nicht für die Zukunft!
Nicht substanziert, aber spezifisch geltend gemacht |
»Der Kläger hat seine Ansprüche mit Schreiben vom 26.02.2018, dessen Zugang im Monat Februar 2018 unstreitig ist, gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht. In diesem Schreiben hat er ausgeführt, dass er seit langen Jahren am Rufbereitschaftsdienst Nephrologie der Medizinischen Klinik I teilnehme und hat unter Bezugnahme auf Entscheidungen des EuGH sowie des Bundesarbeitsgerichts die ›Anerkennung seiner abgeleisteten Nephrologischen Rufbereitschaftsdienste als Arbeitszeit‹ verlangt. Gleichzeitig hat er seine Erwartung geäußert, dass er ›rückwirkend für die letzten sechs Monate die tarifrechtlich festgelegte korrekte Entgeltung dieser Arbeitszeiten‹ erhalte.
Die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Geltendmachung zu stellen sind, beurteilen sich maßgeblich Sinn und Zweck der Ausschlussfristen […]. Danach erfordert eine wirksame Geltendmachung, dass der Anspruch nach Grund und Höhe hinreichend deutlich bezeichnet wird. Er muss so beschrieben werden, dass der Schuldner erkennen kann, aus welchem Sachverhalt er in Anspruch genommen wird […]. Das verlangt Spezifizierung, aber keine Substantiierung […]. Außerdem muss deutlich werden, dass man Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht […].
Diesen Anforderungen genügt das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom 26.02.2018. Der Kläger begehrt damit von der Beklagten eine bessere Vergütung seiner in den letzten sechs Monaten abgeleisteten Rufbereitschaften und verlangt eine Vergütung ›als Arbeitszeit‹. Damit ist der Gegenstand der Forderung hinreichend deutlich bezeichnet. Eine konkrete Bezifferung ist nicht erforderlich. Gleichzeitig stellt der Kläger mit der Formulierung, er ›erwarte die korrekte Entgeltung‹ unmissverständlich klar, dass er auf dem Ausgleich dieser Forderung besteht.«
Kommentar: Rechtsberater drängen darauf, bereits die Geltendmachung möglichst detailliert in Höhe und Rechtsgrund auszuführen. Damit fühlen sich viele Kolleginnen und oft auch der gewerkschaftliche Rechtsschutz überfordert. In vorliegenden Fall: Die Geltendmachung der tariflich festgelegten korrekten Entgelts für die beschriebene Leistung (keine Rufbereitschaft sondern Arbeitszeit) reichte aus.
Berufung? |
Das LAG hat für ihre Entscheidung bezüglich der Ausschlussfrist keine Revision zugelassen.
Doch die Rechtsfrage der Vergütung tarifwidrig angeordneter Rufbereitschaften erklärte das Gericht ›für grundsätzlich bedeutungsvoll‹.
Kommentar: Hier darf der Arbeitgeber mit einem Gang zum BAG den ›Wow-Effekt‹ vergrößern...
Tipp: |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Übergriffe, Ordnungsgeld (19.07.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Übergriffe auf die Freizeit
⊗ Kein Plan ohne Mitbestimmung
Übergriffe auf die Freizeit |
➽ Zugespitzt: Manche Kolleg/inn/en arbeiten länger oder mehr. Doch ihrem Betriebsrat / der MAV fehlen bereits die Worte, diese Übergriffe auf die Freizeit zu beschreiben und damit zu fassen. |
Die arbeitsrechtliche Sprachenverwirrung führt zur Ohnmacht der Betroffenen.
Die gesetzliche Interessenvertretung kann da helfen. Sie kann für ihre (zwingend notwendige) Zustimmung eine Vorbedingung stellen:
Die Arbeitgeberin möge genau bezeichnen, um welchen Tatbestand es sich bei der von ihr beabsichtigten Anordnung handeln soll. Darf die betroffene Kollegin einen Überstundenzuschlag erwarten - zusätzlich zur Vergütung der Arbeitsleistung als solche?
Jedes Ding, das wir anfassen können, bekommt einen oder mehrere Namen. Was wir nicht anfassen können, was wir nur denken und empfinden können, bezeichnen wir mit abstrakten Nomen.
Manchmal gilt es als gefährlich, einen Namen auszusprechen. [Beispiel: Lord Voldemort in den Büchern von J. K. Rowling über Harry Potter.] Es beschwört Unglück herauf.
Manchmal wird der »wahre Name« geheim gehalten. Denn wer ihn aussprechen kann, bekommt beim Aussprechen Macht über die Sache oder die Person.
Bezeichnung | Bedeutung |
Überstunde | im Sinne von § 11 BurlG oder § 4 EntgFG, § 7 (7 , 8) TVöD, § 9c AVR.DD |
Mehrarbeit | im Sinne von § 207 SGB IX (Arbeitszeit, welche die in ArbZG § 3 geregelte Obergrenze von 8 Stunden werktäglich überschreitet) oder § 21 JArSchG, § 4 MuSchG, § 7 (6) TVöD, § 7 (6) TV-L, § 37 (3) BetrVG |
Überstundenchance | LAG Mecklenburg-Vorpommern 15.09.2011 – 5 Sa 268/10 Rn. 129: »Zunächst bedarf es der zusätzlichen Arbeit im Vergleich zum Dienstplan oder zur betriebsüblichen Arbeitszeit (Phase 1: Entstehen der Überstundenchance). Sodann muss noch festgestellt werden können, dass diese Überstundenchance in der Folgezeit nicht wieder durch – untechnisch formuliert – Minderarbeit verloren gegangen ist (Phase 2: Fehlender Untergang der Überstundenchance).« |
vorrübergehende Verlängerung | § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG; zum Beispiel: verschobenes Arbeitsende |
eingeplante Überstunde | BAG Urteil 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 Rn. 27: »wenn die im Schichtplan eingeplanten Arbeitsstunden nicht innerhalb des Schichtplanturnus so ausgeglichen werden« |
Überplanung | umgangssprachlich für eingeplante Überstunden |
unvorhergesehene Überstunde | BAG Urteil 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 Rn. 33: »zu den im Schichtplan festgesetzten 'täglichen' Arbeitsstunden zusätzliche« |
Plusstunde | in § 9c AVR.DD beschriebene Vorwegarbeit; auch umgangssprachlich; manchmal wird nur der mathematische Operator »+« verwendet |
Gutstunde / Gute | umgangssprachlich für einen positiven Saldenstand |
Vorarbeit | umgangssprachlich für die Leistung nicht fälliger Zeitschuld |
Planänderung | umgangssprachlich für erneute Planfestlegung |
Einspringen | Arbeit an einem von geplanter Arbeit freien Tag |
Schichtplan-Fibel extra Übergriffe auf die Freizeit Sonderwoche: Überstunden, Planänderung, Einspringen Überraschend wird der Feierabend hinausgeschoben. Die eingeplante Pause fällt aus. Alle paar Tage folgen neue Angebote für Planänderungen und Schichtwechsel. Nicht einmal die freien Tage sind tabu. |
||||
![]() |
Dagegen hilft ein Zauberkraut: Aktivierende Mitbestimmung. 07.–11.09.2020 im BZ Mosbach ⇒1663-2009071 |
Kein Plan ohne Mitbestimmung |
➽ Zugespitzt: Manchmal lässt ein Arbeitgeber Kolleginnen nach seinem Plan arbeiten, ohne die Zustimmung der Interessenvertretung abzuwarten. Dann muss er eine einstweilige Verfügung fürchten. |
Der Gerichtsentscheid |
Der Arbeitgeberin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung unter Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000,00 EUR untersagt, Arbeitnehmern i.S.v. § 5 Absatz 1 BetrVG per Personaleinsatzplan Arbeitszeiten zuzuweisen, sofern der Betriebsrat diesen nicht zugestimmt hat oder die Zustimmung nicht durch den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt worden ist.
⇒ ArbG Hamm Beschluss im einstweiligen Verfügungsverfahren
04.05.2020 – 2 BVGa 2/20
Aus der Begründung |
»Der Anspruch des Betriebsrats ergibt sich als Unterlassungsanspruch unmittelbar aus § 87 BetrVG und als Durchführungs- und Erfüllungsanspruch aus der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung Kurzarbeit (vgl. BAG, Beschlüsse vom 30.03.2018 – 1 ABR 70/16, Rd.-Nr. 26 und 22.10.2019 – 1 ABR 17/18). Die Betriebsparteien haben eine Betriebsvereinbarung Kurzarbeit geschlossen. Diese hat eine Laufzeit bis zum 31.05.2020. Darin haben die Betriebsparteien ursprünglich vereinbart, dass Arbeitszeiten der Arbeitgeberin nicht ›abgerufen‹ werden.
Der Abruf von Arbeitszeiten bedurfte somit der ausdrücklichen Zustimmung des Betriebsrats. Diese liegt bis zum heutigen Tage nicht vor. Demgemäß war der Arbeitgeberin zu untersagen, gegen die Betriebsvereinbarung verstoßende Handlungsweise durchzuführen. Der Anspruch ergibt sich als Durchführungs- und Erfüllungsanspruch des Betriebsrats unmittelbar aus der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung.
Ebenso hat der Betriebsrat aber auch einen Unterlassungsanspruch unmittelbar aus § 87 Abs. 1 Nr. 2) und 3) BetrVG. Denn die Zuweisung von Arbeitszeiten an vom Betriebsrat vertretene Arbeitnehmer bedarf zu ihrer Wirksamkeit der vorherigen Zustimmung des Betriebsrats ersatzweise der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch Spruch der Einigungsstelle. Diese Voraussetzungen liegen erkennbar nicht vor.«
Tipp |
Clevere Interessenvertretungen haben sich rechtzeitig mit einem solchen Beschluss über ein Ordnungsgeld ausgerüstet. Er liegt »in der Schublade«. Es reicht meist zu drohen, ihn dort herauszuziehen.
Wer sich dagegen unvorbereitet von Krisen wie einer Corona-Pandemie überraschen lässt, muss etwas hilflos mit Wartezeiten beim Gericht rechnen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Urlaub, Einigungsstelle (06.07.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Urlaub ohne Grenzen
⊗ Quarantäne ist kein Urlaub
⊗ Einigungsstelle für Kirchenmäuse
Chef darf Urlaub nicht beliebig festlegen |
➽ Zugespitzt: Niemand braucht die Ablehnung eines Urlaubsantrags einfach hinnehmen. |
Tatbestand |
Eine Pflegeassistentin beantragt Urlaub in den letzten zwei Wochen des Jahres. Sie ist Betriebsratsvorsitzende.
Der Arbeitgeber lehnt dies ab: In der Weihnachtszeit und an Silvester werde in der Regel bei keinem Mitarbeiter Urlaub genehmigt, um allen Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, die Zeit mit der Familie zu verbringen.
Der Betriebsrat verweigert zudem mehrheitlich seine Zustimmung zu diesem Urlaub im Zuge der Urlaubsplanung.
Das Arbeitsgericht spricht der Kollegin den Urlaub dennoch zu.
⇒ ArbG Braunschweig Urteil 20.11.2019 – 4 Ca 373/19
Aus der Begründung |
Von dringenden betrieblichen Belangen ist nicht bereits auszugehen, wenn die Berücksichtigung des vom Arbeitnehmer geäußerten Wunschs zu Störungen im Betriebsablauf führt. Diese
treten regelmäßig beim Fehlen eines Arbeitnehmers auf. Sie sind hinzunehmen und durch entsprechende Personaldispositionen auszugleichen (Gallner, in ErfK, § 7 BUrlG Rdnr. 18). Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer rechtfertigen eine Leistungsverweigerung nur, wenn aus betrieblichen Gründen nicht jeder Urlaubswunsch erfüllt werden kann. Die Bestimmung des Urlaubszeitpunkts obliegt nicht dem billigen Ermessen des Arbeitgebers im Sinne von§ 315 BGB, sondern der Arbeitgeber ist als Schuldner des Urlaubsanspruchs verpflichtet, die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen und daher auch den Urlaub für den vom Arbeitnehmer angegebenen Termin festzusetzen, wenn die Leistungsverweigerungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG nicht vorliegen. […]
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass einer Urlaubsgewährung das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats entgegenstehe. Zwar hat der Betriebsrat über § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bzgl. der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie hinsichtlich der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird. Auch hat der Betriebsrat im konkreten Fall der Urlaubsgewährung der Klägerin seine Zustimmung verweigert. Der einzelne Arbeitnehmer braucht sich jedoch mit der zeitlichen Festlegung seines Urlaubs durch Arbeitgeber und Betriebsrat nicht zufrieden zu geben. Er kann gegen den Arbeitgeber auf Erteilung des Urlaubs für einen bestimmten anderen Zeitraum unter Berufung auf § 7 Abs. 1 BUrlG im Urteilsverfahren klagen (vgl. Fitting u. a., BetrVG, 29. Aufl.,§ 87 Rdnr. 211).
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass mit dem Betriebsrat eine Regelungsabrede über eine Urlaubssperre geschlossen worden sei, ist auch dieser Vortrag bereits unsubstantiiert.
Dem Vorbringen der Beklagten lässt sich nicht entnehmen, wann genau, zwischen wem, mit welchem genauen Inhalt eine Regelungsabrede getroffen worden ist.
Tipps |
❍ Die betriebliche Interessenvertretung sollte sich bei der Festlegung von Urlaubsgrundsätzen bescheiden. Keine Vereinbarung über Grundsätze, welche die Kolleginnen bei ihren Wünschen beschränken, eine Reihenfolge festlegen oder Urlaubsanträge zu bestimmten Jahreszeiten behindern!
❍ Einen wichtigen Grundsatz kann die betriebliche Interessensvertretung vereinbaren: Jeder Urlaubsantrag ist binnen zwei Wochen zu bescheiden!
❍ Wird ein Urlaubsantrag mit dem Verweis auf knappes Personal abgelehnt (betriebliche Gründe)? Wir fordern: Ausreichend Personal! Keine Mindestbesetzung ohne Mitbestimmung! Urlaub darf stören! Unbesetzte Stellen sind kein Grund für Urlaubsverzicht!
❍ Die Interessensvertretung ist recht stark, soweit sie sich an die Seite der Kolleginnen im Streit um abgelehnte Urlaubsanträge stellt (§ 87 Abs. 1 Nr. 5
BetrVG, § 75 Abs. 3 Nr. 3 BPersVG, § 42 k MVG). Oft übersehen Arbeitgeber hier ihre Pflicht zur Mitbestimmung. Macht das in der Belegschaft bekannt!
Quarantäne ist kein Urlaub. |
➽ Zugespitzt: Wer arbeitsunfähig ist, bekommt keinen Urlaub gewährt. Quarantäne wird auch Gesunden verordnet. Quarantäne gilt dennoch nicht als gewährter Urlaub. Denn Quarantäne macht nicht frei. |
Seuchenpolizeiliches Tätigkeitsverbots und Mindesturlaub |
Zwei in der Metzgerei Beschäftigte werden als Ausscheider von Salmonellen ermittelt. Das Gesundheitsamt untersagte ihre weitere Beschäftigung.
Die Arbeitgeberin verhängt Betriebsferien und rechnet einen Teil auf den Urlaubsanspruch an. Zu Unrecht.
Aus der Begründung |
Erholungsurlaub im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes ist die Freistellung des Arbeitnehmers von seiner sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Arbeitspflicht und Dienstpflicht unter gleichzeitiger Weiterzahlung der Vergütung durch den Arbeitgeber (Boldt/Röhsler aaO Rdn 9 zu § 1 BUrlG). Zu einer echten Erholung gehört eine Sphäre der Selbstbestimmung, der persönlichen Freiheit und des Lebensgenusses […]. Der in § 9 BUrlG festgelegte Grundsatz, daß im Hinblick auf den Erholungszweck Tage, an denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig krank ist, auf den Erholungsurlaub nicht angerechnet werden dürfen, trägt dem Umstand Rechnung, daß ein Arbeitnehmer, der erkrankt ist, sich nicht zugleich erholen kann. Urlaub und Erkrankung schließen einander aus […].
bb) Ein Ausscheider im Sinne des § 2d BSeuchG ist zwar grundsätzlich nicht krank im Sinne des BUrlG. Die Grenzen zu einer Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne sind indes fließend, wie der Sachverhalt beweist, der der Entscheidung des Bundessozialgerichts in NJW 1971, 1908 zugrunde lag. So heißt es auch in der amtlichen Begründung zu § 48 des Regierungsentwurfs eines Bundesseuchengesetzes […], Ausscheider, Ausscheidungsverdächtige und Ansteckungsverdächtige seien "vom Schicksal in ähnlicher Weise betroffen wie Kranke" (ähnlich schriftl Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen vom 17. April 1961 – BT-Drucks III/2662 -: Der Betroffene Personenkreis könne »in etwa den Kranken gleichgestellt werden«). Das zeigt sich bei Ausscheidern nicht nur in den Beschränkungen der Berufsausübung, sondern auch in den strengen hygienischen Auflagen, denen sie unterworfen sind […]. Diese Auflage, zu denen insbesondere die dauernde Desinfektion der benutzten sanitären Anlagen zählt, schließen, wie die Revision mit Recht hervorhebt, zB Aufenthalte in Gemeinschaftseinrichtungen und Hotels aus und führen dazu, daß der Betroffene sich unter anderen Personen und in fremden Räumen nicht zwanglos und frei bewegen kann. Das legt die Möglichkeit nahe, daß sich der Betroffene in dieser Zeit nicht so erholen kann, wie es dem Urlaubszweck entspricht, nämlich in freier, selbstgewählter Gestaltung der Urlaubszeit.
⇒ BGH 3. Zivilsenat 30.11.1978 – III ZR 43/77
Einigungsstellen im MVG.EKD |
➽ Zugespitzt: Es ist Zeit, einmal die neue Karte der Einigungsstelle versuchsweise auszuspielen. |
Neu geregelt |
Seit Jahresanfang greift der neu eingeschobene § 36a MVG.EKD – Einigungsstellen.
Sind im Streit um einen erzwingbaren Mitbestimmungstatbestand (§ 40 MVG) die Verhandlungen gescheitert, kann die MAV die Bildung einer Einigungsstelle in Gang setzen. Deren Spruch kann die Einigungsversuche der Betriebsparteien ersetzen. Die Einigungsstelle besteht aus je zwei beisitzenden Mitgliedern sowie einem oder einer unparteiischen Vorsitzenden. Sie wird nach Anrufung durch eine der Beteiligten unverzüglich tätig.
Mit einem halben Jahr Verzug hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland auch die Entschädigungen für die Mitglieder von Einigungsstellen durch eine Rechtsverordnung geregelt, offen für bessere Versuche ihrer Gliedkirchen:
⇒ Verordnung über die Entschädigung für die Mitglieder von Einigungsstellen nach dem Mitarbeitervertretungsgesetz der EKD. Vom 15. Mai 2020
|
Tipps |
❍ Die MAV fordert die Dienstgeberin zur Bildung einer solchen Einigungsstelle auf. Sie benennt dabei den Regelungsgegenstand – so eng und konkret wie möglich. Unbekümmert schlägt sie zugleich eine kleine Liste möglicher Vorsitzender vor. Solche Listen mit erfahrenen Rechtsspezialisten gibt es z.B. bei den Seminaren der Schichtplan-Fibel.
Der Tagessatz solcher Spezialisten liegt gewöhnlich zwischen 1.600 und 4.000 €. Sie handeln dies zunächst mit den Arbeitgebern aus.
❍ Der Rat der EKD hat ihre Honorare regide gedeckelt. Die unparteiischen Vorsitzenden werden in der Folge kurzen Prozess machen – ein einziger Termin, schnelle Entscheidung, kurzes Ergebnisprotokoll. Einigungsstelle für Arme.
❍ Der Rat der EKD hat erst recht die Honorare der externen Beisitzer verzwergt. Bei Einigungsstellen im Betriebsverfassungsgesetz gelten 70 v.H. des Honorars der Vorsitzenden als angemessen. Mit 30 v.H. hat der Rat der EKD dies absichtsvoll erschwert. Die clevere MAV wird deshalb zeitnah die als Beisitzer ins Auge gefassten Personen als Sachkundige zur MAV-Sitzung hinzuladen (§ 25 Abs. 2 MVG) und die Kostenerstattung dieser Beratung vereinbaren (§ 30 Abs. 2 MVG); im Streitfall entscheidet das Kirchengericht.
❍ Im Ergebnis werden die Beisitzer dabei unterstützen, der Einigungsstellen-Vorsitzende zu deren Vorbereitung schriftlich den Regelungsstreit und die konkreten Vorschläge zur Lösung vorzustellen.
❍ Erst in ihrer letzten Sitzung vor dem eigentlichen Einigungsstellen-Termin beschließt die MAV: »Die Mitarbeitervertretung ist Beteiligte des Einigungsstellenverfahrens (§ 36a MVG.EKD). Die Angelegenheit ist rechtlich und tatsächlich schwierig, umso mehr, da zur Lösung nur wenig Zeit zur Verfügung gestellt wird. Die MAV benennt als Beisitzer NN1 und NN2. Sie entsendet ihre Vorsitzende und deren Stellvertreter sowie ihr in der Sache besonders kundiges Mitglied NN3, um sie bei diesem Vermittlungsversuch am ...... zu vertreten.«
Diesen Beschluss teilt sie der Einigungsstellenvorsitzenden und der Personalleitung mit und ergänzt dabei die Email-Adressen der Benannten.
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, alternative Modelle – mehr Geld für weniger Arbeit, Pausen im Schlaf, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag, die Mysterien der Faktorisierung .... 17.–21.08.2020 im BZ Walsrode ⇒1663-2008171 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bußgeld erhöht - Bereitschaftsdienst (24.06.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Bußen werden teurer
⊗ Verstöße beim Bereitschaftsdienst
(Fast) alles wird teurer – auch die Gefährdung |
➽ Zugespitzt: Arbeitgeber verstoßen gegen den Mindestschutz. Wir können sie vor den Risiken warnen. |
Weitgehend unbeachtet hat der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) seinen Bußgeldkatalog neu aufgelegt. »Diese Veröffentlichung richtet sich in erster Linie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Aufsichtsbehörden. Sie ist darüber hinaus aber auch eine Informationsquelle für diejenigen, die an anderer Stelle für die Umsetzung der Vorschriften des Arbeitszeitrechts, Jugendarbeitsschutzrechts und des Mutterschutzrechts sorgen müssen.«
Der Katalog ⇒ LV 60 orientiert also die Aufsichtsbehörden in den Bundesländern (Amt für Arbeitssicherheit, Bezirksregierung, Gewerbeaufsicht). Er listet die möglichen Verstöße gegen die Schutzbestimmungen im Arbeitszeitgesetz auf. Und er ordnet jeder Versoßart eine ihr angemessene Höhe der Bestrafung zu. Interessant ist – gegenüber der ersten Fassung aus dem Vorjahr wurden einige Strafen deutlich verschärft:
Lfd. Nr. |
Ordnungswidrigkeit | Buße bisher |
ab März 2020 |
102 | Überschreitung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden bis zu 1 Stunde und je angefangene weitere Stunde | 300 € | 600 € |
104 | [wer] Beschäftigten die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht gewährt – je nicht gewährter vorgeschriebener Pause | 300 € | 400 € |
112 | [wer] den erforderlichen Ersatzruhetag für die Beschäftigung an einem Sonntag oder Feiertag nicht oder nicht rechtzeitig gewährt – je Tag | 350 € | 500 € |
115 | [wer] gegen die Verpflichtung zur Aufzeichnung der Arbeitszeit verstößt – je Fall | 1.600 € | 1.600 € |
118 | [wer] gegen die Pflicht zur richtigen und vollständigen Vorlage von Unterlagen oder zur Erteilung richtiger und vollständiger Auskünfte verstößt – je Fall | 750 € | 1.500 € |
Die Aufsichtsbehörde kann es auch bei einer bloßen Verwarnung belassen. »Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten kann die Verwaltungsbehörde die Betroffene oder den Betroffenen verwarnen und ein Verwarnungsgeld von 5,- bis 55,- Euro erheben (§ 56 Absatz 1 Satz 1 OWiG).« Doch das dürfen die Arbeitgeber nicht als Freibrief verstehen. Denn sie verstoßen ja nicht nur gelegentlich gegen eine von ihnen nicht erwartete Höchstgrenze:
»Die Ordnungswidrigkeit muss ihrer Art und ihrem Umfang nach geringfügig sein. Die Ordnungswidrigkeit wird nicht als geringfügig angesehen, wenn bekannt ist, dass diese im Betrieb des Unternehmens wiederholt vorkommt. Eine Verwarnung ist nicht auszusprechen, wenn sie unzweckmäßig erscheint.« (LV 60, Seite 15)
Profit ade |
Die Betreiber von Kliniken und Heimen haben vernünftige Gründe, so systematisch die Schutzgesetze zu unterlaufen: Sie sparen durch den geringeren Einsatz von Personal auch Geld. Achtung:
»Nach § 17 Absatz 4 OWiG (und ggf. § 30 Absatz 3 OWiG) kann dann der aus der Tat stammende wirtschaftliche Vorteil entzogen werden. Der wirtschaftliche Vorteil ist dabei der Gewinn oder die ersparten notwendigen Aufwendungen abzüglich aller notwendigen Auslagen des Unternehmers (sog. Nettoprinzip). Die in den genannten Rechtsvorschriften festgelegten Höchstgrenzen für die Geldbußen dürfen bei Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils überschritten werden.« (LV 60, Seite 14)
Verstöße beim Bereitschaftsdienst |
➽ Zugespitzt: Wer XXL-Schichten arbeiten lässt, muss höllisch aufpassen. Sonst werden Bußgelder fällig. |
Bereitschaftsdienste in Kliniken und Heimen folgen einem typischen Muster. Erst wird sich umgezogen und die Übergabe mit den Kolleginnen der vorausgehenden Schicht besprochen. Dann werden vielleich noch ein paar Stunden in Vollarbeit abgefordert. Darauf unterbricht eine Phase mit nächtlichem Bereitschaftsdienst. Und am folgenden Morgen, nach der obligaten Übergabe an die Frühschicht und nach dem Umziehen folgt die Ruhezeit. Dieses Muster trägt den schillernden Namen Sandwich-Dienst. Der Bereitschaftsdienst erscheint da als mehr oder weniger schmackhafter Belag zwischen zwei Scheiben aus Vollarbeitszeit.
Pausen |
Manchmal versäumen die Arbeitgeber, die Pausen zu organisieren. Doch: »Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden.« (§ 4 Satz 3 Arbeitszeitgesetz). Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, keine Pause. Die arbeitsfreien Zeiten während des sog. Bereitschaftsdienstes erfüllen nicht die begrifflichen Merkmale der Pausen. Wer diese vorgeschriebenen Pausen nicht organisiert, verstößt gegen § 4 ArbZG.
⇒ BAG 25.10.1989 – 2 AZR 633/88;
⇒ BAG Urteil 16.12.2009 – 5 AZR 157/09 (Rn. 12)
Lfd. Nr. |
Ordnungswidrigkeit | ab März 2020 |
104 | [wer] Beschäftigten die vorgeschriebenen Ruhepausen nicht gewährt – je nicht gewährter vorgeschriebener Pause | 400 € |
Mehr als 48 Stunden? |
Manchmal versäumen Arbeitgeber, zusammen mit der Interessenvertretung die Bezugszeiträume für den Ausgleich der wochendurchschnittlichen Höchstarbeitszeit (48 Stunden) in Art, Lage und Länge zu organisieren. Die Art betrifft dabei, ob eine fester oder gleitender Zeitraum gewählt wird. Die Länge betrifft § 6 Abs. 2 ArbZG ( bei Nachtarbeitnehmern vier Wochen oder Kalendermonat). Die Lage betrifft die Festlegung des letzten Tages (Ende) eines solchen Zeitraums und der sich daran anschließenden Turnusse.
Überrascht stellt dann jemand fest – da wurde ein wenig zu viel eingeplant und gearbeitet, mehr als erlaubt. Jetzt wird genau hingeschaut – waren es 49 Stunden oder 51, waren es zwei, drei oder vier Stunden im Wochendurchschnitt zu viel?
Lfd. Nr. |
Ordnungswidrigkeit | ab März 2020 |
102 | Überschreitung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden bis zu 1 Stunde und je angefangene weitere Stunde | 600 € |
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, alternative Modelle – mehr Geld für weniger Arbeit, Pausen im Schlaf, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag, die Mysterien der Faktorisierung .... 17.–21.08.2020 im BZ Walsrode ⇒1663-2008171 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Betriebsvereinbarungen durchführen (17.06.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Seminargelegenheiten in Corona-Zeiten
⊗ Durchführungsanspruch der Interessenvertretung
⊗ Arbeitszeit dokumentieren
⊗ Deutsche Handelsgehilfen (DHV)
Prima Nachrichten: Wir lernen wieder! |
➽ Zugespitzt: Melde Dich zu unseren Seminaren an. |
Die Schichtplan-Fibel macht keine Sommerpause. Der Seminarbetrieb läuft wieder an. Wenn wir – aufgrund der Pandemie-Vorsorge – in etwas kleinerer Runde bleiben, so ist dies kein Nachteil für die Teilnehmer(/innen.
In 2020 konzentrieren wir uns auf drei Konflikte: Bereitschaftsdienst, Überstunden und Pausen. Wir bohren dabei gemeinsam in die Tiefe. Zu jedem der drei Themen nehmen wir uns jeweils fünf Tage Zeit. Wir stellen dabei die betriebliche Praxis auf den Prüfstand. Warum greifen bislang die Schutzgesetze ins Leere? Wie hoch sind die Strafen? Wie lehren wir dem Chef das Gruseln? Welche Schätze können wir gemeinsam mit den Kolleginnen heben?
Die lose Reihe startet im August:
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, alternative Modelle – mehr Geld für weniger Arbeit, Pausen im Schlaf, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag, die Mysterien der Faktorisierung .... 17.–21.08.2020 im BZ Walsrode ⇒1663-2008171 |
Hier sind nur noch wenige Plätze frei.
Dagegen dümpeln die Anmeldungen zu unseren Lösungen rund um Übergriffe auf die Freizeit und Pausen als Hebel zur Entlastung im Corona-Loch.
Ist das Holen-aus-dem Frei kein Problem mehr? Ist der Feierabend wieder sicher? Haben wir die Überplanung endlich im Griff?
Klappt es mit den organisierten Pausen, weil endlich ausreichend Personal in die Schichten eingeplant wird? Hat der Arbeitgeber es aufgegeben, nicht gewährte Pausen aus der Arbeitszeit herauszurechnen?
Rechnen die alten Hasen nicht mehr mit Überraschungen? Andernfalls: Am Ende dieses Newsletters stehen die Termine und jeweils der ⇒ Link direkt zu den Unterlagen für Deine Anmeldung.
Durchführungsanspruch |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Lernen, aufschreiben, durchsetzen (17.06.2020)
➽ Zugespitzt: Ansprüche, die eine betriebliche Vereinbarung für Kolleginnen festschreibt, kann die Interessensvertretung gerichtlich eintreiben. |
Sachverhalt |
Die Beteiligten streiten über die Auslegung eines Sozialplans. Die Arbeitgeberin rechnet sich ihre Vergütungspflichten schön.
Die Begründung: |
Rn.13: Gegenstand des Antrags ist die Feststellung eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Der Gesamtbetriebsrat möchte klären lassen, wie die Arbeitgeberin die den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern […] zu zahlenden Abfindungen zu berechnen und damit die zwischen den Beteiligten geschlossene GBV SP durchzuführen hat. Diese Frage betrifft den Inhalt einer Verpflichtung der Arbeitgeberin aus einem zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsverhältnis.
bb) Der Gesamtbetriebsrat verfügt über das nach § 256 Abs. 1 ZPO notwendige Interesse an der begehrten Feststellung.
Rn.: 17: b) Der Gesamtbetriebsrat ist antragsbefugt. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde liegt keine „unzulässige Prozessstandschaft“ vor. Der Gesamtbetriebsrat verfolgt offenkundig nicht Individualansprüche einzelner Arbeitnehmer, sondern begehrt die Feststellung, um einen eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Durchführungsanspruch nach § 77 Abs. 1 Satz 1 BetrVG geltend zu machen (vgl. auch BAG 18. Mai 2010 – 1 ABR 6/09 – Rn. 14, BAGE 134, 249).
Unerheblich ist, dass sich der Ausgang des Verfahrens nur zugunsten einer begrenzten Anzahl von Arbeitnehmern auswirkt. Auch kommt es nicht darauf an, dass sich die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Art und Weise der Durchführung der GBV SP auf den Inhalt normativ begründeter Ansprüche von Arbeitnehmern bezieht. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass Betriebsvereinbarungen und Sozialpläne (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) unmittelbare und zwingende Wirkung haben und damit typischerweise Ansprüche von Arbeitnehmern gegen ihren Arbeitgeber begründen.
⇒ BAG Beschluss 25.02.2020 – 1 ABR 38/18
Personalrat und MAV |
Die Entscheidung ist übertragbar. Denn § 77 (1) BetrVG entspricht §§ 74 (1) / 83 (1) Nr. 4 BPersVG und § 60 (2), § 63a (2) MVG.
Lediglich für die katholischen Einrichtungen wird ein Orden ausgelobt für jene MAV, die etwa die Anwendbarkeit auf § 38 Abs. 3a MAVO und Ideen für eine empfindliche Bestrafung bei Zuwiderhandeln gerichtsfest macht.
Tipp |
Es wird allerdings nicht reichen, einen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch parallel in einer betrieblichen Vereinbarung zu wiederholen. Da würde sich der Arbeitgeber wohl rausreden können, es handele sich lediglich um eine deklarative Nachricht an die Vorgesetzten, um schönen Text zum Aufblähen der Vereinbarung mit Selbstverständlichkeiten.
Die Betriebsparteien können aber gesetzliche oder vertragliche Rahmenregeln ausfüllen und ergänzen. Dadurch entstehen den Kolleginnen eigene Ansprüche. Sie werden diese vielleicht nicht arbeitsgerichtlich durchsetzen wollen. Denn das ist teuer und es droht Ungemach. Nicht jeder Arbeitgeber nimmt den Gang vor das Arbeitsgericht sportlich. Den Kolleginnen fehlt der Schutz, den Betriebsräte und Mitarbeitervertreterinnen durch ihr Amt genießen und zu wenig nutzen.
Da wird nun die Interessenvertretung aktiv. Denn auch sie hat einen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Durchführung der betrieblichen Vereinbarung. Ihre Anwalts- und Gerichtskosten bezahlt der Arbeitgeber. Sie bekommt Recht, der Arbeitgeber die Rechnung. Und die Interessenvertretung kann die zukünftige Unterlassung solcher Vertragsverletzungen mit einem Ordnungsgeld versehen lassen.
Arbeitszeit dokumentieren |
➽ Zugespitzt: Wir können erzwingen, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit lückenlos aufzeichnet. |
VKA und Marburger Bund regeln im ⇒ Tarifvertrag Ärzte die umfassende Dokumentation der gesamten Arbeitszeit. Dies wurde u.a. in § 9 BAT-KF oder in den AVR DD Anlage 8a § 13 nachempfunden.
In den Betrieben gibt es nun Streit. Denn einige Arbeitgeber reichen ihre nicht ganz neuen Pflichten einfach an die ärztlichen Kolleginnen und Kollegen weiter. Und sie beschränken diese Dokumentation auf diese Berufsgruppe, statt endlich für alle jede Minute Arbeitszeit aufzuschreiben.
Tipp |
Die betriebliche Interessenvertretung hat da recht gute Karten. Sie kann den gesamten Vorgang der Aufschreibung in einer betrieblichen Vereinbarung regeln. Und sie kann danach empfindlich zur Ordnung rufen:
❍ Es handelt sich um eine gesetzliche Rahmenregelung (§ 16 ArbZG). Diese wurde nun durch eine vertragliche Rahmenregelung weiter ausgestaltet. Sie ist jedoch – zumindest nach Auffassung der Arbeitgeberverbände – nicht abschließend ausgestaltet. Es ist zu entscheiden, wer wann und wie aufschreibt.
❍ Der Zweck dieser Norm ist zunächst der Schutz der Gesundheit vor Überlastung, dann zusätzlich die Sicherstellung der Vergütung.
❍ Die Ausgestaltung von Rahmenregeln zum betrieblichen Schutz der Gesundheit unterliegt der zwingenden Mitbestimmung. Erst Mitbestimmung, dann Anordnung der Maßnahme – nicht umgekehrt!
❍ Arbeitszeit belastet. Arbeitszeit unterscheidet sich von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. Die Erfassung dieser Belastungen muss der Arbeitgeber fortlaufend aktualisieren (§ 5 ArbSchG) und beurteilen. Diese Erfassung unterwirft das BetrVG, MVG und die MAVO der Mitbestimmung.
❍ Die Betriebsparteien müssen entscheiden, welche Maßnahmen (Erfassungsmethode, Erfassende) geeignet sind. Dazu blicken sie in die Belastungsbeurteilungen an den Arbeitsplätzen (§§ 5 und 6 ArbSchG). Aus diesen müssen sich die geeigneten Maßnahmen ableiten lassen.
Offensichtlich wird da: Selbsterfassungen führen zu Fehlern. Erfassen können und müssen die, welche gelernt haben, was genau zur Arbeitszeit gehört und wann sie eine Pause gewährt haben.
❍ Greift die Arbeitgeberin all dem einseitig vor? Dann kann die Interessenvertretung die Unterlassung verlangen und gerichtlich Ordnungsgelder verhängen lassen. Diese Geldbußen sind meist geringer als die in der ⇒ LV 60 (Lfd. Nr. 115).
Der DHV ist seit 2015 nicht mehr tariffähig |
➽ Zugespitzt: Gefälligkeits-Tarifverträge, welche der DHV z.B in Thüringen mit der AWO schließt, sind das Papier nicht wert. |
Beim Kürzel DHV denken viele gerne an den Deutschen Hanfverband (DHV). Der Deutschnationale Handlungsgehilfen-Verband (DHV) war eine Angestelltengewerkschaft mit völkischen, antisemitischen, ökonomischen und sozialpolitischen Interessen, die von 1893 bis 1933 bestand. Nach 1945 gründeten einige den Deutschen Handlungsgehilfenverband neu, welcher sich 1956 in Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband umbenannte. Heute treibt er als »DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.« sein Unwesen. Er gehört dem Christlichen Gewerkschaftsbund (CGB) an.
Er ist seit dem 21.04.2015, kurz nach dem Inkrafttreten seiner Satzungsänderung 2014, nicht mehr tariffähig. Dies hat das Landesarbeitsgericht Hamburg am 22.05.2020 festgestellt, aufgrund der Anträge der IG Metall, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten sowie der obersten Arbeitsbehörden der Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen.
Die DHV hat seinen Organisationsbereich formal auf etwa 7 bis 11 Mio. Beschäftigungsverhältnisse ausgedehnt. Er bietet sich an, Arbeitsbedingungen auch mit dem DRK zu regeln, mit Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege oder der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie der Jugendhilfe, mit Privaten Kliniken und Krankenhäusern, mit Rettungsdiensten und dem Paritätischen Wohlfahrtsverband. Damit hat er es überreizt.
Es werden alle Tarifverträge, die der DHV seit dem 21. April 2015 geschlossen hat, ungültig.
Der Streit war zunächst bis zum Bundesarbeitsgericht (BAG) gegangen, das ihn zur weiteren Tatsachenfeststellung an das LAG Hamburg zurückverwies. Dieses stellte fest: Der DHV verfügt in seinem von ihm beanspruchten Zuständigkeitsbereich über keine echte Verhandlungsmacht. Denn zur Durchsetzung gegenüber den Arbeitgebern fehlt es ihm schlicht an Mitgliedern.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Der DHV hat wiederum Rechtsbeschwerde beim BAG eingelegt.
⇒ LAG Hamburg Beschluss 22.05.2020 – 5 TaBV 15/18
Wahrscheinlich beobachten die Experten, die Mitte Mai mit rund 200 Mitgliedern eine »Pflegegewerkschaft BochumerBund« gründeten, dieses Elend ganz genau. Sie können dabei lernen: Sich Gewerkschaft zu nennen, reicht nicht!
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Versetzt wider Willen (25.04.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Versetzung in die Fremde
⊗ Betrieblicher Alltag: Rumgeschupst
Versetzt wider Willen |
➽ Zugespitzt: |
Eine große Klinikbetreiberin im öffentlichen Dienst schreibt inmitten der Corona-Krise den Leitungen und Vorgesetzten:
»Sofern die Tätigkeit im Arbeitsvertrag nicht näher konkretisiert ist, kann der Arbeitgeber der/m Beschäftigten unter Berücksichtigung billigen Ermessens grundsätzlich (also jederzeit, auch außerhalb einer bestehenden Notsituation) jede Tätigkeit zuweisen, die der vereinbarten Entgeltgruppe entspricht.«
Eine steile Behauptung. Sollte es da wirklich Arbeitsverträge geben, in denen die vereinbarte Tätigkeit nicht konkretisiert wurde? Systematischer Rechtsbruch?
Schauen wir einmal ins Nachweisgesetz –
§ 2 NachwG Nachweispflicht |
Da reicht offenkundig nicht ein allgemein hingeworfener Begriff, etwa – »als Angestellte«, »in der Pflege« oder »in der Verwaltung«. Es ist eine zumindest stichpunktartige Angabe des Tätigkeitsinhalts erforderlich. Eine einheitliche Gesamttätigkeit kann mit wenigen Worten beschrieben werden. Mehr Aufwand ist notwendig, falls eine Arbeitsaufgabe (Arbeitsplatz) aus mehreren Teiltätigkeiten zusammengesetzt und übertragen wird.
Die sparsame Beschränkung auf die Berufsbezeichnung »Krankenschwester«, als »Pflegefachmann/frau«, »in der Buchhaltung« reicht ebenfalls nicht. Denn es macht einen gewaltigen Unterschied, als Abteilungsleitung, Bereichsvorgesetze oder Pflegedienstleitung zu arbeiten, oder unter einer solchen.
Arbeitgeber teilen meist mit, welche Eingruppierung und Einstufung sie als richtig erkannt haben. Manchmal schreiben sie dies sogar in den eigentlichen Arbeitsvertrag selbst.
Die Entgeltgruppe für eine Tätigkeit wird jedoch durch die Tarifparteien vereinbart. Arbeitgeber und die einzelnen Beschäftigte können dies so nicht vereinbaren; es handelt sich um eine bloße Rechtsfolge. Die eigentliche Übertragung der Tätigkeit führt unmittelbar zur Eingruppierung (Tarifautomatik), vielleicht zudem zur Zuordnung zu einer recht speziellen Fallgruppe. Belastungen in dieser Tätigkeit begründen den Anspruch auf besondere Zulagen. Die Kurzbeschreibung der konkreten Tätigkeit muss geeignet sein, daraus die Eingruppierung und Einstufung zu folgern.
Der Vertrag mag die Berufsbezeichnung ausweisen, vielleicht auch den Einsatzbereich. Die Tätigkeit mag ausdrücklich übertragen sein. Nichts davon ersetzt die vorgeschriebene Beschreibung der eigentlichen zu leistenden Tätigkeit. Hier hilft aber eine Stellenausschreibung (Aushang im Betrieb) oder eine Stellenbeschreibung durch die Personalleitung oder die Vorgesetzten.
Das Fehlen eines solchen schriftlichen Nachweises der Vertragsbedingungen hat für den Chef unangenehme Folgen.
»Leitsatz: Bei Nichterfüllung der Nachweispflicht gemäß § 2 Abs. 1 NachwG durch den Arbeitgeber kommt dem Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung bezüglich der von ihm behaupteten Vertragsbedingungen zugute.«
⇒ LAG Nürnberg Urteil 09.04.2002 – 7 Sa 518/01
Vielleicht mag eine Kollegin ungern in ein anderes Team wechseln, vielleicht mag sie keine ihr bislang fremden Arbeitsaufgaben übernehmen. Dann kann sie selbstbewußt an die Personalleitung schreiben –
Versetzungsangebot |
Versetzt? Von wegen! |
Der Fall: Die Versetzungsklausel |
Eine Arbeitgeberin schreibt in ihre Arbeitsverträge: »Die Arbeitgeberin hat das Recht, das Aufgabengebiet der Beschäftigten zu ergänzen und ihr auch eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht.«
Nun überträgt sie der Filialleiterin nach einem Streit einfache Tätigkeiten. Und verliert vor Gericht.
Eine Klausel im Arbeitsvertrag kann zwar einen Arbeitgeber berechtigen, einer Beschäftigten eine andere Tätigkeit im Betrieb zuzuweisen, falls die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entspricht. Diese Klausel bleibt jedoch unwirksam. Denn sie enthielt nicht die notwendige Einschränkung, dass es sich dabei um eine gleichwertige Tätigkeit handeln muss.
Gleichwertig in diesem Sinne ist eine Tätigkeit, welche die tarifvertragliche Entgeltordnung gleich bewertet.
»Leitsatz: Zur wirksamen Ausübung des gesetzlichen Versetzungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO gehört es, dass hinreichend bestimmt ist, welche Aufgaben die Arbeitnehmerin künftig wahrnehmen soll.«
⇒ LAG Köln Urteil 09.01.2007 – 9 Sa 1099/06
Der Fall: Der Fachpfleger |
Eine Arbeitgeberin versetzt einen 'Fachkrankenpfleger (für Intensivpflege und Anästhesie)' für zwei Wochen aus der Anästhesie auf die Intensivabteilung. Dort hat der Kollege bereits während seiner Fachweiterbildung Erfahrungen gesammelt. Die Tätigkeit in der Intensivabteilung entspricht seinen Kenntnissen.
Der Kollege widersetzt sich dennoch. Mit Erfolg.
Die hier einschlägige Anlage 1 des TVöD beschreibt im Abschnitt XI Gesundheitsberufe für die Entgeltgruppe P 9 eine Fallgruppe 1. Beschäftigte der Entgeltgruppe P 7 Fallgruppe 1 mit abgeschlossener Fachweiterbildung und entsprechender Tätigkeit.
Dies greift sowohl für die Fachpflege in der Anästhesie wie in der Intensivabteilung. Doch die Protokollerklärung dazu differenziert dann – Beschäftigte der Entgeltgruppen P 5 bis P 9, die zeitlich überwiegend in Einheiten für Intensivmedizin (Stationen für Intensivbehandlungen und Intensivüberwachung sowie Wachstationen, die für Intensivüberwachung eingerichtet sind) Patientinnen oder Patienten pflegen, erhalten für die Dauer dieser Tätigkeit eine monatliche Zulage von 46,02 Euro.
Die Intensiv-Tätigkeit ist offensichtlich besonders belastend. Sie ist darum anders bewertet, nämlich über eine Zulage höher. Sie ist nicht ganz gleichwertig. Es handelt sich um eine wesentliche Änderung. Dies setzt von Beginn an die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung voraus.
Der Fall: geänderte Schichtzeiten |
Eine Arbeitgeberin will Personalausfälle kompensieren. Sie versetzt eine Kollegin zur Aushilfe aus einem stationären Bereich in einen Funktionsbereich. Sie reiht diese dabei in das besondere Arbeitszeitmodell dieses Bereichs ein.
Der Kollegin widersetzt sich und besteht auf ihre Arbeitszeitzeiten. Mit Erfolg.
Denn die Betriebsparteien (Arbeitgeber, Betriebsrat) haben die Dienstpläne vor ihrer Anordnung vereinbart (unterschrieben). Es handelt sich damit um Betriebsvereinbarungen. Diese begründen die Ansprüche der Kollegin auf genau diese Arbeitszeiten.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] ArbZG verschärft (10.04.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Corona: Verschlimmerung des ArbZG
⊗ Die Form der Mitbestimmung
⊗ Corona: Mitbestimmung durch Videokonferenz
Schutz durchlöchert über § 14 Abs. 4 ArbZG |
➽ Zugespitzt: |
Das Arbeitszeitgesetz wurde am 27.03.2020 für staatliche Übergriffe nachgerüstet. Der Übergriff folgte auf dem Fuße. Das Bundeministerium für Arbeit und Soziales (Hubertus Heil / SPD) im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit (Jens Spahn / CDU) verordnete und erlaubte am und ab Dienstag, den 07.04.2020, weitgehende Ausnahmen beim Gesundheitsschutz. Umfasst werden unter anderem alle Tätigkeiten »der medizinischen Behandlung sowie bei der Pflege, Betreuung und Versorgung von Personen einschließlich Assistenz- und Hilfstätigkeiten«.
Die Verordnung gilt bis 31.07.2020.
Die Verordnung erlaubt die Verlängerung der werktäglichen Höchstarbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden, auch für Nachtarbeitnehmer/innen (§ 6 Abs. 2 ArbZG), sowie die Verkürzung der Ruhezeit auf bis zu 9 Stunden. Damit werden die Corona-Ausnahmebewilligungen der regionalen Behörden bedeutungslos.
Noch kein Grund zum Kleinmut! |
Die Umsetzung insbesondere der Zumutungen extralanger Schichten scheitert an vier wichtigen Hürden:
❍ Mitbestimmung des Betriebsrates, des Personalrates, der Mitarbeitervertretung! Die Begründung der Verordnung erinnert daran: »Auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates oder des Personalrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder bleiben unberührt.« Einige Verwaltungsgerichte bestreiten zwar eine Mitbestimmung der Personalräte bei den konkreten einzelnen Schichtplänen. Doch bei den Arbeitszeitmodellen ist auch deren Recht unbestritten. Verletzungen durch die Dienstgeber sind allerdings – anders als in der Betriebsverfassung – nicht mit Ordnungsgeldern oder Haftstrafen bewehrt.
❍ Verträge sind einzuhalten! Die Pflichten und rechtlichen Zwänge der Beschäftigten bleiben auf ihre vertragliche Zeitschuld beschränkt. Dies schließt leider die vertraglich nur recht grob geregelte Verpflichtung zur Leistung von Überplanung, Überstunden, Mehrarbeit oder Plusstunden ein. Doch die Verabredungen etwa zur Teilzeit bestehen fort (die vereinbarte Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 8 TzBfG oder nach dem Pflegezeitgesetz). Die Betriebs- und Dienstvereinbarungen über Schichten (Schichtarten, vereinbarte Legende zu den Dienstplänen) sind nicht aufgekündigt.
❍ Die Übergriffe müssen ausdrücklich zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung unvermeidlich sein. »Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.« Die eindrucksvolle Kampagne der Gesundheitsgewerkschaft ver.di für eine Personalbemessung in Kliniken und Heimen hat vorausschauend den Bedarf insbesondere bei Personalengpässen beschrieben. Arbeitgeber konnten schon früher umsichtig planen, um Notfälle zu vermeiden!
❍ Die Übergriffe müssen ausdrücklich zur Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung notwendig sein. Doch 12-Stunden-Schichten sind allein deshalb schon nicht notwendig, weil sie das angestrebte Ziel (die Versorgung) komplett verfehlen. Sie verschlechtern die Versorgung!
Eckhard Nagel, Professor für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften, war von 2010 bis 2015 Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Essen. Er ist heute Präsident des Chinesisch-Deutschen Freundschaftskrankenhauses in Wuhan. Prof. Nagel hat bislang wenig Verdienste um den Überlastungsschutz der Beschäftigten. Er dient uns aber als Experte, um die Ungeeignetheit zu belegen:
XXL-Schichten sind gefährlich – für Patienten und Personal |
Vorläufig? Von wegen! |
§ 69 Abs. 5 BPersVG erlaubt bei »Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufige Regelungen«.
Genauso oder wirkungsgleich regeln es etwa Artikel 70 Abs. 5 BayPesVG, § 66 Abs. 8 LPVG nrw, § 38 Abs. 5 MVG oder § 29 Abs. 5 MAVO.
Die Gerichte und Kommentare sind sich allerdings einig: Die Eilmaßnahme darf die endgültige Entscheidung nicht vorwegnehmen (OVG Münster 06.03.1997 – 1 A 3910/93.PVL; 27.10.1999 – 1 A 3216/97.PVL; 09.08.1989 bezüglich Überstunden; OVG Bremen 21.03.1991). Dies ist etwa ähnlich einem Antrag auf eine einstweilige Verfügung, der die Entscheidung der Hauptsache offen lassen muss.
Wir verstehen wenig über die Natur der Sachen. Doch es gehört zur Natur der Zuordnung zu einer Schicht / der Anordnung einer darüber hinausgehenden Überstunde, dass diese Anordnung für den Arbeitgeber verbindlich ist. Durch die Leistung der Arbeitszeit wird ihre Anordnung abgeschlossen; sie ist nicht mehr nur vorläufig.
»Vorläufige Regelungen müssen hinter der beabsichtigten endgültigen Maßnahme soweit zurückbleiben, dass eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechtes möglich bleibt. eine
vorläufige Maßnahme liegt dann nicht vor, wenn sie sich mit der beabsichtigten endgültigen Maßnahme deckt (vgl. hierzu Fey/Rehren [MVG-Kommentar] zu § 38 Randnummer 65, K344/345).« (Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Angelegenheiten der Ev. Kirche von Kurhessen Waldeck, Beschluss vom 10.07.2017, AZ. 1 KS 7/15 (zitiert nach ⇒ AuK 2017-08 Seite 34).
Sicherlich darf und kann aber ein Schichtplan nicht über seinen gesamten Turnus und für alle Beschäftigten nur ›vorläufig‹ angeordnet werden. »Die Festlegungen in dem zu duldenden vorläufigen Dienstplan sind auf das nach den Erfordernissen der Einrichtung absolut erforderliche Mindestmaß zu reduzieren. In Einrichtungen, in denen Dritte betreut werden, ist absolut erforderlich alles, was eine Verringerung der Betreuungsqualität verhindert.«
⇒ KGH.EKD Beschluss 30.05.2016 – I-0124/41-2015
Vereinbaren schafft Ansprüche |
Die Anordnung von Arbeitszeiten greift tief in das Leben der Kolleginnen und Kollegen ein und begründet auch materielle Folgen.
❍ Ein nachträgliches Verfahren der Genehmigung sieht die Betriebsverfassung (BetrVG, PersVG, MVG und MAVO) nicht vor. Oft bedeutet sie bloß die Zusage der gesetzlichen Interessenvertretung, nicht gegen die Verletzung ihrer Mitbestimmungsrechte vorzugehen. Die Kolleginnen und Kollegen haben davon keinen Nutzen.
❍ Eine Zustimmung (formlose Erlaubnis) oder die Regelungsabrede (ohne Formvorschrift) bleiben in ihrer Wirkung ebenfalls auf das Innenverhältnis der Betriebsparteien beschränkt. Allenfalls kann die Interessenvertretung die Betroffenen informieren, dass diese nun – nach der durch Zustimmung ermöglichten Anordnung durch den Arbeitgeber – zur Leistung verpflichtet sind, falls die Arbeitgeberin ihre Erlaubnis nutzt.
❍ Das Regelverfahren bei beabsichtigten wichtigen Maßnahmen bleibt die betriebliche Vereinbarung (Betriebsvereinbarung, Dienstvereinbarung). Der von beiden Seiten unterschriebene Dienstplan wird veröffentlicht (ausgehangen) und bindet sowohl die Betriebsparteien als auch die darin verplanten Kolleginnen und Kollegen.
Betriebsratsbeschluss per Videokonferenz |
Für die Beschlussfassung des Gremiums kommt es auf die Stimmen der Anwesenden an. Verlangt dies die körperliche Anwesenheit aller im selben Raum?
Betriebsratsbeschlüsse sind im Umlaufverfahren, per E-Mail und wohl auch in einer bloßen Telefonkonferenz unzulässig. Denn solche Verfahren behindern den notwendige Fortgang einer demokratische Willensbildung, der einer Entscheidung vorausgeht.
Dagegen bietet die heutige frei zugängliche Internettechnik einfach bedienbare Videokonferenzen. Wir sehen einander und die diskutierten Texte. Wir können uns auch in kleineren Gruppen beraten und uns mit Gleichgesinnten absprechen. Dies ermöglichen so eine aktive Teilnahme, umfassende Information, Diskussion und Willensbildung. Das steht einer Präsenzsitzung nicht nach.
Die Sitzungen der betrieblichen Interessenvertretung sind ausdrücklich nicht öffentlich. Darf jemand heimlich mithören?
Auch in Sitzungen im Betriebsratsraum ist es zumindest möglich, dass irgend ein anderer heimlich in der Hosentasche ein Mikrofon hat und so an andere weitersendet. Es reicht, zu Beginn einer Videokonferenz darauf hinzuweisen, dass diese Besprechung nicht öffentlich ist und dessen Teilnehmer/innen dies sicherstellen müssen.
Endgültige Klarheit wird es erst geben, wenn sich das BAG mit der Frage beschäftigt oder die Gesetzgeber das BetrVG entsprechend ändern. Vielleicht verzichtet die Arbeitgeberin aber ausdrücklich auf die Einrede, die Beschlussfassung in Videokonferenz sei unzulässig.
Sonst aber wird wohl der Minister helfen –
Minister Hubertus Heil: |
Beschlüsse sind auch dann wirksam, wenn sie unter Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit zustande gekommen sind. Insofern bleibt eine Videokonferenz nur ein kleines Risiko.
❍ Das Gremium führt so oft wie möglich herkömmliche Betriebsratssitzungen durch. Das Gremium entscheidet, ob es – vielleicht auch nur vorübergehend – per Videokonferenz Beschlüsse fasst.
❍ Die Teilnehmer an der Videokonferenz erklären nacheinander ausdrücklich zu Protokoll, ob sie sich allein im Raum befinden bzw. ob noch weitere Personen anwesend sind. Sie versichern nacheinander ausdrücklich zu Protokoll, unverzüglich Bescheid zu sagen, sobald eine weitere Person den Raum betritt.
❍ Das Gremium beschließt vielleicht gelegentlich eine Geschäftsordnung, die eine Zulässigkeit der Durchführung von Betriebsratssitzungen und das Fassen von Beschlüssen per Videokonferenz vorsieht.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Betriebliche Ausnahmeregungen (04.04.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Corona: Betriebliche Ausnahmeregelungen
⊗ Sprechstunden der Schichtplan-Fibel
Im Newsletter vom 28.03. wurde zurechtgerückt: Die derzeitigen ⇒ Ausnahmebewilligungen der Aufsichtsbehörden folgen § 15 ArbZG. Sie bewilligen nicht alles, was § 15 ArbZG zuließe. Sie erlauben Arbeitgebern, Beschäftigte abweichend von § 3 ArbZG bis zu 12 Stunden werktäglich arbeiten zu lassen. Doch sie erfassen nicht diejenigen, die in Wechselschichtarbeit oder als Dauernachtwache unter dem besonderen Schutz von § 6 Abs. 2 ArbZG stehen.
Corona-Krise: Kein Freibrief über § 14 ArbZG! |
✍ Zusammengefasst: |
»Tatsachenirrtümlich« glauben Arbeitgeber in Kliniken und Heimen, Convid-19-Erkrankungen würden ihnen Sonderrechte einräumen. Sie dürften nun länger und pausenlos arbeiten lassen. Sie haben das Arbeitszeitgesetz überflogen und haben sich gemerkt – »darf abgewichen werden«. Sie berufen sich auf ihre Fundstelle –
§ 14 (Arbeitszeitgesetz) Außergewöhnliche Fälle
1. wenn eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden, 2. bei Forschung und Lehre, bei unaufschiebbaren Vor- und Abschlußarbeiten sowie bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen, wenn dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können. |
Wir sind ein wenig sorgfältiger als die Arbeitgeber. Wir notieren uns für unsere Prüfung –
❍ vorübergehende Arbeiten oder an einzelnen Tagen,
❍ unaufschiebbare Arbeiten,
❍ andere Vorkehrungen waren unzumutbar.
Nur falls diese drei Bedingungen in einem Gesundheitsbetrieb erfüllt wären, darf der Arbeitgeber von den Schutzvorschriften in §§ 3 bis 5, 6 Abs. 2, §§ 7, 11 Abs. 1 bis 3 und § 12 Arbeitszeitgesetz abweichen: länger als werktäglich 10 Stunden arbeiten lassen, ohne Pausen, mit verkürzter Ruhezeit, ungeachtet der Sonn- und Feiertagsruhe.
Merke: Wird das Arbeitszeitgesetz aufgeweicht, schützen Dich weiterhin der Tarifvertrag, der Arbeitsvertrag, die Mitbestimmung.
Notfall? Außergewöhnlicher Fall? |
Die Arbeitgeber haben die Corona-Pandemie nicht absichtlich verschuldet. Vielleicht war manches grob fahrlässig. Diese Pandemie ist sicherlich außergewöhnlich. Die Versorgung von Convid-19-Erkrankten kann in den kommenden Wochen und Monate außergewöhnliche Anstrengungen und Organisationsmaßnahmen erfordern. Außergewöhnlichkeit ist dabei eine mildere Abstufung zum Notfall.
Die Aufsichtsbehörden haben vorauseilend gehandelt. Damit handelt es sich nicht mehr um überraschende Herausforderungen. Die Notfälle der Patienten waren und sind erwartbares Tagesgeschäft der Akutkliniken.
Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) erläutert in seiner LV 30 den § 14 ArbZG:
»Wann liegt ein außergewöhnlicher Fall oder Notfall vor?
[...] Krankenhäuser müssen als originäre Aufgabe permanent auf Notfälle eingerichtet sein und diese bei der Erstellung von Dienstplänen abdecken. Medizinische Einsätze sind weitgehend einplanbare Ereignisse und dementsprechend keine ›Notfälle‹ im Sinne des § 14 ArbZG. In Notaufnahmen und Intensivstationen kommen Ausnahmen nach § 14 ArbZG damit für den Regelbetrieb nicht in Betracht.«
Planung und Regelung, auch die Planung von Schichten, sind logische Gegenstücke zum Notfall. Erst wenn der Regelbetrieb überrascht wird und abändernder Sofortmaßnahmen bedarf, erst dann rutschen wir vielleicht in einen Notfall hinüber.
Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei |
§ 14 Abs. 1 des ArbZG hilft den Klinikmanagern und Heimleiterinnen sowieso kaum auf die Füße. Denn ihre Übergriffe auf den Gesundheitsschutz der Beschäftigten sollen nicht in ein paar Tagen vorbei sein. Sie sind nicht nur »vorübergehend«.
Die Kommentatoren des Arbeitszeitgesetzes sind sich in der erlaubten Dauer nicht ganz einig. Ab wann genau ist etwas nicht mehr bloß vorübergehend?
Der Duden erläutert:
vorübergehend → nur eine gewisse Zeit; nicht lange dauernd; für kurze Zeit.
Der Wahrig (Brockhaus) erläutert:
vorübergehend → nur kurze Zeit andauernd; zeitweilig; kurzlebig.
Doch § 14 Abs. 2 Nummer 2 ArbZG ist noch ein wenig präziser. Er schreibt von »unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen [...] an einzelnen Tagen«.
Diese Tage müssen nicht unmittelbar aufeinander folgen. Doch eine oder gar mehrere Wochen sprengen die Voraussetzung für solche Ausnahmen. Spätestens nach zwei Wochen darf eine Kollegin diese Zumutungen also freundlich aber bestimmt zurückweisen: »Das dürfen Sie nicht mehr und das werde ich nicht mehr!«
Merke: Notfall ist keine Gewohnheit, eine Regel ist nicht außergewöhnlich.
Sicher darf diese Ausnahme wohl allenfalls so lange währen, bis die Aufsichtsbehörde eine durch den Arbeitgeber beantragte Ausnahmebewilligung erlassen kann. Schon da stolpern die Arbeitgeber auf ihrem Weg. Denn die Aufsichtsbehörden haben ihre Ausnahmebewilligungen für die gesamte Branche bereits erteilt. Die erkannte anrollende Welle an Convid-19-Erkrankungen soll gerade nicht überraschen. Sie soll gerade nicht zu organisatorischen Notfällen führen.
Die Arbeitgeber haben ihre Ausnahmebewilligung erhalten. Sie ist ihnen zu eng, denn Wechselschicht und Dauernachtarbeit bleiben geschützt. Stellt der Arbeitgeber keine weitergehenden Anträge? So entsteht keine rechtliche Grundlage für einen Dauer-Ausnahme-Betrieb.
Es geht alles vorüber, |
Unaufschiebbare Arbeiten? |
§ 14 Abs. 2 Nummer 2 ArbZG schreibt von »unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen«. Die Gesetzgeber/innen schrieben nicht ›in‹ der Pflege und Betreuung. Das schließt zwar nicht ganze Einrichtungen ein. Es umfasst aber auch die, die selbst nicht unmittelbar behandeln / pflegen / betreuen. Doch die Abrechnung, Bilanzierung, Verwaltung, Wartung bleiben bei diesen Zumutungen außen vor. Andere Berufe wie Pförtner, Patientenaufnahme oder Küche liegen in einer Grauzone.
Leichter ist zu entscheiden: Kann hier unaufschiebbare Arbeit nur mit überschießenden Anordnungen getan werden?
In den Kliniken und Heimen ist ein ganzer Teil der Pflege und Betreuung unmittelbar zeitnah zu erledigen. Deshalb können und dürfen doch immer wieder Beschäftigte zum Feierabend pünktlich nach Hause gehen. Denn eine Schichtbesetzung löst die vorausgehende ab und führt deren Arbeiten fort. Die Arbeit wird damit nicht aufgeschoben. Sie wird an andere weitergeschoben. Dies ist auch praktikabel. Die Arbeit muss also nicht etwa liegen bleiben, sie kann unmittelbar von anderen fortgesetzt werden.
Die Einplanung einer ablösenden Schichtbesetzung ist die geeignete, zumutbare und übliche Vorkehrung. Der Arbeitgeber muss daher, bevor wir ihm den 'Notfall' glauben, beschreiben können –
❍ diese oder jene Arbeitsaufgabe muss sofort und darf keinesfalls erst später erledigt werden
❍ dieser Schaden oder jene unzumutbare Störung drohen bei einer Übergabe / ein Weiterreichen / einer Ablösung.
❍ der Schaden oder die Störung werden durch die beabsichtigten einschneidenden Maßnahmen zumindest gemildert.
Vorkehrungen waren zumutbar! |
⊗ Das Robert-Koch-Institut (RKI) informierte seit Mitte 2004 die Arbeitgeber in Vorträgen über eine notwendige betriebliche Pandemieplanung. Es stellte dazu die Folienvorträge im Internet bereit.
⊗ Der Verband der Betriebs- und Werksärzte (VDBW) informierte zumindest seit 2006 ausführlich über die notwendigen betrieblichen Vorbereitungen auf eine Pandemie; die Vorschläge betrafen insbesondere das öffentliche Gesundheitswesen.
⊗ Die Deutsche gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) versuchte zumindest seit 2009, mit ihren '10 Tipps zur betrieblichen Pandemieplanung' Arbeitgeber in die Handlungspflicht zu nehmen.
⊗ Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hat im Jahr 2010 im 'Handbuch Betriebliche Pandemieplanung – zweite erweiterte und aktualisierte Auflage' auf 180 Seiten ausführlich alle notwendigen Vorbereitungen beschrieben, als übersichtliche Handzettel und mit Checklisten.
Diese, in den aktuellen Fassungen, und vieles mehr haben wir zusammengestellt unter ⇒ t1p.de/pandemie.
∅ Dein Arbeitgeber hat die notwendigen zumutbaren Vorkehrungen versäumt? Er hat keine Schutzausrüstungen bevorratet? Er hat keine Personalreserven eingeplant? Er hat keine Ausfallpläne erstellt und mitbestimmen lassen?
Wer keine rechtzeitig erstellten betrieblichen Pandemiepläne vorweisen kann, darf sich nun nicht auf einen überraschenden Notfall herausreden. Die Verantwortlichen für diese Krise haben keine Sonderrrechte. Und sie haben auch keine verdient!
Sprechstunden der Schichtplan-Fibel |
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Die staatlichen Auflagen verlangen die soziale Distanzierung. Die Konflikte im Betrieb erfordern, dass wir enger zusammenrücken.
Von Montag bis Freitag zwischen 14 und 16 Uhr steht die Schichtplan-Fibel für Beratungsgespräche bereit. Nur vorübergehend. Es reicht, wenn Du Dich mit einer Mail fragen@schichtplanfibel.de und dem Vorschlag einer Uhrzeit zum kurzen Video-Chat verabredest.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Anordnungen, Ausnahmen, Sprechstunden (28.03.2020)
Corona: Staatliche Anordnungen |
Ordnet eine staatliche Behörde etwas an, so müssen wir dem folgen. Das gilt auch für Arbeitgeber. Wer dagegen Rechtsmittel einlegen will braucht Geduld. Meist handelt es sich um ein Untersagen, Beschlagnahmen und um Auflagen. Ein Beispiel –
§ 31 IfSG (Infektionsschutzgesetz) Berufliches Tätigkeitsverbot |
Vielleicht wird einem Arbeitgeber verboten, eine Kollegin zu beschäftigten. Dies verkürzt ihre Arbeitszeit drastisch. Doch die Anordnungen der Behörden unterliegen nicht der Mitbestimmung durch die gesetzliche Interessenvertretung.
Merke: Der Betriebsrat hat nur insoweit mitzubestimmen, als auch der Arbeitgeber selbst noch etwas zu bestimmen hat (BAG 26.05.1988 – 1 ABR 9/87). Die Behörden untersagen die Arbeit. Sie verbieten, jemanden zu beschäftigen. Sie zwingen jedoch niemanden zur Arbeit.
Corona: Ausnahmebewilligungen |
Für die Überwachung der Einhaltung der Regeln zum Schutz vor den Folgen der Arbeit ist unter anderem die Aufsichtsbehörde zuständig. Die wird in den Bundesländern ganz unterschiedlich organisiert: Als ein Staatliches Aufsichtsamt, Gewerbeaufsichtsamt, Ressort der Bezirksregierung, Landesamt für Gesundheitsschutz .... Sie überwachen sehr behutsam, oft fast unmerklich.
Sehr viel dramatischer haben diese Behörden in diesen Wochen den Schutz gelockert. Das dürfen sie –
§ 15 ArbZG Bewilligung, Ermächtigung |
Vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie haben die Behörden landauf landab solche Ausnahmen beschrieben. Wir sammeln diese Verordnungen im Internet unter ⇒ https://t1p.de/ausnahmebewilligungen
Sie sind unterschiedlich in Form und Umfang. Doch sie folgen einem Muster:
❍ Sie listen kritische Branchen auf; in fast allen Listen sind medizinische und pflegerische Dienstleistungen mit erfasst.
❍ Sie erlauben in diesen die ausnahmsweise Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen auch an Sonn- und Feiertagen. Dies geht an Gesundheitseinrichtungen vorbei. Denn aufgrund § 10 ArbZG dürfen Krankenhäuser und Heime ohnehin an allen Wochentagen beschäftigen.
❍ Sie erweitern den Zeitraum, binnen dem solche Beschäftigung an einem Sonntag durch einen Ersatzruhetag ausgeglichen werden muss, von zwei auf acht Wochen.
❍ Sie erlauben in diesen Branchen, abweichend von § 3 ArbZG die werktägliche Höchstarbeitszeit auf bis zu 12 Stunden auszuweiten.
In Kliniken und Heimen wird derzeit recht hektisch umorganisiert. Oft nehmen sich die dort Verantwortlichen nicht genug Zeit zum Lesen. Schutzbestimmungen sind ihnen fremd. Dies führte zu erheblichen Missdeutungen.
❍ In Krankenhäusern und Heimen ist Beschäftigung an einem Sonntag unverändert binnen zwei Wochen auszugleichen. Denn diese Beschäftigung erfolgt ja gar nicht über die Ausnahmegenehmigung, sondern über § 10 ArbZG.
❍ Die Ausweitung der Höchstarbeitszeit betrifft nur diejenigen, die unter § 3 ArbZG erfasst sind. Doch insbesondere in den Intensivabteilungen der Krankenhäuser gelten die allermeisten der Beschäftigten als Nachtarbeitnehmer/innen im Sinne des § 2 ArbZG. Für sie zieht daher nicht § 3 sondern –
§ 6 ArbZG Nacht- und Schichtarbeit |
Merke: Es sind keine Ausnahmen bewilligt für Wechselschicht oder Dauernachtarbeit.
❍ Meist enthalten die Ausnahmebewilligungen in der Verordnung selbst oder in deren Begründung den Hinweis: »Diese Genehmigung ersetzt nicht die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).«
Die amtliche Erlaubnis ordnet keine Arbeitszeit an. Sie ordnet erst recht nicht für alle Beschäftigten in dieser Branche 12-Stunden-Schichten an. Änderungen von Schichtzeiten stören die Lebensplanungen der Beschäftigten. Wahrscheinlich ist ein besonderer Schutz vor Überlastungen notwendig. Die geeignete Form zu regeln, wer wann und wie lange arbeiten soll und um Ansprüche für die Betroffenen zu begründen, das ist die betriebliche Vereinbarung.
Die amtliche Erlaubnis greift nicht in die ausgehandelten Betriebs- oder Dienstvereinbarungen ein. Die amtliche Erlaubnis greift auch nicht in Arbeitsverträge ein, nicht in die darin in Bezug genommenen AVR und erst recht nicht in unsere Tarifverträge.
Corona: Tariflicher Zauber |
Die Tarifverträge haben nicht nur besonderen Schutz geregelt. Sie haben dabei oft im Gegenzug Zumutungen eingehandelt. Die AVR, sowieso das Ergebnis einer kollektiven Bettelei, haben alle Schlechtigkeiten der Tarifverträge abgeschrieben. Schauen wir in die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes -
§ 6 TVöD Regelmäßige Arbeitszeit |
Wir notieren uns für eine sorgfältige Prüfung –
❍ betriebliche Vereinbarung
❍ § 7 Abs. 2 ArbZG
❍ dringender betrieblicher Grund
Über diese Tariföffnung scheint auf den ersten Blick der Weg freigeräumt, Pausen zu beseitigen, die tägliche Höchstarbeitszeit auszuweiten oder die Ruhezeit zu kürzen. Und in § 7 Abs. 2 ArbZG finden wir die generelle Erlaubnis, über einen Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung –
§ § 7 Abs. 2 ArbZG Abweichende Regelungen |
Doch die Beatmungspflege von infizierten Intensivpatienten ist ein Knochenjob. Diese Eigenart der Tätigkeit erfordert kürzere Arbeitszeiten, nicht verlängerte pausenlose Schichten.
Und bei genauerer Betrachtung wachsen die Zweifel: Was wäre durch die Verlängerung der Schichten gewonnen? Die vertragliche Zeitschuld bleibt unverändert bei 38,5 oder im Osten 40 Stunden im Wochendurchschnitt. Wer 12 Stunden geplant arbeitet, darf im Anschluss keine einzige Minute länger über das Schichtende zu Überstunden herangezogen werden.
Die Massierung der Arbeitszeit an weniger Tagen der Woche führt zu mehr freien Tagen. Diese bleiben gegen Übergriffe geschützt. Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes kennen keine Sonderform der Arbeit ›Überstunden an planfreien Tagen‹.
Merke: 12-Stunden-Schichten verringern die Flexibilität der Arbeitgeber.
Allein ein ehrenhaftes Motiv zu haben, reicht hier als Grundlage nicht aus. In einem etwas anderen Zusammenhang beschrieben die Bundesarbeitsrichter: »Insoweit genügt es, wenn der Arbeitgeber rational nachvollziehbare, hinreichend gewichtige Gründe hat« (BAG Urteil 13.11.2012 – 9 AZR 259/11 Rn. 21). Wir erwarten nicht einen notfallmäßigen Massenanfall von Patienten für ein oder zwei Tage. Die Arbeit muss über Wochen und Monate hinweg organisiert werden. Die 12-Stunden-Schichten lösen dabei keines der betrieblichen Probleme: Hoher Arbeitsanfall, Personalknappheit, Krankenstand, Mangel an Beatmungsplätzen. Die Verlängerung der Schichten ist nicht geeignet, die unterstellten angestrebten Zwecke der Vermehrung zu erreichen. Sie würde sie wohl noch verschlimmern. Es fehlt also ein vernünftiger, rational nachvollziehbarer Grund.
Noch ein paar Bedenken |
Die amtlichen Ausnahmebewilligungen stehen genau wie die tarifvertraglichen Öffnungen unter einem Vorbehalt: Die Norm soll einen Zweck erreichen.
❍ Die amtlichen Ausnahmen erlauben, was »im öffentlichen Interesse dringend nötig« ist.
Hier geht es um die Versorgung der erkrankten Menschen und um den Gesundheitsschutz. Kann dieser Zweck am Tage durch weniger und längere Schichten erreicht werden?
❍ Die tariflichen Ausnahmen erlauben, worauf sich aus »dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen« die Betriebsparteien einigen.
Hier geht es nicht um die Sicherstellung einer Mindestbesetzung der Schichten. Diese – das haben uns die Arbeitgeber nun wirklich allzu oft vorgehalten – folgen nicht der betrieblichen Organisation, sondern ihrem freien unternehmerischen Willen. Darum entziehen sie die Mindestbesetzung so beharrlich der Mitbestimmung.
Hier geht es auch nicht um die Versorgung aller Erkrankten in der Region. Dies wäre ein öffentlicher und eben kein betrieblicher Grund.
Merke: Öffentlich oder betrieblich ist etwas anderes als unternehmerisch, privat, individuell oder grundlos […]
❍ Die gesetzlichen und tariflichen Ausnahmen kümmern sich schon gar nicht um die angeblichen Wünsche der Beschäftigten. Da zwinkert uns allerdings eine Ausnahme zu. Denn in den Tarifen des öffentlichen Dienstes schließt sich an § 6 Abs. 4 TVöD / TV-L etwas an, das wir erreichen können: Mehr freie Wochenenden!
Protokollerklärung zu Absatz 4: |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Urlaub, Aufschlagsatz (26.03.2020)
Urlaub in der Corona-Krise |
Aufgezwungener Urlaub – Urlaub ohne Antrag |
Der Arbeitgeber hat den Arbeitnehmer den Urlaub zu gewähren. Dieses »Gewähren« geschieht meist aufgrund eines Urlaubsantrags. Denn so ist der Arbeitgeber sicher, dass er die Wünsche der einzelnen Beschäftigten richtig berücksichtigt.
§ 7 BUrlG Zeitpunkt […] des Urlaubs |
Ausnahme 1: Die Betriebsferien darf der Chef festlegen. Sie wirken kollektiv und müssen darum mit dem Betriebsrat/Personalrat vereinbart werden – falls eine Interessenvertretung gewählt ist. Im schutz- und betriebsratslosen Betrieb ist eine einseitige Anordnung möglich. Doch dann braucht es wieder den ausreichenden Vorlauf (Ankündigungsfrist von vier bis sechs Wochen). Das billige Ermessen wird in Zeiten von Corona wohl in Richtung des Betriebes ausschlagen. Es muss nur genug Resturlaub zur freien Verfüung verbleiben.
Ausnahme 2: Der Arbeitgeber darf einseitig Resturlaubstage vor Ablauf des Kalenderjahres festlegen. Denn neuerdings verfällt der Urlaubsanspruch nicht mehr, falls eine Kollegin sich nicht darum kümmert (BAG Urteil 19.02.2019 – 9 AZR 423/16). [Anders im BAT-KF, der in § 25 Abs. 2 auch den vertraglichen Resturlaub automatisch ins Folgejahr überträgt]. Der Arbeitgeber muss seinen Versuch nachweisen können, zumindest den gesetzlichen Grundurlaub der Kollegin zu gewähren. Auch da muss er rechtzeitig handeln.
Lösung: Gibt es zwischen einer Kollegin und dem Arbeitgeber keine Einverständnis über die Lage des Urlaubs? § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG schreibt für solche Einzelfälle zwingend die Mitbestimmung vor. Ohne diese Mitbestimmung kann im Steitfall ein Arbeitgeber Urlaub weder verbindlich festlegen noch ablehnen. Etwa im § 72 Abs. 1 Nr. 13 LPVG nrw / § 75 Ab. 3 Nr. 3 BPersVG oder im § 42 k MVG ist dies ebenso verankert. Nicht aber in der MAVO.
Kein Widerruf des Urlaubs |
In Corona-Zeiten sind während des Urlaubs überraschende Anrufe aus dem Betrieb nicht ausgeschlossen. Auch wenn sich dann einige Vorgesetzte ungeschickt ausdrücken – sie weisen nicht an sondern bitten bloß inständig, den Urlaub abzubrechen. Im Urlaub nehmen wir ja keine Anweisungen entgegen. Achtung: Die Corona-Krise wird noch etliche Monate anhalten. Auch in solchen Zeiten ist niemand auf Dauer unentbehrlich.
Schwieriger ist es mit dem Widerruf eines bevorstehenden Urlaubs. Ein Betrieb könnte in eine unvorhersehbare Notlage geraten und eine Kollegin unabkömmlich sein, um diese abzuwenden.
Corona bringt zumindest Krankenhäuser und Heime nicht in eine Notlage.
Der Corona-Virus bedroht Patienten, Klienten, Bewohner – und sicherlich dramatisch. Er bedroht vielleicht auch die Aktionäre oder Heimbesitzer.
Doch der Corona-Virus bedroht nicht den Betrieb selbst. Das Geschäft brummt und blüht. Es fehlt daher die betriebliche Notwendigkeit, eine Urlaubszusage zurückzuziehen, um einen Schaden vom Betrieb oder von Kolleginnen abzuwenden.
Zugegeben: Diese enge Unterscheidung wirkt etwas kleinlich. Allerdings – wir erwarten einen chronischen Fachkräftemangel über Jahre hinweg. Viele werden schlecht oder gar nicht versorgt. Diese Not darf nie zum Grund werden, sich zukünftig die Urlaubsträume zu verkneifen.
Rücktritt vom Urlaub? |
Alles war so schön geplant – die gemeinsame Reise in den Süden, das Hotel war gebucht.
Diese Pläne hat die Pandemie zerschlagen. Doch der Arbeitgeber hat den Urlaubsantrag beschieden und den Urlaub festgelegt. Er erklärt: »Das ist verbindlich und bleibt so! Ich habe eh grad keine Arbeit für Sie.«
Einvernehmlich kann jeder Urlaub abgeändert und neu festgelegt werden. Einseitig ist dies nicht möglich – nicht einmal, wenn ein Urlaub für die Arbeitnehmer/innen so unzumutbar wird.
Störung der Urlaubsgewährung |
Arbeitgeber können einen Urlaub nur gewähren, falls der Urlaub von geplanter und tatsächlich bestehender Arbeitspflicht freistellt. Daraus entstehen manchmal überraschende Wendungen.
❍ Tritt während einer Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot hinzu, kann der Arbeitgeber den Urlaub nicht gewähren (BAG Urteil 09.08.2016 – 9 AZR 575/15). Der Anspruch muss später erneut festgelegt werden.
❍ Auch Arbeitsunfähigen kann der Arbeitgeber keinen Urlaub gewähren. Doch gilt dies nur vor dem Urlaubantritt. Vielleicht meldet sich jemand krank – und sei es auch nur einen Tag vor dem ersten Urlaubstag und vielleicht auch nur bis einschließlich diesem ersten Urlaubstag. Dann wird es dem Arbeitgeber tatsächlich unmöglich, den Urlaub so wie geplant zu gewähren. Er darf nicht einfach den verbleibenden Teilurlaub anordnen. Nach der Genesung muss der Arbeitgeber den Urlaub erneut festlegen. Dazu braucht er jedoch zunächst wiederum einen geäußerten Urlaubswunsch der Kollegin (§ 7 Abs. 1 BUrlG). Gibt es Streit um diese Festlegung? Dann kommt – wie oben beschrieben – zunächst mal die Interessenvertretung ins Spiel.
❍ Hat der Urlaub allerdings bereits begonnen, dann können weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer einseitig daran etwas ändern. Tritt eine Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs ein, reicht auch der bloße unverzügliche Anruf nicht aus (Anzeigepflicht). Nur Tage, für die später ein Attest beigebracht wird, sind für den Urlaubsanspruch unschädlich.
❍ Ist der Urlaub bereits angetreten, dann werden unverzüglich gemeldete und später auch mit Attest belegte AU-Tage nicht als Urlaub verbraucht. Sie sind später nachzugewähren.
§ 9 BUrlG Erkrankung während des Urlaubs |
Aufschlagsatz Urlaub und Krankheit |
Der Fall |
Eine Beschäftigte fällt unter den – etwas ungewöhnlichen – KTD (Kirchlichen Tarifvertrag Diakonie), nach dem kirchliche Einrichtungen in der Kirchenregion Nordelbien greifen dürfen. Sie arbeitet regelmäßig auch Nachtschichten in Folge. Es wird nun darum gestritten, wie die Arbeitgeberin bei Urlaub und Arbeitsunfähigkeit den tagesgleichen Aufschlagsatz für die unständigen Entgeltbestandteile (Überstunden, Zeitzuschläge) zu berechnen hat. Diese ermittelte den Durchschnitt der unständigen Entgeltbestandteile der letzten drei abgerechneten Kalendermonate, indem sie die in den drei Referenzmonaten durchschnittlich erzielten unständigen Bezügebestandteile durch 30,42 teilte (durchschnittlichen Kalendertage eines Monats). Nur diesen Teil zahlte sie für jeden Urlaubstag.
Die Begründung |
»Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die durchschnittlichen unständigen Entgeltbestandteile anhand der konkreten Arbeitstage nicht anhand der durchschnittlichen Kalendertage eines Monats zu errechnen. [Denn es] spricht der Sinn und Zweck der in § 19 Abs. 2 KTD vorgesehenen Durchschnittsberechnung für die konkrete Berechnung anhand der tatsächlichen Arbeitstage und gegen die abstrakte Berechnungsweise des Beklagten. […] Konsequent ist das Abstellen auf die konkreten Arbeitstage im Referenzzeitraum auch im Hinblick auf die Tatsache, dass auch die Urlaubsentgeltzahlung nach dem KTD pro ausgefallenen Arbeitstag und nicht pro Kalendertag des Urlaubszeitraums erfolgt. […]
Unter Anwendung der auf die konkreten Arbeitstage abstellenden Berechnungsmethode ergeben sich die von der Klägerin mit der Klage geltend gemachten Ansprüche i.H.v. insgesamt 668,88 EUR brutto.
[Die] Geltendmachung der Ansprüche aus Oktober 2017 im Mai 2018 [ist zwar] nicht sechs Monate nach der tarifvertraglichen Fälligkeitsregelung erfolgt […]. Die Fälligkeit einer Leistung im Sinne einer Ausschlussfrist hängt jedoch dann von einer Abrechnung des Anspruchsgegners ab, wenn der Anspruchsberechtigte die Höhe seiner Ansprüche ohne die Abrechnung der Gegenseite nicht erkennen kann. Ein solcher Fall kann vorliegend aufgrund der komplexen Berechnungsweise angenommen werden.«
Tipp |
Arbeitgeber versäumen nicht nur bei der Bezahlungen von Überstunden und Zeitzuschlägen. Sie tun sich auch schwer, die hochflexibel verteilte Arbeitszeit in der Pflege, bei Ärzten und MTA bei Freistellungen (Urlaub, AU) sauber nachzuhalten. Oft versagt die Schnittstelle zwischen der Dienstplansoftware und der Entgeltabrechnung.
Die Berechnungsweise ist ›komplex‹. Es hilft, die Interessenvertretung zu aktivieren. Sie ist ja extra freigestellt, um die Abrechnungen zu überwachen. Zunächst identifiziert sie dazu einfache Fälle. Treten hier Ungereimtheiten auf, wird die Konfrontation der Personalleitung meist schnell Aufklärung bringen.
⇒ ArbG Kiel Urteil 17.12.2019 – 5 Ca 928/18
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mitbestimmmung trotz Corona, Das Buch, 5-Tage (20.03.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Mitbestimmen trotz Corona
⊗ Schichtplan-Fibel Das Buch
⊗ 5 Tage je Woche und 5-Tage/Woche
Auch im Eilfall – erst einmal Mitbestimmung! |
Die Beteiligten streiten über die Unterlassung der Anordnung von Überstunden.
Aus der Begründung: |
»Für die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten des § 87 BetrVG ist für Dringlichkeitsfälle keine Sonderregelung getroffen worden, obwohl gerade die hier einschlägige Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach §87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG häufig kurzfristig erfolgen muss. Das Fehlen einer Sonderregelung für Eilfälle in § 87 BetrVG zeigt, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht einschränken wollte (vgl. BAG 02. März 1982 – 1 ABR74/79 – Rn. 27, zitiert nach Juris).
Auch in Missbrauchsfällen ist ein Alleinentscheidungsrecht des Arbeitgebers nicht anzuerkennen, weil sonst das Mitbestimmungsrecht unterlaufen werden könnte (vgl. GK – Wiese, § 87 Rn. 361). Zu erwägen ist in Eilfällen allenfalls eine vorläufige gerichtliche Regelungsverfügung (dafür Baur in: ZfA 1997, 445 (493)).
Ein Alleinentscheidungsrecht kommt nur in Notfällen in Betracht, in denen sofort gehandelt werden muss, um von dem Betrieb oder den Arbeitnehmern Schaden abzuwenden und in denen entweder der Betriebsrat nicht erreichbar ist, keinen ordnungsgemäßen Zustimmungsbeschluss fassen kann oder in denen er willkürlich seine Zustimmung verweigert (vgl. GK – Wiese, § 87 Rn. 162).
Aus dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit kann entnommen werden, dass in solchen extremen Notsituationen der Arbeitgeber das Recht hat, vorläufig zur Abwendung akuter Gefahren oder Schäden eine Maßnahme durchzuführen, wenn er unverzüglich die Beteiligung des Betriebsrats nachholt (vgl. BAG 19. Februar 1991 – 1 ABR31/90 – Rn. 30, zitiert nach Juris).
Derartige Notfälle bestanden im Streitfall indessen nicht. Unter einem Notfall kann in Abgrenzung gegenüber dem Eilfall jedenfalls nur eine plötzliche, nicht voraussehbar gewesene und schwerwiegende Situation verstanden werden, die zur Verhinderung nicht wieder gutzumachender Schäden zu unaufschiebbaren Maßnahmen zwingt; es muss also eine Extremsituation vorliegen (BAG 02. März 1982 –1ABR 74/79 – Rn. 31, zitiert nach Juris; BAG 17. November 1998 – 1 ABR 12/98 – Rn. 39, zitiert nach Juris). Auf die Verspätung von Flugzeugen trifft dies nicht zu.
Da solche Störungen bei der Arbeitgeberin immer wieder auftreten, lässt sich hinsichtlich des zu beachtenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats durch eine im Voraus zu vereinbarende generelle Regelung entsprechende Vorsorge treffen. Dies gilt auch für die wiederholt aufgetretenen IT-Ausfälle.«
⇒ LAG Hessen Beschluss 11.11.2010 – 5 TaBV 60/10
Tipp: |
Während der Corona-Krise bleibt in jedem Fall zu untersuchen -
❍ will der Arbeitgeber Sofortmaßnahmen?
❍ droht dem Arbeitgeber, seinem Betrieb (nicht dem Unternehmen) oder Beschäftigten ohne diese Maßnahmen ein Schaden?
❍ hat er die ihm zumutbare Vorkehrungen (etwa betriebliche Pandemieplanung und Vorhaltungen) getroffen?
❍ hat ihn die Regierung nicht über Tage hinweg vorgewarnt?
❍ ist eine Mitbestimmung des Betriebsrates nicht mehr möglich?
❍ hält sich die Maßnahme im gesetzlichen, tariflichen und einzelvertraglichen Rahmen?
Nur wenn auf jede dieser Fragen ein ›Ja‹ folgt, könnte es sich um rechtskonforme Sondermaßnahmen handeln. Der Notfall hebelt dann tatsächlich die Mitbestimmungsrechte erstmal aus. Im echten Notfall – das zeigt die Erfahrung – stellt kaum jemand misstrauische Fragen.
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Einmalige Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, Belastungserfassung, Gesundheitsschutz, Pausen, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag .... 04.–08.05.2020 im Bunten Haus, Bielefeld ⇒1663-2005042 |
Schichtplan-Fibel Das Buch |
Etliche fragen an: Wie und wo bekomme ich das frisch gedruckte Buch?
Nicht im Handel, nicht über das Internet. Nur im Bezirk (nachfassen!) und bei Seminaren.
Doch – im Internet steht auch eine ⇒ digitale Ausgabe zum freien Download.
5 Tage je Woche und 5-Tage/Woche |
Zuletzt im ⇒ Newsletter vom 10.11.2019 berichteten wir über die Auslegung der tariflichen Schutzregel für wöchentlich zwei von regelmäßiger Arbeitszeit freien Kalendertagen. Diese Rechtsprechung der ersten und zweiten Instanz wurde nun abschließend gefestigt.
Das Bundesarbeitsgericht hat am 18.03.2020 die Beschwerde der Arbeitgeberin (gegen die Nichtzulassung ihres Begehrens der Revision der Entscheidung des LAG Hamm) verworfen. Sie erfüllte nicht die "gesetzlichen Anforderungen".
Der Einigungsstellenspruch wird so – nach 16 Monaten – endlich nichtig. Die Arbeitgeberin konnte durch ihren Weg durch die Instanzen 16 Monate lang nutzen und überlastende Schichtpläne anordnen – immer wieder für einzelne Beschäftigte mit einem sechsten Kalendertag einer Kalenderwoche mit regelmäßiger Arbeitszeit. Das darf sie nun nicht mehr.
⇒ ArbG Detmold Beschluss 04.01.2019 – 3 BV 8/18, bestätigt durch
⇒ LAG Hamm Beschluss 07.11.2019 – 13 TaBV 14/19,
Nichtzulassungsbeschwerde durch das BAG am 18.03.2020 verworfen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Corona, Kind krank, Das Buch (11.03.2020)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Corona, Betriebsversammlungen, Dienstreisen
⊗ Kind krank
⊗ Schichtplan-Fibel Das Buch
Trotz Corona – Dienstreisen und Betriebsversammlungen |
Seit tausenden Jahren verschanzen sich Menschen hinter verschlossenen Stadttoren und Mauern, wenn sie den Anflug von Krankheiten aus der Fremde fürchten. Oft brüteten sie dann ihre Ansteckung in nächster Nähe aus.
Erhebliche gesundheitliche Schäden bereiten derzeit Norovirus, Influenza und antibiotikaresistente Gonorrhö. Vor allem aber Krankenhausinfektionen.
Dennoch kommen einige Arbeitgeber nun auf die Idee, ihren Interessenvertretungen den Besuch von Seminaren zu verbieten. Sie berufen sich dabei irrtümlich auf ihre eigenen Maßregeln für die Vermeidung unnötiger Dienstreisen. Sie schützen die betrieblichen Interessenvertretungen vor der Reise in diese vermeintlichen Seuchennester.
Andere Chefs untersagen die Durchführung von Betriebsversammlungen. Sie schützen die Beschäftigten vor dem Besuch und den ansteckenden Gefahren dort.
Rechtsirrtümer |
Der Betriebsrat, Personalrat oder die MAV lädt zu Betriebsversammlungen ein. Die zwingende Aufgabe steht im Gesetz. Es braucht dazu nicht die Genehmigung durch den Arbeitgeber. Ein Verbot ist nicht vorgesehen. Es bleibt rechtsunwirksam. Aber eine Behinderung und Verletzung der Betriebsverfassung.
Der Betriebsrat, Personalrat oder die MAV stellt auch eine Notwendigkeit der Entsendung zu einem Seminar fest. Es handelt sich dabei nicht um eine Dienstreise, also nicht um eine Reise aufgrund einer arbeitgeberseitigen Anordnung. Denn Amtstätigkeit und Seminarbesuche sind in diesem Sinne kein 'Dienst'.
Die Interessenvertretung wird derzeit genauer prüfen, ob etwa eine Pandemieplanung für den Betrieb den Verbleib der Entsandten im Arbeitsbereich notwendig macht. Dies könnte z. B. bei Beschäftigten in Intensivbereichen (Beatmungsplätze) dann in Frage kommen, wenn vermehrt Patienten mit akuten Lungenentzündungen aufgenommen wurden. Mögliche Szenarien allein reichen dazu wohl noch nicht.
Die betrieblich einschlägigen Dienstreiserichtlinien enthalten oft Kriterien für eine Genehmigung. Diese sind auf die Entsendung zu Seminaren nicht anwendbar. Denn die Notwendigkeit der Reise ergibt sich bereits aus der Entsendungsentscheidung. Die Entsendung selbst ist zu prüfen. Die Reise bedarf dann keiner weiteren Prüfung. Die Bestimmungen der Dienstreiserichtlinien sind hier ausschließlich anwendbar zur Abwicklung der – gesetzlich vorgeschriebenen – Erstattung der notwendigen Kosten.
Zukunftsmusik |
Etwas anderes gilt, falls nicht Arbeitgeber, sondern Landkreise oder Städte eine umfassende Quarantäne verhängen und die Reisefreiheit aufheben. Dies erscheint neuerdings denkbar, vor dem Hintergrund der Entdeckung einer Virusvariante, die von den gewohnten Corona-Fällen der vergangenen Jahre abweicht. Meist aber lassen die staatlichen Zwangsmaßnahmen ein Schlupfloch: Fahrten zur Arbeit bleiben frei. So bedroht scheint den Behörden die Gesundheit dann doch nicht, dass sie in die betriebliche Produktion eingreifen.
⊗ ⇒ t1p.de/pandemie
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Einmalige Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, Belastungserfassung, Gesundheitsschutz, Pausen, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag .... 04.–08.05.2020 im Bunten Haus, Bielefeld ⇒1663-2005042 |
Krankes Kind mit auf Tour |
Der Fall |
Eine examinierte Altenpflegerin arbeitet in der ambulanten Pflege, noch in der Probezeit. Sie ist alleinerziehend. Nach Schichtantritt erkrankten die drei Kinder an Grippe. Der behandelnde Arzt stellte die Krankheit der Kinder und deren Betreuungsbedürftigkeit fest. Zunächst ging die Kollegin ihrer Arbeitstätigkeit weiter nach, wobei sie jedoch ihre Kinder zeitweise mitnahm. Eine Woche später erkrankte sie selbst an Grippe. Ihr wurde fristlos gekündigt. Zu Unrecht.
Aus der Begründung: |
Soweit die Beklagte der Klägerin vorwirft, sie habe ihre (kranken) Kinder mit auf die Tour genommen, was unzulässig sei, mag dieses Vorgehen zwar tatsächlich aus versicherungsrechtlichen Gründen sowie durch die gegebenenfalls dabei bestehende Ansteckungsgefahr problematisch sein; ein Grund für eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht dadurch jedoch nicht. Selbst wenn man eine Pflichtverletzung unterstellt und die von der Klägerin behauptete Absprache außer Acht lässt, hätte die Beklagte die Klägerin durch Ausspruch einer Abmahnung auf ihre Pflichtverletzung hinweisen können, um sie zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.
Zudem handelt es sich um eine Nebenpflichtverletzung, die nach dem oben Ausgeführten nur durch erschwerende Umstände eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Bei der Klägerin als alleinerziehender Mutter kommt jedoch ganz im Gegensatz hierzu das entlastende Momente hinzu, dass die Mitnahme der Kinder alleine der Ermöglichung der Erfüllung ihrer Hauptpflicht diente und die Alternative hierzu ein Unterlassen der Arbeitsleistung gewesen wäre. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten einzuhaltende Kündigungsfrist nur zwei Wochen betrug. Angesichts dieser geringen Zeitspanne vermag das Gericht nicht zu erkennen, warum deren Einhaltung der Beklagten nicht zumutbar sein soll. […]
Auch der Vorwurf, dass die Klägerin sich per SMS krankgemeldet oder gar ihre Krankheit angekündigt hat, trägt die außerordentliche Kündigung nicht. Eine Ankündigung einer Krankheit zum Zeitpunkt der Arbeitsfähigkeit kann dem Beklagtenvortrag nicht entnommen werden. Es bleibt der Vorwurf des falschen Übermittlungsweges.
Zwar sieht der Arbeitsvertrag der Klägerin insoweit vor, dass sie sich telefonisch krank zu melden hat, hieraus ergibt sich jedoch nicht eindeutig, dass dies nur durch einen Anruf bei der Beklagten erfolgen kann. Auch zur Versendung von SMS wird gewöhnlich ein Telefon benutzt, so dass durch eine Krankmeldung per SMS dem Arbeitsvertrag von seinem Wortlaut her genüge getan wird. Schon angesichts dieser aus dem Arbeitsvertrag resultierenden Unklarheit wäre vor Ausspruch einer Kündigung ein Hinweis der Beklagten auf die aus ihrer Sicht vorliegende Pflichtverletzung notwendig gewesen. Selbst wenn man jedoch eine Pflichtverletzung annimmt, hat diese kein solches Gewicht, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für die Dauer von zwei Wochen unzumutbar erscheint.
⇒ ArbG Siegburg Urteil 04.09.2019 – 3 Ca 642/19
Schichtplan-Fibel Das Buch |
In diesen Wochen geht die 4. Auflage in Druck. Sie wird danach auf Anforderung über die ver.di-Bezirke (Fachbereich Drei) vertrieben, zudem in den entsprechenden Seminaren verteilt.
Die Tarifverträge, AVR und die Rechtsprechung bewegen sich fortlaufend. Über die Ergänzung und Aktualisierung von Verweisen auf wichtige Gerichtsentscheidungen hinaus haben wir das Buch um drei Unterkapitel erweitert und damit abgerundet:
❍ Alleinarbeit: Die zwingend vorgeschriebene Beurteilung aller Arbeitsplätze (keine Nacht allein)
❍ Bereitschaftsdienst: Die weitgehende Freiwilligkeit und die Gesetzesverstöße in der Betriebspraxis
❍ Urlaub: Berechnung und Gewährung von Freistellung an Arbeitstagen
Komplett überarbeiten konnten wir -
❍ Tagewoche (5 Tage je Kalenderwoche, 5 Tage im Schnitt)
❍ Bezugs- und Ausgleichszeiträume (Einhaltung der Mindeststandards des Arbeitszeitgesetzes)
❍ Überstunden / Mehrarbeit / Plusstunden (eine Systematik der weit auseinanderdriftenden und verwirrenden Vertragsregeln)
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TV-L, TVöD, AU-Anzeige (16.02.2020)
TV-L in Euro je Stunde |
Endlich ist unser Werkzeug auch für die Uniklinika mit TV-L freigegeben.
Es ist optimiert für den Einsatz im Mobilphone (Lesezeichen setzen!). Es läuft zudem auch im PC-Browser. Erst später können wir zudem die Vergütung der Bereitschaftsdienstes ausweisen.
⇒ www.t1p.de/tv-l
TVöD in Euro je Stunde – ab März |
Die Laufzeiten der abgeschlossenen Tarifverträge werden immer länger. Da staffeln die Tarifparteien die Steigerung der Tabellenentgelte. So steigt es ab März 2020 nochmal um 1,02 Prozent. Das überwachen wir besser in der Entgeltabrechnung Ende März.
Zugleich steigen auch die darauf bezogenenen Zeitzuschläge und das Bereitschaftsdienstentgelt. Das überwachen wir besser in der Entgeltabrechnung Ende Mai.
Mit der neu hinzugefügten Schaltfläche Zeit-Wechsel kannst Du zwischen den zeitlichen Geltungsbereichen wechseln.
⇒ www.t1p.de/tarifrechner
Eine Kollegin geht nun an ihrem Arbeitsplatz an ihren PC und adressiert eine Mail an sich selbst. Ins BCC (Blindkopie – die Empfänger werden nicht allen angezeigt) nimmt sie alle Beschäftigten des Klinikums. Sie schreibt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, |
Manchmal werden Arbeitgeber oder Vorgesetzte dann unruhig. Sie halten unsere ver.di für eine Privatsache, die nicht in ihren Betrieb gehört. Da irren sie.
»Eine tarifzuständige Gewerkschaft ist aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit grundsätzlich berechtigt, E-Mails zu Werbezwecken auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und Aufforderung durch die Arbeitnehmer an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu versenden.«
⇒ BAG Urteil 20.01.2009 – 1 AZR 515/08
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Einmalige Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, Belastungserfassung, Gesundheitsschutz, Pausen, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag .... 04.–08.05.2020 im Bunten Haus, Bielefeld ⇒1663-2005042 |
Verstoß gegen Anzeigepflichten im Krankheitsfall |
Auch bei einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit ist der Arbeitnehmer nach § 5 EFZG verpflichtet, dies gegenüber seinem Arbeitgeber anzuzeigen. Ein etwaiger Verstoß durch den Arbeitnehmer im Falle einer fortdauernden Erkrankung wiegt jedoch im Regelfall weniger schwer als eine fehlende oder verspätet erfolgte Anzeige bei der erstmaligen Erkrankung. Im Falle einer verhaltensbedingten Kündigung ist dies bei der im Rahmen von § 1 Abs. 2 KSchG durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen.
⇒ LAG Baden-Württemberg Urteil 08.05.2019 – 10 Sa 52/18
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Tarifpflege Bereitschaftsdienst, Schichtzulage (31.01.2020)
TVöD- und-B: Geänderter § 8.1 Abs. 8 |
§ 8.1 Abs. 8 Satz 1 TVöD-K ist mit Wirkung zum 01.01.2020 wie folgt geändert:
An Beschäftigte, die nicht von Absatz 7 erfasst werden, wird das Bereitschaftsdienstentgelt gezahlt (§ 24 Abs. 1 Satz 3), es sei denn, dass |
§ 8.1 Abs. 6 TVöD-B ist mit Wirkung zum 01.01.2020 wie folgt geändert:
Im TVöD-K wurde damit die missverständliche erste der drei Alternativen (»… ein Freizeitausgleich zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erforderlich ist …«) durch eine materiell gleich wirkende ersetzt. Dies geschah nicht im Zuge von offenen Tarifverhandlungen. Stattdessen hatten die Tarifparteien eine »Tarifpflege« verabredet. Die soll sich auf redaktionelle Einigungen beschränken. Einige unserer Leser/innen erinnern sich noch aus ihren Tarifseminaren: In Tariftexten steckt in jedem Komma ein bischen Klassenkampf. Dieser fand nun hinter verschlossenen Türen statt. Selbst bloße Klärungen und Anpassungen an die aktuelle Rechtslage verbessern, verschlechtern oder verändern die Konfliktlage im Betrieb.
Ausgangspunkt war wohl die unangenehme Bemerkung in der Begründung einer BAG-Entscheidung:
»Das Gebot der Ruhezeit in dieser Vorschrift erfordert nur eine Arbeitszeitgestaltung, die gewährleistet, dass der Arbeitnehmer während der arbeitsfrei zu haltenden Zeit nicht zur Arbeitsleistung herangezogen wird. Dies kann auch dadurch geschehen, dass ihm Freizeitausgleich gewährt wird (vgl. Senat 13. Februar 1992 – 6 AZR 638/89 – BAGE 69, 339).«
⇒
BAG Urteil 17.12.2009 – 6 AZR 716/08
Manche Arbeitgeber glaubten, sie dürften nun nach Beendigung eines Bereitschaftsdienstes eine Schicht einplanen. Dieser Verstoß gegen den Schutz des § 3 und § 5 ArbZG würde sie im Folgeschritt zum Freizeitausgleich führen, unter Verrechnung gegen den eben erworbenen Vergütungsanspruch.
Tatsächlich hatten sich aber die Bundesarbeitsrichter in ihrer Entscheidung auf die stillschweigende Hinnahme dieses Freizeitausgleichs durch den – später klagenden – Kollegen gestützt. Damit hätte er seinen Vergütungsanspruch verwirkt.
Konsequenzen für die Praxis |
Kein Arbeitgeber kann nun weiter den geändert Tariftext als Aufforderung zur gesetzwidrigen Planung missverstehen. Dienstpläne müssen die gesamte regelmäßig geschuldete Arbeitszeit festlegen, im Rahmen der Schutzgesetze. Schwächelnde Betriebsräte / Personalräte / MAV mögen dann der zusätzlichen Einplanung von Bereitschaftsdiensten bei geminderter Vergütung zustimmen. Auch dabei sind die Schutzgesetze zu beachten.
Die beiden bisherigen Alternativen bleiben:
❍ der Griff über eine Betriebsvereinbarung in die Tasche der Kolleginnen,
❍ die schweigende Zustimmung der über ihre Vergütungsansprüche Uninformierten.
Hinzu tritt nun der Ersatz: Die Dienstpläne können den Freizeitausgleich (unter Wegfall der Vergütung) vorsehen. Einen drohenden Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz braucht es nun nicht mehr. Stattdessen braucht es einen Dienstplan, der keine Verstöße vorsieht und der die Zustimmung der Interessenvertretung hat. Oder deren Ersetzung durch eine Einigungsstelle.
Das ver.di-Tarifsekretariat erläutert dies so:
»Durch die Neufassung wird die erste Alternative, die dem Arbeitgeber ein einseitiges Gestaltungsrecht einräumte und deshalb auch arbeitszeitrechtlich problematisch war, durch eine Neuregelung ersetzt. Freizeitausgleich kann danach gewährt werden, wenn dies im Dienstplan vorgesehen ist. Da die Aufstellung von Dienstplänen dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsbzw. Personalrats unterliegt, kann von dieser Alternative nicht mehr durch einseitige Entscheidung des Arbeitgebers Gebrauch gemacht werden« (TS-berichtet Nr. 010/2019, 30.12.2019).
Kraftlos folgt später der Hinweis für den TVöD-B: »Durch die Neufassung werden entsprechend der geänderten Regelung im BT-K (s. oben Abschnitt III § 1 Nr. 1 der Erläuterungen) drei alternative Voraussetzungen für die Gewährung von Freizeitausgleich geschaffen«. Diese Schaffung von etwas, was vorher weder geregelt noch gewollt war, ging weit über bloße Tarifpflege hinaus. Sie schafft bei den Arbeitgeber neue Begehrlichkeiten.
Aktive Interessenvertretungen können –
❍ die Einplanung von Freizeitausgleich von der Zustimmung der Kolleginnen abhängig machen,
❍ initiativ werden, um eine betriebliche Vereinbarung über den Ausgleich der Bereitschaftsdienste zu erzielen,
❍ viel besser: Arbeitszeitkonten gemäß § 10 einrichten, damit die Kolleginnen frei selbst entscheiden können, was und wann sie auf- und abbuchen,
❍ dies alles zum Anlass nehmen, ihre freiwillig erteilte Zustimmung zur ständigen Verlängerung der Arbeitszeit aufzukündigen!
Schichtplan-Fibel extra Bereitschaftsdienste |
||||
![]() |
Einmalige Sonderwoche: Die sieben Kostbarkeiten Freier Wille, Belastungserfassung, Gesundheitsschutz, Pausen, Schichtzulagen, Bereitschaftsdienst am Feiertag .... 04.–08.05.2020 im Bunten Haus, Bielefeld ⇒1663-2005042 |
Wegfall der Schichtzulage |
Leitsätze:
1. Wird ein Betriebsrat, an den bis dahin Schichtzuschläge gezahlt wurden, von der Arbeitspflicht vollständig freigestellt und werden an ihn die Schichtzuschläge in Form von Pauschalzahlungen weiter gewährt, so stellt dies keine unzulässige Begünstigung des Betriebsrats dar, auch wenn er sein Amt ausschließlich in der Tagesschicht ausübt (Abgrenzung zu BAG 18. Mai 2016 – 7 AZR 401/14).
2. Gerät der Schichtbetrieb in Wegfall – vorliegend wegen Stilllegung der Fabrikation – entfällt auch der Anspruch des Betriebsrats auf Weiterzahlung der Schichtpauschalen, weil der Verlust der Schichtzuschläge nicht ausschließlich auf der Freistellung beruht.
⇒ LAG Baden-Württemberg Urteil 17.09.2019 – 19 Sa 15/19
Dies mag Betriebsräte motivieren, der Demontage der Belegschaften und ihrer Arbeitsplätze nicht tatenlos zuzuschauen. Sie teilen sonst die Niederlage.
Stellungnahmen |
Die Schichtplan-Fibel räumt auf.
Manche Einigungsstelle und mancher Rechtsstreit verlangen, dass Sachverständige einmal gedrängt die wichtigsten Argumente und Belege zusammenstellen. Manches wird wieder und wieder abgefragt: Zur 5-Tage/Woche, zum Schichtplan-Turnus, zur Alleinarbeit, zum Krankmelden... Solche Stellungnahmen stehen nun zum freien Gebrauch unter
⇒ https://t1p.de/sn
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mindestbesetzungen (10.11.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Mindest-Personalbesetzung
⊗ Bezugszeiträume der Höchstarbeitszeit
Mindest-Personalbesetzung als gesunder Schutz? |
Der Fall |
Die Helios Ostseeklinik Damp ist auf Wirbelsäulen- und Gelenkserkrankungen spezialisiert und belegt rund 350 Betten, mit etwa 300 Beschäftigten. Nach zahlreichen Regelungsversuchen geht der Betriebsrat in die Einigungsstelle. Der Regelungsgegenstand verschiebt sich dabei, vom 'Arbeits- und Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG)' zur 'Mindestbesetzung in der Dienstplanung zu den Pflegedienstkräften für Früh-, Spät- und
Nachtdienst in den Stationen 2a, 2b, 2c sowie 4a, 4b und 4c'. Die Einigungsstelle stimmt Ende 2016 im Streit eine 'Betriebsvereinbarung allgemeiner Pflegedienst zur Dienstplanung der Pflegekräfte in Abhängigkeit der Belegung der Stationen'.
Der Erste Senat hat den Einigungsstellenspruch bei der Ostseeklinik (Damp) wieder einkassiert. Die Begründnung der Entscheidung steht aus.
⇒ BAG Beschluss 19.11.2019 – 1 ABR 22/18
Noch fehlt uns die ausführliche Begründung der Entscheidung. Doch unsere Erwartungen sind aufgrund der Pressemitteilung des Gerichts gedämpft:
»Pressemitteilung Nr. 38/19
Mindestpersonalbesetzung als Maßnahme des Gesundheitsschutzes
Der Senat hat dem Antrag der Arbeitgeberin, mit dem diese einen Einigungsstellenspruch über Mindestbesetzungen im Pflegedienst einer Klinik angefochten hat, stattgegeben, ohne über die Zulässigkeit von solchen Regelungen als Maßnahme des Gesundheitsschutzes zu entscheiden.««
Wir sind also nur mäßig schlauer.
Der Drache beißt sich in den Schwanz |
Der Weg über die Mitbestimmung zum Gesundheitsschutz ist arg steinig:
❍ Zuvorderst erfassen und dokumentieren die Betriebsparteien die Gefährdungen. Bei Streit entscheidet die Einigungsstelle.
❍ Danach wird die gesetzl. Interessenvertretung erneut initiativ und schlägt die sich ihr nun als notwendig und geeignet erscheinenden Maßnahmen "Mindestbesetzung" zum Schutz vor. Bei Streit: Einigungsstelle.
❍ Diese Einigungsstelle bekommt den allgemeinen Auftrag, die als notwendig erkennbaren, geeigneten, angemessenen und zumutbaren Maßnahmen festzulegen. Sie erst wählt und entscheidet zwischen Mindestbesetzung, Aufgabenkritik, Teilschließung, Springerpool usf.. Sie wird in diesem Zug entscheiden, wann diese Maßnahmen abzuarbeiten sind – bereits bei der Planung und Vorbereitung, einen Tag im voraus oder direkt vor den eigentlichen Arbeitseinsätzen.
❍ Danach wird die gesetzl. Interessenvertretung erneut initiativ und schlägt vor, die Einweisung in die festgelegten Maßnahmen zu regeln. Bei Streit: Einigungsstelle.
❍ Die gesetzl. Interessenvertretung lässt nicht nach und schlägt vor, die Überwachung der Durchführung der festgelegten Maßnahmen zu regeln. Bei Streit: Einigungsstelle.
❍ Die gesetzl. Interessenvertretung bleibt initiativ und schlägt vor, die Gefährdungen nun aktualisiert zu erfassen und zu dokumentieren. Bei Streit: Einigungsstelle.
Es gilt, den oben beschriebenen Zirkel der Untätigkeit zu durchbrechen. Zur Beschleunigung dieses ungeheuerlichen Vorhabens taugt vielleicht die LASI-Veröffentlichung ⇒ LV 56. Dieser Bußgeldkatalog bedroht bei den einzelnen Schritten saumselige Arbeitgeber mit empfindlichen Strafen.
Zudem hilft vielleicht ein weiterer Handlungsansatz: Wollen wir etwas betrieblich durchsetzen, dann verweist uns der Arbeitgeber erfolgreich darauf, die zuvor abgeforderten Handlungsschritte seien ja noch offen. Dies blockiere unser Vorgreifen auf das Eigentliche. Wir lernen von diesem Erfolg und ahmen ihn nach:
Die Einweisung in als notwendig erkannte und vereinbarte Maßnahmen zum Gesundheitsschutz schließt Händedesinfektion und Brandschutz ein. Leider haben wir hierzu betrieblich noch nicht alle Zwischenschritte vereinbart. Wir fordern deshalb den Arbeitgeber auf, Händedesinfektion und Brandschutz zunächst einstellen zu lassen. Andernfalls verletzt er unsere Mitbestimmungsrechte. Solange die oben beschriebenen Fundamente fehlen, kann keine Betriebspartei eine Betriebsvereinbarung erzwingen.
⇒ BAG 08.11.2011 – 1 ABR 42/10
Kein Brandschutz? Keine Händedesinfektion mehr? Wir sind tief besorgt, falls das öffentlich durchdringt ...
Alternativ schlagen wir darum einen kurzen ⇒ Text zur freiwilligen Unterschrift vor.
Mindestpersonalbesetzung zum Schutz der Freizeit! |
Unbeirrt vom Hürdenlauf des Gesundheitsschutzes bleiben wir bei der Mitbestimmung der einzelnen Dienstpläne. Hier geht es um etwas ganz anderes, um den Schutz der Freizeit. Wir fordern Arbeitgeber auf, uns die von ihnen definierten Mindestbesetzungen der Schichten offenzulegen. Denn wir nehmen die Konflikte um Urlaubsanträge, freie Sonntage, Unwillen zur Nachtschicht freudig als Gelegenheit. Hier akzeptieren wir nur diejenigen betrieblichen Wünsche des Arbeitgebers, die er klar und nachvollziehbar äußert. Nur diese nehmen wir in die Abwägungen (billiges Ermessen § 106 GewO) bei der Dienstplankritik auf. Falls die Stationen während der Pausen offensichtlich unbesetzt bleiben können, warum nicht die ganze Schicht?
Die Gerichte verzwergen den Gesundheitsschutz auf das Ausgestalten enger gesetzlicher Rahmenbestimmungen. Anders bei der Dienstplan-Mitbestimmung; da sind die Stolpersteine kleiner. 5-Tage/Woche, Pausen, pünktlicher Feierabend, verlässliche Freischichten – all dass sind hier keine Maßnahmen zum Gesundheitsschutz. Sie betreffen vielmehr die Grenzziehung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Es gibt zwar gesetzliche und tarifliche Schutzregeln. Doch die bilden hier keine engen Rahmen. Sie erweitern stattdessen die äußeren Schutzschranken. In denen können wir uns mit den Betroffenen Turnus für Turnus austoben.
Manchmal allerdings fehlen noch die Kennzeichnungen der Arbeitsplätze bei gefährlicher Alleinarbeit. Das Versäumnis steht dann der Dienstplanung im Wege. Vielleicht blinzelt dann wieder der Gesundheitsschutz bei der Einsatzplanung um die Ecke?
Bezugszeiträume der Höchstarbeitszeit |
Wie arbeiten wir mit einem 4-monatigen, wie mit einem längeren Ausgleichszeitraum? Ist er 'fest', 'gleitend' oder 'flexibel ab Durchlauf jeder Nulllinie'? In vielen Betrieben wird da ratlos weggeschaut.
So entging etlichen auch die grundlegende Entscheidung in Luxemburg. Die ist zudem recht verzwirbelt formuliert –
»Art. 6 Buchst. b, Art. 16 Buchst. b und Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, die für die Berechnung der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit Bezugszeiträume mit Beginn und Ende an festen Kalendertagen vorsieht, nicht entgegenstehen,
sofern diese Regelung Mechanismen enthält, die gewährleisten können, dass die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden während jedes auf zwei aufeinanderfolgende feste Bezugszeiträume verteilten Sechsmonatszeitraums eingehalten wird.«
⇒ EuGH 11.04.2019 – C-254/18
Vier Wochen überschauen |
Alle Arbeitszeitberater, die Arbeitgebern zu 'Null-Durchlauf-Betrachtungen' geraten haben, schämen sich jetzt im Stillen. Ihr Modell fiel komplett durch. Der Favorit in Luxemburg war das flexible Modell – Woche für Woche wird dabei der Durchschnitt der vorausgegangenen Spanne ermittelt.
Die EU Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) bestimmt zunächst 4 Monate als Bezugszeitraum für den Ausgleich auf maximal 48 Stunden im Wochenschnitt. Das deutsche Arbeitszeitgesetz (§ 3) erlaubt dementgegen Sechsmonatszeiträume – ohne daran weitere Voraussetzungen zu knüpfen. Doch wenn wir die wochendurchschnittliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in Gefahr sehen, blicken wir ja auf ganz bestimmte Arbeitszeitmodelle: Auf Kombinationen von 38,5 oder 40 Stunden regelmäßiger Arbeitszeit mit zusätzlichen Bereitschaftsdiensten.
Dann aber handelt es sich in aller Regel um Nachtarbeitnehmer/innen im Sinne § 2 Abs. 5 ArbZG. Daher greift hier eine wesentlich drastischere Bestimmung –
Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn abweichend von § 3 innerhalb von einem Kalendermonat oder
innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. |
Diese Bestimmung ist sicherlich ein 'Mechanismus', wie ihn der EuGH fordert. Sie stellt für jeden an einem Montag beginnenden und die folgenden vier oder sechs Monate überspannenden Zeitraum sicher, dass es nicht zu Arbeitszeitmassierungen kommt.
Die Betriebsparteien haben dies zu organisieren. Sie vereinbaren zum Beispiel -
Die werktägliche Arbeitszeit der Nachtarbeitnehmer/innen (§ 2 ArbZG) kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, falls bis zum Ablauf der nachfolgenden drei Kalenderwochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden (§ 6 Abs. 2 ArbZG). Die Arbeitgeberin teilt den betroffenen Arbeitnehmern/innen mit, falls sie so unter diesen Schutz fallen. |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] 5-Tage, TV-Ärzte/VKA (10.11.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ 5 Tage je Woche und 5-Tage/Woche
⊗ Gestaltungsprogramm: TV Ärzte VKA (Teil 2)
5 Tage je Woche und 5-Tage/Woche |
Der Fall |
In einem kommunalen Krankenhaus (TVöD-K, mit Zeitschuld von 38,5-Stunden wochendurchschnittlich) gibt es Streit um die gekündigten Arbeitszeiten. Mit den Stimmen der Beisitzer der Arbeitgeberinnen sowie der des Vorsitzenden fällte die Einigungsstelle einen Spruch, der nun durch den Betriebsrat erfolgreich gerichtlich wieder beseitigt wurde. Mit der Festlegung von Normschichten mit einer täglichen Arbeitszeit (außerhalb von Nachtschichten) mit 7,25 Stunden wären die Beschäftigten sonst beabsichtigt zu einer 5,31-Tage-Woche und damit nicht durchgängig in einer Fünftagewoche eingesetzt worden , sondern teilweise auch an einem sechsten Tag zum Einsatz gekommen.
Schutz vor dem sechsten Arbeitstag |
Bereits im ⇒ Newsletter am 12.01.2019 berichteten wir über die Auslegung der tariflichen Schutzregel für wöchentlich zwei von regelmäßiger Arbeitszeit freien Kalendertagen. Diese Rechtsprechung der ersten Instanz wurde nun weiter gefestigt.
Die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes regeln:
»Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt […] durchschnittlich [n] Stunden wöchentlich […]. Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.« |
Die Auslegung der in Gesetzen und Verträgen verwendeten Begriffe folgt dem allgemeinen Sprachverständnis unter Berücksichtigung des mit der Vorschrift verfolgten Zwecks. Wir ziehen den Wahrig (Deutsches Wörterbuch, Brockhaus-Verlag, 9. Auflage) heran und einige Entscheidungen der Bundesarbeitsrichter. So können wir unsere Tarifregel für alle verständlicher fassen:
Der Arbeitgeber darf den Beschäftigten deren regelmäßig geschuldete Arbeitsstunden auf fünf der sieben Kalendertage einer Woche legen. Er ist berechtigt, sie wegen zwangsläufigen Erfordernissen seines Betriebes abweichend sogar auf sechs Wochentage zu verteilen. Für jeden sechsten Arbeitstag braucht es dazu jedoch zunächst die Tatsache, dass für diesen Zusatztag unvermeidliche Ursachen des Betriebes vorliegen. |
»Stellt der tarifgebundene Arbeitgeber fest, dass er die vorhandene Arbeitsmenge mit dem vorhandenen Personal unter Beachtung der tarifvertraglichen Arbeitszeit nicht bewältigen kann, ist er zur Erfüllung des eigens festgelegten Betriebszwecks gehalten, mehr Personal einzusetzen. Bezogen auf die Vorschrift des § 2 S. 3 TVöD-K bedeutet dies, dass allein die Anzahl vorhandener Arbeitskräfte nicht einen notwendigen betrieblichen Grund zur Abweichung von der Fünftagewoche bilden kann«.
⇒ ArbG Detmold Beschluss 04.01.2019 – 3 BV 8/18, nun bestätigt durch LAG Hamm Beschluss 07.11.2019 – 13 TaBV 14/19 (Rechtsbeschwerde nicht zugelassen).
Verteilung mitbestimmen! |
Die Tarifverträge regeln hier etwas, was auch die Mitbestimmung aufgreift (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, § 72 Nr. 4 LPVG nrw, § 40 d MVG , § 36 Abs. 1 Nr. 1 MAVO). Die Mitbestimmung wird damit auf den Rahmen beschränkt, den ihr die Tarife und AVR ziehen. Tarifwidrige Zumutungen in Betriebsvereinbarungen und Schichtplänen waren und bleiben rechtswidrig und – zumindest in diesem Punkt – nichtig.
In den Schranken der Tarifverträge ist allerdings noch viel Gestaltungsraum bei der »Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage«.
»Der Betriebsrat hat mitzubestimmen bei der Frage, an welchen Wochentagen Arbeitnehmer – auch teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer – im Betrieb beschäftigt werden dürfen. Insoweit besteht kein Unterschied zwischen vollzeitbeschäftigten und teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern. In beiden Fällen müssen mindestens so viele Wochentage als Arbeitstage bestimmt werden, daß die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit auch geleistet werden kann« (BAG Beschluss 13.10.1987 – 1 ABR 10/86 zu § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG).
Ihre (tarif)vertragliche Zeitschuld muss jede Kollegin individuell vollständig erfüllen. Dies steht in einer Woche vielleicht einem dritten freien Kalendertag entgegen. Die bloße individuelle Pflicht zur Erfüllung der Zeitschuld ist allerdings noch kein betrieblich notwendiger Grund, der einen sechsten Arbeitstag rechtfertigen könnte. Es geht auch anders!
Im Wahrig (Deutsches Wörterbuch, Brockhaus-Verlag, 9. Auflage) finden wir: |
Jetzt prüfen die Interessenvertretungen: Was ist betrieblich notwendig?
Ist es betrieblich möglich und geplant, dass einige nur an fünf oder vielleicht sogar nur an vier Tagen arbeiten? Dann ist für andere die Arbeitspflicht an einem sechsten Tag der Kalenderwoche nicht zwangsläufig.
Einen Tag weniger frei in dieser Woche – das ist vermeidbar!
Vielleicht passen die Betriebsparteien in der Folge die Schichtlängen an. Vielleicht muss der Arbeitgeber zusätzliches Personal einstellen. Freie Tage und ausreichend Personal – das sind wichtige Ziele, die wir mit Tarifverträgen erreichen.
Hilfen in unseren Bausteinen! |
Nicht jeder Arbeitgeber wird sofort aktiv, um seine Verträge samt tatsächlicher 5-Tage/Woche einzuhalten. Vier ⇒ Bausteine helfen auf die Sprünge:
⊗ Baustein 4 [5 Tage je Woche].pdf (TVöD, TV-L, TV-H, TV Ärzte usf.)
⊗ Baustein 4.1 AVR.DD [5-Tage-Woche].pdf
⊗ Baustein 4.2 [5-Tage-Woche].pdf
⊗ Baustein 4.3 AWO [5-Tage-Woche].pdf
Im Betrieb verteilen |
Ende Dezember 2019 erscheint unsere Fachbereichszeitung drei.71 mit einer Doppelseite zur Sicherung unserer Ansprüche: Zwei Tage in jeder Woche bleiben von regelmäßiger Arbeitszeit frei!
Ihr könnt einen Stapel dieser Zeitungen abonieren. Mailt –
redaktion.drei@verdi.de |
TV Ärzte VKA. Möglichkeiten |
Der im Oktober 2019 von VKA und Marburger Bund unterschriebene ⇒ Tarifvertrag Ärzte ist ein guter Anlass. Für das Jahr 2020 gehören die Bereitschaftsdienste auf den betrieblichen Prüfstand.
Erinnerungen |
Bereits im vorangegangenen ⇒ Newsletter 62 gab es Handlungsempfehlungen um Hindernisse weg- und den Weg zu Verbeserungen freizuräumen:
❍ der Verrechnung (Faktorisierung) mit der regelmäßigen Zeitschuld widersprechen (TV Ärzte VKA § 12 Fassung des Absatz 6 ab dem 1. Juli 2019)
❍ die Nebenabreden zur Pauschalierung aufkündigen
❍ die Nebenabreden zum 'Opt out' aufkündigen
❍ die Betriebs-/ bzw. Dienstvereinbarungen über Gleitzeit aufkündigen
❍ die Dienstpläne für die Spannen nach dem 31.12.2019 gründlich mitbestimmen! Allen Diensten, die nicht mit mindestens einem Monat Vorlauf angeordnet werden, werdenso 10 Prozentpunkte zusätzliche Vergütung aufgeschlagen.
Erstes Halbjahr 2020 |
Von den 26 Wochenenden im Kalenderhalbjahr bleiben 12 komplett beschäftigungsfrei. Da darf von Freitag ab 21:00 bis Montag 05:00 Uhr nicht einmal Rufbereitschaft oder Visitendienst abgefordert werden. Im Monatsdurchschnitt bleiben so zwei ganze Wochenenden beschäftigungsfrei.
Neue Schutzregel: Plan für Plan wird – nötigenfalls durch handschriftliche Ergänzungen – bei jeder Kollegin die Überwachung der Mindestanzahl ausgewiesen. Etwa – |
In den 6 Monaten jedes Halbjahres werden nicht mehr als gesamt 24 Bereitschaftsdienste angeordnet. Bereitschaftsdienste, die "geteilt" werden und zudem zwischen Freitag 21 Uhr und Montag 5 Uhr liegen, werden dabei nur als halber Bereitschaftsdienst gezählt (betriebspraktisch wird das wohl kaum relevant). Im Monatsdurchschnitt sind das 4 Bereitschaftsdienste. Auch über Urlaub oder längere Arbeitsunfähigkeit hinweg werden Schichten und Dienste verplant!
Neue Überlastungsregel: Plan für Plan wird die Anzahl der abforderten Dienste – nötigenfalls durch handschriftliche Ergänzungen – bei jeder Kollegin die Überwachung der Höchstgrenze ausgewiesen. Etwa – |
Ausnahmen? Der § 10 Abs. 12 des TV Ärzte VKA beschränkt Ausnahmen auf eine – ohne die zusätzlich zugemutete Anordnung – drohende Gefährdung der Patientensicherheit. In solchem Fall müsste der Arbeitgeber zunächst sein Organsiationskonzept nachweisen. Ein solches Konzept schreibt für unterschiedliche Tageszeiten und Wochentage die Mindestbesetzung mit ärztlichem Personal und Fachärzten fest und schließt die Chefärzte der Kliniken mit ein.
Das Konzept stellt auch die Gewährung der Pausen sicher. Wer über die auch im Bereitschaftsdienst zwingend vorgeschriebenen Pausen hinweg Patienten ohne Arzt lässt, kann sich kaum auf die Sorge um die Gefährdung der Patientensicherheit berufen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mitbestimmen TV Ärzte Bausteine (23.10.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ mitbestimmen in der Caritas (MAVO)
⊗ Gestaltungsprogramm: TV Ärzte VKA
⊗ neue Bausteine
Mitbestimmen? Selbst bei Kirchens |
MAVO (1): Keine Genehmigung |
Ob Betriebsrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung – viele stolpern bereits, wenn sie ihre Rechte und Aufgaben in Worte fassen müssen. Die Mitbestimmung umfasst nicht das Abnicken der Vergangenheit. Sie betrifft allein die Zukunft, denn die wird mitgestaltet.
❍ Das Gremium kann der Anordnung von Schichten und Stunden zustimmen. Personalräte und Mitarbeitervertretungen können sogar allein durch ihr zwei Wochen andauerndes Schweigen zustimmen. Die Frist beginnt ab der vollständigen Information über die beabsichtigte Maßnahme.
❍ Das Gremium kann auf den Normalfall der Mitbestimmung bestehen und die Maßnahme formell vereinbaren. Die Beschäftigten gewinnen dabei ihren individuellen Anspruch auf Durchführung so und genauso.
❍ Das Gremium kann dem Arbeitgeber erklären, dass es bezüglich der Arbeitszeiten seine Amtspflichten nicht wahrnehmen will. Mit dieser Pflicht-Verweigerung bleiben die Anordnungen im Zweifel zwar rechtswidrig und unverbindlich. Doch das Gremium verliert seine Durchsetzungsrechte.
❍ Das Gremium kann den Absichten widersprechen und eine der Betriebsparteien kann sich danach auf den Weg in die Einigungsstelle machen.
Eine bloße Genehmigung dagegen meint in der Behörden-Sprache das Erlauben, Gestatten, Akzeptieren, Bewilligen. Betriebrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung bestehen zwar aus Amtsträgern/innen. Doch sie sind keine Behörden. Und auch ein nachträgliches 'Genehmigen' sehen deren Gesetze nicht vor. Zivilrechtlich meint 'genehmigen' die nachträgliche Zustimmung.
Nachträglich ist die Milch bereits vergossen und nichts mehr (mit)zubestimmen. Genau deswegen kann auch eine Einigungsstelle nicht mehr über die Anordnung eines Dienstplanes entscheiden, soweit dessen Zeitspanne bereits abgelaufen ist.
⇒ Kirchliches Arbeitsgericht KARG Paderborn Urteil 05.04.2019 – II 2019 [MAVO Abgearbeiter Dienstplan ist nicht einigungsstellenfähig]
MAVO (2): Ausgleichszeiträume |
Die Anlagen 30 bis 33 der AVR Caritas sind weitgehend wortgleich vom TVöD und TV Ärzte VKA abgeschrieben. Daher entstehen hier dieselben Gestaltungsaufgaben.
Ganz am Anfang steht die Festlegung der Ausgleichszeiträume. Zunächst ist aufgrund § 3 und § 6 (2) ArbZG zu wählen zwischen wochenbasierten oder kalendermonatlichen Ausgleichszeiträumen für die zulässige Höchstarbeitszeit. Die Betriebsparteien vereinbaren dazu Länge und Lage dieser Zeitspannen. Ohne diese Wahl laufen die Schutzregeln praktisch leer.
Unmittelbar anschließend legen die Betriebsparteien auch die Ausgleichszeiträume für die individuelle wochendurchschnittliche Zeitschuld in Lage und Länge fest:
❍ Für alle Schichtarbeitenden geschieht dies im Zuge der Mitbestimmung der einzelnen Dienstpläne. Denn diese bilden zugleich den Schichtplanturnus und damit den Ausgleichszeitraum. Was sich nicht ausgleicht, verursacht zugleich einen zusätzlichen Vergütungsanspruch.
❍ Für den Nicht-Schichtarbeitenden kann ein Ausgleichszeitraum von einer Woche bis zu einem Jahr gewählt werden.
Ohne Einigung der Betriebsparteien, ohne Mitbestimmung – kein Ausgleichszeitraum, also auch kein Durchschnitt.
⇒ Kirchliches Arbeitsgericht KARG Paderborn Urteil 05.04.2019 – I 2019 [MAVO Mitbestimmung der Ausgleichszeiträume]
TV Ärzte VKA. Unmittebare Aufgaben |
Im Oktober 2019 haben die Tarifparteien VKA und Marburger Bund ihren ⇒ Tarifvertrag Ärzte unterschrieben. Damit werden die darin begründeten Ansprüche fällig.
Rückwirkend zum 01.01.2019 |
Zum Zahltag im Oktober werden die Nachzahlungen der erhöhten Tabellenentgelte fällig; ebenso die sich daraus ergebenden erhöhten Zeitzuschläge. Und auch die Bereitschaftsdienstentgelte wurden angehoben. Die Differenzen sind mit dem Oktoberentgelt auszuzahlen.
Rückwirkend zum 01.07.2019 |
Alle ab Juli 2019 geleisteten Bereitschaftsdienst-Stunden sind mit einem neuen, 15-prozentigen Zeitzuschlag belegt. Dieser kann nicht durch Freizeit ersetzt werden. Zum Zahltag im Oktober werden diese Zeitzuschläge aus Juli und August fällig. Die Personalabteilungen hatten viele Monate Zeit, ihre Abrechnungssoftware umzustellen. Was am 1. November nicht auf dem Girokonto gelandet ist, sollte schriftlich geltend gemacht werden samt dem Anspruch der Verzugspauschale über 40 € aus § 288 (5) BGB.
Manchmal wurde – mitbestimmt durch die Interessenvertretung – an einen Bereitschaftsdienst anschließend eine normale Schicht geplant. Deren Leistung entfiel dann aufgrund § 5 ArbZG (Pflicht zur Gewährung einer Ruhezeit). In genau diesen Fällen darf der Arbeitgeber den Anspruch auf Vergütung der vorausgehenden Bereitschaft in Freizeitausgleich umwandeln.
In den übrigen, besser geregelten Fällen ordnet bereits der Dienstplan unter Beachtung des Arbeitszeitgesetzes die an den Dienst anschließende Ruhezeit an (Freizeit statt Freizeitausgleich). Dann besteht ein Anspruch auf unverminderte Vergütung!
Um dennoch den Vergütungsanspruch mit irgendwelchen Minusstunden zu verrechnen, braucht der Arbeitgeber das Einvernehmen mit der/dem ärztlichen Beschäftigten. Dieses Einvernehmen kann durch stilles Hinnehmen zustande kommen (BAG, Urteil 19.11.2009 – 6 AZR 624/08). Der Arbeitgeber braucht zudem die Zustimmung des Betriebsrates (§ 87 Abs. 1 nr.3; unklar im PersVG, MVG, MAVO).
Aufgabe: Wir informieren die Ärztinnen und Ärzte –
Wollen Sie ihre Bereitschaftsdienste voll vergütet bekommen? Dann mailen Sie der Personalabteilung (Lesebestätigung) –
Sie verrechnen Ruhezeiten im Anschluss an Bereitschaftsdienste als Freizeitausgleich gegen meine Vergütungsansprüche. Ich möchte das ab sofort nicht mehr (TV Ärzte VKA § 12 Fassung des Absatz 6 ab dem 1. Juli 2019). |
Die gesamte Anwesenheit der Ärztinnen und Ärzte war zu erfassen. Um die tatsächliche Arbeitszeit zu ermitteln, darf der Chef die tatsächlich (!) gewährten Pausen abziehen. Dies schließt einen EDV-Automatismus aus!
Nebentätigkeiten (Honorar-Aufgaben; Totenscheine ausstellen) und private Tätigkeiten des Arztes/der Ärztin darf der Arbeitgeber mindernd bewerten. Für die private Veranlassung trägt er jedoch 'nach den allgemeinen Regeln des Arbeitsrechts die Darlegungs- und Beweislast'.
Aufgabe: Es eignen sich Stichproben, ob die betriebliche Praxis sich an diese Regeln hält. Der TV Ärzte räumt den Betroffenen ausdrücklich ein Einsichtsrecht in die betrieblich geführten Dokumentationen ein. Bei erkannten Problemen greift unser ⇒ Baustein C.1 Berichtigungsanspruch (DSGVO Artikel 16).
Zum 01.01.2020 tarifvertraglicher Überlastungsausgleich |
Ab Januar ändert sich manches für die Dienstpläne der Ärzte/innen. Der Begriff 'Dienste' in § 10 ist dabei jedoch ungenau. Aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass es einen Plan geben muss, der allein oder unter anderem die Bereitschaftsdienste regelt. Dies wird regelmäßig ein Plan sein, der zunächst die gesamte im Turnus fällige Zeitschuld anordnet, also Dienste als Schichten der Normalarbeit. Und dieser Plan wird dann weitergehend auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus zu Bereitschafts- und Rufdiensten einteilen.
Der Plan, der die Tage nach dem 31.12.2019 betrifft, muss spätestens am 01.12.2019 mitbestimmt angeordnet werden (§ 10 Abs. 11). Vielleicht wird diese Anordnungsfrist überschritten – z. B. weil viele neue Regeln umzusetzen sind und die Mitbestimmung ernst genommen wird. Dann steigt der Vergütungsanspruch für die bewerteten Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaft-Stunden im Plan um weitere 10 v.H..
Aufgabe: Wir infomieren die Ärztinnen und Ärzte –
Manche von Ihnen haben die Vergütung von Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaften pauschaliert. Wahrscheinlich stehen Sie sich jedoch bei den neuen tarifvertraglichen Regelungen mit Spitzabrechnungen deutlich besser. Dann sollten Sie diese Nebenabrede zeitnah kündigen. |
Der Marburger Bund hat zugleich ein Tabu gebrochen. Angeordnete Dienstpläne stehen nun unter dem Vorbehalt der Änderung. Dies gilt zunächst nur für Bereitschaftsdienste und Rufbereitschaften. Dafür braucht es Gründe, 'die in der Person einer Ärztin/eines Arztes begründet sind oder die auf nicht vorhersehbaren Umständen beruhen'. Die Änderung wird nur rechtswirksam, wenn sie mitbestimmt ist. Liegen so bei einer notwendigen Dienstplanänderung zwischen der Änderung und dem Antritt des Dienstes weniger als drei Tage, ist ebenfalls der 10 vH. Zuschlag für diesen Bereitschafst- oder Rufdienst zu zahlen.
Aufgabe: Die Interessenvertretung informiert die Ärztinnen und Ärzte –
Je später Ihr Dienstplan geändert wird, umso größer ist die Belastung. Bei besonders kurzfristigen Übergriffen (Bereitschaft, Rufbereitschaft) winkt Ihnen ab dem Jahreswechsel 2020 ein Zeitzuschlag von 10 v.H.. Da ist es wichtig, dass Sie nach der Androhung einer Planänderung zunächst unsere Mitbestimmung abwarten. Die geht der Anordnung voraus. Wenn Sie uns da aktivieren, bringt Ihnen das Schutz und bares Geld (TV Ärzte VKA § 10 Abs. 11 ab 01.01.2020). |
Gleitzeitregelungen kündigen? |
Mit all diesen neuen tarifvertraglichen Errungenschaften ist ein weiterer Vorbehalt verknüpft:
»Protokollerklärung zu Abschnitt II: Bei In-Kraft-Treten dieses Tarifvertrages bestehende Gleitzeitregelungen bleiben unberührt.«
Gibt es im Betrieb Gleitzeitvereinbarungen? Wurde da verschlechternd zur neuen Tariflage geregelt? Dann gilt es, die umgehend aufzukündigen.
Steht da eine Nachwirkung im Wege? Grundsätzlich ja.
Doch es gibt zahlreiche Regelungen, über die sich unbefugte Gesamtbetriebsräten bzw. Gesamtpersonalräte in den Betrieb einmischen. Oder es wurde tarifwidrige Saldierungen vereinbart, oder an den Tarifsperren im BetrVG, PersVG, MVG oder der MAVO vorbei Konten. Diese wirken rechtlich nicht nach, aber leider tatsächlich. Auch da muss eine Interessenvertretung mehr tun als bloß einen Rechtsstandpunkt vertreten.
Bausteine für Deine Praxis |
Die neue Sammlung der Bausteine wurde weiter ergänzt und aktualisiert..
Diese ⇒ Bausteine stehen in der Cloud zum Lesen, Ausdrucken und Umsetzen bereit:
Baustein 0 Wünscht Euch was.pdf
Baustein 10 Mindestbesetzung.pdf
Baustein 10.1 Mindestbesetzung.pdf
Baustein 10.2 Mindestbesetzung.pdf
Baustein 11 Ziehen Sie mir's vom Lohn ab.pdf
Baustein 12 Einspringen.pdf
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Pausen Bausteine Verzugspauschale (11.10.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Pausen im "Einmannbetrieb"
⊗ Bausteine
⊗ Verzugspauschale 40 €
Ruhepausen! Sonst Zwangsgeld |
Der Fall: "Einmannfiliale" |
Bei einer Betriebsüberprüfung stellt die Aufsichtsbehörde u. a. fest:: Während der Öffnungszeiten von Montag bis Freitag im Zeitraum von 10 bis 19 Uhr war nur eine Arbeitnehmerin anwesend. Die örtlichen Rahmenbedingungen bei der Handhabung von Matratzen und Bettrosten lassen eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten erwarten. Eine Gefährdungsbeurteilung fehlt.
Die Aufsichtsbehörde bleibt mit ihren Anordnungen beharrlich : Denn insbesondere ergebe sich aus der Betriebsordnung nur das müde Echo der Gesetzesvorgaben, spätestens nach 6 Stunden sei eigenverantwortlich eine Pause zu nehmen. Eine Zeitspanne, etwa von 12 – 14 Uhr werde somit nicht festgesetzt. Zudem könne der Arbeitnehmer gar nicht frei über seine Pausenzeit verfügen. Wenn ein Kunde kommt, müsse die Pause beendet und bedient werden.
Die Behörde droht ein Zwangsgeld in Höhe von 4.000 € an. Dagegen wehrt sich der Arbeitgeber – vergebens.
Gründe für das Zwangsgeld |
»§ 4 ArbZG statuiert für den Arbeitgeber eine Organisationspflicht. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Ruhepausen in dem dort genannten Umfang zu gewährleisten und muss sicherstellen, dass der Arbeitnehmer von jeder Arbeitspflicht und Arbeitsbereitschaft freigestellt ist, damit die Pause nicht durch Weiterarbeit überlagert und letztlich vergessen wird (BAG, Urt. v. 25.2.2015 – 1 AZR 642/13 -, NZA 2015, 442 Rn. 28; BAG, Urt. v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12 -, NZA 2015, 494 Rn. 28; Kohte, NZA 2015, 1417 (1422)). Wenngleich § 4 S. 1 ArbZG nicht regelt, wann die Ruhepause im Voraus feststehen muss und sich die Festlegung des Anfangs und der Dauer der Ruhepause vor Beginn der täglichen Arbeitszeit auch nicht aus der Gesetzesbegründung ergibt (BT-Drs. 12/5888, S. 24), folgt aus dem Erfordernis »im Voraus«, dass der Arbeitnehmer sich auf die Pause einrichten und sie auch tatsächlich zur Erholung nutzen können muss. Nach jüngerer Rechtsprechung des BAG wird diesem Zweck genügt, wenn spätestens zu Beginn der täglichen Arbeitszeit Anfang und Dauer der Ruhepause mitgeteilt werden (BAG, Urt. v. 25.2.2015 – 1 AZR 642/13 -, NZA 2015, 442 Rn. 28; BAG, Urt. v. 25.2.2015 – 5 AZR 886/12 -, NZA 2015, 494 Rn. 28). […]
Zudem kann die Klägerin auch nicht mit dem Argument durchdringen, dass im Matratzen- und Bettenhandel häufig stundenlang kein Kunde käme, weswegen die Unterbrechung unproblematisch und die Vorgabe eines konkreten zeitlichen Rahmens nicht erforderlich sei, sondern es ausreiche, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Mittagszeit autonom über seine Ruhepause entscheide. Angesichts des Zwecks der Ruhepause, ist eine spontane, an der Kundenfrequenz orientierte, Pausenzeitgestaltung unzulässig (LAG Köln, Urt. v. 2.11.2010 – 5 Sa 1275/10 Rn. 51 – juris: »Denn Zweck der nach § 4 AZG vorgeschriebenen Ruhepause ist das Erholungsbedürfnis des Arbeitnehmers, nicht aber die Anpassung des Arbeitseinsatzes an den Beschäftigungsbedarf des Arbeitgebers.«; siehe auch: HWK/Gäntgen, § 4 ArbZG Rn. 4).
Der Arbeitgeber kann die Bestimmung der Lage der Pause höchstens dann auf die Arbeitnehmer delegieren, wenn die Mitarbeiter eine Regelung treffen, die für den einzelnen Arbeitnehmer verbindlich im Voraus die Pausenzeit festlegt (BAG, Urt. v. 27.2.1992 – 6 AZR 478/90 Rn. 16 – juris).
Im vorliegenden Fall liegt eine derartige Regelung nicht vor. Vielmehr wird es dem einzelnen Arbeitnehmer überlassen, die Pausenlage eigenverantwortlich zu bestimmen. Ebenso spricht der Umstand, dass die Filialen nicht komplett mit zwei Mitarbeitern besetzt sind, dafür, dass mit einem Verstoß gegen § 4 ArbZG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit gerechnet werden kann. Wenngleich aus der Berechtigung des Arbeitnehmers, die Pause nach seinem Belieben zu gestalten, nicht zwingend das Recht resultiert, dass er auch das Betriebsgelände verlassen darf (hierzu etwa: ErfK/Wank, § 4 ArbZG Rn. 5; HWK/Gäntgen, § 4 ArbZG Rn. 10) und ein Pausenraum nach Ziffer 4.2. Abs. 2 des Anhangs Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten nach § 3 Abs. 1 ArbStättV grundsätzlich erst bei mehr als 10 Beschäftigten vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden muss (hierzu auch: HWK/Gäntgen, § 4 ArbZG Rn. 10), kann in tatsächlicher Hinsicht nach der Lebenserfahrung nicht damit gerechnet werden, dass der Arbeitnehmer auch dann seine Pause weiter fortsetzt, wenn ein Kunde das Geschäft betritt.«
⇒ Verwaltungsgericht Sigmaringen Urteil 08.05.2018 – 4 K 2626/16
Praxis-Tipp |
Lebenserfahrung, Aufzeichnungen und Beschwerden der einzelnen Kolleginnen belegen: Die Pausen folgen dem erwarteten Arbeitsanfall, statt den Interessen der Beschäftigten! Ist eine Schicht nur mit ein bis zwei Beschäftigten besetzt, wird häufig die Pause beschränkt, verschoben oder fällt ganz aus. Je unsicherer die Pausen, umso weniger kümmert sich der Chef.
Doch die Betroffenen können ihre Pausen oder deren Einrechnung in die Arbeitszeit einfordern. Und die Betriebsparteien stehen in der Pflicht, die Gewährung der Pausen zu »organisieren«. Sonst kann das teuer werden ...
Bausteine für Deine Praxis |
Die Schichtplan-Fibel räumt auf. Ein Ergebnis ist die neue Sammlung.
Die ⇒ Bausteine stehen in der Cloud zum Lesen, Ausdrucken und Umsetzen bereit:
Schichtfolgen und Pausen
Baustein A Zehn Gebote
Baustein 1 Fünf bis sieben Tage in Folge
Baustein 2 Ersatzruhetage
Baustein 3 Sonntags frei
Baustein 4 [5 Tage je Woche]
Baustein 4.1 AVR DD [5-Tage-Woche]
Baustein 4.2 [5-Tage-Woche]
Baustein 4.3 AWO [5-Tage-Woche].
Baustein 5 Kurze Wechsel
Baustein 6.1 Pausen einfordern
Baustein 6.2 Pausen organisieren
Initiativ für Entlastung
Baustein 7 Beschlussvorschlag Aufzeichnen
Baustein 8 Anzeige bei der Aufsichtsbehörde
Baustein 9 Alleinarbeit
Baustein B Sprechstunden
Baustein C Bußen und Strafen
Baustein C.1 Berichtigungsanspruch (DSGVO Artikel 16)
Baustein D ASA und Sicherheitsbeauftragte
Baustein E Vorladung
Baustein F Datenschutz der Interessenvertretung
40 € Verzugspauschale |
Der 8. Senat des Bundesarbeitsgerichts befand die Verzugspauschale über 40 € als »überschießende Umsetzung« und hebelte da das BGB kurzerhand aus (⇒ BAG Urteil 25.09.2018 – 8 AZR 26/18). Die Verzugspauschale im Arbeitsrecht § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB sei im Arbeitsrecht durch den älteren § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG verdrängt.
Dem folgen bislang:
⇒ LAG Rheinland-Pfalz Urteil 17.04.2019 – 7 Sa 335/18
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 25.06.2019 – 5 Sa 231/18
Ermutigend anders sehen das:
⇒ LAG Sachsen Urteil 17.07.2019 – 2 Sa 364/18
⇒ ArbG Gelsenkirchen Urteil 17.07.2019 – 2 Ca 58/18
⇒ ArbG Köln Urteil 14.02.2019 – 8 Ca 4245/18
ArbG Bremen-Bremerhaven Urteile 28.11.2018 – 6 Ca 6390/17 / 05.03.2019 – 6 Ca 6294/18
ArbG Dortmund Urteil 02.10.2018 – 2 Ca 2092/18.
Fehler in der Nachtschicht |
Beschäftigte in Nachtarbeit, die ihren Schlafzyklus an die Arbeitszeiten anpassen müssen, leiden während der Arbeit häufig unter Schläfrigkeit. Sie sind deshalb einem erhöhten Risiko für Arbeits- und Wegeunfälle auf dem Weg nach Hause ausgesetzt. Auch die Versorgung von Patienten könnte unter der verminderten Aufmerksamkeit leiden. Das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA in Bochum, Einrichtung des Dachverbandes Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) untersuchte an der Bergmansheil-Klinik an 74 Krankenschwestern und MTA die Auswirkungen von Wechselschichtarbeit. Über mehrere aufeinanderfolgende Tag- bzw. Nachtschichten wurden die Auswirkungen von Nachtarbeit auf die Aufmerksamkeit gemessen und verglichen, gegen Ende der Schichten mittels des "Psychomotorischen Vigilanz Test" (PVT). Nachtarbeit verringerte demzufolge deutlich die Reaktionszeiten bei den betroffenen Beschäftigten und sie erhöhet die Anzahl der Fehler.
Ältere vor Fehlern schützen |
»Eine schlechtere Testleistung wurde vor allem bei älteren Probandinnen, Frauen mit einer spät getakteten inneren Uhr (sogenannten 'Eulen') und Frauen mit häufigen Atemaussetzern während des Schlafs (Schlaf-Apnoe-Syndrom) beobachtet«, erläutert die Studienleiterin Dr. Sylvia Rabstein. »Wir konnten nach einer Nachtschicht eine deutlich verlängerte mittlere Reaktionszeit, aber auch eine höhere Zahl von Auslassungsfehlern beobachten«, erklärt Prof. Behrens.
Und: »Einfache Präventionsmaßnahmen zur Verbesserung der Aufmerksamkeit während einer Nachtschicht könnten erlaubte Kurzschlafperioden, eine ausreichende Erholungszeit zwischen einzelnen Nachtschichten, kürzere Nachtschichten oder ein Wechsel der Beleuchtung am Arbeitsplatz umfassen«.
In der Versuchanordnung wurde auch erfasst, die wievielte Schicht in Folge die Kolleginnen gerade hinter sich gebracht hatten. »Für uns überraschend war, dass sich die Fehlerwerte und Reaktionszeiten schon ab der zweiten Nachtschicht verbesserten und sich der Testleistung nach einer Tagschicht annäherten […] Obwohl wir einen Trainingseffekt nicht ausschließen können, scheint es so zu sein, dass unregelmäßige oder schnell wechselnde Schichtpläne vermieden werden sollten«, führt Prof. Behrens dazu aus.
Wir übersetzen: Nachtschichten verblocken! |
Eingestreute Nachtschichten (schnelle Wechsel) belasten. Doch anders als die bisherige Erkenntnislage – die Belastungsfolgen sinken im Zuge von Blöcken aus drei, vier oder vielleicht fünf Nachtschichten.
Originalpublikation: Behrens T, Burek K, Pallapies D, Kösters L, Lehnert M, Wichert K, Kantermann T, Vetter C, Brüning T, Rabstein S. Decreased psychomotor vigilance of female shift workers after working night shifts. Plos One 14.07.2019. ⇒ https://doi.org/10.1371/journal.pone.0219087
Nachtzuschlag für tariflose Dauernachtwachen |
Leitsatz: Der Zuschlag nach § 6 Abs. 5 ArbZG für eine Dauernachtwache in einem Pflegeheim, die für den Arbeitgeber gesetzlich verpflichtende Nachtarbeit leistet, beträgt 20 %. Er setzt sich zusammen aus dem Grundzuschlag für gesetzlich vorgeschriebene Nachtarbeit von 15 % und einer Erhöhung von weiteren 5 % für den Umstand der Dauernachtwache.
⇒ LAG Baden-Württemberg Urteil 11.01.2019 – 9 Sa 57/18
Verzugspauschale im Arbeitsrecht anwendbar |
Die Beklagte wird verurteilt, für Verzug beim fälligen Lohn an die Klägerin die Pauschale von 40 € gemäß § 288 Abs. 5 BGB zu zahlen. Die Berufung wird zugelassen.
Aus der Begründung |
Der [anderen] Auffassung des BAG sind zuletzt einige Arbeitsgerichte nicht gefolgt (ArbG Dortmund, Urteil vom 02.10.2018, 2 Ca 2092/18, juris; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 28.11.2018, 6 Ca 6390/17, juris; ArbG Köln, Urteil vom 14.02.2019, Az. 8 Ca 4245/18, juris; ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil 05.03.2019, Az. 6 Ca 6294/18, juris).
⇒ ArbG Gelsenkirchen Urteil 17.07.2019 – 2 Ca 58/18
Siehe auch unseren ⇒ Newsletter vom 05.06.2019
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überplanung, Betriebsvereinbarung loswerden (20.08.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ TVöD § 7 Abs. 8c: Keine Zuschläge trotz Überplanung
⊗ Betriebsvereinbarung beseitigen
Hindernis: Urlaub und Krankheit |
Der Fall: Überplant |
Eine MTLA in einem Klinikum (unmittelbare TVöD-Bindung) verlangt Zeitzuschläge. Denn ihr wurden in den kalendermonatlich geführten Schichtplänen Mai , Juni und Juli jeweils deutlich mehr Stunden geplant abgefordert als geschuldet. Im Mai werden 4 Urlaubstage gewährt (»30,8 Arbeitsstunde"). Im Juni ist sie 2,25 Stunden arbeitsunfähig. Im Juli werden ihr 15 Urlaubstage a 7,7 Arbeitsstunden gewährt.
Die Entscheidung: Pech |
Die Zahlung von Überstundenzuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a TVöD setzt für sog. geplante Überstunden im Sinne von § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD voraus, dass die über der Sollarbeitszeit liegenden Ist-Arbeitsstunden tatsächlich geleistet wurden. Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit gelten insofern nicht als geleistete Arbeitsstunden.
⇒ LAG Nürnberg, Urteil 19.12.2018 – 2 Sa 341/18
Nicht geleistet, nicht belastet. Aus der Begründung zitiert |
Rn. 24: Die Klägerin leistete unstreitig Wechselschicht- und Schichtarbeit im Tarifsinne (§ 7 Abs. 1 und 2 TVöD-K). Überstunden sind in diesem Falle nach § 7 Abs. 8 c TVöD-K nur die Arbeitsstunden, die über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden einschließlich der im Schichtplan vorgesehenen Arbeitsstunden, die bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden, angeordnet worden sind. Diese sprachlich wenig verständliche Norm soll nach der Rechtsprechung des BAG (Urteile vom 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 und vom 23.03.2017 – 6 AZR 161/16) offensichtlich zwei unterschiedliche Sachverhalte regeln und ist daher wie folgt zu lesen:
»Abweichend von Abs. 7 sind nur die Arbeitsstunden Überstunden, die im Falle von Wechselschicht- oder Schichtarbeit über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus angeordnet worden sind, und/oder die im Schichtplan vorgesehenen (festgesetzten) Arbeitsstunden, die – bezogen auf die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (im Sinne von § 6 Abs. 1 TVöD-K) – im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden.«
Rn. 25: Danach regelt die Vorschrift zwei Alternativen. Die erste Alternative betrifft den Sachverhalt, dass zu den im Schichtplan festgesetzten »täglichen« Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden (»ungeplante Überstunden«).
Dem stehen die Fälle der zweiten Alternative gegenüber, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bereits durch die im Schichtplan angeordneten Stunden überschritten wird (sog. »geplante Überstunden« , vgl. BAG, a.a.O.).
Rn. 27: So kommt es nach dem Urteil des BAG vom 25.04.2013 – 6 AZR 800/11 – auf die tatsächliche Überschreitung der Arbeitszeit von Vollbeschäftigten innerhalb des Schichtplanturnus, vorliegend also ein Monat, an. In Rn 38 der Urteilsgründe heißt es: »…Bei Stunden, die wie vorliegend im Schichtplan – sei es bei dessen Aufstellung, sei es infolge späterer Änderungen/Ergänzungen des Plans – vorgesehen (festgesetzt) sind, können Überstunden nach der Regelung in § 7 Abs. 8 Buchst. c TVöD nur dann entstehen, wenn mehr Stunden vorgesehen sind, als sie ein Vollzeitbeschäftigter erbringen müsste. Ob tatsächlich Überstunden geleistet worden sind, ergibt sich in diesem Fall allerdings erst aus dem am Ende eines Schichtplanturnus vorzunehmenden Abgleich zwischen der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung und der von einem Vollzeitbeschäftigten in diesem Zeitraum geschuldeten Arbeit…«.
In Zeiten des Urlaubs oder der Arbeitsunfähigkeit wird eine Arbeitsleistung aber tatsächlich nicht erbracht. Für Zeiten des Urlaubs ist eine Arbeitsleistung außerdem noch nicht
einmal geplant, sondern die bezahlte Freistellung von der Arbeit.
Rn. 29: Entscheidend für die Zuschlagspflicht ist jedoch die in § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD-K enthaltene Regelung. Danach enthält der/die Beschäftigte neben dem Entgelt für die tatsächliche Arbeitsleistung Zeitzuschläge. Darin ist als materielle Voraussetzung für die Zahlung aller im Folgenden genannten Zeitzuschläge eindeutig die tatsächliche Arbeitsleistung festgelegt. Ausgenommen von der Zuschlagspflicht sind deshalb Zeiten der Entgeltfortzahlung ohne Arbeitsleistung:
Arbeitsunfähigkeit/Krankheit: § 22 TVöD-K; Urlaub: §§ 26, 27 TVöD-K; Arbeitsbefreiung aus persönlichen Gründen nach § 29 TVöD-K; 24.12./31.12.: § 6 Abs. 3 TVöD-K (BAG vom 28.07.2010 – 5 AZR 342/09 – Rn 11; Burger, Tarifverträge für den öffentlichen Dienst 3. Aufl. 2015 § 8 TVöD Rn 3; BeckOK TVöD/Welkoborsky TVöD-AT § 8 Rn 1; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrink, § 8 TVöD Rn 5).
Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.05.2013 – 1 AZR 178/12 – Rn 12 festgehalten, dass mit § 8 Abs. 1 Satz 1 TVöD von den Tarifvertragsparteien sichtlich das Ziel verfolgt wurde, nur eine tatsächlich eingetretene besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen.
7 Tipps für die Praxis |
1.) Die kalendermonatliche Planung erschwert die Saldierung der wochendurchschnittlichen Zeitschuld gegenüber dem 'Ist'. Besser: Im 4-Wochen-Rhythmus planen! Je länger der Turnus, umso wahrscheinlicher enthält er Urlaub und/oder Arbeitsunfähigkeit.
2.) Auch wenn Urlaubstage gewährt werden sollen: Erst die Arbeitspflicht festlegen lassen! Die Urlaubstage stellen im Folgeschritt von dieser frei.
3.) Während Urlaub soll tatsächlich weniger gearbeitet werden. Doch jede Überplanung in solchen Turnussen stellt sich dem quer. Urlaub wird so zum Vergütungsanspruch. Diese Überplanung ist gesetz- und tarifwidrig.
4.) So werden tatsächlich keine Überstunden abgefordert und geleistet. Es entsteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge für Überstunden. Es entsteht auch kein Anspruch für die Vergütung als Überstunden als solche. Dieser wude hier auch nicht eingefordert. Es entsteht kein Anspruch auf Zeitzuschläge für Überstunden.
5.) Wahrscheinlich stand ein Anspruch auf Stundenvergütung aus TVöD § 8 Abs. 2 zu, für Arbeitsstunden, die keine Überstunden sind und die sich nicht ausgleichen. Es wurde versäumt, diesen hier geltend zu machen. Das sehen wir häufig und ist jedesmal bitter. Eine gewerkschaftliche ⇒ Handreichung beschreibt seit nun vier Jahren, was Rechtsvertretungen helfen könnte ...
6.) Möglicherweise besteht statt der Stundenvergütung der tatsächlich vereitelte Teil des Urlaubsanspruchs so weiter.
7.) Ist eine gesetzliche Interessenvertretung aktiv? Bestimmt diese die einzelnen Schichtpläne mit? Dann muss diese beherzt eingreifen und Überplanung in den Turnussen mit Urlausbtagen verweigern. Ebenso sollte sie Überplanung in den Turnussen verweigern, in denen mit einer Arbeitsunfähigkeit zu rechnen ist.
Eilfälle mitbestimmen |
Der Fall: Betriebsrat übergeht Betriebsvereinbarung |
Die Arbeitgeberin erbringt in der Berliner Großklinik Charité Leistungen im technischen, kaufmännischen und infrastrukturellen Facility Management. Sie beschäftigt dazu etwa 2.800 Kolleg/inn/en. Im Jahr 2006 schlossen die Beteiligten eine Betriebsvereinbarung. Diese regelt unter anderem -
Eine wegen eines unvorhersehbaren Ausfalls eines Mitarbeiters (Krankheit, Urlaub u.ä.) notwendig werdende kurzfristige Rasterplanänderung bedarf keiner vorherigen Zustimmung des Betriebsrats. In dem Betriebsrat wöchentlich zu übergebendem Einsatzplan ist diese Änderung kenntlich zu machen. |
Die Betriebsvereinbarung enthält keine Klausel zur Nachwirkung. Der Betriebsrat hat sie gekündigt. Er besteht nun auf seine konkrete Mitbestimmung in den zahllreichen Einzelfällen der Schichtwechsel und Überstunden.
Die Entscheidung: freiwilliger Verzicht auf Mitbestimmung? |
1. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist in Eilfällen nicht ausgeschlossen (vgl. BAG 8. Dezember 2015 – 1 ABR 2/14, Rn. 18).
2. Die Regelungsfrage, ob und ggf. in welcher Weise ein Dienstplan geändert werden muss, wenn dieser nicht wie geplant durchgeführt werden kann, wird vom Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst. Dieses Beteiligungsrecht wird beseitigt, wenn die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine Dienstplanänderung nur unterrichten muss und nach Gutdünken verfahren kann (vgl. BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12, Rn. 37).
3. Auf einen von § 87 Abs. 2 BetrVG abweichenden Konfliktlösungsmechanismus können sich die Betriebsparteien zwar grundsätzlich einvernehmlich verständigen (vgl. BAG 8. Dezember 2015 – 1 ABR 2/14, Rn. 25). Als freiwillige Regelung iSd § 88 BetrVG unterliegt die Verfahrensregelung (unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sie als solche wirksam gewesen ist) nicht der Nachwirkung.
⇒ LAG Berlin Brandenburg Beschluss 17.01.2019 – 26 TaBV 1175/18
Aus der Begründung |
Rn. 32: […] Mitbestimmungspflichtig sind der Schichtplan und dessen nähere Ausgestaltung bis hin zur Zuordnung der Arbeitnehmer zu den einzelnen Schichten sowie die Änderung von bereits aufgestellten Dienstplänen (vgl. BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12, Rn. 16 mwN).
Rn. 33: […] Zulässig ist es auch, konkrete Grundregeln festzulegen, die der Arbeitgeber bei der Aufstellung von Schichtplänen einzuhalten hat. Diese müssen aber den Anforderungen an die ordnungsgemäße Ausübung der in Betracht kommenden Beteiligungsrechte des Betriebsrats genügen. Dies erfordert regelmäßig abstrakte und verbindliche Bestimmungen über die Ausgestaltung der unterschiedlichen Schichten und die Zuordnung von Arbeitnehmern zu den einzelnen Schichten. Vereinbaren die Betriebsparteien solche Regularien, kann die Aufstellung der einzelnen Schichtpläne dem Arbeitgeber überlassen werden.
Rn. 36: […] Grundsätzlich besteht aber gerade auch in Eilfällen ein Mitbestimmungsrecht.
Rn. 40: […] Die Regelungsfrage, ob und ggf. in welcher Weise ein Dienstplan geändert werden muss, wenn dieser nicht wie geplant durchgeführt werden kann, wird vom Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG umfasst. Dieses Beteiligungsrecht wird beseitigt, wenn die Arbeitgeberin den Betriebsrat über eine Dienstplanänderung nur unterrichten muss und nach Gutdünken verfahren kann (vgl. BAG 9. Juli 2013 – 1 ABR 19/12, Rn. 37).
Rn. 41: Auf einen von § 87 Abs. 2 BetrVG abweichenden Konfliktlösungsmechanismus können sich die Betriebsparteien zwar grundsätzlich einvernehmlich verständigen (vgl. BAG 8. Dezember 2015 – 1 ABR 2/14, Rn. 25). Als freiwillige Regelung iSd § 88 BetrVG unterliegt die Verfahrensregelung (unabhängig von der Frage, ob und inwieweit sie als solche wirksam gewesen ist) nicht der Nachwirkung. Es handelt sich um einen abgrenzbaren Regelungsbereich.
Was tun? |
Manchmal verzichten Betriebsräte blauäugig auf die Mitbestimmung gerade in den Fällen, in denen die Kolleginnen Beistand brauchen: Bei Überstunden und beim Holen aus dem Frei. Betriebsvereinbarungen oder Einigungsstellensprüche enthalten oft mehrere Regelungsgegenstände.
Mit der Zeit erkennt der Betriebsrat, dass so manche Gegenstände unerträglich geregelt sind. Und er entdeckt, dass die Vereinbarung – geschlossen mit anwaltlicher Unterstützung – zur Zwangsjacke geworden ist.
Welche Regelungen können durch eine bloße Kündigung beseitigt werden, welche wirken danach weiter bis zu einer Neuregelung? Heilt die 'salvatorische Klausel' am Ende der Vereinbarung selbst schwere Verstöße gegen den Tarifvorbehalt des BetrVG § 77, die Tarifsperre in § 87 Abs. 1 oder die Pflicht zur Mitbestimmung? Wirken so auch rechtswidrige Regeln nach?
Ein Streit darüber zieht sich über die Rechtsinstanzen – wertvolle Zeit geht verloren. Im ersten Schritt gilt es, den Weg für eine zeitnahe Neuregelung freizumachen:
Die Betriebsvereinbarung …….. vom ……… ist nichtig. Denn der Betriebsrat kann die seiner Mitbestimmung unterworfenen Maßnahmen nicht wirksam dem Gutdünken des Arbeitgebers überlassen (zuletzt: LAG Berlin Brandenburg Beschluss 17.01.2019 – 26 TaBV 1175/18). |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] aufzeichen lassen, Zwangsgeld, Urlaubsrechner (08.08.2019)
Arbeitszeit aufzeichnen lassen |
Wir haben Zweifel, ob Aufsichtsbehörden die Pflicht der Arbeitgeber, alle Arbeitszeit aufzuzeichnen, notfalls über die Verhängung von Ordnungsgeldern durchsetzen. Gesetzliche Interessenvertretungen können sich selbst durchschlagen:
»Der Arbeitgeber hat seinen Betrieb so zu organisieren, daß er die Durchführung der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen selbst gewährleisten kann. Er muß sich deshalb über die genannten Daten in Kenntnis setzen und kann dem Betriebsrat die Auskunft hierüber nicht mit der Begründung verweigern, er wolle die tatsächliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer wegen einer im Betrieb eingeführten 'Vertrauensarbeitszeit' bewußt nicht erfassen.«
⇒ BAG Beschluss 06.05. 2003 – 1 ABR 13/02
Vielleicht mag der Arbeitgeber den Schritt zur Überwachung der Schutzregeln nicht von selbst gehen. Da kann nachgeholfen werden. Das zeigte ein Betriebsrat aus Minden. Dessen Arbeitgeberinnen hatten erklärt, sie würden auf die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung verzichten. Sie verweigerten sich auch einer Einigungsstelle.
Der Betriebsrat erreichte im Bestellverfahren die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand 'Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung'. Dagegen zogen die Arbeitgeberinnen vor das Landesarbeitsgericht. Das entschied –
»Die Einigungsstelle ist jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig, wenn der Betriebsrat sich auf ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung beruft (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse v. 22.01.2015, 10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14).«
⇒ LAG Beschluss 04.06.2019 – 7 TaBV 93/18
Grundlagen |
§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG regelt die erzwingbare Mitbestimmung bei 'Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen'. Die Arbeitgeberin berief sich vergeblich auf eine BAG-Entscheidung aus 1989, nach der es sich bei diesem Mitbestimmungsgegenstand lediglich um ein Abwehrrecht des Betriebsrates bezüglich zügelloser Digitaler–Überwachung handele.
Tipp: Gesundheitsschutz |
§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bietet mit 'Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften' zusätzlich einen anderen, anders umstrittenen Ansatz. Hier ist durch Vereinbarung der Betriebsparteien zu regeln, wer was wie aufzeichnet und aufbewahrt. Je vielfältiger die Arbeitzeitmodelle, je größer die Flexibilität im Betrieb, umso eher ist eine elektronische Lösung zur Arbeitszeit-Dokumentation geeignet, notwendig und dem Arbeitgeber zumutbar.
Wird im Betrieb die Erfassung von Arbeitszeiten bereits elektronisch unterstützt? Dann genügt eine kleine, erzwingbare Betriebsvereinbarung:
Die Arbeitgeberin zeichnet die Arbeitszeit der Arbeitnehmer/innen im Sinne BetrVG § 5 ab dem ........ auf. |
'Die' Arbeitszeit umfasst die gesamte Arbeitszeit. Mit dieser Betriebsvereinbarung gewinnt die Interessenvertretung zugleich den Anspruch auf deren Durchführung. Werden Zeiten ausgeklammert, übersehen, vergessen, bestritten? Dann kann sie gerichtlich erzwingen, diese Dokumentation nachzuholen.
Beurteilen, festlegen und einweisen |
Manchmal hilft es, wenn die gesetzliche Interessenvertretung den Arbeitgeber zur Arbeit treibt. Angst vor Strafe setzt in Bewegung. Drohende Kosten wirken Wunder.
An die |
Werkzeug: Urlaubs-Rechner |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] treulos mitbestimmen – Zeitschuld (27.06.2019)
Zustimmung verweigert |
Leitsatz: »Den Unterlassungsansprüchen des Betriebsrats aus § 87 Abs. 1 BetrVG und § 23 Abs. 3 BetrVG kann in besonders schwerwiegenden und eng begrenzten Ausnahmefällen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nach § 2 Abs. 1 BetrVG entgegenstehen.«
⇒ BAG 12.03.2019 – 1 ABR 42
Hier hat ein Betriebsrat aus einem kleinen niedersächsichen Krankenhaus ein über Jahre geführtes Verfahren in letzter Instanz verloren. Und alle, Betriebsräte, Personalräte, Mitarbeitervertretungen und Aktive können dabei einiges für ihre Praxis lernen. Also: Keinesfalls ein Totalschaden.
Der Fall |
Im Jahr 2015 gibt es in einem tarifgebundenen niedersächsischen Krankenhaus (Helios HerzbergWo und wie sind Ruhepausen geregelt?
§ 4 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) regelt die Ruhepausen. Die Ruhepause gilt zwingend und kann auch nicht als Absprache zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer als nichtig oder nicht notwendig abgetan werden. einvernehmlich abbedungen werden. D.h. Arbeitnehmer*innen können nicht eigenständig entscheiden, ob und wann sie eine Ruhepause machen, vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einhaltung der Ruhepausen zu gewährleiliesten und dafür Sorge zu tragen, dass diese auch durchgeführt werden.
, 314 Arbeitnehmer, Auszubildende und Praktikanten) Streit um die monatlichen Dienstpläne. Der Betriebsrat kritisiert die aufgelaufene unbezahlte Vorwegarbeit und die unzureichenden Stellenpläne. Der Geduldsfaden reißt, der Konflikt eskaliert. Der Betriebsrat hat schlechte Erfahrungen mit Einigungsstellen und verweigert sich der gemeinsamen Anrufung. Er blockiert wiederholt das arbeitsgerichtliche Bestellverfahren. Dann erhöht er den Druck. Gerichtlich will er erreichen, dass der Arbeitgeber sich an die nicht geeinten aber von ihm einseitig durchgeführten Schichtpläne hält. Bei Schichtwechsel, Überstunden und Einspringen soll ein Ordnungsgeld verhängt werden.
Die Entscheidung |
Der Betriebsrat kann nicht verlangen, dass der Arbeitgeber rechtswidrige weil nicht abschließend mitbestimmte Anordnungen zur Arbeitszeit durchführt. Fraglich bleibt, ob der Betriebrat so mit Ordnungsstrafen die Nicht-Anordnung und Nicht-Duldung der Arbeitszeit in den Arbeitsbereichen erzwingen könnte. Denn falls der Betriebsrat sich dem Mitbestimmungsverfahren und dem vertrauensvollen Zusammenwirken gezielt entzieht, verwirkt er seinen Anspruch auf Unterlassung.
Aus der Begründung |
Randnummer 39:
Der Zweck des Mitbestimmungsrechts besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen. Das Mitbestimmungsrecht betrifft dementsprechend die Lage der Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit.
Randnummer 57:
Sein Einwand, die von der Arbeitgeberin aufgestellten Dienstpläne seien angesichts ihres Personalbestands nicht funktionsfähig, verkennt, dass er die Ausübung des ihm bei der Aufstellung von Dienstplänen nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG obliegenden Mitbestimmungsrechts nicht ohne Weiteres ablehnen kann. Dies liefe auf einen rechtlich unzulässigen Verzicht auf die Ausübung eines Mitbestimmungsrechts hinaus […]. Soweit der Betriebsrat auf die Gesetzes- und Tarifwidrigkeit der Dienstpläne verweist, fehlt es vorliegend an einer Konkretisierung dieses Vorwurfs; der bloße Verweis auf erhebliche Zeitguthaben einzelner Mitarbeiter reicht hierfür nicht. Unabhängig davon entbinden ihn etwaige Verstöße einzelner Dienstpläne gegen gesetzliche und tarifliche Vorgaben nicht von seiner Verpflichtung, sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wahrzunehmen.
Randnummer 69:
Der Arbeitgeber ist im Rahmen von § 87 BetrVG grundsätzlich nicht berechtigt, mitbestimmungspflichtige Maßnahmen – auch nicht zeitweise oder vorläufig – ohne Beteiligung des Betriebsrats fortzuführen. Dementsprechend kann der Betriebsrat dies auch nicht von ihm verlangen.
Ein paar Tipps |
Wir lehrten in den Seminaren und Veranstaltungen bislang: Ein Betriebsrat – anders als Personalrat oder MAV – braucht seine Verweigerung zu Maßnahmen der 'großen' Mitbestimmung nicht begründen. Es genügt zu schweigen. Der Arbeitgeber muss – will er dennoch die Maßnahme durchführen – den Konflikt zuvor auflösen.
Von nun an werden wir dem einen Hinweis hinzufügen: Es genügt meist, den Kolleginnen in den Arbeitsbereichen mitzuteilen, dass die rechtswidrigen Anweisungen des Arbeitgebers für sie unverbindlich bleiben. Wer diese Anweisungen tatsächlich blockieren will, muss sich zumindest bemüht zeigen, die zeitnahe Konfliktlösung voranzubringen.
Geht es um Schichtpläne, die Verteilung der Arbeitszeit und der Pausen? Dann sollten wir weder vor Gericht noch in einer Einigungsstelle mit 'Überlastung' oder 'Unterbesetzung' argumentieren. Dies sind Themen des Gesundheitsschutzes – also eigenständige und von den Plänen getrennte Mitbestimmungs-Gegenstände. Vielleicht haben die Betriebsparteien eine belastbare Vereinbarung über notwendige Schichtstärken oder Personalschlüssel. Doch der Arbeitgeber kann erfolgreich vortragen, dass seine Schichtpläne vier bis sechs Wochen im voraus nicht zwingend das später tatsächlich benötigte oder eingesetzte Personal abbilden sollen. Es könnte ja zu kurzfristigen Verstärkungen durch Versetzungen oder Neueinstellungen kommen, oder zu Patienten-Verlegungen.
Wir erkennen vielleicht beim ersten Blick auf die Pläne: Das kann und wird so nicht gut gehen! Arbeitsrichter erkennen das nicht. Und sie verweisen uns darauf, dass wir gegen nicht mibestimmte Überstunden und Übergriffe später mit saftigen Ordnungsstrafen vorgehen können.
Stattdessen gibt es zwingendere Argumentationsmuster: Die Freizeit-Wünsche der Kolleginnen sollen erfüllt werden – vielleicht reicht das Personal ja auch dafür. Wir lehnen Massierungen von Arbeitszeit und Überplanung ab. Wir bestehen auf eine frühzeitige feste Organisierung der Pausen, gemeinsam und zu den für die Kolleginnen auskömmlichen Zeiten.
Werkzeug: Zeitschuld-Rechner |
Das bisherige Tool wurde komplett überarbeitet.
Es läuft im Browser, ebenso mit Mobilphone.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Aufzeichen – Verzugspauschale – Werkzeuge (05.06.2019)
Aufzeichnung der Arbeitszeit |
Arbeitgeber müssen die Aufzeichnung der Arbeitszeiten organisieren. Auch in deutschen Betrieben. Das 'Wie' bleibt ihnen und uns überlassen. Der Sturm um die angebliche Rückkehr der Stechuhr findet im Wasserglas statt.
⇒ EuGh Urteil 14. Mai 2019 – C-55/18
Die europäischen Richter/innen haben klare Worte gefunden. Damit sind sie denen auf die Füße getreten, die sich gerade voll Appetit auf den Weg ins Flexi-Schlaraffenland 'Arbeit 4.0' machen wollen. Entscheidungsgrundlage für das Urteil des EuGH waren dabei neben der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 auch Artikel. 31 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union -
Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen |
Schichtplan-Fibel Sondertage Aufzeichnen der Arbeitszeit |
||||
![]() |
Wir werden die Chancen und Widrigkeiten der Dokumentationspflichten durchleuchten und beraten. Dazu bieten wir zwei Sonder-Seminartage - 15.10.2019, nr. D3-196838-085 und 12.11.2019, nr. D3-196839-085 , jeweils im Düsseldorfer DGB Haus (gegenüber Hbf). |
40 € Verzugspauschale |
Uns hat die Verzgspauschale über 40 € (§ 288 Abs. 5 BGB) gut geschmeckt. Sie würzt jede Geltendmachung chronisch verweigerter Überstundenvergütung.
Der 8. Senat des BAG hatte uns da in die Suppe gespruckt und dies recht waghalsig begründet (⇒ BAG Urteil 25.09.2018 – 8 AZR 26/18). Er hebelte aus, was er für eine 'überschießende Umsetzung' europarechtlicher Vorgaben hielt. Wir berichten im Newsletter (26.01.2019).
Landesarbeitsgerichte haben dies früher anders gesehen. Nun wurde ein Hoffnungsschimmer veröffentlich. Auch weiterhin gibt es Arbeitsrichter, die das anders als das BAG sehen. Die Kölner haben sich zudem die Mühe gemacht, ihre abweichende Auffassung systematisch zu begründen. Und sie sprachen einer Kollegin für zwei Monate, in denen Vergütungsbestandteile fehlten, jeweils 40 € zu.
⇒ ArbG Köln Urteil 14.02.2019 – 8 Ca 4245/18
Interessant: Weil der Streitwert in solchen Verfahren meist niedrig ist, bleibt den Unterlegenen keine Revision bei den übergeordneten Gerichten. Also lohnt es sich, einmal jeweils das Arbeitsgericht am Ort zu testen. Die 40 € gehören also weiterhin in jede schriftliche Geltendmachung.
Werkzeug: TVöD – in € und Stunde |
Das Tool ist komplett überarbeitet.
Es läuft im Browser, ebenso mit Mobilphone.
(Nachteil: Das Tippen und Wischen braucht manuelle Geduld.
Vorteil: Mit einem Lesezeichen auf dem Smartphone hilfst Du Dir nun immer und überall.)
Werkzeug: Der 'Urlaubs-Nachrechner' |
Übernächtigt wurde schnell auch noch ein Urlaubsanspruchsrechner fertig. Wer ein wenig damit experimentiert, stößt auf betriebliche Missstände bei der Urlaubs-Umrechnung.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftsdienst Pauschalierungen (01.04.2019)
'Faktorisierte' Freizeit für Bereitschaftsdienst (TVöD-B) |
Die Bundearbeitsrichter untersuchten, wie zusätzlicher Bereitschaftsdienst (über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus) im TVöD-B ausgeglichen werden kann. Sie untersuchten zugleich die Rechtsvoraussetzungen dieser Zumutungen. Die Verrechnung mit der regelmäßigen Arbeitszeit schloßen sie aus.
⇒ BAG Urteil 17.01.2019 – 6 AZR 17/18
Der Fall |
Die Beklagte ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband, hat aber über die Arbeitsverträge den TVöD-B in Bezug genommen (mittelbare Bindung). Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.
Der hat als Ausgleichszeitraum für die Schichtarbeit 'bis zu ein Jahr' vereinbart. Tatsächlich wird in 12-tägigen Rhythmen gearbeitet, welche sowohl zu Schichten aus regelmäßiger Arbeitszeit als auch zu knapp 12-stündigen nächtlichen Bereitschaftdiensten heranziehen. Diese Bereitschaftsdienste rechnet der Arbeitgeber je Stunde mit 25 v.H. auf die regelmäßige Zeitschuld an. Unterm Strich verbringen die Kolleginnen deutlich mehr Zeit im Betrieb bei fast unverändertem Entgelt.
Eine Betriebsvereinbarung fehlt hierzu.
Die Klage gegen diese Praxis geht zwar für die Kollegin verloren. Denn der Feststellungsantrag wurde versehentlich so umfassend gefasst (Globalantrag), dass dem Gericht auffiel: Mit einem Arbeitszeitkonto gemäß § 10 TVöD-B und einer Buchungserklärung einzelner Kolleginnen wäre eine solche Praxis zumindest theoretisch denkbar.
Doch gewohnt gründlich dekonstruierte der 6. Senat dabei die tarifvertraglichen Regeln. Und dies nützt uns allen.
Die Entscheidung |
1.) keine regelmäßige Arbeitszeit |
Die Tarifvertragsparteien des TVöD-B haben […] die Formulierung 'außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit' gewählt und damit deutlich gemacht, dass der Bereitschaftsdienst unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Betrachtung von der regelmäßigen Arbeitszeit zu unterscheiden und zusätzlich dazu zu erbringen ist (vgl. BAG 30. Januar 1996 – 3 AZR 1030/94 – zu I 3 c der Gründe). […]
Bezogen auf die regelmäßige Arbeitszeit ist der Bereitschaftsdienst eine zusätzliche Leistung […]. Er kann nicht anstatt der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden […] und ist zu unterscheiden von Bereitschaftszeiten iSv. § 9 TVöD-B, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen.
Der TVöD-B geht ebenso wie die anderen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes davon aus, dass die Beschäftigten eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-B) schulden und damit den Anspruch auf das Tabellenentgelt (§ 15 TVöD-B) erwerben. Leisten Beschäftigte Bereitschaftsdienst iSv. § 7 Abs. 3 TVöD-B, haben sie einen zusätzlichen Anspruch auf Bereitschaftsdienstentgelt nach § 8.1 iVm. Anlage G TVöD-B. Die in § 8.1 Abs. 1 und Abs. 3 TVöD-B vorgesehene Faktorisierung der Zeit des Bereitschaftsdienstes dient nach § 8.1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 TVöD-B nur dem Zweck der Entgeltberechnung.
2.) Freizeitausgleich ist nicht Faktorisierung |
Die Abgeltung von Bereitschaftsdienstentgelt durch Freizeit setzt nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B den Abschluss einer entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung voraus. Liegt eine solche betriebliche Regelung vor, führt dies zu einer Verminderung der Sollarbeitszeit, denn Freizeitausgleich bedeutet, bezahlte Freizeit zu erhalten, statt Arbeitszeit ableisten zu müssen (BAG 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09 – Rn. 12, BAGE 135, 179; 17. März 2010 – 5 AZR 296/09 – Rn. 17). Im Ergebnis wird die Belastung des Bereitschaftsdienstes bei unveränderter Vergütung durch Freizeit kompensiert. Diesen Ausgleich kann der Arbeitgeber nicht einseitig, sondern nur auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Betriebs- oder Personalrat anordnen. Es ist mit § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts entscheiden könnte, ob geleistete Bereitschaftsdienste durch Freizeit ausgeglichen werden.
3.) Keine Freiheiten für Arbeitgeber |
Der TVöD-B beinhaltet mit § 7 Abs. 3, § 7.1 und § 8.1 ein in sich geschlossenes Regelungssystem bezüglich der Voraussetzungen und der Behandlung von Bereitschaftsdienst in arbeitszeitrechtlicher und vergütungsrechtlicher Hinsicht. In diesem System haben die Tarifvertragsparteien keinen Anlass gesehen, dem Arbeitgeber ein Recht zur einseitigen Anordnung von Freizeitausgleich zuzugestehen, wenn es zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erforderlich wäre […].
4.) Anders im TVöD-K |
§ 8.1 Abs. 7 TVöD-K ermöglicht dem Arbeitgeber im Bereich des ärztlichen Personals die einseitig bestimmte Gewährung von Freizeitausgleich statt Zahlung von
Bereitschaftdienstentgelt. Bezüglich der übrigen Beschäftigtengruppen der Krankenhäuser verlangt § 8.1 Abs. 8 TVöD-K für einen Freizeitausgleich dessen Erforderlichkeit
zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, eine entsprechende Regelung in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder eine Zustimmung
des betroffenen Beschäftigten […].
5.) Vertragliche Vorgaben |
§ 8.1 Abs. 7 TVöD-K ermöglicht dem Arbeitgeber im Bereich des ärztlichen Personals die einseitig bestimmte Gewährung von Freizeitausgleich statt Zahlung von Bereitschaftsdienstentgelt. Bezüglich der übrigen Beschäftigtengruppen der Krankenhäuser verlangt § 8.1 Abs. 8 TVöD-K für einen Freizeitausgleich dessen Erforderlichkeit zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, eine entsprechende Regelung in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder eine Zustimmung des betroffenen Beschäftigten […].
6.) Tarifwidrige Praxis |
Die fehlenden zehn Stunden werden durch den faktorisierten Dienst zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr 'aufgefüllt'. Bei dem angesetzten Faktor von 25 vH ergeben sich für jede Schicht 1 Stunde und 45 Minuten, welche bezogen auf sechs Schichten mit 10 Stunden und 30 Minuten in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit eingestellt werden. Der Beklagte macht den Bereitschaftsdienst durch seine Schichtplanung zur regelmäßigen Arbeitszeit, allerdings nur faktorisiert und unter Missachtung von § 8.1 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B.
Für den Kläger hat dies zur Konsequenz, dass er für die Anerkennung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich in der zweiten Woche des Schichtturnus 71 Stunden anwesend sein muss (sechs Schichten zu je 11 Stunden und 50 Minuten Dauer). Dies ist mit den tariflichen Vorgaben nicht vereinbar […].
7.) Betriebsvereinbarung hilft nichts |
Dessen ungeachtet könnte das vom Beklagten praktizierte Schichtmodell auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung legitimiert werden, denn es findet kein Ausgleich für die mit dem Bereitschaftsdienst verbundene Belastung statt. […] Der Kläger wird vielmehr kontinuierlich in dem dargestellten zeitlichen Maß in Anspruch genommen. Der nächtliche Bereitschaftsdienst wird weder durch die Zahlung von Bereitschaftsdienstentgelt noch durch Freizeitausgleich kompensiert. Bereitschaftsdienst ist jedoch – wie dargestellt – eine nur zusätzlich zu erbringende Leistung, die nach § 8.1 TVöD-B zu einer Entgeltsteigerung in Form von Bereitschaftsdienstentgelt führt. Nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B kann nur dieses Bereitschaftsdienstentgelt in Freizeit umgewandelt werden. Auch die Betriebsparteien können daher nicht Bereitschaftsdienst anstatt regelmäßiger Arbeitszeit anordnen, sondern nur die regelmäßige Arbeitszeit im Wege des Freizeitausgleichs in dem Umfang verringern, wie er dem durch Faktorisierung berechneten Bereitschaftsdienstentgelt entspricht.
Hinweise für die Praxis |
Soweit das BAG im original.
Interssant ist dabei u.a., dass 'Freizeitausgleich' nach dem Verständnis des BAG voraussetzt, dass von umfassend verplanter regelmäßiger Arbeitszeit (Arbeiitspflicht)auf Antrag der Beschäftigten freigestellt wird. Dabei wird ein tatsächlicher Vergütungsanspruch gegen eine Anspruch auf Freizeitausgleich getauscht.
Dagegen breits im Arbeitszeit-Modell die Verrechnungen – über eine Betriebvereinbarung – durchzuführen, das ließe zumindest der TVöD-B so nicht zu. Damit müssen in vielen Betreuungseinrichtungen die Arbeitszeitmodelle wieder auf den Prüfstand. Gut so! Wahrscheinlich bedeutet ein '3-Schicht-Modell' weniger Arbeitszeit im Betrieb, mit Wechselschichtzulage und 6 Tagen Zusatzurlaub....
Langschichten |
Die Bundearbeitsrichter untersuchten die Riegel im Arbeitszeitgesetz, die Arbeitnehmer/innen vor Schichtlängen über 10 Stunden hinaus schützen (hier: Arbeitsbereitschaft als 'Bereitschaftszeit aufgrund der Anlage zu § 9 TVöD).
⇒ BAG Urteil 20.11.2018 – 9 AZR 327/18
Der Fall |
Die Beklagte ist nicht Mitglied in einem Arbeitgeberverband, hat aber über die Arbeitsverträge den TVöD in Bezug genommen (mittelbare Bindung). Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet. Sie führt den bodengebundenen Rettungsdienst im Landkreis 'H' nach Maßgabe eines mit dem Landkreis geschlossenen Vertrags durch.
Diese Arbeitgeberin hatte vergeblich versucht, sich – ohne Betriebsvereinbarung – unmittelbar auf § 7 Abs. 2 Nr. 4 ArbZG und Abs. 3 Satz 3 zu stützen:
(2) Sofern der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet wird, kann in einem Tarifvertrag oder auf Grund eines Tarifvertrags in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung ferner zugelassen werden, […] |
Dabei stolperte sie darüber, dass sie Leistungen einzeln und spitz abrechnete. Dies ging nicht als 'Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts' durch.
»Im Falle eines öffentlichen Auftrags ist der Auftragnehmer verpflichtet, die vertraglich vereinbarten Leistungen auch tatsächlich zu erbringen Im Unterschied dazu stellt eine Zuwendung die Gewährung wirtschaftlicher Vorteile in Form von Geldleistungen zur Erreichung eines im Allgemeininteresse liegenden Zwecks dar, ohne dass der verfolgte Zweck und die gewährten Vorteile ein marktkonformes Geschehen widerspiegeln.«
Die Entscheidung |
»Die Beklagte ist nicht berechtigt, dem Kläger Schichtzeiten im Rettungsdienst zuzuweisen, die eine tägliche Arbeitszeit von zehn Stunden überschreiten. […] Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 3 ArbZG iVm. Abschn. B des Anhangs zu § 9 TVöD (VKA) verpflichtet ist, innerhalb der von der Beklagten für den Rettungsdienst angeordneten Schichten eine täglich zehn Stunden überschreitende Arbeitszeit abzuleisten.«
»§ 3 ArbZG ist ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB (BAG 24. August 2016 – 5 AZR 129/16 -– Rn. 3 mwN, BAGE 156, 157), das den Arbeitnehmer vor Überforderung durch übermäßige zeitliche Inanspruchnahme schützen soll. Die Vorschrift begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot, aufgrund dessen es dem Arbeitgeber untersagt ist, Arbeitsleistungen in einem die gesetzlichen Höchstgrenzen übersteigenden Umfang anzuordnen oder entgegenzunehmen (BAG 24. August 2016 &nda 5 AZR 129/16 – Rn. 33, aaO). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 ArbZG ist Arbeitszeit die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen.«
»Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienst sind arbeitszeitrechtlich Arbeitszeit (vgl. BAG 19. November 2014 – 5 AZR 1101/12 – Rn. 16, BAGE 150, 82). Sie müssen bei der Berechnung des zulässigen Umfangs der Arbeitszeit in vollem Umfang und nicht nur im Umfang des tatsächlichen Arbeitseinsatzes berücksichtigt werden (vgl. BAG 23. Juni 2010 – 10 AZR 543/09 – Rn. 18, BAGE 135, 34).
Hinweise für die Praxis |
Arbeitgeber können den gesetzlichen Schutz – hier: die werktägliche Höchstarbeitszeit – unterlaufen. Ein Weg führt über eine Mitgliedschaft in einem der kommunalen Arbeitergeberverbände. Damit dürfen sie – mit Zustimmung des Betriebsrates bzw. des Personalrates – die zahlreichen Öffnungen des TVöD für sich nutzen.
Unorganisierte Arbeitgeber haben – im zeitlichen und sächlichen Geltungsbereichs z. B. des TVöD-K oder -B – über den ArbZG § 7 Abs. 3 den fast gleichen Zugriff auf diese Öffnungen. Sie müsen sich allerdings mit der gesetzlichen Interessenvertretung einigen.
Betriebsvereinbarungen nach § 7 Abs. 1 und 2 und erst recht nach § 7 Abs. 3 Satz 1 ArbZG sind freiwillig (z. B. § 88 BetrVG). Dies entzieht die Einigung jeder Ersetzung durch einen Einigungsstellenspruch. Und für freiwillige Verschlechterungen gibt es – falls der Betrieb nicht 'brennt' – kaum überzeugende Entschuldigungen.
Zulagen während Pauschal-Freistellung |
Alle Betriebsräte sind für ihre Aufgaben von den übrigen Arbeitspflichten freigestellt. Doch einige lassen sich – pauschal, ohne weitere Untersuchungspflicht für die Notwendigkeit – freistellen. Das ist bedenklich. Zudem werden für sie meist die gewohnten Schichtpläne nicht fortgeschrieben. Wie sind dann die – eigentlich zustehenden – Zuschlägen und Zulagen zu bemessen?
Die Bundearbeitsrichter untersuchten die Zusatzvereinbarung eines Freigestellten mit dem Arbeitgeber. Wir lernen, was bei solchen Vereinbarungen zu beachten ist.
⇒ BAG Urteil 29.08.2018 – 7 AZR 206/17
Die Entscheidung |
(Rn. 37) aa) Das Landesarbeitsgericht hat für die Beurteilung der Nichtigkeit der vertraglichen Vereinbarung der pauschal variablen Zulage nach § 78 Satz 2 BetrVG iVm. § 134 BGB im Ausgangspunkt zutreffend darauf abgestellt, ob die Zulage Bestandteil der nach § 37 Abs. 2 BetrVG an den Kläger während seiner Betriebsratstätigkeit weiterzuzahlenden Vergütung gewesen wäre. Dafür ist entscheidend, ob der Kläger – hätte er im streitigen Zeitraum keine Betriebsratstätigkeit geleistet, sondern gearbeitet – Zeitzuschläge in einer der pauschal variablen Zulage entsprechenden Höhe verdient hätte. Dabei ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass zu dem nach § 37 Abs. 2 BetrVG fortzuzahlenden Arbeitsentgelt des Klägers grundsätzlich auch Zuschläge zählen, die für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt werden.
bb) Im Grundsatz zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter angenommen, dass auch die Zusage eines pauschalierten Monatsbetrags für die Fortzahlung von Zeit- oder Erschwerniszuschlägen an ein freigestelltes Betriebsratsmitglied zulässig sein kann. Werden im vollzogenen Arbeitsverhältnis Zuschläge für die Erschwernis der Arbeit zu ungünstigen Zeiten gewährt, etwa für Sonntagsarbeit, Nachtarbeit, Arbeit an Feiertagen oä., die nach § 37 Abs. 2 BetrVG zum fortzuzahlenden Entgelt zählen, stehen diese einem nach § 38 BetrVG vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied auch dann zu, wenn es aufgrund seiner Amtstätigkeit tatsächlich überhaupt keine Arbeitstätigkeiten und auch keine Tätigkeiten zu den zuschlagsrelevanten ungünstigen Zeiten geleistet hat (vgl. BAG 13. Juli 1994 – 7 AZR 477/93 – zu 1 c der Gründe, BAGE 77, 195). Da die Zuschläge in diesem Fall hypothetisch zu berechnen sind und bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied zur Ermittlung der hypothetischen Zuschlagshöhe ggf. eine Schätzung nach den Grundsätzen des § 287 Abs. 2 ZPO anhand der von vergleichbaren Arbeitnehmern geleisteten Tätigkeiten zu zuschlagsrelevanten Zeiten vorzunehmen ist (vgl. BAG 29. April 2015 – 7 AZR 123/13 – Rn. 14, 23), kann auch die Festlegung eines pauschalen Monatsbetrags im Einklang mit § 37 Abs. 2 und § 78 Satz 2 BetrVG stehen, sofern die Pauschale im Wesentlichen dem Durchschnitt der tatsächlichen hypothetischen Zuschlagsansprüche entspricht, sich in der pauschalen Zahlung also keine versteckte zusätzliche Vergütung verbirgt (vgl. etwa zu einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten BAG 8. November 2017 – 5 AZR 11/17 – Rn. 31; zur Zahlung einer pauschalen Aufwandsentschädigung BAG 5. April 2000 – 7 AZR 213/99 – zu 1 der Gründe; Fitting 29. Aufl. § 37 Rn. 10 mwN). Der pauschalierte Betrag muss sich zur Vermeidung einer unzulässigen Begünstigung an dem Umfang der üblicherweise erbrachten zuschlagspflichtigen Tätigkeiten orientieren und darf lediglich einer rechnerischen Erleichterung dienen (vgl. Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 37 Rn. 35).
Hinweise |
Arbeitgeber und pauschal Freigestellter können sich das Leben durch die Vereinbarung einer Pauschale leichter machen. Der Arbeitgeber kann wohl nicht dazu gezwungen werden. Doch sollte diese Vereinbarung über eine Pauschale sowohl im Gremium als auch gelegentlich im Zuge einer Rechenschaftsberichts auf der Belegschaftsversammlung offengelegt werden. Geheimniskrämerei und undurchsichtige Absprachen wecken sonst zu Recht den Verdacht der Bevorzugung und Gefälligkeit.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftszeit – Bereitschaftsdienst (26.01.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ die Zukunft der Schichtplan-Fibel
⊗ die Tabellensteigerung im TVöD
⊗ den Verzugsschaden
⊗ Fahrtkosten bei Seminarbesuchen
Wie weiter mit der Schichtplan-Fibel? |
Unsere Schichtplan-Fibel ist zunächst ein gemeinsam gesammelter Werkzeugkasten als ein Ergebnis der Organisierung in und mit ver.di. Die Schichtplan-Fibel ist aber auch das Ergebnis von über 16 Jahren sehr individuellem Spaß, Einsatz, Sammelwut und Ideen von mir, Tobias Michel. Alter macht nicht nur weise, sondern auch müde. Ab 2020 wechsele ich in den Rentenbezug. Darum laufen Ende 2019 einige der Angebote der Schichtplan-Fibel aus:
⊗ die Seminarreihe Schichtplan-Fibel – Stunden & Schichten planen
⊗ die Seminarreihe Schichtplan-Fibel – Arbeitszeit & Entlastung
⊗ die Grundseminare zum TVöD-K /-B
Wer in 2019 mit einem Besuch warten will, kommt danach zu spät.
Trostpflaster |
Stattdessen wird dann u.a. dieser Newsletter einige bundweite Extra-Seminare rund um besondere und aktuelle Probleme der Arbeitszeit bewerben.
Zudem wird der Nachlass geordnet und allgemein zugänglich. Dazu dient uns die 'Cloud'. Ihr findet zunächst unter –
⊗ t1p.de/urteile die sortierten ⇒ Urteilssammlungen
⊗ t1p.de/grundstock die ⇒ Grundlagen
TVöD 2019: Auf Euro und Cent! |
Wir haben unser kleines Werkzeug aktualisiert.
⇒ TVöD – Mein Geld
⊗ März 2019 bis Februar 2020.
Dessen Vermailung ›an alle‹ haben wir ausführlich im ⇒ Newsletter am 12.01.2019 vorgestellt.
Verzugspauschale |
§ 288 BGB sichert uns weiterhin die Verzugszinsen für den Schaden des Wartens. Anderes gilt für den Aufwand, die ausstehenden Posten der Entgeltabrechnungen nachzurechnen, geltend zu machen und einzufordern.
Denn die Bundesarbeitsrichter hebelten die Verzugspauschale (40 € aufgrund § 288 Abs. 5 BGB) durch ihre jüngste Entscheidung aus. Sie wurde offenbar sorgsam ausformuliert und erst vor kurzem veröffentlicht.
Zunächst erkennt der achte Senat, dass das Arbeitsgerichtsgesetz als Spezialität dem BGB vorgeht. Dann erkennt er, dass die Spezialität 'Arbeitsgerichtsgesetz' auch auf Ansprüche außerhalb des Gerichtes / vor dem Verfahren anzuwenden ist. Die Richter beseitigen nach eigenen Worten damit den das Europarecht überschießenden Schutz der Arbeitnehmer.
»Es wäre mit dem Anliegen des § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG, in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten das Kostenrisiko überschaubar zu halten, unvereinbar, der Partei, die eine arbeitsrechtliche Streitigkeit ohne Inanspruchnahme der Arbeitsgerichte beendet, grundsätzlich einen Kostenerstattungsanspruch zuzubilligen, ihr aber in dem Fall, dass es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren kommt, die entsprechende Erstattung zu versagen. [....] Den Arbeitnehmern steht mit dem arbeitsgerichtlichen Verfahren ein effizienterer und kostengünstigerer Weg zur Beitreibung ihrer Entgeltansprüche zur Verfügung, so dass sie des in den Erwägungsgründen 12 und 33 der Richtlinie 2011/7/EU geforderten Schutzes vor einem langsamen und nicht wirksamen Beitreibungsverfahren, das dem Arbeitgeber als Schuldner finanzielle Vorteile brächte, nicht in gleichem Maße bedürfen wie die übrigen Verbraucher.«
⇒ BAG Urteil 25.09.2018 – 8 AZR 26/18
Da wurde beim Abfassen der Urteilsbegründung wohl viel geschraubt, gelacht und gescherzt. Zusammengefasst: Es würde Arbeitgeber zu Gerichtsverfahren ermutigen, falls sie dort die 40 € Verzugspauschale sparen könnten. Und diese Gerichtsverfahren sind für Arbeitnehmer effizient und kostengünstig. Darum wird die Verzugspauschale außerhalb der Gerichte beseitigt.
Uns bleibt die Hoffnung auf Begleichung der geltend gemachten Forderung, und der Verzugszins von derzeit 4,2 v.H. Und ein bitterer Nachgeschmack.
ÖPNV – sonst Fahrgemeinschaften! |
Der Fall |
Eine betriebliche Reisekostenregelung endet – »In allen Fällen, wo dies möglich ist, sind Fahrgemeinschaften zu bilden. Vorrangig ist mit Mitarbeitern mit Firmen-Pkw zu fahren.«
Doch zwei Betriebsräte dieses Betriebs fuhren getrennt, jeweils mit dem eigenen PKW, zum selben Seminar. Und wollten jede/r diese Fahrtkosten vom Arbeitgeber erstattet. Erfolglos trieben sie das durch die Instanzen. Uns allen zum Schaden.
Aus der Begründung / Randnummer 19: |
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragsteller durch die Obliegenheit, mit seinem Betriebsratskollegen eine Fahrgemeinschaft zu bilden, nicht nach § 78 Satz 2 BetrVG wegen seines Betriebsratsamts benachteiligt wird. Die Arbeitgeberin wendet diese Bestimmung der Reisekostenordnung auf dienstlich veranlasste Fahrten anderer Arbeitnehmer an, sodass eine nach § 78 Satz 2 BetrVG unzulässige Benachteiligung des Antragstellers faktisch nicht erfolgt. Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Anordnung in II 4 a der Reisekostenordnung einer Vertragskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 BGB standhält. Sollte das nicht der Fall sein, ergäbe sich die Obliegenheit zur Bildung von Fahrgemeinschaften, soweit dies zumutbar ist, aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit, der nach der Reisekostenordnung zu beachten ist. Dieser Grundsatz wird zum einen in der Präambel dahingehend konkretisiert, »dass dem Unternehmen nur die geringstmöglichen Kosten entstehen dürfen« und zum anderen durch die Regelung in II 1 der Reisekostenordnung, wonach das jeweils kostengünstigste Verkehrsmittel unter Berücksichtigung des Zeitaufwands zu benutzen ist und überhöhte Fahrgelder, die durch die Nichtbeachtung dieser Vorschrift entstehen, nicht vergütet werden.
⇒ BAG Beschluss 24.10.2018 – 7 ABR 23/17
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftszeit – Bereitschaftsdienst (26.01.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ Bereitschaftszeit wird zu Bereitschafstdienst
⊗ Vollarbeit wird zu Bereitschaftsdienst
Leistet Erzieher nachts Bereitschaftsdienst? |
Die Presseerklärung des LAG Baden-Württemberg verwundert:
»Ein Wohngruppenbetreuer, der in einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe zur Nachtbereitschaft eingeteilt ist, leistet hierbei Bereitschaftsdienst im Sinne des § 4 Abs. 3 Anlage 33 der AVR des Deutschen Caritasverbandes. Es handelt sich bei der Nachtbereitschaft nicht um Bereitschaftszeiten nach § 8 Abs. 1 Anlage 33 der AVR.
Der Kläger ist bei der Beklagten, einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, als Erzieher beschäftigt. Er betreut in einer Wohngruppe in der Regel acht Kinder und Jugendliche, die in einem Haus der Beklagten untergebracht sind. Der Kläger erbringt tagsüber seine Arbeitsleistung im Schichtdienst. Darüber hinaus ist er regelmäßig zu Nachbereitschaften eingeteilt, die während der Schulzeiten von 22 Uhr bis 6 Uhr und während der Ferienzeiten und an Wochenenden von 22 Uhr bis 8 Uhr dauern.
Die Beklagte vergütet diese Nachtbereitschaften als Bereitschaftsdienste, wobei sie diese entweder mit 25 % der regelmäßigen Vergütung bezahlt oder entsprechend in Freizeit umrechnet. Die Beklagte geht hierbei davon aus, dass die Erzieher während der Nachtbereitschaft schlafen können und nur im Bedarfsfall ihre Arbeit aufnehmen müssen. Der Kläger ist der Auffassung, dass es sich bei der Nachtbereitschaft um Bereitschaftszeiten handelt, die zu 50 % auf die Arbeitszeit anzurechnen sind. Er sei auch während der Nachtbereitschaft umfassend für die Kinder bzw. Jugendlichen und das Haus verantwortlich. Daher bestehe eine Schlafmöglichkeit lediglich theoretisch. Er müsse seine Arbeit selbständig aufnehmen, wenn es hierfür Bedarf gebe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte vor dem Landesarbeitsgericht keinen Erfolg. Bei der von der Beklagten angeordneten Nachtbereitschaft handelt es sich richtigerweise um Bereitschaftsdienst. Dieser wird dadurch gekennzeichnet, dass der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer, anders bei der Bereitschaftszeit, keine ›wache Achtsamkeit im Zustand der Entspannung‹ erwartet. Vielmehr darf sich der Arbeitnehmer während der Nachtbereitschaft ausruhen oder sogar schlafen. Bereitschaftsdienst im Sinne der AVR verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur Arbeit aufgefordert wird. Er kann auch dann vorliegen, wenn sich der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, durch auffällige Vorgänge im Haus veranlasst sieht, nach den Kindern bzw. Jugendlichen zu sehen.
Bislang liegt keine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Nachtbereitschaft von Erziehern in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor. Daher wurde die Revision beim BAG zugelassen.«
⇒ Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Urteil vom 21.01.2019 – 1 Sa 9/18 ; (Vorinstanz: Arbeitsgericht Stuttgart, Urteil vom 05.07.2018 – 13 Ca 347/17)
Nun müssen also die Bundesarbeitsrichter aufklären, wie sich jemand im Schlaf durch auffällige Vorgänge im Haus veranlasst sehen kann, tätig zu werden. Der Tariftext des TVöD (§ 7 Abs. 3 und § 9) wurde von den kircheneigenen Arbeitsrechts-Setzern wörtlich abgeschrieben. Dieser Tariftext lässt den Fantasien viel Raum. Zu viel Raum!
§ 4 Abs. 3 Anlage 33 AVR Caritas |
Was tun? ! |
❍ Die Gerichte setzen – so die Gedankenwelt – kein Recht. Sie erkennen für Recht, was schon immer Recht war. Vielleicht entdecken sie die feine Grenze zwischen bloßem Bereitschaftsdienst und Arbeitsbereitschaft etwas lebensnäher. Dann sind all diejenigen gut bedient, die rechtzeitig ihre Vergütungsansprüche geltend gemacht haben. Denn sie hätten nach dieser Rechtserkenntnis mehr regelmäßige Arbeitsstunden als vereinbart gearbeitet. Ihnen stünde die Differenz zur gezahlten Vergütung zu (Überstundenvergütung über 8 Monate).
Aktive Interessenvertretungen unterstützen da beim gemeinsamen Ausfüllen der individuellen Geltendmachung.
❍ Bereitschaftszeit und Bereitschafstdienst haben eines gemeinsam: Im mitbestimmten Betrieb braucht es dazu zwingend eine Betriebs- /Dienstvereinbarung mit der gesetzlichen Interessenvertretung. Diese sollte nicht auf die mataphysischen Klimmzüge der Gerichte warten. Kündigen und besser neu regeln!
Leistet Altenpfleger nachts Beschreischaftsdienst? |
Zu: § 7.1 TVöD-B –
Bereits im März 2018 berichteten wir hier über die Entscheidung zum »Sandwich-Dienst« mit nächtlicher Bereitschaftsdienst-Phase im Altenheim.
Nun ging dazu auch noch die Revision beim BAG verloren. Bislang liegt nur die Nachricht über den Ausgang selbst vor.
⇒ BAG Urteil 17.01.2019 – 6 AZR 17/18
Die erfolglos angegriffene Entscheidung der Vorsinstanz hatte ausgeführt:
»Der Kläger hält sich während der streitgegenständlichen Zeit im Dienstzimmer der von ihm betreuten Station auf, um die Arbeit bei Bedarf aufzunehmen. Er räumt selbst ein, dass er nicht durchgehend seine Arbeitsleistung erbringt, sondern sich seine Aktivität nach dem Arbeitsanfall richtet, es Nächte mit hohem und Nächte mit geringem Pflegebedarf gibt. Er stellt nicht durch substantiiertes Bestreiten in Abrede, dass die Zeit ohne Arbeitsleistung erfahrungsgemäß überwiegt. […]
Die Auslegung der Tarifnorm führt zu dem Ergebnis, dass auch für die Zeit zwischen Vollarbeitszeiten Bereitschaftsdienst angeordnet werden kann.«
⇒ LAG Hamm Urteil 16.11.2017 – 17 Sa 898/17
Was tun? ! |
❍ Hier wird nachts nicht etwa geschlafen. Hier wird aus dem Dienstzimmer 'nach der Schelle' gegangen, gelegentlich nach dem Rechten geschaut, manchmal umgelagert ... Wer auf seine Arbeitskraft etwas hält, arbeitet nicht in einem Altenheim, das für belastende Nachtarbeit nur halben Lohn anbietet.
❍ Nachtschichten und Bereitschafstdienst haben eines gemeinsam: Im mitbestimmten Betrieb braucht es dazu die Mitbestimmung, und eine Betriebs- /Dienstvereinbarung mit der gesetzlichen Interessenvertretung. Diese sollte nicht auf die mataphysischen Klimmzüge der Gerichte achten. Aktiv werden und solchen Super-Lanschichten widersprechen!
❍ Die ver.di-Bundestarifkommission kann hier durch klarere Formulierungen im Tarifvertrag diese Schlupflöcher stopfen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Wünsche erörtern und mitbestimmen (13.01.2019)
TzBfG § 7 regelt Umgang mit Wünschen |
Seit dem Jahresbeginn haben wir eine verbesserte Rechtsgrundlage, um die Wünsche der Kolleginnen in den Betrieben in den Blick zu rücken -
TzBfG § 7 Ausschreibung; Erörterung; |
»Im Gesetzentwurf wird klargestellt, dass der Arbeitgeber mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die eine Änderunng von Dauer oder Lage oder von Dauer und Lage ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit wünschen, eine solche Änderunng zu erörtern hat. Die Pflicht zur Erörterung gilt unabhängig von der Anzahl der beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie unabhängig vom Umfang der Arbeitszeit. Möglicherweise kann schon bei einer geringen Veränderung der Lage der Arbeitszeit die Notwendigkeit von Teilzeitarbeit vermieden werden. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann ein Mitglied der Arbeitnehmervertretung zur Unterstützung oder Vermittlung hinzuziehen. Außerdem hat der Arbeitgeber die Arbeitnehmervertretung über angezeigte Arbeitszeitwünsche zu informieren.« |
❍ Dieser Rechtsanspruch betrifft alle Wünsche der Kolleginnen und Kollegen, ob in Teil- oder Vollzeit (»unabhängig vom Umfang der
Arbeitszeit«).
❍ Das TzBfG differenziert weder Wünsche noch Anträge danach, ob ihnen ein schutzwürdiges oder unbegründetes Interesse zugrunde liegt.
❍ Das TzBfG weitet die Arbeitgeberpflichten aus auf die »vertraglich vereinbarte Arbeitszeit«. Arbeitgeber halten sich zwar im Arbeitsvertrag oft bewusst zur Lage der Arbeitsszeit zurück; sie nehmen lediglich die grundsätzliche Verpflichtung auf, auch nachts und am Wochenende zu arbeiten. Die Berücksichtigung der Wünsche geht über die getroffenen Festlegungen hinaus. Es wurde Arbeitszeit vereinbart. Diese steht nun zur Disposition.
❍ Das Gesetz verwendet die Einzahl – »Wunsch nach Veränderung«. Die Gesetzesbegründung hebt hervor, dass im Einzelfall bereits mit »einer geringen Veränderung der Lage der Arbeitszeit« der Normzweck erreicht werden kann. Gemeint sind hier fortlaufende Änderungen der Lage einzelner Schichten. Jede Beschränkung der Wünsche in ihrer Anzahl oder in ihrem Inhalt würde dies rechtswidrig verschlechtern. Dies gilt für arbeitgeberseitige Direktiven, für Betriebsvereinbarungen und Tarifverträge.
❍ Die Anzeigen der Wünsche unterliegen keiner Formvorschrift. In Frage kommen also alle mündlich, digital oder schriftlich geäußerten Wünsche.
❍ Der Arbeitgeber ist verantwortlich, alle diese Wünsche der gesetzlichen Interessenvertretung vorzutragen (Betriebrat, Personalrat, MAV). Ist die Anzahl der Beschäftigten höher, wird der Arbeitgeber mit dem bloßen mündlichen Weitererzählen an Grenzen stoßen.
❍ Die Interessenvertretung bestimmt zunächst mit, was die Festlegung der Lage der Arbeitszeit angeht (Dienstpläne).
❍ Personalrat und MAV (MVG) bestimmen zudem mit, falls der Arbeitgeber einen formellen Antrag auf Arbeitszeitverkürzung samt Vereinbarung über deren Lage ablehnen will. Die Ablehnung eines Teilzeitbegehrens wäre keine vorläufige Maßnahme, mit welcher der Arbeitgeber fristwahrend der Mitbestimmung vorgreifen dürfte (Kirchengericht Mitteldeutschland – MVG – DW EKM, Beschluss 04.12.2018 – II-13-2018).
❍ Vor jeder externen Einstellung / Eingliederung prüft die Interessenvertretung sehr gründlich, ob dieser Maßnahme unerfüllte Aufstockungswünsche aus der Belegschaft entgegenstehen.
Was tun? |
Die Interessenvertretung schreibt an die Dienstplanungsverantwortlichen. Hat die Arbeitgeberin bislang keine solchen betrieblichen Email-Verteiler zusammengestellt? Dann erreichen wir unser Ziel, indem wir unsere Mail an 'alle' adressieren.
An: Verantwortliche für die Dienstplanung |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD 6.Tag Teilzeit (12.01.2019)
Diesmal grübeln wir über
⊗ TVöD-B 3/2018, TVöD-K 3/2018
⊗ 5 Tage in einer Woche. Mehr nicht!
⊗ Überstundenzuschläge bei Teilzeitarbeit
TVöD-B und -K 3/2018 digital |
Unsere beiden 'Durchgeschriebenen Fassungen' des TVöD-K (Krankenhäuser ) und TVöD-B (Betreuungseinrichtungen) wurden aufgrund der Tarifeinigung zum März 2018 verbessert. In Internet stehen nun unsere digitalen Fassungen bereit, mit ergänzenden Hinweisen und optimiert für Smartphone, Tablet und Desktop.
Die Ausgabe ⇒TVöD-B 2018/3 digital für den
Dienstleistungsbereich Betreuungseinrichtungen.
Die Ausgabe ⇒TVöD-K 2018/3 digital für den
Dienstleistungsbereich Krankenhäuser.
Mail: an alle |
Eine Kollegin geht an ihrem Arbeitsplatz an ihren PC und adressiert eine Mail an sich selbst. Ins BCC (Blindkopie – die Empfänger werden nicht allen angezeigt) nimmt sie alle Beschäftigten des Betriebs. Sie schreibt:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, |
Manchmal werden Arbeitgeber oder Vorgesetzte dann unruhig. Sie halten unsere ver.di für eine Privatsache, die nicht in ihren Betrieb gehört. Da irren sie.
»Eine tarifzuständige Gewerkschaft ist aufgrund ihrer verfassungsrechtlich geschützten Betätigungsfreiheit grundsätzlich berechtigt, E-Mails zu Werbezwecken auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers und Aufforderung durch die Arbeitnehmer an die betrieblichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten zu versenden.«
⇒ BAG Urteil 20.01.2009 – 1 AZR 515/08
Aus der Begründung:
»Das Vorhaben von ver.di, Informationen und Werbematerialien an Mitarbeiter der Klägerin über deren betriebliche E-Mail-Adressen zu versenden, fällt in den Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG. Die Entscheidung, von dieser bei der Klägerin technisch eröffneten Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den Beschäftigten Gebrauch zu machen, ist grundsätzlich von der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit gedeckt.
Der Umstand, dass ver.di dazu auf die Inanspruchnahme der im Eigentum der Klägerin stehenden technisch-elektronischen Vorrichtungen angewiesen ist, führt auch ohne deren Einverständnis nicht dazu, dass sie von einem E-Mail-Versand ausnahmslos Abstand nehmen müsste.[…]
Den allenfalls geringfügigen wirtschaftlichen Belastungen der Klägerin steht auf Seiten von ver.di ein geschütztes Interesse von erheblichem Gewicht gegenüber. Es ist für die Betätigungsfreiheit von Gewerkschaften von großer und ersichtlich weiter zunehmender Bedeutung, dass sie mit Arbeitnehmern – Mitgliedern und Nichtmitgliedern – auf dem immer üblicher werdenden Weg des E-Mail-Verkehrs in Kontakt treten können.[…]
Grundrechte der Klägerin aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs.1, Art. 2 Abs. 1 GG verlangen demnach keine Einschränkung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Betätigungsfreiheit von ver.di in der Weise, dass diese die unaufgeforderte Versendung von E-Mails an die dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten ohne ihr – der Klägerin – Einverständnis ausnahmslos zu unterlassen hätte.«
5 Tage in einer Woche. Mehr nicht! |
Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden. TVöD § 6 Abs. 1 Satz 3 |
Überstundenzuschläge bei Teilzeitarbeit |
Pressemeldung des BAG:
Eine Regelung in einem Tarifvertrag kann im Einklang mit § 4 Abs. 1 TzBfG dahin auszulegen sein, dass Mehrarbeitszuschläge bei Teilzeitbeschäftigten für die Arbeitszeit geschuldet sind, die über die Teilzeitquote hinausgeht, die Arbeitszeit einer Vollzeittätigkeit jedoch nicht überschreitet.
Der Zehnte Senat gibt seine gegenläufige Ansicht auf (BAG 26. April 2017, 10 AZR 589/15). Er schließt sich der Auffassung des Sechsten Senats an (BAG 23. März 2017, 6 AZR 161/16).
⇒ BAG Urteil 19.12.2018 – 10 AZR 231/18
Die kommunalen Arbeitgeberverbände (KAV) haben in ihren Rundschreiben Mitte 2017 die Personalabteilungen ermutigt: An Teilzeitbeschäftigte seien keine Zeitzuschläge für Überstunden zu zahlen; überraschende Überstunden am Schichtende seien lediglich Mehrarbeit, die gelegentlich durch freie Stunden ausgeglichen werden könnten ... Sie haben sich dabei auf die Entscheidung des BAG vom 26. April 2017 (10 AZR 589/15) berufen. Diese Entscheidung war zwar schon nicht für den TVöD einschlägig. Und jetzt ist sie ausdrücklich komplett überholt.
Auch im TV AWO oder im BAT-KF sind den Kolleginnen in Teilzeit ihre überraschenden Überstunden zu vergüten. Eine Geltendmachung über die zurückliegenden 8 Monate lohnt sich!
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Chronotyp, Einweisungen (21.12.2018)
Betriebsvereinbarung Schlafpräferenz |
Bereits am ⇒ 29.03.2018 berichteten wir über Nachtschicht, Lerche und Prostata.
Erst mit einer Erfassung und Beurteilung konkreter Gefährdungen z.B. durch die Organisation der Arbeitszeit (hier: der Schichtbeginn zu nachtschlafender Zeit) kann die Interessenvertretung in der Einigungsstelle konkrete Schutzmaßnahmen erzwingen:
»§ 3 Abs 1 S 1 ArbSchG setzt keine konkrete Gesundheitsgefahr, wohl aber das Vorliegen konkreter Gefährdungen i.S.v. § 5 Abs 1 ArbSchG voraus. Für die Verpflichtung des Arbeitgebers nach § 3 Abs 1 S 1 ArbSchG, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen,
welche die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten beeinflussen, ist eine Gefährdungsbeurteilung i.S.d. § 5 Abs 1 ArbSchG unerlässlich.«
⇒ BAG Beschluss 28.03.2017 – 1 ABR 25/15 Rn. 22
Fragen kostet nichts |
Unerlässlich? Das klingt nur im ersten Moment vielversprechend. Tatsächlich verschanzen die Bundesarbeitsrichter die Arbeitgeber hinter praxisfremden Hürden. Nur wer die überwindet, bekommt mitbestimmten Gesundheitsschutz.
Um die juristischen Blockaden zu durchbrechen, konzentriert sich die aktivierte Interessenvertretung auf eine Schwachstelle. Sie schlägt dazu den Abschluss einer Betriebsvereinbarung vor. Unser neues ⇒ Muster ist einfach und knapp.
Es regelt die Befragung der Betroffenen.
Wann sollen sie am Arbeitsplatz erscheinen? Das wird auf den Arbeitsplatz bezogen erfasst.
Was passt zu ihrem Biorhythmus – dem individuellen 'Chronotyp'? Belastet die Arbeitszeitorganisation (§ 5 ArbSchG Abs. 1 nr. 4 und 6)?
Konsequent folgt im nächsten Schritt das angestrebte Ergebnis: Die Berücksichtigung der individuellen Schlafpäferenz durch die Dienstplanverantwortlichen.
Betriebsvereinbarung Einweisungen (§ 12 ArbSchG) |
Nachdem die Betriebsparteien (Arbeitgeber und Interessenvertretung) eine notwendige Maßnahme zum Schutz der Gesundheit festgelegt haben, wird es ernst. Papier wird zu Praxis. Auf die praktische Umsetzung kommt es uns ja an.
»Einigen sich die Betriebsparteien nicht über Art und Inhalt der Unterweisung, hat das die Einigungsstelle zu regeln. Hierbei hat sie die Erkenntnisse einer Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) zu berücksichtigen und die konkrete arbeitsplatz- oder aufgabenbezogene Unterweisung daran auszurichten. Sie kann sich nicht darauf beschränken, allgemeine Bestimmungen über die Unterweisung zu Gefahren am Arbeitsplatz aufzustellen «
⇒ BAG Beschluss 08.11.2011 – 1 ABR 42/10
⇒ BAG Beschluss 11.01.2011 – 1 ABR 104/09 (Rn. 16)
Auch für diese Einweisungen haben wir nun ein neues ⇒ Muster für eine Betriebsvereinbarung.
Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber Maßnahmen wie zum Beispiel die Händehygiene oder die Berücksichtigung der Schlafpräferenz ergreifen will / muss. Ein wertvoller Nebeneffekt: Die Vereinbarung bremst zugleich das Rumschubsen zum 'Aushelfen' auf die Nachbarstation aus.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Resturlaub, Teilzeitantrag (29.11.2018)
Resturlaub |
Die Zeitungen berichteten, ohne dass viel Klarheit entstand:
»Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann. Aufgrund dieser schwächeren Position kann der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können. […]
Es ist eine Situation zu vermeiden, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber damit die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seiner eigenen Pflichten zu entziehen. […]
Zwar kann die Beachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht so weit gehen, von diesem zu verlangen, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen […]. Er muss den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen.«
⇒ EuGH 06.11.2018 – C 619/16
Praxistipp |
Arbeitgeber haben im Streitfall zu dokumentieren und nachzuweisen, dass die Arbeitnehmerin / der Arbeitnehmer Kenntnis hat:
❍ über den bestehenden Resturlaub
❍ dass sie / er bezahlten Jahresurlaub nehmen kann.
❍ dass der Arbeitgeber ihr / ihm auch Urlaub gewähren würde.
Allgemeine Rundschreiben erfüllen diese Aufgaben wohl nicht.
Doch falls eine übereifrige Personalchefin gegen Jahresende einseitig Urlaub festlegt, braucht es einen Widerspruch verbunden mit einem alternativen Urlaubsantrag:
Ihr Urlaubsangebot passt nicht zu meiner Lebensplanung. Ich beantrage stattdessen Urlaub für die Spanne vom 10. bis 31.12.; fünf Urlaubstage. |
Anträge auf Teilzeit |
Am 18.10.2019 hat die große Koalition das TzBfG novelliert. Diese Verschlimmbesserung greift ab 2019.
+ TzBfG§ 7 Abs. 2 erhält nun einen eigenständigen Anspruch, ein Mitglied der gesetzlichen Interessenvertretung mit zu Verhandlungen zu nehmen. Die Gesetzgeber begründen: »zur Unterstützung und Vermittlung«.
+ TzBfG§ 7 Abs. 3 ergänzt den regelmäßigen Informationsanspruch der gesetzlichen Interessenvertretung um die durch Arbeitnehmer/innen »angezeigten Änderungswünsche«.
- Da hier Informationsrechte betreffend Betrieb und Unternehmen begründet werden, können Arbeitgeber diese Informationen wegen angeblichem Datenschutz verstümmeln.
- TzBfG§ 8 Abs. 2, erschwert nun das Recht auf Stellung eines Teilzeitantrags, ebenso TzBfG§ 9 das Recht auf Anzeige eines Aufstockungswunsches jeweils mit einem Erfordernis der »Textform« (Papier, Mail, ohne Unterschrift).
- TzBfG§ 9 (die Bevorzugung von Aufstockungswünschen) wird nun mit einer Erläuterung versehen, was dabei als »freier Arbeitsplatz« gilt. Damit greift§ 9 nicht mehr bei der bloßen Vergabe von freiwerdenden Stellenanteilen, etwa in Folge der Arbeitszeit-Reduzierung einer Kollegin (Teilarbeitsplatz).
+ TzBfG§ 9a wird neu eingeschoben. Hier entsteht zunächst ein neuer Anspruch auf befristete Verkürzung der Arbeitszeit bei Einigung über deren Verteilung. Dies kann für mindestens 1 und für maximal 5 Jahre erreicht werden. Dem Arbeitgeber stehen dabei die alten und in Betrieben bis 200 Beschäftigten neue Versagensgründe zu.
- Tarifverträge dürfen davon zuungunsten (verschlechternd) abweichen. TVöD / TV-L § 11 könnte nun genau so missverstanden werden.
Immerhin: Die Gesetzgeber/innen behaupten, durch die Novelle sei hier zweimal die Beweislast auf den Arbeitgeber verlagert: Wenn der Aufstockungswunsch einer Kollegin übergangen wird, muss der Arbeitgeber der gesetzlichen Interessenvertretung und im Streitfall vor Gericht darlegen:
❍ Nicht mindestens gleiche Eignung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers wie ein anderer vom Arbeitgeber bevorzugter externer Bewerber.
❍ Kein entsprechender freier Arbeitsplatz.
Fazit: Die bisher bereits gelebte Praxs der freiwillig befristeten Teilzeit bekommt nun eine Anspruchsgrundlage. Die Kombination mit der gleichzeitigen Vereinbarung der Verteilung wird leichter.
Am 18.12. packt der Autor und Rechtsanwalt Uli Faber für uns den Sack aus: Wie überwinden wir den Hürdenlauf, um Maßnahmen zum Gesundheitsschutz zu erzwingen?
❍ Der Arbeitgeber muss – notfalls gezwungen – die Belastungen / Gefährdungen an den Arbeitsplätzen erfassen. Wir denken sofort an: Nachtarbeit, gefährliche Alleinarbeit, pausenlose Durcharbeit, Arbeitszeitmassierungen ...
❍ Der Arbeitgeber muss diese Belastungen beurteilen, also deren Wahrscheinlichkeit, Ausmaß und Folgen einschätzen. Manchmal kommt der ASA zu einem anderen Ergebnis. Oft kommt die Interessenvertretung zu einem anderen Ergebnis.
❍ Die Betriebsparteien müssen die notwendigen, geeigneten und angemessenen Maßnahmen zum Schutz festlegen (vereinbaren).
❍ Die Betriebsparteien müssen bestimmen, wann und wie der Arbeitgeber an den Arbeitsplätzen in diese Schutzmaßnahmen einweist.
❍ So abgesichert darf der Arbeitgeber auch Schichtpläne durchführen, in denen zur Nachtarbeit, Alleinarbeit oder zur Durcharbeit ohne Pausenablösung eingeteilt wird. Und er darf auch – mit Zustimmung der Interessenvertretung – zur Belastung durch Überstunden oder Einspringen einteilen.
Wir wollen uns zudem mit der kniffligen Frage beschäftigen: Und was, wenn der Arbeitgeber diesen Hürdenlauf nicht absolviert, sondern sorglos eine Kollegin aus dem Frei ruft ...?
Dienstplanänderungen |
Vor einem Jahr hat uns die Vorsitzende des 6. Senats des BAG, Karin Spelge, mit einer Frage herausgefordert: Mit welcher Vorlauffrist ist eine verlängerte Schicht nicht mehr überraschend, sondern eine bloße Dienstplanänderung?
❍ Die Arbeitgeberverbände, VKA und TdL, beraten offensiv ihre Mitgliedsunternehmen: Was länger als einen Tag im voraus angekündigt wird, kann nicht überraschen. Dann würde keine Überstunde abgefordert. Dann entstünde kein Anspruch auf Überstundenvergütung. Dennoch seien die Kolleginnen zur Leistung der abgeänderten Schicht verpflichtet. Eine Begründung für diese Fantasie liefern sie nicht mit. Zu umständlich? Was notwendig und nützlich für sie ist, was sie seit eh und je so halten, das gebietet ihr gesunder Menschenverstand.
❍ Wir haben da noch ein paar individualrechtliche Bedenken: Was ist eine angemessene Vorlauffrist für die Festsetzung von Schichten? Was ist eine angemessene Ankündigungsfrist für das Umstoßen dieser Anordnung? Muss dabei wieder das billige Ermessen (Abwägen der betrieblichen und der persönlichen Interessen) vorangehen? Ist hier TzBfG § 8 Abs 5 als Maßstab heranzuziehen? (».... wenn das betriebliche Interesse daran das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung erheblich überwiegt und der Arbeitgeber die Änderung spätestens einen Monat vorher angekündigt hat.«)
❍ Wir haben da zudem ein paar kollektivrechtliche Bedenken: Mit welchen Informationen muss der Arbeitgeber die Mitbestimmung dieser Abänderung begleiten? Macht es einen Unterschied, wenn die Anordnung des ursprünglichen Schichtplans nicht nur erlaubt (zugestimmt) sondern regelrecht vereinbart wurde?
Urlaub, Zusatzurlaub und Sonderurlaub |
❍ Der EuGH rüttelt alle paar Monate mit einer Entscheidung das deutsche Urlaubsrecht durcheinander. Jetzt wird die Hol- zur Bringpflicht; der Antrag wird verzichtbar für die Übertragung des Resturlaubs ins Folgejahr.
❍ Die Tarifparteien (ver.di, VKA) vereinbarten weitere Komplizierungen bei Zusatzurlaub für Wechselschichtarbeit.
❍ Die Schichtplan-Fibel enträtselt die Umrechnung des Urlaubs mit Rundungsresten. Im Ergebnis stellt sich die betriebliche Praxis als Mischung aus überkommenem Schlendrian und Betrug heraus.
❍ Hübsches Geschenk: Der 'unbezahlte' Sonderurlaub verlockt zur Forderung: Ziehen Sie's mir doch vom Lohn ab!
❍ Kurswechsel in der Wechselschicht: Wenn Pausen im TVöD und seinen Nachfolgern auf die Zeitschuld angerechnet werden, wird das Vergessen dieser Pausen zur Sünde.
❍ Und: Krankmelden; Rufbereitschaftsvergütung; kurze Unterbrechungen der Ruhezeit durch Telefonanrufe / EMails; Streikgeld ...
Anmelden: ⇒ Schichtplan-Fibel aktuell
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Zusätzlicher Urlaub (28.10.2018)
TVöD-K ab 2019: Zusätzlicher Zusatzurlaub |
Im TVöD-K sorgt § 27 (Zusatzurlaub) für weiteren Belastungsausgleich. Dies betrifft zumindest auch seine unmittelbaren Nachfolger, die das wohl in den kommenden Monaten nachschreiben werden.
❍ In den Jahren 2019, 2010 und 2021 sind – jeweils unterschiedlich – zusätzliche Zusatzurlaubstage geregelt. Dies fordert diejenigen, die die Umsetzung im Betrieb überwachen. Sie müssen dabei die Ansprüche kalenderjährlich betrachten.
❍ Voraussetzung ist Wechselschichtarbeit im Krankenhaus. Der Tariftext in Abs. 1.1 verweist mehrfach auf 'Abs. 1 Buchst. a'. Diese Beschränkung der Anspruchsvoraussetzung auf Wechselschichtarbeit wird deshalb leicht überlesen.
❍ Der zusätzliche Zusatzurlaub ist jeweils an das Entstehen des gewöhnlichen Zusatzurlaubs gekoppelt. Wann entsteht der gewöhnliche Zusatzurlaub?
TVöD-K Protokollerklärung zu den Absätzen 1, 2 und 3.1: |
Die kalenderjährliche Betrachtung ist wichtig. So steht im Jahr 2019 ein zusätzlicher Zusatzurlaubstag genau ab dem Tag zu, ab dem der Anspruch auf einen dritten gewöhnlichen Zusatzurlaubstag in diesem Jahr entsteht.
Beispiel: Zwei Kalendermonate hintereinander wird geplant Wechselschichtarbeit geleistet. Nach Ablauf des zweiten Monats, also am ersten Tag des dritten Monats, entsteht Anspruch auf den Zusatzurlaubstag gemäß § 27 Abs. 1 Buchst. a.
Entsteht dieser (gewöhnliche) Anspruch am 1. Januar, dann entsteht – bei ständiger Wechselschichtarbeit – der Anspruch auf einen dritten gewöhnlichen Zusatzurlaubstag am 1. Juli, und zugleich der Anspruch auf einen zusätzlichen Zusatzurlaubs.
❍ Der zusätzliche Urlaub tritt dem bisherigen Anspruch hinzu und vermischt sich mit ihm. Für allen Urlaub gelten dieselben Regeln: Die Beschäftigten bekommen ihn auf Antrag gewährt, nur sie können ihn aufteilen (TVöD § 26 Abs. 1 Satz 5), unbeantragt droht ihm der Untergang am Jahresende.
❍ Die Regel zur Kappung wird weiter für Verwirrung sorgen.
TVöD-K § 27 |
Zunächst werden der Anspruch auf Grundurlaub (30 Tage), Schwerbehindertenurlaub und Zusatzurlaub bezogen auf die Verteilung einer 5-Tage/Woche ermittelt und zusammengezählt.
Diese Summe ist entsprechend Absatz 4.1 'gekappt'. Dies betrifft ausschließlich landesbezirkliche Regeln über weitere Zusatzurlaube.
Erst im letzten Schritt sind die einzelnen Urlaubsbestandteile (Grundurlaub, Schwerbehindertenurlaub und Zusatzurlaub) jeweils für sich auf die tatsächliche durchschnittliche Verteilung ⇒ umgerechnet (§ 27 Abs. 5 und der damit erfassten § 26 Abs. 1 Sätze 3 und 4).
Wer also in der 5,5-Tage/Woche arbeiten muss, bekommt aus einer Kappung keinen zusätzlichen Nachteil!
Freizeit für Nachtarbeit |
Manche Arbeitgeber schützen sich nicht durch einen Tarifvertrag. Pech – für sie. Denn dann kann der Betriebsrat aufspielen. Zunächst liest er –
ArbZG § 6 Abs. 5 Soweit keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen bestehen, hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt zu gewähren. |
Angemessen? Das haben die Betriebsparteien nicht zu entscheiden. Was 'objektiv' angemessen ist, haben Arbeitsrichter mehrfach untersucht. Je nach Arbeitsintensität und Schichfolge ist für Nachtarbeit ein Ausgleich zwischen 10 v.H. (Bereitschaftsdienst), 25 v.H. (Nachtwache in Wechselschicht) und 30 v.H. (Dauernachtarbeit) angemessen.
⇒ BAG Urteil 09.12.2015 – 10 AZR 423/14
Mitbestimmen |
Der Betriebsrat hat bei der Entscheidung mitzubestimmen, ob ein Ausgleichsanspruch nach § 6 Abs. 5 ArbZG (bei Nachtarbeitnehmern für die während der Nachtarbeit geleisteten Arbeitsstunden) durch freie Tage oder durch Entgeltzuschlag zu erfüllen ist. Das ergibt sich zunächst aus § 87 Abs. 1 Nr 7 BetrVG. Die Auswahlentscheidung ergeht nämlich im Rahmen einer gesetzlichen Regelung, die dem Gesundheitsschutz dient. Darüber hinaus beantwortet sie eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.
⇒ BAG 26.08.1997 – 1 ABR 16/97
Tipp: Der Betriebsrat wählt als Ausgleichsform Freizeit. Auf je 3 Nachtschichten folgt zeitnah die Freistellung von einer geplanten Tagschicht. Denn Freizeit ist geeigneter Ausgleich, sie entlastet und ist gesund. Die Lage dieser 'Ausschlaftage' bestimmt der Betriebrat aufgrund BetrVG § 87 Abs. 1 nr. 3 mit. Er kann daher leicht initiativ werden. Im Streitfall führt ihn das über BetrVG § 87 Abs. 2 in die Einigungsstelle.
Mit tarifvertraglicher Wahl entfällt das Mitbestimmen |
Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs.1 Nr 7 BetrVG entsteht jedoch nicht, wenn eine tarifliche Ausgleichsregelung besteht, die zum Wegfall der Wahlmöglich-keit des Arbeitgebers führt.
⇒ BAG 17.01.2012 – 1 ABR 62/10
Keine Verfristung! |
Leitsätze: »Der Arbeitgeber hat das Wahlrecht, ob er den gesetzlich bestimmten Anspruch des Nachtarbeitnehmers auf Ausgleichsleistungen (§ 6 Abs 5 ArbZG) durch eine angemessene Zahl freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das dem Arbeitnehmer für die Nachtarbeit zustehende Bruttoarbeitsentgelt erfüllt.
Das Wahlrecht erlischt nicht infolge Zeitablaufs, wenn zwischen der Leistung der Nachtarbeit und der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers ein erheblicher zeitlicher Abstand (hier: vier Jahre) liegt.«
⇒ BAG 05.09.2002 – 9 AZR 202/01
Tipp: Das Arbeitszeitgesetz ist seit 1994, in Betreuungs- und Gesundheitsbetrieben seit 1996 umzusetzen. Nachtarbeit wurde geleistet? Doch erst die mitbestimmte Wahl lässt die Ansprüche auf den Ausgleich fällig werden. Da kommen vielleicht erhebliche Ansprüche zusammen … Vielleicht sollte sich der Arbeitgeber besser schnell unter den Schutz eines Tarifvetrags retten.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] feiertäglicher Ruf – TVöD (17.10.2018)
235 plus 30 v.H. für Ruf-Inanspruchnahme am Feiertag |
Amtlicher Leitsatz: Die Auslegung der Anlage 30 AVR-Caritas [AVR C. Anl. 30 entspricht § 11 Abs. 3 TV Ärzte VKA und § 8 Abs. 3 TVöD] ergibt, dass ein angestellter Arzt für die Inanspruchnahme während der Rufbereitschaft an einem Feiertag, der auf einen Werktag fällt, auch für Zeiten, die außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitszeit liegen, einen Vergütungsanspruch in Höhe von 235 % seines Stundenlohns hat.
⇒ LAG Köln Urteil 18.04.2018 – 5 Sa 216/17
Ordnet der Arbeitgeber für einen Wochenfeiertag Rufbereitschaft an, hat der Arbeitnehmer für die Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme Anspruch auf Vergütung gemäß § 11 Absatz 1 TV-Ärzte/VKA. Dieser Anspruch besteht zusätzlich zur Feiertagsvergütung. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum BAT findet auf die Regelungen im TV-Ärzte/VKA Anwendung.
⇒ LAG Nürnberg Urteil 23.05.2011 – 7 Sa 757/10
[Bei der Vergütung der Inanspruchnahmen sind die Zeitzuschläge für tatsächlich geleistete Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit 'spitz' anzurechnen.]
§ 8 Abs. 3 Satz 4 TVöD-K verweist nicht bezüglich aller Zuschläge auf Absatz 1 dieser Bestimmung, sondern unterscheidet zwischen dem Entgelt für Überstunden und etwaigen (anderen) Zeitzuschlägen nach Absatz 1. Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten wird jede angefangene Stunde auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden bezahlt. Diese Bezahlung erfolgt unabhängig davon, ob es sich hierbei um Überstunden iSv. § 7 Abs. 7 TVöD-K handelt. Es kommt daher insbesondere nicht darauf an, dass durch die während der Rufbereitschaft geleistete Arbeit die regelmäßige Arbeitszeit Vollzeitbeschäftigter überschritten wird.
Für die weiteren in § 8 Abs. 1 TVöD-K geregelten Zeitzuschläge müssen jedoch die dort aufgeführten tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen.
⇒ BAG Urteil 24.09.2008 – 6 AZR 259/08
Weitergedacht |
Wir lesen recht genau nach in den fast wortgleichen Regelungen des TVöD.
❍ Die Feiertagsregelungen aus § 6 Abs. 3 und aus § 6.1 sind bei der Rufbereitschaft nicht einschlägig. Denn § 6 trägt die Überschrift Regelmäßige Arbeitszeit. Die Rufbereitschaft dagegen findet laut § 7 Abs. 4 ausdrücklich 'außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit' statt. Auch die Freizeit-Pauschale des § 6.1 Abs. 2 [Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche] bezieht sich auf die regelmäßige wochendurchschnittliche Zeitschuld.
Zwischenergebnis: Die Inanspruchnahmen während Rufbereitschaft an Feiertagen werden durch die tarifvertraglichen Regeln zum Freizeitausgleich nicht umfasst.
❍ § 8 Abs. 1 d verspricht für Feiertagsarbeit ohne Freizeitausgleich 135 v. H. Zeitzuschlag. Wir stoßen auch auf die Protokollerklärung zu genau diesem Abs. 1 Satz 2 Buchst. d: »Der Freizeitausgleich muss im Dienstplan besonders ausgewiesen und bezeichnet werden. Falls kein Freizeitausgleich gewährt wird, werden als Entgelt einschließlich des Zeitzuschlags und des auf den Feiertag entfallenden Tabellenentgelts höchstens 235 v. H. gezahlt.«
Doch § 8 Abs. 3 stellt eben nicht auf das Tabellenentgelt ab. Die Arbeitsleistung im Zuge der Inanspruchnahmen wird ausdrücklich mit dem »Entgelt für Überstunden sowie mit etwaigen Zeitzuschlägen nach Absatz 1 bezahlt«. Die oben zitierte Protokollerklärung ist daher nicht einschlägig; die Ansprüche werden nicht bei 235 v.H. gekappt.
❍ Abgesehen vom Überstunden-Zeitzuschlag fallen Zeitzuschläge nur für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden an Feiertagen an, einschließlich der Wegezeiten für die Dienstfahrten hin und zurück (Spitzabrechnung).
Ergebnis: Für die tatsächliche Inanspruchnahme im Zuge einer Rufbereitschaft an Feiertagen fällt die Überstundenvergütung (100 v.H.) plus Überstunden-Zeitzuschlag plus Feiertagszeitzuschlag (135 v.H.) plus eventueller Nachtzuschlag an.
Handlungsbedarfe |
Wir identifizieren zunächst all diejenigen, die hier durch dokumentierte Inanspruchnahmen am 03.10. (Tag der Deutschen Einheit) Ansprüche haben. Wer diesen erheblichen Vergütungsanteil nebenvertraglich pauschaliert hat, bekommt nur einen kurzen Hinweis: »Unzufriedene können nebenvertragliche Abreden kündigen und neu aushandeln.«
Die Übrigen laden wir ein. Ihre Vergütung für Inanspruchen wird zwei Monate später mit dem Dezember-Abrechnung fällig. Gemeinsam überwachen wir diese Entgeltabrechnungen.
TVöD 2018: Auf Euro und Cent! |
Die Anwender/innen des TVöD warten ungeduldig auf ihre redaktionellen Endfassungen. Wurden diese Ansprüche durch Unterschriften der Tarifparteien fällig? Wann folgt die Veröffentlichung? Auch der Schichtplan-Fibel bleibt nur rätseln, warten und hoffen …
Wir sind schon froh, unser kleines Werkzeug endlich komplettiert zu haben:
⇒ TVöD – Mein Geld ⊗ März 2018 bis März 2019 (17.10.2018).
Es weist für den TVöD-B und -K nun auch die korrekten Bereitschaftsdienst-Entgelte aus.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überstunden und Streik 23.07.2018
Überstunden im Streik |
Die Entscheidung: |
Amtlicher Leitsatz:
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist nicht aus arbeitskampfrechtlichen Gründen suspendiert, wenn der Arbeitgeber Mehrarbeit gegenüber allen dienstplanmäßig eingeteilten Arbeitnehmern zur Aufarbeitung streikbedingter Arbeitsrückstände nach Beendigung der Arbeitsniederlegung anordnet. Gleiches gilt, wenn mit der Mehrarbeitsanordnung in einer von Warnstreiks begleiteten Verhandlungsphase der Tarifvertragsparteien dem Streikdruck vorgebeugt werden soll und der Arbeitgeber nicht deutlich macht, dass er die Maßnahme auf arbeitswillige, einem gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht Folge leistende Arbeitnehmer beschränkt.
Zur weiteren Orientierung:
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats – so auch das nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bei einer vorübergehenden Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit – können im Arbeitskampf suspendiert sein. Das ist aber nicht zwingende Folge eines jeden gewerkschaftlichen Kampfaufrufs. Es kommt vielmehr auf den Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und dessen Auswirkungen auf das Kampfgeschehen an.
Bezweckt der Arbeitgeber mit einer an sich mitbestimmungspflichtigen Maßnahme, den Auswirkungen eines Streiks zu begegnen oder ihnen vorzubeugen, bedarf es zur Annahme der Suspendierung der Beteiligung des Betriebsrats eines konkreten Bezugs zu einer laufenden oder unmittelbar bevorstehenden Arbeitsniederlegung. Die Maßnahme muss als von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Maßnahme des Arbeitgebers qualifiziert werden können. Erst in einem solchen Fall ist sie geeignet, eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats zu rechtfertigen. Bei Warnstreikmaßnahmen gilt nichts anders.
Ohne diese Beschränkung handelte es sich um eine Arbeitskampfmaßnahme des Arbeitgebers, an dessen Einsatz die vom Kampfaufruf erfassten und ihn befolgenden Arbeitnehmer mitwirken und den von der Gewerkschaft getragenen Arbeitskampf – und damit gleichsam sich selbst – schwächen müssten. Eine solche Maßnahme unterfiele nicht dem Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG. Dann bleiben die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats uneingeschränkt.
⇒ BAG Beschluss 20.03.2018 – 1 ABR 70/16
Weitergedacht |
Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechtzeitig vor Durchführung der personellen Maßnahme mitteilen, welche Beschäftigten (unter Nennung der Namen, Beginn, Ende) er vorübergehend zur Streikabwehr einsetzen will. Denn die Interessenvertretung muss auch in diesen Fällen in der Lage sein, eigenverantwortlich zu prüfen, ob die Maßnahme seiner Mitbestimmungspflicht unterliegt oder nicht.
»Die arbeitswilligen Arbeitnehmer selbst haben keinen Anspruch darauf, daß ihre Arbeitsbereitschaft dem Betriebsrat unbekannt bleibt, unabhängig davon, ob dies ohne Unterrichtung überhaupt gewährleistet wäre.
Es kommt hinzu, daß die Informationsansprüche des Betriebsrats gerade auch dem Interesse der arbeitswilligen Arbeitnehmer dienen. Der Betriebsrat wird durch sie in die Lage versetzt, seine Überwachungspflichten nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wahrzunehmen und beispielsweise zu überprüfen, ob der Arbeitgeber die gesetzlichen Arbeitszeitgrenzen und weitergeltende Tarifvorschriften einhält, ob Einstellungen oder Versetzungen beabsichtigt sind, gegen die Gründe des § 99 Abs. 2 Nr. 6, Nr. 4 BetrVG sprechen, uä. Zwar vermag der Betriebsrat die beabsichtigten Maßnahmen trotz Unterrichtung wegen des arbeitskampfbedingten Wegfalls seines Mitentscheidungsrechts nicht zu verhindern. Er kann aber den Arbeitgeber auf Normverstöße oder entsprechende Bedenken jedenfalls hinweisen. Überdies vermag der Betriebsrat nur auf der Grundlage entsprechender Informationen zu erkennen, ob der Arbeitgeber im Rahmen des Arbeitskampfs Maßnahmen beabsichtigt, die durch diesen selbst nicht bedingt sind, so daß ggf. Mitbestimmungsrechte nicht entfallen. Auch dieser Prüfung dient der Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG […].«
⇒ BAG Beschluss 10.12.2002 – 1 ABR 7/02, Rn. 37 und 38
Kommt der Arbeitgeber dieser Unterrichtungspflicht nicht nach, kann die Interessenvertretung Unterlassungsansprüche gerichtlich durchsetzen.
Keine Überstunden nach Streik |
Beteiligt sich ein bei einer Gemeinde angestellter Arbeitnehmer an einem eintägigen Warnstreik und arbeitet er an den anderen Arbeitstagen der Woche länger als im Dienstplan vorgesehen, steht ihm ein Überstundenzuschlag nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a i. V. m. § 7 Abs. 7 TVöD nur zu, wenn die Arbeitsstunden auf Anordnung des Arbeitgebers geleistet wurden und über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten für die Woche dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich festgesetzten Arbeitsstunden hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Dabei ist die am Streiktag ausgefallene Arbeitszeit den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden weder fiktiv hinzuzurechnen noch ist die Wochenarbeitszeit um die durch den Streik ausgefallene Arbeitszeit zu reduzieren.
⇒ BAG 14.05.2013 – 1 AZR 178/1
Streikwirkung und Überstunden |
Überstunden im Streik |
Der Arbeitgeber spart sich während des Streiks die Vergütung der Streikenden. Leisten Arbeitnehmer/innen, die sich nicht am Streik beteiligen, auf Anordnung Überstunden, so bezahlt der Arbeitgeber ihnen neben der Arbeitsleistung als solchen (Stundenentgelt) noch Zeitzuschläge, gewissermaßen als Prämie für Streikbruch.
Überstunden nach dem Streik |
Auch unmittelbar nach Streiktagen setzt der Arbeitgeber gezielt Überstunden ein, um die Streikwirkung auszugleichen. Schichten werden verlängert oder zusätzliche – etwa am planfreien Samstag – nachgeschoben.
Die BAG-Entscheidung vom 14.05.2013 betrifft Kolleg/inn/en in der Normalarbeit (weder Wechselschicht- noch Schichtarbeit). Zwar ist für die Streiktage deren Arbeitspflicht ausgesetzt. Die Zeitschuld vermindert sich also. Dennoch lässt das BAG den Anspruch auf Überstundenvergütung erst entstehen, falls nach Ablauf der Folgewoche unverändert mehr als die ursprünglich festgesetzte wochendurchschnittliche Zeitschuld von Vollzeitkräften geleistet wird.
Der Arbeitgeber mildert sich so beim Überstundeneinsatz von Streikbrechern mit geringen Zusatzkosten die Streikwirkung ab.
Der Arbeitgeber vereitelt mit dem zusätzlichen Einsatz von denen, die gestreikt haben, sogar ohne weitere Kosten die Streikwirkung.
Überplanung im Streik |
Die Zuspitzung von Arbeitskämpfen ist oft absehbar. Der Arbeitgeber nutzt dann zudem die Überplanung. Er setzt im Schichtplanturnus (Dienstplan) über die wochendurchschnittliche Zeitschuld hinaus weitere Stunden fest. Diese Überplanung entsteht im TVöD (ebenso im TV-L und anderen Nachfolgern) als vergütungspflichtige Überstunden.
Es gibt Betriebe, in denen werden Über- und Unterplanung nach Planende unbekümmert in den Folgeplan übertragen. Dies ist zwar tarifwidrig. Aber es kommt Arbeitgebern doppelt willkommen, um die Streikwirkung gewissermaßen zu »verdünnen«. Die verweigerte Arbeitsleistung wird nachgeholt, sogar ohne Zeitzuschlag.
Auch Belegschaften mit tarifkonformen Plänen stolpern dennoch über die Logik der BAG-Entscheidung. Anspruch auf zusätzliche Vergütung entsteht erst, falls sie geplant im Schichtplanturnus über die die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit (i.S.v. § 6 Absatz 1 TVöD) hinaus leisten. Hat der Streik ihre Zeitschuld nachhaltig reduziert? Bleibt Überplanung die Leistung von Überstunden?
Mitbestimmung im Streik |
Gewerkschaftlich bewusste Betriebs- und Personalräte sollten sich vom Streik nicht überraschen lassen. Sie organisieren die Wirkung, sie sind mitverantwortlich für den Erfolg.
Offenbar muss ein Betriebsrat / Personalrat schon deutlich vor jedem Streik die Arbeitsbereiche streikfest machen. Bei überraschenden und überplanten Überstunden handelt es sich stets um erhebliche Gesundheitsbelastungen mit kollektivem Bezug.
❍ Vorsichtige Interessenvertretungen bewehren rücksichtlose Anordnungen ohne vorausgehende Mitbestimmung mit Ordnungsgeldern.
❍ Aktive Interessenvertretungen stimmen vor Streikzeiten Schichtplänen mit Überplanung nicht zu.
❍ Umsichtige Interessenvertretungen schaffen für die Kolleg/inn/en Klarheit, welche rechtswidrigen Überstunden sie verweigern dürfen. Denn die stehen sich mit bescheidenen Abzügen im Streik deutlich günstiger als mit einer bloßen individuellen Stundenvergütung für Nacharbeit der Streikstunden.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mitbestimmen – Urlaub – Dispo-Schichten 23.07.2018
⊗ Neueingestellte im Dienstplan
⊗ Dispo-Dienste
⊗ Urlaub abrunden?
⊗ Sicherheitsschuhe Umkleidezeit
Neue, Befristete, Leiharbeiter – mitbestimmt einplanen |
Der Fall: |
In der Vorweihnachtszeit (sog. Starkverkehrszeit) sowie während der Sommerferien deckt die Arbeitgeberin zusätzlichen Personalbedarf in der stationären Bearbeitung durch Einstellung befristet Beschäftigter. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, führt sie das Zustimmungsersetzungsverfahren durch und beschäftigt die betroffenen Arbeitnehmer vorläufig iSv. § 100 Abs. 2 BetrVG. An der Zuordnung dieser Arbeitnehmer zu einem der bestehenden Rahmendienstpläne beteiligt sie den Betriebsrat ebenfalls nicht.
Die Entscheidung |
Leitsatz: Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG über Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage erfasst nicht nur die Vereinbarung von Dienstplänen für bestimmte innerbetriebliche Fallgestaltungen, sondern darüber hinaus auch die Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu einem solchen mitbestimmten Dienstplan.
⇒ BAG 22.08.2017 – 1 ABR 4/16
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hat der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage mitzubestimmen. Der Zweck des Mitbestimmungsrechts besteht darin, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung ihres Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 30. Juni 2015 – 1 ABR 71/13 – Rn. 22 mwN). Das Beteiligungsrecht umfasst bei Rahmendienstplänen wie den vorliegenden nicht nur deren Erstellung und Ausgestaltung bezogen auf Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie die Lage der Pausen, sondern auch die Bestimmung desjenigen Personenkreises, der seine Arbeitsleistung danach zu erbringen hat. Darüber hinaus erfasst das Mitbestimmungsrecht auch die Zuordnung der einzelnen Arbeitnehmer zu einem mitbestimmten Dienstplan (für Schichtpläne BAG 19. Juni 2012 – 1 ABR 19/11 – Rn. 18 mwN, BAGE 142, 87). […]
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts verletzt die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Sie weist neu eingestellte Arbeitnehmer den mitbestimmten Rahmendienstplänen zu, ohne den Betriebsrat an dieser Maßnahme zu beteiligen. Diese ist nicht deshalb entbehrlich, weil der Betriebsrat an der Erstellung der Rahmendienstpläne mitgewirkt hat.
Die Betriebsparteien haben in den Rahmendienstplänen kein Zuweisungsverfahren geregelt, das die Arbeitgeberin lediglich vollziehen müsste. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass ihr in diesen Rahmendienstplänen das Recht eingeräumt worden wäre, ohne seine Mitwirkung die erforderliche Zuordnung neu eingestellter Arbeitnehmer vorzunehmen.[…]
Das Mitbestimmungsrecht gilt auch für neu eingestellte Arbeitnehmer. Es setzt entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht die Aufnahme der Arbeit an einem vom Arbeitgeber zugewiesenen Arbeitsplatz voraus. Zudem werden die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG nicht durch die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in den personellen Angelegenheiten verdrängt. […]
Weitergedacht |
Dies umfasst auch die Beteiligung des Betriebsrats beim Einsatz (Eingliederung) von Leiharbeitnehmern im Rahmen des § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG.
Bemerkenswert ist diese Entscheidung auch, weil das LAG Nürnberg (Beschluss 21.12.2011 – 4 TaBV 19/11) das noch ganz anders sah: »Bei der Einstellung von Mitarbeitern im Rahmen bestehender Dienstpläne/Schichtpläne unterliegt der Arbeitgeber der Mitbestimmung des Betriebsrats gem. §§ 99, 100 BetrVG. Die erstmalige Eingliederung des neu eingestellten Mitarbeiters in eine bestehende kollektivrechtliche Arbeitszeitregelung stellt keinen kollektiven Tatbestand dar, der ein zusätzliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG auslösen würde.«
Disponible Dienste? Ankündigungsfrist vier Tage? |
Der Fall: |
Der Arbeitsvertrag nimmt Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR Ost) in Bezug, nicht jedoch alle bestehenden und zukünftigen Dienstvereinbarungen. Die Mitarbeitervertretung schließt freiwillig eine »Dienstvereinbarung über die Ausgestaltung der Dienstplanung im Rettungsdienst« zur Kompensation von Personalausfällen. Für Kolleginnen / Kollegen wird danach für Tage ein D-Dienst im Dienstplan eingetragen.
»Solche Mitarbeiter/innen sind verpflichtet, sich zwischen 15:00 Uhr und 18:00 Uhr des jeweiligen Vortages mit dem Kundenservicecenter in Verbindung zu setzen und zu klären, ob ein Einsatz erforderlich ist« (Konkretisierung am Vorabend mit Erkundigungspflicht). Bei Umwandlung in einen regulären Dienst erfolgt eine Gutschrift im Umfang der tatsächlich geleisteten Stunden. Ansonsten ist kein Ausgleich der Belastung geregelt.
Die Entscheidung |
Anders als Betriebsvereinbarungen gelten Dienstvereinbarungen nicht unmittelbar für die von ihr umfassten Arbeitsverhältnisse. Es fehlt wie bei den auf dem sog. Dritten Weg zustande gekommenen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen an einer im säkulären Recht enthaltenen Anordnung ihrer normativen Wirkung (BAG 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12 – juris Rn. 12). Dienstvereinbarungen kommen also nur zur Anwendung, wenn eine entsprechende Bezugnahmeklausel vorliegt. […]
Die Festlegung der D-Dienste ist einseitig nur für die Beschäftigten verbindlich. Die Arbeitgeberin kann sich hiervon jederzeit lossagen. Eine Rufbereitschaft – und die entsprechende Vergütungspflicht – ist von dem Beklagten gerade nicht gewollt. Nach hiesiger Auffassung stellen die D-Dienste eine Form der Arbeit dar, die nach den AVR nicht vorgesehen ist. […]
Mit der Einführung der D-Dienste erreicht der Beklagte, dass ihm bei einem unvorhergesehenen Ausfall von Mitarbeitern verbindlich genügend Beschäftigte als Personalreserve zur Verfügung stehen. Soweit es nicht zu Personalausfällen bis um 18:00 Uhr des Vortages kommt, so dass D-Dienste nicht in Anspruch genommen werden müssen, erspart der Beklagte gleichzeitig eine Vergütung bzw. das Einstellen dieser Stunden in das Arbeitszeitkonto. Aus den eingereichten Dienstplänen ergibt sich, dass bei dem Beklagten keinerlei Rettungssanitäter als Personalreserve im Bereitschaftsdienst vorgehalten werden. Die in deutlich geringerem Umfang angeordnete Rufbereitschaft dient nur noch dem Ausfall derjenigen Mitarbeiter, die nach 18:00 Uhr des Vortages erkranken. Mit den D-Diensten wird eine Dienstplangestaltung eingerichtet, die von den AVR nicht vorgesehen ist. Für die Beschäftigten, die jeweils für D-Dienste eingeteilt sind, geht diese Dienstplangestaltung mit einem massiven Eingriff in ihre Freizeitgestaltung einher.
Ab Veröffentlichung des Dienstplans müssen Sie davon ausgehen, dass sie an dem entsprechenden Tag zur Arbeit eingeteilt werden können. Diese Tage stehen den eingeteilten Beschäftigten zur persönlichen Verwendung somit nicht zur Verfügung. Dies ändert sich erst ab 18:00 Uhr des Vortages. Mit einem Vorlauf von gegebenenfalls nur 6 Stunden wird dem so eingeteilten Beschäftigten verbindlich mitgeteilt, dass er seine Arbeitskraft nicht weiter zur Verfügung halten muss. Trotz dieses starken Eingriffs in ihrer Freizeitplanung erhalten die Beschäftigten keinerlei finanziellen Ausgleich. Damit stellt sich die Interessenabwägung beider Parteien zulasten der Beschäftigten nicht als angemessen heraus.
Für diese Beurteilung spricht auch der Gedanke des § 12 Abs. 4 TzBfG, worauf das Arbeitsge-richt Cottbus zu Recht hingewiesen hat. Nach dieser Norm gilt für Teilzeitbeschäftigte, die Arbeit auf Abruf verrichten, dass sie nur dann zur Arbeitsleistung verpflichtet sind, wenn der Arbeitgeber Ihnen die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens 4 Tage im Voraus mitteilt. Hierdurch wird das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt, während für den Arbeitnehmer mit einem Vorlauf von 4 Tagen eine gewisse Planbarkeit gesichert wird. Die Gestaltung der D-Dienste verkürzt eine solche Ankündigungsfrist auf 1/12 ohne jeglichen kompensatorischen Ausgleich.
⇒ LAG Berlin Brandenburg Urteil 25.01.2017 – 15 Sa 1891/16
Übersetzungsversuche |
1.) Das LAG sieht einen Verstoß gegen GewO § 106 (unangemessen). Denn die Dienstvereinbarungen regelt keine Zeitbuchung für Fälle ohne Inanspruchnahme des D-Dienstes. Eine Extra-Vergütung scheidet wohl wegen der Tarifsperre aus (BetrVG § 77; MVG § 36 Abs. 1, MAVO § 38 Abs. 3).
2.) Das LAG erkennt, dass die AVR keine »D-Dienste« regeln. Es untersucht nicht, ob – trotz der Tarifsperre – eine Interessenvertretung weitere Sonderformen der Arbeit begründen kann.
3.) Das LAG erwägt zudem, dass wohl die Mitbestimmung nicht ordnunggemäß ausgeführt wurde. Denn es stünde der Arbeitgeberin frei zu entscheiden, wen sie von denen, die zu D-Diensten eingeplant seien, konkret heranzieht.
4.) Ordnungsgemäße Betriebsvereinbarungen des Betriebsrates oder Dienstvereinbarungen der Personalräte wirken für die einzelnen Kolleg/inn/en unmittelbar und zwingend. Anders im kircheneigenen Sonderweg. Ob § 36 MVG oder § 38 MAVO – Dienstvereinbarungen der Betriebsparteien müssen erst über einer Klausel im Arbeitsvertrag erschlossen werden. Etwa: »Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den […] nach den besonderen im Krankenhaus z. Z. oder in Zukunft geltenden Gesetzen und Verordnungen.« So: ⇒ BAG 24.06.2014 – 1 AZR 1044/12. An einer solcher Klausel fehlte es im vorliegenden Fall.
Den Urlaub runden – nur nach Vorschrift |
Die Entscheidung |
Nach der Rechtsprechung des Senats kommt ohne eine gesonderte Rundungsvorschrift eine Rundung von Bruchteilen von Urlaubstagen nicht in Betracht (vgl. zuletzt BAG 23. Januar 2018 – 9 AZR 200/17 – Rn. 30 ff.).
a) Weder das BUrlG noch der MTV enthalten eine solche Rundungsregelung. Soweit die Beklagte für die Auslegung des MTV in erster Linie auf Praktikabilitätserwägungen abstellt, sind diese nicht maßgebend, da sie im Wortlaut der Tarifvorschrift keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. zu den für die Auslegung eines Tarifvertrags geltenden Grundsätzen BAG 12. August 2015 – 7 AZR 592/13 – Rn. 16).
b) Eine ergänzende Tarifauslegung, wie sie die Beklagte hilfsweise für angezeigt erachtet, scheidet mangels Tariflücke aus (vgl. zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Tarifauslegung BAG 15. Dezember 2009 – 9 AZR 795/08 – Rn. 44). § 17 Abs. 1 MTV verweist für sämtliche Regelungsbereiche, für die die Tarifvertragsparteien in § 17 Abs. 2 bis Abs. 4 MTV keine eigenständige Tarifregelung geschaffen haben, auf die Vorschriften des BUrlG. Dieses enthält abgesehen von der vorliegend nicht einschlägigen Vorschrift des § 5 Abs. 2 BUrlG keine Rundungsvorschriften. Soweit die Beklagte auf eine Kommentierung des MTV durch die Tarifvertragsparteien verweist, verkennt sie, dass die Kommentierung eines Tarifvertrags nicht Bestandteil der kommentierten Tarifregelung ist.
⇒ BAG Urteil 08.05.2018 – 9 AZR 578/17
Übersetzungsversuche |
Der gesetzliche Zusatzurlaub für Schwerbehinderte ist auf die tatsächliche Verteilung der Arbeitstage auf die Wochen umzurechnen (Tage/Woche). Es gibt keine Vorschrift, nach der dabei Anteile, die kleiner als 0,5-Tage sind, abgerundet werden und verschwinden.
Die Interessenvertretung untersucht die Pläne von Schwerbehinderten, die nicht in einer 5-Tage/Woche arbeiten. Tauchen da und überhaupt Teilurlaubstage auf? Da hilft unser Werkzeug ⇒ Urlaubsansprüche umrechnen.
Sicherheitsschuhe anziehen – Arbeitszeit |
Es wird festgestellt, dass die unter Ausschöpfung der persönlichen Leistungsfähigkeit der Klägerin erforderliche Zeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung bestehend aus Poloshirt und Sicherheitsschuhen im Betrieb der Beklagten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit zählt und von der Beklagten zu vergüten ist.[…]
Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch beim Tragen der Sicherheitsschuhe vor. Das Landesarbeitsgericht hat zwar dahinstehen lassen, ob diese eine besonders auffällige Dienstkleidung darstellen. Doch kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Denn die Klägerin erfüllt mit dem Tragen von Sicherheitsschuhen kein eigenes Bedürfnis, sondern kommt damit dem Erfordernis zur Nutzung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während ihrer Tätigkeit nach.
b) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich – soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht – nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 26. Oktober 2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28, BAGE 157, 116).
Diese angelaufenen Arbeitszeiten sind im Streitfall substantiiert vorzutragen.
⇒ BAG Urteil 25.04.2018 – 5 AZR 245/17
Arbeitshilfen |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Urlaub – Handynummer 23.05.2018
Diesmal grübeln wir über
⊗ Urlaub errechnen
⊗ Urlaub beschränken
⊗ Urlaub nicht als Ausgleich missbrauchen
⊗ das Speichern von Handynummern
Urlaub errechnen |
Der Urlaubsanspruch ist in den Gesetzen und Verträgen auf die 5-Tage/Woche bemessen. Viele, insbesondere im Schicht-und Wechselschichtdienst und in der Teilzeit. arbeiten nicht in einer 5-Tage/Woche. Die Tage/Woche ist keine Fiktion. Die Tarifverträge und AVR stellen auf Tatsachen ab.
Ab mehr als 6 Monaten in einem Kalenderjahr entsteht der volle gesetzliche Urlaubsanspruch. Manche nehmen ihre Arbeit erst ab dem siebten Monat auf oder sie scheiden vor Ende Juli aus. Dann muss ein Teilurlaub berechnet werden. Bei Eintritt im Mai / Juni oder Ausscheiden im Juli / August ist der gesetzliche Teilurlaub höher als der vertragliche!
Bleiben halbe Urlaubstage? Dann wird aufgerundet. Doch gesetzliche Urlaubsansprüche werden umgekehrt nie abgerundet. Das gilt auch für den Zusatzurlaub der Schwerbehinderten. Bruchteile, die weniger als einen halben Tag ausmachen, sind als Teilschicht zu gewähren, sie stellen stundenweise frei. Das übersehen Personalabteilungen oft.
Manche Dienstplan-Programme sind gar nicht in der Lage, Teilurlaubstage auszuweisen.
Bei der Umrechung, bei der Teilung und bei der Rundung verschwinden Stunden oder gar Tage. Wir rechnen darum genau nach!
Unser neues Werkzeug hilft,
Urlaubsansprüche
für TVöD, TV-L, BAT-KF und andere umzurechnen.
Ein zweites Arbeitsblatt Erklärungen beschreibt ausführlich die Rechtsgrundlagen und Regeln.
Die Regeln sind leicht verständlich -
❍ Tariflich und gesetzlich: Bruchteile ab einem halben Tag werden aufgerundet (Vorteil).
❍ Tariflich: Bruchteile des vertraglichen Mehrurlaubs unter einem halben Tag werden abgerundet (Nachteil).
❍ Gesetzlich: Bruchteile der gesetzlichen Urlaube unter einem halben Tag bleiben ungerundet (kein Nachteil).
Relevanz für die Praxis |
❍ Die betriebliche Praxis versäumt häufig die Differenzierung von gesetzlichen Urlauben und vertraglichen Mehrurlauben.
❍ Eine betriebliche Praxis, sich für die Berechnung des Urlaubsanspruchs durchweg auf die 5-Tage/Woche zu fixieren, unterläuft die Entdeckung von Vorteilen.
❍ Die betriebliche Praxis setzt vielerorts die Planung der Arbeitszeit während Urlaubsspannen aus. Damit unterläuft sie die Mitbestimmung. Denn die Interessenvertretung bestimmt Beginn und Ende sowie die Verteilung der Schichten auf die Wochentage mit. Doch sie bestimmt regelmäßig nicht die Lage der einzelnen Urlaubstage mit.
❍ Die betriebliche Praxis weist Urlaub falsch aus. Während Urlaubsspannen jeweils von Montag bis Freitag werden »Urlaubstage« – in der Planzeile – mit einem Fünftel der wochendurchschnittlichen Zeitschuld 'gewertet'. Dies verstößt gegen den Wortlaut der Tarifverträge. Nach denen werden Urlaubstage als »Arbeitstage« gewährt. Dies schließt Samstage oder Sonntage ein. (TV-L § 26 Abs. 1 Satz 3 nimmt davon nur »auf Arbeitstage fallende gesetzliche Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird« aus.).
❍ Die Regelungen sind verständlich: »Bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche erhöht oder vermindert sich der Urlaubsanspruch entsprechend.« (TVöD § 26 Abs. 1 Satz 3, TV-L § 26 Abs. 1 Satz 4). Die betriebliche Praxis verteilt vielleicht die Arbeitszeit nicht auf eine durchschnittliche 5-Tage/Woche. Während des Urlaubs unterlässt sie die Verteilung der Arbeitszeit ganz; sie blockt in der Planzeile, vielleicht mit jeweils einem 'U'. Sie folgt zunächst der Vorschrift zur Umrechnung des Anspruchs nicht. Wie zum Ausgleich fingiert sie auch bei der Urlaubsgewährung eine 5-Tage/Woche.
❍ Zweimal falsch ergibt nicht einmal richtig. Die so abweichende Praxis stößt in der Folge auf heftige Probleme bei auftretenden Störungen: kurzfristig beantragter und gewährter Urlaub im laufenden Plan, Arbeitsunfähigkeit vor Urlaubsantritt, Arbeitsunfähigkeit während des Urlaubs, Bemessung des Urlaubsentgelts bei Urlaubsantritt nach Elternzeit […]
»Urlaub kann nur für solche Tage erteilt werden, an denen der Arbeitnehmer aufgrund der Verteilung seiner Arbeitszeit eigentlich hätte arbeiten müssen […]. Denn Urlaubsgewährung ist die Befreiung von der Arbeitspflicht für einen bestimmten künftigen Zeitraum.«
⇒ BAG 15.03.2011 – 9 AZR 799/09 Randnummer 20
Urlaubsbeschränkungen |
Der Fall: |
In einem Betriebsbereich hatte die hier zuständige Pflegedienstleitung eine Mitteilung ausgehängt:
Urlaubsplanung 2017 Es ist wieder soweit, die Planung für 2017 beginnt. Bitte bis zum 10.10.2016 die Planung abschließen. Mindestens 80% verplanen, gerne mehr. Am 11.10.2016 werden wir dann im Rahmen einer Mitarbeiterbesprechung versuchen Planungskonflikte zu lösen. Bei Überschneidungen auch gerne im Vorfeld mit den Kollegen in Kontakt gehen. Vorgaben: Von Montag bis Freitag max. 5 auf der Ebene gleichzeitig in Urlaub. Am WE 1 P pro Station max. 2 auf der Ebene gleichzeitig in Urlaub. […] |
»Am WE 1 P pro Station max. 2« stand hier für: Am Wochenende eine Person pro Station, maximal 2.
Unterlassungsanspruch |
»Die einseitige arbeitgeberseitige Bestimmung einer Quote von Mitarbeitern, die in einem identischen Zeitraum Urlaub beantragen und/oder bewilligt erhalten können, verletzt das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG. Der Arbeitgeber hat sich mitbestimmungswidriges Handeln des von ihm eingesetzten Personals zurechnen zu lassen.«
⇒ LAG Niedersachsen Beschluss 30.11.2017 – 6 TaBV 44/170
Praxistipp: |
Mit Urlaubsgrundsätzen wie etwa solchen Quoten durchbrechen die Vorgesetzten das Tabu des Arbeitgebers bei 'Mindestbesetzungen'. Einen gerichtlichen Unterlassungsanspruch braucht es da nicht. Besser, die Betroffenen aktivieren!
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Urlaubszeit ist die schönste Zeit. Am meisten Spaß macht er mit anderen zusammen. Bei der Wahl Ihrer Urlaubszeiten gibt es bei uns im Betrieb bislang keine Hindernisse. Leider haben einige Vorgesetzte dies nicht richtig verstanden. Sie glauben, sie müssten Höchstgrenzen ziehen oder sonstige Einschränkungen für Ihre Urlaubsanträge beachten. Falsch. Solche Grundsätze wurden mit uns nicht vereinbart. Wir können uns gut vorstellen, zwei Urlaubsgrundsätze zu vereinbaren: ❍ Im Januar und Februar ist mit erhöhten Krankheitsausfällen zu rechnen. Bitte bedenken Sie das, bevor Sie Ihren Urlaub in diese Zeit legen. ❍ Im Juli und August wollen viele ihren Urlaub. Diese Zeit bleibt darum von betrieblichen Fortbildungs-Angeboten frei. Allerdings: Manchmal versäumt der Arbeitgeber nicht nur die Vereinbarung von Urlaubsgrundsätzen. ❍ Er versäumt auch, in solchen geballten Urlaubszeiten zum Ausgleich Aushilfen einzusetzen. ❍ Erst recht versäumt er, die Arbeitsmenge (belegte Betten, Untersuchungen etc.) herunterzufahren. In der Folge droht unweigerlich Überlastung. Dann wenden Sie sich bitte umgehend an uns. Denn für Schutz der Gesundheit sind wir mit zuständig. Dabei blicken wir jedoch nicht auf eine Höchsturlaubsquote, sondern auf eine zum konkreten Zeitpunkt tatsächlich notwendige Mindestbesetzung. Mit freundlichen Grüßen Ihr Betriebsrat / Ihr Personalrat / Ihre Mitarbeitervertretung |
Urlaubs- und Feiertage neutralisieren! |
Urlaubs- und gesetzliche Feiertage dürfen bei der Berechnung der Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage berücksichtigt werden. Das gilt auch für Urlaubstage, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährt werden, sowie für gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen.
⇒ Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Urteil 09.05.2018 – 8 C 13.1
Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz moniert |
Das klagende Universitätsklinikum Köln führt für die bei ihm beschäftigten Ärzte sogenannte Arbeitszeitschutzkonten, um die Einhaltung der höchstzulässigen Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt sicherzustellen. Dabei werden die wöchentliche Höchstarbeitszeit als Soll verbucht und die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden als Haben erfasst. Tage des gesetzlichen Mindesturlaubs werden so verbucht, als sei an ihnen regulär gearbeitet worden. Darüber hinausgehende Urlaubstage und gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, wertete der Kläger hingegen als Ausgleichstage mit einer geleisteten Arbeitszeit von null Stunden. Damit konnten diese Tage zum Ausgleich für überdurchschnittlich geleistete Arbeit an anderen Tagen herangezogen werden. Die Bezirksregierung Köln untersagte diese Praxis des Klägers, weil sie darin einen Verstoß gegen das Arbeitszeitgesetz sah. Die hiergegen erhobene Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos.
Das BVerwG hat die Revision des Klägers jetzt zurückgewiesen:
Urlaubstage dürfen, auch wenn sie über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht als Ausgleichstage herangezogen werden. Aus dem systematischen Zusammenhang des Arbeitszeitgesetzes und des Bundesurlaubsgesetzes ergibt sich, dass als Ausgleichstage nur Tage dienen können, an denen der Arbeitnehmer nicht schon wegen Urlaubsgewährung von der Arbeitspflicht freigestellt ist. Ebenso wenig dürfen gesetzliche Feiertage, die auf einen Werktag fallen, bei der Berechnung der durchschnittlichen Höchstarbeitszeit als Ausgleichstage herangezogen werden. Gesetzliche Feiertage sind keine Werktage und grundsätzlich beschäftigungsfrei. Daher werden sie bei der Berechnung der werktäglichen Höchstarbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz nicht in den Ausgleich einbezogen.
Unionsrecht steht dem nach Auffassung des BVerwG nicht entgegen. Die Arbeitszeitrichtlinie der Europäischen Union, die zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer erlassen wurde, verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung eines Mindeststandards, ohne darüber hinausgehende, den Standard verbessernde nationale Regelungen auszuschließen.
Praxistipp: |
Im Zuge der Mitbestimmung über die einzelnen Dienstpläne überwacht die Interessenvertretung, ob es zu Arbeitszeitmassierungen oder gar zu Überschreitungen der wochendurchschnittlichen Höchstarbeitszeit kommt. Dazu legen die Betriebsparteien im ersten Schritt die Ausgleichszeiträume in der Länge und Lage fest (hier wohl: ArbZG § 6 Abs. 2).
Im zweiten Schritt untersucht die Interessenvertretung, ob und wie Urlaubs- und Feiertage dabei herausgerechnet werden. Eine Möglichkeit: Minderung der Höchstarbeitszeit im Ausgleichszeitraum um jeweils 9,6 Stunden. Hilfsweise wird im laufenden Plan diesen Tagen jeweils die Schutzzeit von 9,6 Stunden hinterlegt.
Rufbereitschaft: Private Handynummer tabu |
Im Landratsamtes Greiz, wurde im Zuge einer Neuordnung der Bereitschaftszeiten verlangt, "auch außerhalb der Dienstzeiten für die Rettungsleitstelle per Handy erreichbar zu sein". Zwar sei dies lediglich für Ausnahmen in Notfällen gedacht gewesen und sollte sich auf Anrufe 'nach dem Zufallsprinzip' beschränken. Denoch weigerten sich die Mitarbeiter und gaben lediglich ihre Festnetznummern preis.
Eine Klägerin verlangt, dass eine Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt wird, weil sie nur ihre private Festnetz-, nicht aber ihre Handynummern für Bereitschaftsdienste angab.
Urteil: |
Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre private Mobilfunknummer beim Arbeitgeber anzugeben. Dieser kann auch auf anderem Weg sicherstellen, dass Beschäftigte im Notfall erreicht werden können. Nur unter besonderen Bedingungen und in engen Grenzen hat ein Arbeitgeber das Recht auf Kenntnis der privaten Handynummer eines Angestellten. Aus der Weitergabe der privaten Nummer ergebe sich eine ständige Bereitschaft des Arbeitnehmers, für seinen Arbeitgeber tätig zu werden. Das verstößt gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers.
⇒ LAG Thüringen Urteil 16.05.2018 – 6 Sa 442 / 17 und 6 Sa 444 / 17
Praxistipp: |
Ungeklärt blieb hier: Bedeutet das betriebliche Speichern von Festnetz-Nummern ebenso einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das nicht durch ein entgegenstehendes, überwiegendes berechtigtes Interesse gerechtfertigt wäre?
Bei Urlaub oder längerer Krankheit kann ein Anruf helfen, vor Anordnungen das zwingend notwendige billige Ermessen sicherzustellen (Abwägen betrieblicher Interessen gegen schützenswerte Interessen der Beschäftigten)
Ein Zaubermittel zur Klärung: Die Mitbestimmung. Hier zum Beispiel als betriebliche Vereinbarung über das Verfahren der Planaufstellung.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD – Urlaubsentgelt – Datenschutz 21.04.2018
diesmal grübeln wir über
⊗ TVöD – Mein Geld (ab März 2018)
⊗ Meine Daten will ich nicht raten
⊗ Betriebsrat: pauschale Freistellung und Urlaubsentgelt
TVöD 2018: Auf Euro und Cent! |
Die Tarifrunde des öffentlichen Dienst liegt in ihren letzten Zügen: Rückkoppelung, Annahme, redaktionelle Endfassung, Unterschrift und Veröffentlichung. Wir sind etwas vorschnell und greifen dem Ergebnis voraus.
Wir unterstützen dazu
mit unserem kleinen Werkzeug –
⇒ TVöD – Mein Geld März 2018 bis März 2019.
Es weist für unsere Geltungsbereiche u.a. die Stundenentgelte aus, zudem differenziert nach dem Beschäftigungsumfang Zulagen und Zuschläge. Die aktuelle Fassung findest Du auf ⇒ tinyurl.com/tvoed-download
Betriebsrat: pauschale Freistellung und Urlaubsentgelt |
Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt in § 4: (1) Für den […] bezeichneten Zeitraum ist dem Arbeitnehmer das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. (1a) Zum Arbeitsentgelt nach Absatz 1 gehören nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt […]. |
Urlaubsentgelt ohne 'Mehrarbeits'-Vergütung |
Leitsätze:
1. Leistet ein Arbeitnehmer außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit und erhält er hierfür nach Maßgabe von § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG eine Abgeltung, kann er gemäß § 4 Abs. 1a EFZG für diese Zeit im Krankheitsfall vom Arbeitgeber grundsätzlich keine Entgeltfortzahlung verlangen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied ständig zusätzlich zu seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit leistet und regelmäßig eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach näherer Maßgabe von § 37 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt werden kann.
2. Die urlaubsbedingt ausfallende Zeit der Betriebsratsarbeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds für die nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG eine Abgeltung vom Arbeitgeber zu leisten wäre, ist bei der Bemessung des Urlaubsentgelts iSv. § 11 Abs. 1 BUrlG einzubeziehen.
3. Das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG lässt die Vereinbarung einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten nicht zu, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt wird und zu einer Verdiensterhöhung führt. Entsprechende Vereinbarungen sind gemäß § 134 BGB nichtig. […]
⇒ BAG Urteil 08.11.2017 – 5 AZR 11/1
Aus der Begründung |
Prüfungsaufgaben an das LAG Hamm
[Rn. 44 ] 1. Für die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt nach § 4 Abs. 1 EFZG ein modifiziertes Entgeltausfallprinzip. Besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Abs. 1 EFZG), ist dem Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 EFZG das ihm bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen (st. Rspr., zB BAG 20. Januar 2010 – 5 AZR 53/09 – Rn. 11, BAGE 133, 101). Die Berechnungsgrundlage für das „zustehende Arbeitsentgelt“ iSv. § 4 Abs. 1 EFZG setzt sich aus Geld- und Zeitfaktor zusammen […]. Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts (Geldfaktor) sowie die regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers (Zeitfaktor). Dabei sind Abweichungen nur nach Maßgabe von § 12 EFZG zulässig (st. Rspr., zB BAG 27. April 2016 – 5 AZR 229/15 – Rn. 22 ff., BAGE 155, 70).
[Rn. 45 ] 2. Gemäß § 4 Abs. 1a EFZG gehört zum fortzuzahlenden Entgelt nicht das zusätzlich für Überstunden gezahlte Entgelt. Überstunden iSv. § 4 Abs. 1a EFZG liegen vor, wenn die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers überschritten wird […]. Zusätzlich für Überstunden gezahltes Entgelt stellen dabei nicht nur die Überstundenzuschläge dar. Auch die Grundvergütung für die Überstunden wird zusätzlich zum „normalen“ Entgelt, und zwar für die Überstunden, gezahlt […]. Leistet der Arbeitnehmer allerdings ständig eine Arbeitszeit, die über seine individuelle Arbeitszeitdauer hinausgeht, kann nicht von Überstunden gesprochen werden. In diesem Fall ist als geschuldete Arbeitszeit ein durchschnittlicher Wert zu ermitteln […].
[Rn. 46 ] 3. Für ständig außerhalb der individuellen Arbeitszeit geleistete Betriebsratsarbeit gelten diese Grundsätze entsprechend. Diese ist – soweit die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG vorliegen – wie Mehrarbeit zu vergüten. Sie unterliegt damit an sich dem Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1a EFZG. Sie ist jedoch als Arbeitszeit iSv. § 4 Abs. 1 EFZG zu behandeln, wenn das Betriebsratsmitglied ständig zusätzlich zu seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit durchführt und eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach näherer Maßgabe von § 37 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt werden kann.
Hinweis |
Diese BAG-Entscheidung korrigiert LAG Hamm 29.11.2016 – 7 Sa 582/16, auch LAG Köln Urteil 14.07.2016 – 8 Sa 219/16, LAG Hamburg Urteil 15.07.2015 – 6 Sa 15/15.
Meine Daten will ich nicht raten! |
Die Arbeitgeber bereiten sich etwas hektisch auf die Verschärfung des Datenschutzes vor. Denn ab dem 25. Mai 2018 greifen die DSGVO im Rang einer Verordnung und das BSDG in neuer Fassung.
Mit der Umsetzung des Arbeitsschutzgesetzes aus 1996 oder dem Mutterschutzgesetz zum 01.01.2018 haben sie es nicht so eilig. Doch nun geraten da einige durcheinander und handeln Hals über Kopf: Statt unsere Daten für uns zu schützen, schützen sie unsere Daten vor uns. Sie verweigern uns den Einblick in die elektronisch geführten Schichtpläne und in unsere Stundenzettel.
Und sie jammern dabei, sie seien gesetzlich gezwungen, uns im Dunkeln zu lassen.
Muster-Email |
|
Erläuterung: »Stellt die betroffene Person den Antrag elektronisch, so sind die Informationen in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen, sofern sie nichts anderes angibt.« (DSGVO Artikel 15 Abs. 3)
Tarifvertrag kann sexy sein: TVöD-K und -B intensiv |
||||
![]() |
Im Bunten Haus, vom 18.-22.06.2018: Handwerkszeug für Lösungen in Kliniken und Heimen ⇒181926 An die Türen des Betriebsrates und der Mitarbeitervertretung klopfen viele, die Hilfe suchen. Manchen kannst Du mit Tarifwißen und Können weiterhelfen. Es geht um viel Geld, das wir noch nicht abgeholt haben. |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Nachtarbeit – Arbeitszeitkonto – Abmahnung 29.03.2018
diesmal grübeln wir über
⊗ Nachtschicht im Altenheim: TVöD-B
⊗ Dauernachtwache und Feiertags-Frei: TVöD-K
⊗ Unwirksame Abmahnung : BAT-KF
⊗ Arbeitszeitkonto und Streit: BAT-KF
⊗ Nachtschicht, Lerche und Prostata
Nachtschicht im Altenheim: TVöD-B |
Zu: § 7.1 TVöD-B – »Sandwich-Dienst« mit nächtlicher Bereitschaftsdienst-Phase im Altenheim.
Leitsätze |
Bei der zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Zeit handelt es sich nicht um Bereitschaftszeit im Sinne des § 9 Abs. 1 TVöD-B. Wie das erstinstanzliche Gericht zu Recht festgestellt hat, ist die Regelung nach der Protokollerklärung zu § 9 TVöD-B nicht auf Schichtarbeit, wie sie der Kläger leistet, anwendbar.
Es handelt sich vielmehr um Bereitschaftsdienst im Sinne des § 7 Abs. 3 TVöD-B. Danach leisten Beschäftigte Bereitschaftsdienst, wenn sie sich auf Anordnung des Arbeitsgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Gemäß § 7.1 Abs. 1 TVöD-B darf der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
Aus den Gründen |
»Der Kläger hält sich während der streitgegenständlichen Zeit im Dienstzimmer der von ihm betreuten Station auf, um die Arbeit bei Bedarf aufzunehmen. Er räumt selbst ein, dass er nicht durchgehend seine Arbeitsleistung erbringt, sondern sich seine Aktivität nach dem Arbeitsanfall richtet, es Nächte mit hohem und Nächte mit geringem Pflegebedarf gibt. Er stellt nicht durch substantiiertes Bestreiten in Abrede, dass die Zeit ohne Arbeitsleistung erfahrungsgemäß überwiegt. […]
Die Auslegung der Tarifnorm führt zu dem Ergebnis, dass auch für die Zeit zwischen Vollarbeitszeiten Bereitschaftsdienst angeordnet werden kann.«
⇒ LAG Hamm Urteil 16.11.2017 – 17 Sa 898/17 Revision unter BAG 6 AZR 17/18
Durch den Kläger wurde nicht in das Verfahren eingebracht: Bereitschafts-Stundenlohn (25 v.H.) liegt unterhalb Mindestlohn.
Es wurde nicht eingebracht: Mitbestimmung? Gesundheitsschutz?
Es wurde nicht eingebracht: TVöD-B § 8.1 kennt keine Faktorisierung.
Es wurde nicht eingebracht: Was ist mit nächtlichen Pausen?
Stattdessen wurde alles auf die Karte gesetz: Es handelt sich nicht um Bereitschaftsdienst, also Vollzeit-Bezahlungsanspruch. Jetzt sind wir extrem gespannt auf die Revision beim BAG!
Dauernachtwache und Feiertags-Frei: TVöD-K |
Keine Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 6.1 Abs. 2 Satz 1 b TVöD-K.
Aus den Gründen |
»Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, dass bereits der Wortlaut des § 6.1 Abs. 2 TVöD-K dafür sprechen soll, dass es mit dem Begriff »Dienstplan« nicht um den individuellen Dienstplan des einzelnen Mitarbeiters gehen soll. Zwar ist der Wortlaut des Tarifvertrages – wie auch das Arbeitsgericht bereits richtig herausgestellt hat – der vorrangige Ausgangspunkt jeglicher Tarifauslegung […] seiner Entscheidungsgründe zu dem Ergebnis gekommen, dass mit dem Wortlaut des § 6.1 Abs. 2 TVöD-K nur der Dienstplan des einzelnen betroffenen Beschäftigten gemeint sein kann.«
⇒ LAG Düsseldorf Urteil 20.04.2017 – 11 Sa 248/16
Unser Hinweis |
Dauernachtwachen arbeiten nach einem Dienstplan an allen Wochentagen im Schichtdienst im Wechsel mit anderen. Schichtdienst im allgemeinen Sinne kann daher bezogen auf einen 'individuellen Dienstplan' kaum begrifflich gefasst oder begründet werden. Offenbar verwechselte das Gericht dies mit Schichtarbeit im Sinne TVöD § 7 Abs. 2.
Arbeitszeitkonto und Streit: BAT-KF |
Zur Verteilung der Zeitschuld im BAT-KF.
Leitsatz |
»Die Gewährung von Freizeitausgleich zum Abbau von »Plusstunden« auf das Arbeitszeitkonto erfolgt im Wege des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts in den Grenzen der Billigkeit gem. § 106 Satz 1 GewO, ohne besondere Abreden ist die Zustimmung des Arbeitnehmers nicht erforderlich.«
Tatbestand |
»Die Dienstplangestaltung erfolgt dergestalt, dass Dienstpläne für den Folgemonat aufgestellt und dann von der Mitarbeitervertretung genehmigt werden. Anschließend werden die Dienstpläne den Mitarbeitern ca. zwei Wochen vor dem Folgemonat zur Verfügung gestellt. Bei der dienstplanmäßigen Heranziehung der Klägerin wird nicht in jeder Woche die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit genau erreicht. Es ergaben sich Minus- oder Plusstunden, die in ein Arbeitszeitkonto einfließen. Soweit möglich werden Wünsche der Mitarbeiter auf Gewährung von freien Tagen berücksichtigt. Es werden aber auch Freischichten ohne Antrag oder Zustimmung der Mitarbeiter geplant. Die Arbeitgeberin hatte Stunden vom Arbeitszeitkonto zum Zwecke der planmäßigen Freistellung entnommen.«
Die Klägerin verlangt die Gutschrift von Arbeitsstunden auf ihrem Arbeitszeitkonto, da sie am Tag des Freizeitausgleichs arbeitsunfähig war.
Aus den Gründen |
»Durch die Ausübung des Weisungsrechts hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit wird der Saldo des Arbeitszeitkontos, das für die Klägerin geführt wird, zwangsläufig beeinflusst. […]
Mit dem Abschluss der Vereinbarung über die Führung eines Arbeitszeitkontos hat die Klägerin in den sich zwangsläufig ergebenden Mechanismus der Saldierung eingewilligt. dass zwischen den Parteien eine Abrede über das Führen eines Arbeitszeitkontos bestand, ist unstreitig. Die Klägerin stellt die grundsätzliche Befugnis der Beklagten, die Arbeitszeiten bei verstetigter Vergütung flexibel zu gestalten und geleistete Mehr- oder Minderarbeit auf dem Arbeitszeitkonto zu saldieren, nicht in Abrede. Ohne eine entsprechende vertragliche Vereinbarung wäre der Klageantrag auch von vornherein unbegründet. […] Die Interessen der Beklagten an der Gewährung eines Freizeitausgleichs für geleistete MehrArbeitsstunden überwiegen die Interessen der Klägerin an der Nichtgewährung des Freizeitausgleichs deutlich. Die Beklagte besitzt ein generelles Interesse daran, dass der Saldo des Arbeitszeitkontos möglichst ausgeglichen ist. Eine dauerhafte Ansammlung von Plus- oder Minusstunden führt zu praktischen Problemen. Die Gewährung eines Freizeitausgleichs erweist sich als umso schwieriger, je mehr Stunden angesammelt worden sind. Das Gleiche gilt für das Nacharbeiten von Minusstunden in großer Anzahl; dies kann sich als unzumutbare Beeinträchtigung des Arbeitnehmers erweisen und in Konflikt mit den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes geraten. Im Streitfall ist auch zu beachten, dass die Klägerin, wie sich aus ihrem Schreiben vom 01.08.2013 ergibt, Entlastungsanzeigen gegenüber der Beklagten erstattet hatte. Damit lag ein Freizeitausgleich auch im wohlverstandenen Eigeninteresse der Klägerin. Demgegenüber ist nicht ersichtlich, dass das Freizeitinteresse der Klägerin durch die Dienstplangestaltung beeinträchtigt wurde. Die Klägerin hat zwar bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Art und Weise der Dienstplangestaltung im Hinblick auf die Gewährung eines Freizeitausgleichs und die »Planung ins Minus« nicht ihren Wünschen entsprach. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Gewährung des Freizeitausgleichs für die Klägerin von keinerlei Wert war und ihre privaten Dispositionen durchkreuzte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin aus privaten Gründen darauf angewiesen war, den Freizeitausgleich an anderen Tagen zu erhalten. […]
Selbst wenn die Beklagte das Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung verletzt hätte, so ergäben sich (allein) daraus keine Ansprüche der Klägerin auf Gewährung der begehrten Stundengutschrift. Der Sinn und Zweck der Mitbestimmungsrechte, die der Mitarbeitervertretung im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitszeit zusteht, besteht nicht darin, den Arbeitnehmern zusätzliche Ansprüche zu verschaffen, die der Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertrag nicht schuldet. Ein Lohnanspruch für nicht geleistete Arbeit, die dem Arbeitnehmer auch bei betriebsverfassungsrechtlich einwandfreier Arbeitseinteilung nicht zustünde, besteht nicht (Fitting, 28. Aufl. 2016, § 87 BetrVG, Rdnr. 600 f.). Betriebsverfassungsrechtlich ist anerkannt, dass die Verletzung von Mitbestimmungsrechten keine Ansprüche der Arbeitnehmer begründen kann, die vor der mitbestimmungspflichten Maßnahme nicht bestanden und bei Beachtung des Mitbestimmungsrechts nicht entstanden wären (BAG, Urteil vom 20.08.1991 – 1 AZR 326/90). Den Bestimmungen des Mitarbeitervertretungsgesetzes lässt sich nicht entnehmen, dass von diesem Grundsatz abgewichen werden soll. Dies gilt jedenfalls für die Entscheidung des Streitfalls hinsichtlich (etwa) mitbestimmungswidriger Weisungen des Arbeitgebers im Hinblick auf die Lage der Arbeitszeit, mit denen ein Freizeitausgleich für Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto angeordnet wird. Mit dem Freizeitausgleich erbringt der Arbeitgeber, die nach der Arbeitszeitkontovereinbarung geschuldete Gegenleistung für Mehrarbeit. Warum nur wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten die Erfüllungswirkung nicht eintreten soll, obgleich der Arbeitnehmer – wie hier die Klägerin – den Freizeitausgleich in Anspruch nahm, lässt sich nicht begründen.«
⇒ LAG Hamm 18.05.2017 – 18 Sa 1143/16
Unwirksame Abmahnung : BAT-KF |
Der BAT-KF kennt – anders als sein Vorbild TVöD – in § 3 Abs. 6 Satz 4 Regeln zum ordnungsgemäßen Abmahnen: »Über Beschwerden und Behauptungen tatsächlicher Art, die für sie ungünstig sind oder ihnen nachteilig werden können, müssen Mitarbeitende vor Aufnahme in die Personalakten gehört werden. Ihre Äußerung ist zu den Personalakten zu nehmen. Unterlagen über seelsorgerliche Angelegenheiten gehören nicht zu den Personalakten.«
BetrVG § 95 (Auswahlrichtlinien) bietet Betriebsräten die Gelegenheit, hier Hürden aufzurichten.
Aus den Gründen |
»Es kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrer Weigerung, am 14.09.2015 Medikamente für die Bewohner des Wohnbereiches 1 zu stellen, arbeitsvertragliche Pflichten verletzt hat, wie das Arbeitsgericht mit gut nachvollziehbaren Erwägungen angenommen hat. Insbesondere bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob 14.09.2015 (wie die Klägerin annimmt) eine »Überlastungssituation« bestand und ob sich aus einem etwaigen vorwerfbaren Herbeiführen dieser Überlastungssituation durch die Beklagte die arbeitsrechtliche Konsequenz zu ziehen wäre, dass die Klägerin einen Anspruch auf Abgabe einer »Haftungsfreistellungserklärung« hätte und berechtigt gewesen wäre, die Bewohner unversorgt zu laßen, solange die Beklagte diese Erklärung nicht abgibt. […]
Das Abmahnungsschreiben vom 18.09.2015 ist schon deshalb aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, weil sie nicht gemäß § 3 Abs. 6 Satz 4 BAT-KF vor Aufnahme in ihre Personalakte ordnungsgemäß angehört wurde. Der Klägerin steht aus dem Arbeitsvertrag in Verbindung mit § 241 Abs. 2 BGB und § 3 Abs. 6 Satz 4 BAT-KF ein vertraglicher Anspruch auf Entfernung des Abmahnungsschreibens vom 18.09.2015 aus ihrer Personalakte zu.
Die Friedensfunktion der vorherigen Anhörung würde unterlaufen. Die nachträgliche Anhörung des Arbeitnehmers in Form der Übersendung des zu den Akten genommenen Abmahnungßchreibens heilt den Mangel nicht; der Arbeitnehmer kann auch nicht auf sein Recht zur Gegendarstellung oder zur Überprüfung der inhaltlichen Unrichtigkeit der Abmahnung verwiesen werden. Diese Möglichkeiten bieten nicht denselben umfaßenden Schutz wie das mit der Entfernungsfolge belegte Gebot, den Arbeitnehmer vor der Aufnahme eines Vorgangs in die Personalakten anzuhören. Zur Gewährleistung eines uneingeschränkten Anhörungsrechts ist deshalb, sofern dem Mitarbeiter vorheriges rechtliches Gehör nicht gewährt wurde, der zu den Akten genommene Vorgang zunächst bis zur Durchführung einer erneuten Anhörung zu entfernen. Hätte eine Verletzung der vertraglichen Anhörungspflicht nicht diese Folge, wäre das Anhörungsrecht im Ergebnis bedeutungslos.
Dazu ist es erforderlich, dass mit dem Arbeitnehmer nicht nur bestimmte Tatsachen erörtert werden, die der Arbeitgeber als vertragliches Fehlverhalten wertet, vielmehr muß dem Arbeitnehmer bewußt sein, dass gerade diese Tatsachen in den Personalakten fixiert werden (BVerwG, Urteil vom 12.10.1971 – VI C 99/67). Nur dann hat er nämlich Anlaß, dazu näher Stellung zu nehmen. Dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und dem Gebot des Offenheitsgrundsatzes genügt eine Anhörung nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer sich über die Tragweite seiner Erklärung im Unklaren ist, weil der Arbeitgeber ihn über den Grund der Anhörung (nämlich über die beabsichtigte Aufnahme eines bestimmten Vorganges in die Personalakten) nicht unterrichtet (BVerwG, Urteil vom 12.10.1971 – VI C 99/67).«
⇒ LAG Hamm Urteil 19.01.2017 – 18 Sa 915/16
Nachtschicht, Lerche und Prostata |
Die typabhängigen Folgen der Wechselschicht- und Nachtarbeit beschreibt in DGUV IPA-Journal 03/2017 eine Untersuchung auf Basis der Heinz Nixdorf Recall Kohorte aus dem Ruhrgebiet. Sie beschäftigt sich mit dem Zusammenhang zwischen Schicht- beziehungsweise Nachtarbeit und dem Risiko für Prostatakrebs. Zu der zufälligen Stichprobe (in den Jahren 2000 und 2003) von 2.395 Männern im Alter von 45 bis 74 Jahren, wurde zwischen 2011 bis 2014 eine Nachfolgebefragung durchgeführt.
Auf Seite 21 berichten Prof. Dr. Thomas Behrens, Prof. Dr. Thomas Brüning (IPA), Prof. Dr. Karl-Heinz Jöckel (Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universität Duisburg-Essen) über die Gefährdung (Hazard Ratios, HR) –
»Bis zum Ende der Anschlußuntersuchung im September 2014 erkrankten 76 Männer neu an einem Prostatatumor. Für Schicht- beziehungsweise Nachtarbeit wurde ein mehr als doppelt erhöhtes Prostatakrebsrisiko beobachtet. Eine mehr als 20-jährige Tätigkeit in Schichtarbeit war mit einem 3-fach, eine gleich lange Tätigkeit in Nachtarbeit mit einem fast 4-fach erhöhten Risiko assoziiert. Da fast 80 Prozent der Männer sowohl in Schicht- als auch in Nachtarbeit tätig waren, waren die einzelnen Effekte für Schicht- und Nachtarbeit jedoch nur schwer voneinander zu trennen. Beschäftigte mit früher Schlafpräferenz zeigten besonders stark erhöhte HR, die nach 10-jähriger Schichtarbeit auf das 6-fache, bei langjähriger Nachtarbeit auf einen 7-fach erhöhten Wert anstiegen. Für die mittlere Schlafpräferenz beobachteten wir mehr als doppelt so hohe Risikoschätzer, während Männer mit später Schlafpräferenz kein erhöhtes Prostatakrebsrisiko aufwiesen.« |
Konsequenzen? |
Der Betrieb, der Beschäftigten Nachtschichten abfordern will, wird daher die individuelle Schlafpräferenz in seine Abwägungen gemäß BGB § 616a und GewO § 106 einbeziehen müssen. Etwa durch eine -
Jährliche Abfrage zur Schlafpräferenz: |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Unterlassung – Notfall – Beschwerden – Werkzeuge 29.12.2017
Diesmal grübeln wir über
⊗ Mitbestimmen: Unterlassungsanspruch bei Plänen und Überstunden
⊗ Beschwerden gegen Abmahnung
⊗ Beschwerden gegen vertragsfremde Aufgaben (BetrVG § 85)
⊗ Aktualisierte Werkzeuge
Arbeitszeit: Notfall und Unterlassungsanspruch |
Leitsätze:
1) Bei Verletzung von Mitbestimmungsrechten aus § 87 BetrVG steht dem Betriebsrat unabhängig von den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Anspruch auf Unterlassung mitbestimmungswidriger Maßnahmen des Arbeitgebers zu, § 1004 BGB analog iVm. § 2, 87 Abs. 1 BetrVG.
2) Die Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG steht zu befürchten, wenn die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch später mehrfach verletzt hat.
3) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG entfällt nicht dadurch, dass die Mitarbeiter die nicht mit Zustimmung des Betriebsrates geleisteten Arbeiten »freiwillig« verrichtet haben.
4) Um sog. Notfälle handelt es sich nicht, wenn der »Notfall« im Betrieb die Regel ist.
5) Verlangt der Betriebsrat die Durchsetzung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG, verstößt er noch nicht allein dadurch gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit, dass er sich – aufgrund anderer, nicht offensichtlich unvertretbarer Auffassung – in den durch das BetrVG vorgesehenen Verfahren einer inhaltlichen Auseinandersetzung verwehrt.
⇒ LAG Niedersachsen Beschluss 03.07.2017 – 8 TaBV 42/16
Aus der Begründung (Rn. 66 und 67) |
»Danach handelt es sich bei den in den Dienstplänen nicht vorgesehenen Einsätzen gerade nicht um Notfälle. Denn die Arbeitgeberin erklärt selbst, der 'Notfall' sei bei ihr die Regel; aufgrund krankheitsbedingter Ausfälle seien kurzfristig angeordnete Arbeitseinsätze unumgänglich, um die Patientenversorgung sicher zu stellen. Das aber steht der Wertung, es habe eine unvorhersehbare und schwerwiegende sog. Extremsituation vorgelegen, entgegen; ein 'regelmäßiger' Notfall ist ein Widerspruch in sich.
Damit kann die Anordnung von Arbeitseinsätzen in anderen als den im Dienstplan vorgesehenen Schichten, an dienstplanmäßig freien Tagen oder im Dienstplan nicht vorgesehenen (zusätzlichen) Schichtzeiten nicht als ein vom Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht umfasster Notfall gewertet werden. Zur Personalplanung gehört es, auch in Fällen kurzfristiger Ausfälle nach dem Dienstplan nicht eingeteilte Arbeitnehmer zur Arbeit heranzuziehen. Es bedarf einer Regelung der Betriebspartner, wie diesen Anforderungen im Interesse des Krankenhausbetriebs dem der Belegschaft und des Betriebsrates gerecht wird.«
MVG: Unwirksame Pläne |
»Gem. § 40 Nr. 4 MVG-K hat die Mitarbeitervertretung mitzubestimmen über die Festlegung von Dauer, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen. Dieses Beteiligungsrecht bezieht sich auf die Dienstplangestaltung im Einzelnen. Das bedeutet, dass eine Dienstplangestaltung ohne Beteiligung der Mitarbeitervertretung, wie dies hier der Fall ist, unwirksam ist i.S. des § 39 Abs. 1 S. 2 MVG-K.«
⇒ Schiedsstelle Niedersachsen 06.11.2017 – 1 VR MVG 63/17
MVG: Zustimmungsersetzung |
Eine andere Dienststelle hatte ebenfalls einseitig die Pläne angeordnet, jedoch immerhin vor dem Kirchengericht eine einstweilige Verfügung beantragt, um dies zu rechtfertigen. Wiederum erfolglos:
»Die Dienststelle muss danach darlegen, 'aus welchen Gründen die einseitige Anordnung des Dienstplans mit dem konkret vorliegenden Inhalt erforderlich ist, um den Betrieb der Einrichtung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet auch, dass die Dienststellenleitung die im ursprünglichen Dienstplanentwurf vorgesehenen Festlegungen auf das absolut erforderliche Maß reduzieren muss.' Als 'absolut erforderlich' sind danach alle Festlegungen anzusehen, die verhindern, dass sich die Betreuungsqualität der Einrichtung verschlechtert, weil eine solche Verschlechterung nicht hinnehmbar ist. […] Das Vorliegen derartiger Voraussetzungen hat der Antragsgegner auch nicht ansatzweise dargetan.«
⇒ Schiedsstelle Niedersachsen 14.12.2017 – 1 VR MVG B6 /17 e.R
Abmahnung zurücknehmen! Beschwerde? |
Ist Streitstoff eines Beschwerdeverfahrens nach § 85 BetrVG allein die sachliche Rechtfertigung einer ausgesprochenen Abmahnung, so handelt es sich um einen Rechtsanspruch, für dessen Behandlung die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
⇒ LAG Berlin 15.08.2017 – 7 TaBV 860/17
Beschwerde? Keine allgemeinen Rechtsfragen! |
Leitsatz: »Die die Zuständigkeit einer Einigungsstelle für Arbeitnehmerbeschwerden ausschließende Einschränkung von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG, dass Gegenstand der Beschwerde kein Rechtsanspruch sein darf, ist angesichts des Normzwecks einschränkend auszulegen. Sie gilt nur für Rechtsansprüche im engeren Sinn, nicht für Rechtsansprüche im weiteren Sinn, die dem Arbeitgeber einen Ermessensspielraum überlassen, wie etwa bei der Ausübung des Direktionsrechts (ständige Rechtsprechung des Hess. LAG).
Wird mit der Beschwerde bei der Ausübung des Direktionsrechts dagegen nicht die Ermessensausübung innerhalb der Grenzen des Direktionsrechts, sondern eine Überschreitung der äußeren Grenzen des Direktionsrechts gerügt, handelt es sich um eine reine Rechtsfrage und damit um einen die Zuständigkeit der Einigungsstelle ausschließenden Rechtsanspruch im engeren Sinne.«
⇒ LAG Hessen, 16.05.2017 – 4 TaBV 75/17
Sachverhalt: Vertragsfremde Aufgaben |
Unter dem 29. Dezember 2016 richteten die Beschwerdeführer die verfahrensgegenständlichen Beschwerden an den Betriebsrat. Mit diesen rügten sie erneut, dass ihnen Fachkrafttätigkeiten zugewiesen würden. Der Betriebsrat erklärte die Beschwerden für berechtigt und leitete, nachdem die Arbeitgeberin den Beschwerden nicht abgeholfen hatte, das vorliegende Einigungsstellenbestellungsverfahren ein.
Schwer durchsetzbare Rechtsansprüche? |
»Der Begriff des Rechtsanspruchs im Sinne von § 85 Abs. 2 Satz 3 BetrVG wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich ausgelegt. Nach der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer ist er zur Vermeidung eines Leerlaufs des Mitbestimmungsrechts nach § 85 BetrVG dann eingeschränkt auszulegen, wenn Gegenstand der Beschwerde ein Anspruch ist, der auf regelmäßig nur schwer konkretisierbaren Pflichten des Arbeitgebers beruht, etwa dessen Fürsorgepflicht oder dessen Verpflichtung zur Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und zur Wahrung billigen Ermessens (§ 106 Satz 1 GewO). Insoweit handelt es sich um Rechtsansprüche im weiteren Sinne, die nur schwer justiziabel sind und mit denen regelmäßig auch nicht justiziable Regelungsfragen angesprochen werden, die nicht Gegenstand von Rechtsansprüchen werden können und die im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens nicht selten innerbetrieblich sinnvoller geregelt und geschlichtet werden können als im Rahmen eines Rechtstreits […].«
Ergebnis: Arbeitgeber hat kein Recht |
Im vorliegenden Fall sei die Einigungsstelle sei – so das Gericht – offensichtlich unzuständig.
»Hier ist entgegen der Ansicht des Betriebsrats ein Rechtsanspruch im engeren Sinne Gegenstand der Beschwerde, ohne dass dabei Raum für ernsthafte Zweifel verbleiben kann. Der Betriebsrat weist allerdings zu Recht darauf hin, dass die Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen gemäß § 106 Satz 1 GewO regelmäßig nur Rechtsansprüche im weiteren Sinne berührt. Dies liegt hier indessen anders. Gegenstand der Beschwerden ist nicht die Ermessensausübung durch die Arbeitgeberin innerhalb der rechtlichen Grenzen ihres Direktionsrechts, sondern eine Überschreitung der absoluten Grenzen dieses Direktionsrechts. Die Arbeitgeberin ist auf Grund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln in Verbindung mit der tariflichen Regelung nur berechtigt, den Beschwerdeführern durch Ausübung ihres Direktionsrechts Tätigkeiten gemäß der Tarifgruppe I zuzuweisen. Die Feststellung, ob dies geschieht, ist keine Frage der Ermessensausübung, sondern eine der Rechtsanwendung, nämlich der Auslegung der Tätigkeitsmerkmale der Tarifgruppen I und II. Insoweit verfügt die Arbeitgeberin über keinen Beurteilungsspielraum. Die Auslegung von Tarifverträgen betrifft regelmäßig Rechtsansprüche im engeren Sinn. Damit besteht kein Raum für die Bestellung einer Einigungsstelle.«
Merke: Das Gerichtsverfahren wurde durch den Betriebsrat verloren; der Arbeitgeber trägt dessen Kosten; die Beschwerdeführer/innen haben – ohne weitere Mühe – dennoch den gerichtlichen Beleg, dass ihnen Unrecht geschieht.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Feiertage – Vorfesttage 26.11.2017
diesmal grübeln wir über
⊗ Feiertag und Dauernachtwache (TVöD-K § 6.1 Abs. 2)
⊗ Feiertag und Teilzeit (TVöD-K § 6.1 Abs. 2)
⊗ Vorfesttage in AVR Caritas Anlage 5
Feiertag und Dauernachtwache |
Leitsatz: Für die Arbeitszeitverringerung gemäß § 6.1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b TVöD-K ist der individuelle Dienstplan des einzelnen Mitarbeiters maßgebend.
⇒ LAG Düsseldorf Urteil 20.4.2017 – 11 Sa 248/16 (Revision zugelassen!)
Sachverhalt: |
Die Klägerin war ausschließlich als Dauernachtwache in der Zeit von 20.52 Uhr bis 6.30 Uhr auf der Station F 2 tätig. Am 1. Weihnachtsfeiertag 2014, an Christi Himmelfahrt 2015, am Pfingstmontag 2015, an Fronleichnam 2015 und an Neujahr 2016 war sie dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt. Mit der Klage verlangt sie Verurteilung des Beklagten, ihre Sollarbeitszeit für diese Feiertage nach § 6.1 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b TVöD-K um jeweils 3,85 Stunden zu reduzieren.
Aus den Gründen: |
Entgegen der von der Kl. vertretenen Ansicht bezieht sich das Wort «dienstplanmäßig» in § 6.1 Abs. 2 Satz 1 b) TVöD-K auf den einzelnen Mitarbeiter. Es geht dort nicht um den generellen Dienstplan, der die Arbeitszeiten der Mitarbeiter ausweist. [...}
Hier kann es nur auf den Beschäftigten selbst ankommen, denn unter Buchst. a) und b) des § 6.1 Abs. 2 Satz 1 TVöD-K wird danach differenziert, ob der Arbeitnehmer an dem Feiertag Arbeitsleistung zu erbringen hatte oder ob er nicht wegen des Feiertages, sondern dienstplanmäßig nicht zur Arbeit eingeteilt war.
Diese Differenzierung kann nicht generell, sondern nur hinsichtlich des einzelnen Mitarbeiters getroffen werden. Dies führt dann aber dazu, wie bereits das ArbG zutr. herausgestellt hat, dass auch der in dem Eingangssatz verwendete Passus «nach einem Dienstplan» nur so verstanden werden kann, dass es um den individuellen Dienstplan geht, denn es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Begriffe «dienstplanmäßig» und «Dienstplan» innerhalb desselben Absatzes einer Tarifnorm in unterschiedlicher Weise zu verstehen sein sollen. Auch der Sinn und Zweck des § 6.1 Abs. 2 TVöD-K führt nicht zu der Auslegung, dass mit dem Dienstplan der generelle Dienstplan gemeint ist.
Hinweis: |
TVöD-K /-B § 6.1 Abs 2 beginnt: »Für Beschäftigte, die regelmäßig nach einem Dienstplan eingesetzt werden, der Wechselschicht- oder Schichtdienst an sieben Tagen in der Woche vorsieht,[…]«.
Wenn Tarifverträge unterschiedliche Begriffe verwenden, dann sind in aller Regel auch unterschiedliche Tatbestände davon erfasst. Dennoch hat das erkennende Gericht ohne nähere Untersuchung 'Wechselschicht- oder Schichtdienst' mit 'Wechselschicht- oder Schichtarbeit' gleichgesetzt.
TVöD § 6 Abs 1 regelt: »Die regelmäßige Arbeitszeit kann auf fünf Tage, aus notwendigen betrieblichen/dienstlichen Gründen auch auf sechs Tage verteilt werden.«
Das Gericht hat sich nicht bemüht, zu untersuchen, ob und wie ein individueller Plan dennoch für einzelne Beschäftigte Dienst an 'sieben Tagen in der Woche' vorsehen kann.
Feiertag und Teilzeit |
Leitsätze: § 6.1 Abs. 2 TVöD-K beinhaltet einen institutionalisierten (automatischen) Freizeitausgleich durch Kürzung der Soll-Arbeitszeit (im Anschluss an BAG 21.08.2013 – 5 AZR 410/12). Wird der Freizeitausgleich hierdurch nur zum Teil gewährt, so ist der Feiertagszuschlag in Höhe von 135 % nach § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVöD-K auch für die an gesetzlichen Feiertagen geleisteten Arbeitsstunden zu leisten, die über die regelmäßige tägliche Arbeitszeit hinausgehen. Der Freizeitausgleich muss denselben zeitlichen Umfang wie die Feiertagsarbeit haben (Abweichung von BAG 09.07.2008 – 5 AZR 902/07).
⇒ LAG Baden-Württemberg Urteil 19.06.2017 – 1 Sa 3/17 (Revision zugelassen!)
Sachverhalt: |
Im Pflegedienst des Krankenhauses wird in Wechselschicht gearbeitet. Die Arbeitszeiterfassung erfolgt mit einem elektronischen Dienstplan- und Zeitwirtschaftsprogramm. Hierin sind bei einer 5-Tage-Woche für den Kläger jeweils 4,6044 Stunden von Montag bis Freitag als Arbeitszeit hinterlegt. Mittels des elektronischen Zeiterfassungssystems erfolgt ein täglicher Abgleich zwischen der hinterlegten täglichen Arbeitszeit (Sollarbeitszeit) und der nach dem Dienstplan vorgesehenen tatsächlichen Ist-Arbeitszeit. Nach dem Dienstplan ist der Kläger vorwiegend im Nachtdienst eingesetzt. Die Nachtschichten betragen hierbei regelhaft 9,5 Stunden. Der Einsatz des Klägers erfolgt hierbei weitgehend verblockt.
Am Ostermontag, den 28. März 2016, war der Kläger nicht dienstplanmäßig eingeteilt. Er leistete außerplanmäßig Dienst, und zwar von Ostersonntag auf Ostermontag 9,82 Stunden und von Ostermontag auf den Dienstag 9,72 Stunden. Die Arbeitszeit begann jeweils um 20:15 Uhr. Auf den Ostermontag entfielen insgesamt 9,7 Stunden (Anlage B 3). In der Abrechnung für April 2016 zahlte die Beklagte 9,72 und 9,82 Stunden mit einem Stundensatz von 130 % aus. Grund für den Zuschlag von 30 % war, dass der Kläger »aus dem Frei geholt« wurde und nach der Dienstvereinbarung »AZ Flex« vom 1. Oktober 2013 für die geleisteten Arbeitsstunden einen Anspruch auf einen Zuschlag von 30 % hatte. Außerdem zahlte die Beklagte für 9,7 am Feiertag geleistete Stunden einen Zuschlag von 35 % aus.
Am Pfingstsonntag und Pfingstmontag war der Kläger dienstplanmäßig zur Arbeit eingeteilt. Er leistete am Pfingstsonntag 9,9 und am Pfingstmontag 9,88 Stunden. Die Arbeitszeit begann erneut jeweils um 20:15 Uhr. Die auf den Pfingstmontag entfallenden Feiertagsstunden beliefen sich auf 9,78 (Anlage B 6). In der Abrechnung für den Monat Juni 2016 vergütete die Beklagte 13,53 Feiertagsstunden mit einem Aufschlag von 35 %.
Aus den Gründen: |
Das Arbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger über den durch die Verringerung der Sollarbeitszeit um insgesamt 9,2 Stunden gewährten Freizeitausgleich hinaus einen Anspruch auf Bezahlung von weiteren 10,28 Stunden hat.
Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die dem Kläger hiernach noch zustehenden Feiertagszuschläge nicht durch die vorgenommene Verminderung der Soll-Arbeitszeit um jeweils 4,6 Stunden »pauschaliert« ausgeglichen wurden. Die Vorschrift des § 6.1 Abs. 2 TVöD-K sieht zwar einen institutionalisierten (automatischen) Freizeitausgleich durch die vorgesehene Reduzierung der Soll-Arbeitszeit vor. Entgegen der vom 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 9. Juli 2008 (5 AZR 902/07 – Rn 19) vertretenen Auffassung handelt es sich hierbei aber nicht um einen pauschalierten Ausgleich. Vielmehr muss der Ausgleich denselben zeitlichen Umfang wie die Feiertagsarbeit haben (konkreter Ausgleich). Dies gilt unabhängig davon, ob die konkret geleistete Feiertagsarbeit die für einen Vollzeitbeschäftigten geltende regelmäßige Arbeitszeit von 7,7 Stunden pro Tag überschreitet (wie hier) oder nicht.[…]
Wird die Sollarbeitszeit des Beschäftigten von vorneherein für jeden Feiertag um ein Fünftel der regelmäßigen Wochenarbeitszeit gekürzt, so bedeutet dies, dass den Beschäftigten in diesem zeitlichen Umfang keine Arbeitspflicht trifft. Betrüge etwa die Arbeitsschicht des Klägers exakt 4,6 Stunden, so gäbe es keinen Anlass für eine weitere Freistellung, weil die Befreiung von der Arbeitspflicht in diesem Umfang bereits »automatisch« durch die Verringerung der Wochenarbeitszeit um 4,6 Stunden eingetreten wäre.
Der hiesige Entscheidungsfall zeichnet sich nun durch die Besonderheit aus, dass der Kläger mit einem Umfang von 4,6 Stunden täglich teilzeitbeschäftigt ist, er aber aufgrund des bei der Beklagten praktizierten Schichtmodells Schichten von (regelhaft) 9,5 Stunden leistet.
Ausgangspunkt für die Auslegung stellt – als die vom Kläger in Anspruch genommene Anspruchsgrundlage – die Vorschrift des § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d) TVöD-K dar. Hiernach richtet sich die Höhe des Feiertagszuschlags danach, ob der Arbeitgeber »Freizeitausgleich« gewährt hat oder nicht. Freizeitausgleich wird dadurch gewährt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von seiner vertraglichen Pflicht zur Arbeitsleistung freistellt (BAG 20. Januar 2016 – 6 AZR 742/14 – Rn 25). Das Wort »Ausgleich« besagt, dass etwas zu kompensieren ist, was zuvor geleistet wurde. Geleistet hat der Kläger im vorliegenden Fall am Ostermontag 9,7 und am Pfingstmontag 9,78 Stunden. Abzüglich der Sollstundenreduzierung verbleiben somit 5,1 bzw. 5,18 Stunden zum »Ausgleich«. Dafür, dass der Ausgleich in Höhe der Sollstundenreduzierung pauschaliert, besser gedeckelt wird, gibt die Tarifnorm nichts her.
Der von der Beklagten gezahlte Überstundenzuschlag für die von Pfingstsonntag auf Pfingstmontag und von Pfingstmontag auf Dienstag geleisteten Arbeitsstunden in Höhe von 30 % steht dem Anspruch des Klägers auf den Feiertagszuschlag nicht entgegen. Der Überstundenzuschlag wurde dem Kläger gewährt, weil er an den genannten Tagen »aus dem Frei« geholt wurde.
Hinweis: |
Das LAG setzt sich damit teilweise von den Entscheidungen des BAG (Urteil 09.07.2008 – 5 AZR 902/07 (Rn. 17) sowie 21.08.2013 – 5 AZR 410/12 (Rn 16)) ab. Danch stellt der Verwegabzug / die Arbeitsverminderung um ein Fünftel (TVöD-K bzw. -B § 6.1 Abs. 2) einen institutionalisierten (automatischen) Freizeitausgleich dar. Doch dort schließt die Regelung mit dem Zusatz: »§ 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d bleibt unberührt.« Daher ist jede Stunde Feiertagsarbeit, welche die Fünftel-Pauschalverminderung übersteigt, mit dem Zeitzuschlag von 135 v.H. belegt.
Wir empfehlen dringend, schriftliche Geltendmachungen auf den Weg zu bringen!
Vorfesttag |
Nicht amtliche Leitssätze:
1.) Eine Arbeitsbefreiung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Anlage 5 AVR hat nur zu erfolgen, wenn der Mitarbeiter an einem Vorfesttag nach Dienstplan zur Arbeit eingeteilt ist. Bei Zusammentreffen mit einem dienstplanmäßig freien Tag erfolgt keine Arbeitszeitgutschrift vergleichbar der Regelung in § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD.
2.) Die in § 3 Abs. 2 S. 2 Anlage 5 AVR geregelte Arbeitsbefreiung an Vorfesttagen soll es dem Beschäftigten ermöglichen, an diesen Tagen stressfrei die Vorbereitungen für die kommenden Festtage zu treffen. Dieser von der Regelung beabsichtigte Zweck wird schon dann erreicht, wenn der Beschäftigte an einem Vorfesttag nach dem Dienstplan nicht zur Arbeit eingeteilt ist. Eine (ergänzende) Auslegung der Bestimmung, dass dem Beschäftigten auch für den Fall des Zusammentreffens eines dienstplanmäßig freien Tages mit einem Vorfesttag eine Arbeitszeitreduzierung zugute kommen soll, ist nicht wegen einer Ungleichbehandlung zu nicht kirchlichen Beschäftigten geboten. (Rn. 30 – 32)
⇒ LAG Nürnberg Urteil 15.02.2017 – 4 Sa 352/16 (Revision zugelassen)
Hinweis: |
Die Caritas traut sich, die Beschäftigten einer Dienststelle nach den Anlagen 5, 30, 31, 32, oder 33 zu differenzieren. Dies zu rechtfertigen fällt ihr insbesondere am 'Heiligabend' zunehmend schwerer.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Billiges Verweigern – leidensgerechter Arbeitsplatz 05.11.2017
diesmal grübeln wir über
⊗ das billige Ermessen
⊗ leidensgerechte Arbeitsplätze
Billiges Verweigern |
Leitsatz: »Ein Arbeitnehmer ist nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB nicht – auch nicht vorläufig – an eine Weisung des Arbeitgebers gebunden, die die Grenzen billigen Ermessens nicht wahrt (unbillige Weisung).«
⇒ BAG Beschluss 14.06.2017 – 10 AZR 330/16 (A)
Der 10. Senat hat damit die zwischendurch etwas bizarre Rechtsprechung des 5. Senats wieder vom Kopf auf die Füße gestellt. Die Konsequenzen sind inspirierend:
• Die Weisung des Arbeitgebers scheint unbillig?
• Der Arbeitgeber bleibt an seine unbillige Weisung gebunden.
• Arbeitnehmer/in kann sie trotz Unbilligkeit befolgen.
• Arbeitnehmer/in kann sich weigern. Risiko.
• Der Arbeitgeber kann Leistung nicht erzwingen (ZPO § 888 Abs 3).
• Der Arbeitgeber kann Entgelt kürzen oder kündigen.
• Das Arbeitsgericht klärt: Billiges Ermessen?
• Das Arbeitsgericht ersetzt nicht die unbillige Leistungsbestimmung.
Sachverhalt |
Ein Kollege wird im Zuge eines eskalierenden Streits vorläufig vom Standort Münster zum Standort Berlin versetzt. Der Arbeitsvertrag schränkt den Leistungsort nicht ein.
Der Betriebsrat äußert sich in der Wochenfrist nicht. Der Kollege nimmt die Arbeit nicht auf. Er widerspricht der darauf folgenden Abmahnung.
Er wird durch den Arbeitgeber gekündigt. Dies greift er nun an.
Aus den Gründen |
Rn. 62: »Andererseits konkretisiert der Arbeitgeber mit seinem Weisungsrecht die arbeitsvertraglich häufig nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht – dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Gegenleistung des Arbeitnehmers – hinsichtlich Zeit, Ort und Art der zu erbringenden Arbeitsleistung und schafft damit regelmäßig erst die Voraussetzung dafür, dass der Arbeitnehmer diese erbringen und das Arbeitsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann. Insofern ist die Ausübung des Weisungsrechts notwendige Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers, wobei der erforderliche Weisungsumfang von den Umständen des Einzelfalls abhängt […].«
Rn. 61: »Der Kläger musste der unbilligen Weisung […] nicht – auch nicht vorläufig – Folge leisten. An das Nichtbefolgen der Weisung konnte die Beklagte nicht Sanktionen knüpfen.«
Rn. 65: »Nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB besteht keine – auch keine vorläufige – Bindung des Arbeitnehmers an unbillige Weisungen, sofern der Arbeitnehmer diese nicht trotz ihrer Unbilligkeit akzeptiert.«
Rn. 81: »Spricht der Arbeitgeber eine Weisung aus, ist diese für ihn als Bestimmungsberechtigten verbindlich. Befolgt der Arbeitnehmer diese Weisung und erbringt er – unabhängig von einer möglichen Unbilligkeit – seine Arbeitsleistung, wird das Arbeitsverhältnis in der Form durchgeführt, die der Arbeitgeber begehrt. Eine Verpflichtung des Arbeitnehmers, sich gegen unbillige Weisungen zu wehren, besteht nicht, vielmehr kann er diese hinnehmen […]. Ändert der Arbeitnehmer insoweit seine Auffassung, kann sein Recht zur Geltendmachung der Unbilligkeit – wie jedes andere Recht – verwirken.
Akzeptiert der Arbeitnehmer hingegen eine Weisung, die er als unbillig ansieht, nicht und erbringt keine Arbeitsleistung, trägt er das Risiko, ob ein Gericht im Rahmen der Prüfung nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB seine Einschätzung teilt […]. Ist dies nicht der Fall, kann der Arbeitgeber Sanktionen aussprechen und der Arbeitnehmer verliert seinen Vergütungsanspruch. Erzwingen könnte der Arbeitgeber die Erbringung der Arbeitsleistung im Hinblick auf § 888 Abs. 3 ZPO in keinem Fall […].
Erweist sich die Weisung hingegen als unbillig, hat der Arbeitgeber – soweit die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – nach § 615 iVm. § 611 BGB bzw. im Wege des Schadensersatzes die Vergütung zu leisten, ohne einen Nachleistungsanspruch zu haben. Denjenigen, der eine unbillige Weisung erteilt, trifft dementsprechend das Risiko der Unwirksamkeit dieser Weisung; dieses kann nicht auf den Vertragspartner abgewälzt werden […].«
Rn. 77: »Eine gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB scheidet hingegen im Anwendungsbereich des § 106 GewO aus. […] der Arbeitnehmer kann sich einer rechtlich einwandfreien Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 GewO nicht entziehen, indem er eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet […].
Ebenso wenig könnte im Fall einer unbilligen Leistungsbestimmung das Gericht Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung an Stelle des Arbeitgebers festlegen. Ein solches Gestaltungsurteil scheidet aus, es würde sich um einen unzulässigen Eingriff in die Organisationshoheit des Arbeitgebers handeln […].«
Nebenbei: Recht auf Weisungsänderung? |
Rn. 73: »Eine vom Arbeitgeber hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Arbeitsleistung vorgenommene Weisung hat für diesen Bestand, bis sie von ihm durch eine andere (wirksame) Weisung ersetzt wird (BAG 25. August 2010 – 10 AZR 275/09 – Rn. 15, BAGE 135, 239; Schaub/Linck aaO § 45 Rn. 18). Der Arbeitnehmer kann (und muss) seine Arbeitsleistung so erbringen, wie sie durch die letzte wirksame Weisung konkretisiert wurde. Die Erteilung einer neuen Weisung durch den Arbeitgeber ist – anders als zB bei der Festsetzung einer Bonusleistung für ein bestimmtes Jahr – mit Wirkung für die Zukunft im Rahmen der arbeitsvertraglichen Bestimmungen jederzeit möglich […].«
Die Gerichtsentscheidung betraf den Leistungsort. Das billige Ermessen eines Jahresbonus (BAG Urteil 03.08.2016
– 10 AZR 710/14) bestimmt ihn unwiderruflich. Einen unbillig zu niedrigen Bonus (Gegenleistung) bestimmt das Gericht neu und greift dabei nicht in die Organisationshoheit ein.
Offen bleibt, ob die Bestimmung der Arbeitszeit diese für die Zukunft verbindlich oder einseitig widerruflich festlegt. Sie kann nicht durch eine andere (wirksame) Weisung eines Gerichtes ersetzt werden. Kann sie durch eine andere (wirksame) Weisung des Arbeitgebers ersetzt werden? Wir sind überzeugt: Nein!
Leidensgerechte Arbeitsplätze |
Annahmeverzug – tatsächliches Angebot – Unvermögen – Schadensersatz
GewO § 106, weitergehend BGB § 241 (2):
»Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.«
⇒ BAG Urteil 28.06.2017 – 5 AZR 263/16
Sachverhalt: Ambulante Pflege! |
Eine Pflegefachkraft arbeitet in der ambulanten Pflege Team W. Nach längerer Arbeitsunfähigkeit bietet sie ihre – durch Behinderung eingeschränkte – Arbeitskraft an. Der Arbeitgeber stellt Vergütung ein.
Die Kollegin klagt auf Weiterbeschäftigung.
Aus den Gründen: |
»Anderes gölte indes, wenn den im Team W beschäftigten Arbeitnehmern, deren Anzahl das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, keine inhaltlich klar definierten Arbeitsplätze zugewiesen wären, sondern der Beklagte anhand der jeweils ambulant zu versorgenden Patienten in gewissen Zeitabständen zB 'Touren' festlegt, nach denen bestimmte Arbeitnehmer bestimmte Patienten in bestimmter Reihenfolge zu versorgen haben. Schneidet der Arbeitgeber gleichsam die Arbeitsplätze immer wieder neu zu, gebietet § 241 Abs. 2 BGB, dabei jeweils im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren auf die gesundheitlichen Einschränkungen der Beschäftigten Rücksicht zu nehmen.
Entscheidend wäre in einem solchen Falle, ob der Beklagte im Streitzeitraum für den Einsatz der gesundheitlich beeinträchtigten Klägerin im arbeitsvertraglich vereinbarten zeitlichen Umfang ausreichend Patienten hatte, bei denen nur Behandlungspflege anfiel, und Patienten mit weiter gehenden Bedarf ohne nennenswerten zusätzlichen Aufwand von anderen Beschäftigten mitversorgt werden konnten.
b) Darüber hinaus hat sich die Klägerin auf am 1. Februar 2014 freie Arbeitsplätze außerhalb der Pflege bzw. ohne Pflegetätigkeiten berufen, auf denen sie aus ihrer Sicht hätte eingesetzt werden können.«
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Gefährdungsbeurteilung Betriebsrats-fähig. 28.10.2017
diesmal sorgen wir uns um
⊗ die Gefährdungsbeurteilung
⊗ die notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz
⊗ die Einweisung in die Schutzmaßnahmen
⊗ die Aufnahme der Arbeit am Arbeitsplatz
⊗ den betriebsratsfähigen Teilbetrieb
20 Jahre: Belastungen und Gefahren beurteilen |
Seit August 1996 müssen die Arbeitgeber handeln. Das ArbSchG § 5 verpflichtet sie, die Belastungen und Gefährdungen an den unterschiedlichen Arbeitsplätzen gesondert zu erfassen und zu beurteilen.
Die ArbStättV in der letzten Fassung vom August 2004 führt dies in § 3 mit Blick auf die bauliche und technische Umgebung genauer aus.
Seit April 2017 steht mit dem neugefassten MuSchG § 9 Abs. 1 eine vertiefte Untersuchung an, an allen Arbeitsplätzen zum Beispiel hinsichtlich der Alleinarbeit; in Kraft und umzusetzen ab dem 01.01.2018.
In vielen Gesundheitsbetrieben wird all das sträflich vernachlässigt oder unterblieb bislang ganz:
⊕ Die offensichtlich schweren Belastungen und Gefährdungen (Wechselschichtarbeit, schwere Lasten, Umgang mit Leid und Tod, Gewalt, ...) bleiben im Ungefähren.
⊕ Die Betriebsparteien identifizieren daraufhin keine der aus den Belastungen folgenden notwendigen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz.
⊕ Der Arbeitgeber lässt die Interessenvertretung die Maßnahmen nicht mitbestimmen.
⊕ Der Arbeitgeber legt keine Maßnahmen fest.
⊕ Der Arbeitgeber weist die Beschäftigten in keine Maßnahmen zu ihrem Schutz ein.
ArbSchG § 12 Abs. 1 Satz 3 – »Die Unterweisung muß bei der Einstellung, bei Veränderungen im Aufgabenbereich, der Einführung neuer Arbeitsmittel oder einer neuen Technologie vor Aufnahme der Tätigkeit der Beschäftigten erfolgen.«
Das wirft nun kribbelige rechtliche Fragen auf:
Ohne wirksam festgelegte Maßnahmen zum Gesundheitsschutz, ohne darauf folgende Einweisung – kann der Schichtplan einer Kollegin da überhaupt die Arbeitspflicht zu einer bestimmten Zeit verbindlich anordnen – an einem bestimmten Arbeitsplatz?
Selbsthilfe? |
Aufgrund des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit gemäß § 2 Abs. 1 BlnPersVG ist dem Personalrat eine Fragebogenaktion, mit der die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes am Arbeitsplatz ermittelt werden soll, verwehrt, wenn die Dienststelle ihrerseits eine Gefährdungsanalyse gemäß § 5 Abs. 1 ArbSchG vorbereitet.
⇒ BVerwG Beschluss 08.08.2012 – 6 PB 8/12
Verwaltungsgerichte verwehren Personalräten – anders als etwa Betriebsräten – ihre Mitbestimmung beim ersten Schritt: der Gefährdungsbeurteilung. Immerhin folgt aus der Entscheidung von 2012: Solange der Arbeitgeber saumselig pennt, darf der Personalrat unverzagt die Belastungen durch Befragungen in den Teams aufdecken.
'Nein' zum Schnell-Check |
Leitsätze:
1. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht sowohl bei der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG als auch bei der Unterweisung der Beschäftigten nach § 12 ArbSchG.
2. Dem Mitbestimmungsrecht steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber nach § 13 Abs. 2 ArbSchG ein externes Unternehmen mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung i. S. d. § 5 ArbSchG und der Unterweisung der Beschäftigten i. S. d. § 12 Abs. 1 ArbSchG beauftragt hat.
⇒ BAG Beschluss 30.09.2014 – 1 ABR 106/12
Nichts überspringen |
Der systematische Zusammenhang zwischen §§ 5 und 12 ArbSchG gebietet es zunächst eine Gefährdungsbeurteilung und erst anschließend eine Unterweisung der Arbeitnehmer durchzuführen. Denn eine Unterweisung über Sicherheit und Gesundheitsschutz ist schlichtweg nur praktikabel, wenn zuvor die an einem Arbeitsplatz konkret auftretenden Gefährdungen festgestellt worden sind.
⇒ LAG Rheinland-Pfalz Beschluss 13.10.2010 – 7 TaBV 27/10
Müder Trost: Individueller Anspruch? |
1. Arbeitnehmer haben nach § 5 Abs. 1 ArbSchG iVm. § 618 Abs. 1 BGB Anspruch auf eine Beurteilung der mit ihrer Beschäftigung verbundenen Gefährdung.
2. § 5 Abs. 1 ArbSchG räumt dem Arbeitgeber bei dieser Beurteilung einen Spielraum ein. Der Betriebsrat hat bei dessen Ausfüllung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitzubestimmen. Der einzelne Arbeitnehmer kann deshalb nicht verlangen, dass die Gefährdungsbeurteilung nach bestimmten von ihm vorgegebenen Kriterien durchgeführt wird.
⇒ BAG, 12.08.2008 – 9 AZR 1117/06
Die Geplänkel um die Methoden einer Belastungserfassung oder -beurteilung mobilisieren die Kolleginnen kaum. Denn sie wollen zu ihrer Entlastung ja nicht Checklisten, sondern handfeste Maßnahmen des Gesundheitsschutzes.
Stehen Belastungen 'fest'? |
Die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG knüpft bei § 3 Abs. 1 ArbSchG an das Vorliegen von Gefährdungen an,
die entweder feststehen oder im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung festzustellen sind.
⇒ BAG Beschluss 28.03.2017 – 1 ABR 25/15
Ausgangspunkt war hier ein Einigungsstellenspruch, den der 1. Senat des BAG einkassierte. Denn es fehlte an der vorausgehenden Gefährdungsbeurteilung. Und es gibt Arbeitgeber, die selbst offensichtlich feststehende Gefährdungen und Belastungen bestreiten. Denn so gewinnen sie Zeit, wertvolle Zeit ohne für sie schmerzhafte Maßnahmen zur Entlastung der Kolleginnen.
Die Arbeitgeber verschanzen sich hinter der Entschuldigung – »Es fehlen noch ein paar Schritte, wir sind noch nicht so weit, Schutzmaßnahmen durchzuführen …« Vielen Interessenvertretungen scheint der Weg zu lang und verworren, um bis zum wirksamen Gesundheitsschutz zu gelangen.
Den Spieß umdrehen! |
Die Gesetzgeber haben offenbar bewusst keine besonderen Sanktionen für jahrelange Versäumnisse aufgestellt. Denn ihnen genügte die Klarheit des ArbSchG § 12 Abs 1 Satz 3. Uns auch!
Nachrichtlich: Interessenvertretung |
Ein einziger oder zwei betriebsratsfähige Betriebe? |
[Sachverhalt: Die an einer gesonderten Produktionsanlage beschäftigten Arbeitnehmer können ihre Arbeit während der Schicht nicht um mehr als 30 Minuten unterbrechen. Die Betriebsteile liegen 11 km Tür zu Tür entfernt].
»Für die jederzeitige Erreichbarkeit ist nicht auf die ungünstigste Verkehrssituation, sondern auf die regelmäßigen Verkehrsverhältnisse abzustellen. Auf die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt es dann an, wenn für einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit besteht, den Hauptbetrieb mit einem eigenen PKW oder mit einem vom Arbeitgeber eingerichteten Zubringerdienst zu erreichen. […] Jedes einzelne Betriebsratsmitglied genießt das in ihn gesetzte Vertrauen der Belegschaft. Jeder Arbeitnehmer muss daher auch die Möglichkeit haben, das Betriebsratsmitglied seines Vertrauens aufzusuchen, ohne hieran allein wegen der räumlichen Entfernung gehindert zu sein. Daher können die Arbeitnehmer nicht nur auf Sprechstunden oder bestimmte ortsansässige Betriebratsmitglieder verwiesen werden (BAG 30. Juni 1993 – 7 ABR 64/92 – zu B III 2 e bb der Gründe).«
⇒ BAG Beschluss 17.05.2017 – 7 ABR 21/15
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD-K TV AWO BAT-KF AVR DD. 27.09.2017
TVöD-K 2/2017 digital September-Ausgabe |
Die Ausgabe ⇒ TVöD-K 2017/2 digital [Fassung September] für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser setzt unter anderem den unterschriebenen Änderungstarifvertrag Nr. 13 vom 24. November 2016 um. Achtung: In den nächsten Wochen folgen noch die wohl unterschriebenen Nachbesserungen u.a. des TV-Ü (Besitzstandregeln für Bereitschaftsdienstentgelte) und weitere redaktionelle Präzisierungen des TVöD.
Damit ist derselbe Stand erreicht wie in der Ausgabe ⇒ TVöD-B 2017/2 digital für den Dienstleistungsbereich Betreuungseinrichtungen.
Print-Ausgaben dieser Fassungen finden viele in diesen Wochen im ihrem ver.di-(Landes)Bezirk .
Überstunden bei Teilzeit! |
Bei sog. ungeplanten Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, steht einem Teizeitbeschäftigten Überstundenzuschlag zu.
⇒ BAG Urteil 23.03.2017 – 6 AZR 161/16
In der Begründung der BAG-Entscheidung steckt viel Musik, die weit über den TVöD hinaus klingt. Die Gleichbehandlung von Teilzeitkräften bei der Vergütung von Überarbeit ist auch auf andere Vertragswerke übertragbar. Auf dem Fuße folgte eine andere Entscheidung (zu einem ganz anders geregelten Haustarifvertrag im Bereich der NGG), die Arbeitgeber als einen fadenscheinigen Vorwand nehmen, Zeit zu schinden –
⇒ BAG Urteil 26.04.2017 – 10 AZR 589/15
Übertragbar! |
Die Schichtplan-Fibel untersucht nun ausführlich -
⇒ TV AWO: Ansprüche auf Zeitzuschläge entstehen hier, wenn am Planende mehr als die verplante individualvertragliche Zeitschuld abgefordert wird.
⇒ BAT KF: Ansprüche auf Zeitzuschläge entstehen hier, wenn mehr als geplant und zugleich mehr als die durchschnittliche individualvertragliche Zeitschuld in der 'Woche' abgefordert wird. Sonst handelt es sich nicht um eine Überstunde, zu deren Leistung der Arbeitsvertrag verpflichten würde.
⇒ AVR DD: Gleich ob Voll- oder Teilzeitkraft – das Abfordern von Überstunden ist in den AVR DD vertraglich enorm erschwert; das macht auch das Entstehen von Ansprüchen auf Zeitzuschläge so selten.
Werkzeuge: Auf Euro und Cent! |
⊗ Stundenentgelt und Zeitzuschläge (TVöD-K /TVöD-B): Beim zweiten Blick fällt auf – der TVöD beschreibt die konkreten Ansprüche lediglich als komplexe Rechenaufgaben. Deren Lösung hängt ab vom Dienstleistungebereich, der Berufsgruppe, der Eingruppierung und der erreichten Stufe. Nicht jede muss – vor dem Rechnen – ein einwöchiges Grundseminar besuchen. Wir unterstützen mit unserem Tool –
⇒ TVöD – Mein Geld
⊗ Höhergruppierung und erneuter Stufenaufstieg (TVöD-K § 17 Abs. 4)? Unser kleines Werkzeug wurde verfeinert und unterstützt Dich durchzuspielen, ob und wie Du Dich oder Deine Kollegin tatsächlich besser stellst:
⇒ Höhergruppieren?
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD-B, Werkzeuge 20.09.2017
Ddiesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ dem TVöD-B
und wir stellen aus diesem Anlass für ihn und den TVöD-K
⊗ tarifliche Werkzeuge
zusammen.
TVöD-B 2/2017 digital |
Die Ausgabe ⇒TVöD-B 2017/2 digital für den
Dienstleistungsbereich Betreuungseinrichtungen
steht bereit:
* zum freien Download
* zum Lesen, Nachschlagen und Markieren
* zum Vermailen im Betrieb
Mit zahlreichen Hinweisen für Deine betriebliche Praxis.
Print-Ausgaben dieser Fassungen sind bereits geordert.
Die Ausgabe ⇒TVöD-K 2017/2 digital
dfür den
Dienstleistungsbereich Krankenhäuser
steht weiterhin bereit.
Geltend machen! |
Beim gründlichen Lesen einen Tarifvertrags werden wir immer wieder überrascht: Die betriebliche Praxis hinkt und fällt hinter unsere Ansprüchen zurück.
Bis zum 31.08.2017 bzw. bis zum 30.09.2017 können die ausstehenden Zeitzuschläge noch schriftlich geltend gemacht werden. Muster gibt es dafür auch -
⇒ Arbeit am Feiertag, der auf einen Sonntag fiel /TVöD-K
⇒ Arbeit am Feiertag, der auf einen Sonntag fiel /TVöD-B.
Zu Deinen Überstunden (Vollzeit wie Teilzeit!) bleiben unsere
⇒Mustergeltendmachungen
in jedem Monat aktuell. Wer so aktiviert wird, blickt zunächst auf die Überstundenzuschläge. Bald gucken wir verdutzt auf die 'Überstunden als solche'. Für Freizeitausgleich gibt der TVöD § 7 Abs 8c »keine Möglichkeit« (BAG Urteil 23.03.2017 – 6 AZR 161/16, Rn. 66). Genauer: Nur über die Einrichtung von TVöD § 10 Arbeitszeitkonten käme der Arbeitgeber wirksam aus seiner Vergütungsverpflichtung heraus.
Nach dem 01.02.2017 bleibt: Die Höhergruppierung im Zuge der Karriere ist zwar stufengleich. Doch die Stufenlaufzeit beginnt von vorn. Lohnt es, mit dem Karriereschritt bis nach dem nächsten Stufenaufstieg zu warten? Reicht zunächst die »vorrübergehende« Übertragung einer höher bewerteten Tätigkeit? Oder drängen wir auf einen vorgezogenen Stufenaufstieg (TVöD-K § 17 Abs. 4.1)?
Mit einem kleinen Werkzeug kannst Du durchspielen, ob und wie Du Dich oder Deine Kollegin tatsächlich besser stellst: ⇒Höhergruppieren?
Mindestbesetzung erzwingen! |
Die Vorgabe einer Mindestbesetzung mit Pflegepersonal ist eine Maßnahme, mit der einer Gesundheitsgefährdung der eigenen Beschäftigten durch Überlastung begegnet werden kann. Der Spruch einer Einigungsstelle, der eine Schichtbesetzung mit einer bestimmten Zahl von Pflegekräften für bestimmte Belegungssituationen vorschreibt, ist nicht per se rechtswidrig.
⇒ Arbeitsgericht Kiel am 26.07.2017 – 7 BV 67c/16 (Beschwerdefrist läuft, noch nicht rechtskräftig)
Damit kann der Betriebsrat, ebenso ein Personalrat, im Streitfall die Einrichtung einer Einigungsstelle erzwingen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überstunden Teilzeit Feiertag / 07.07.2017
TVöD: Feiertagsarbeit am 25.12.2016 oder 01.01.2017 |
TVöD § 6 (3) bzw. § 6.1 (2) regeln die Arbeitszeitverminderung nur für die Fälle, in denen gesetzliche Feiertage auf einen Werktag fallen. Der 25.12.2016 und der 01.01.2017 fielen auf Sonntage. Pech?
Wer am ersten Weihnachtstag oder an Neujahr gearbeitet hat, entdeckte in den Entgeltabrechnungen Februar / März oft nur einen Zeitzuschlag von 35 v.H.. Zu Unrecht. Denn § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d regelt ja den Fall der Feirtagsarbeit »ohne Freizeitausgleich«. Dann stehen gesamt 135 v.H. zu. Es handelt sich um Aufschläge auf den eigentlichen Arbeitslohn. Diese befreit EStG § 3b von Steuern und Sozialabgaben.
Bis zum 31.08.2017 bzw. bis zum 30.09.2017 können die ausstehenden Zeitzuschläge noch schriftlich geltend gemacht werden. Muster gibt es dafür auch -
⇒ Arbeit am Feiertag, der auf einen Sonntag fiel /TVöD-K
⇒ Arbeit am Feiertag, der auf einen Sonntag fiel /TVöD-B.
TVöD: Überraschende Überstunden bei Teilzeit |
Leitsatz: Bei sog. ungeplanten Überstunden iSv. § 7 Abs. 8 Buchst. c Alt. 1 TVöD-K, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, steht den betroffenen Arbeitnehmern Überstundenzuschlag zu.
⇒ BAG Urteil 23.03.2017 – 6 AZR 161/16
Die Entscheidung ist dreifach bemerkenswert.
⊗ Zum einen hat damit das BAG unsere Rechtsauffassung bestätigt: Mit der überraschenden Verlängerung einer Schicht entstehen am selben Tag vergütungspflichtige Überstunden.
⊗ Zum anderen betrifft der ausgeurteilte Fall eine Teilzeitbeschäftigte. Damit ist endlich zumindest für die Arbeitsgerichte unstreitig: Kolleginnen mit Teilzeitvertrag sind bei ihrem überraschendem Längerbleiben genau gleich zu behandeln und zu vergüten wie die Kolleginnen in Vollzeit.
⊗ Nicht zuletzt: Diese Grundsätze gegen Benachteiligung der Teilzeitbeschäftigten greifen fast bruchlos bei dem TVöD nachfolgenden Tarifen und auch bei den kirchlichen AVR.
Der Fall |
Aus der Begründung |
Satz rote Ohren auch für TV-L, TV Ärzte, AVR, BAT-KF ... |
Geltend machen! |
Entgeltnachweis ohne Indizwirkung? |
Eine Gehaltsabrechnung ist kein Schuldanerkenntnis.
⇒ LAG Rheinland-Pfalz Urteil 09.10.2002 – 9 Sa 654/02
Teilt der Arbeitgeber in einer Lohnabrechnung dem Arbeitnehmer die Zahl der noch nicht gewährten Urlaubstage mit, so kann darin ein bestätigendes Schuldanerkenntnis liegen, durch das ihm verwehrt ist einzuwenden, er schulde den Urlaub in dieser Höhe nicht.
⇒ BAG 10.03.1987 – 8 AZR 610/84
Es verstößt gegen Treu und Glauben, wenn der Arbeitgeber sich bei fortlaufender Erfassung der offenen Urlaubstage, dann darauf beruft, diese seien verfallen.
⇒ LAG Hessen, 17.08.2016 – 6 Sa 12/16
Ergebnis: Ist die Entgeltabrechnung falsch, unvollständig oder unverständlich, dann lohnt sich der Versuch einer Beschwerde bei der Interessenvertretung:
Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Entgeltabrechnungen muss für uns verständlich mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten; hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich (GewO § 108). Doch vermögen weder wir, unsere Rechtsanwälte noch die gewählte Interessenvertretung enträtseln, was all die Summenangaben und Abkürzungen auf Ihren Abrechnungen bedeuten können. Gibt es dazu helfende, entschlüsselnde Unterlagen? Können wir uns auf Ihre Angabe zum Resturlaubsanspruch verlassen? Die Unsicherheit beschwert uns. Bitte teilen Sie uns zeitnah mit, ob Sie unsere Beschwerde für berechtigt erachten und welche Abhilfe wir erwarten dürfen. ......... |
Klinikpförtner kann Kreisrat sein |
Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat entschieden, dass Arbeitnehmer von Landkreisen nur dann an der Übernahme eines Mandats im Kreistag gehindert sind, wenn sie auf die Verwaltungsführung des Kreises inhaltlich Einfluss nehmen können. Das ist bei einem Klinikpförtner nicht der Fall.
Der Kläger ist seit 1977 Arbeitnehmer des beklagten Ortenaukreises in Baden-Württemberg. Zuletzt war er als Pförtner in einem Krankenhaus des Kreises tätig. Im Jahr 2009 wurde er bei der Wahl zum Kreistag des Beklagten für die Partei »Die Linke« zum Nachrücker gewählt. Nach dem Tod des Mandatsinhabers im Jahr 2012 stellte der Beklagte gestützt auf § 24 der Landkreisordnung für Baden-Württemberg (LKrO) fest, dass der Kläger nicht in den Kreistag nachrücke. Nach dieser Vorschrift kann nicht Kreisrat sein, wer Arbeitnehmer des Landkreises ist und nicht überwiegend körperliche Arbeit verrichtet. Widerspruch und Klage gegen den Bescheid blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies auch die Berufung des Klägers zurück. Während des Berufungsverfahrens wurde der Kläger bei der Kreistagswahl im Jahr 2014 erneut zum Nachrücker für seine Partei gewählt.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Urteile der Vorinstanzen geändert und festgestellt, dass der Ausschluss des Klägers von der Übernahme seines Mandats rechtswidrig war. § 24 LKrO hindert Arbeitnehmer von Landkreisen bei verfassungskonformer Auslegung nur dann an der Übernahme von Mandaten in Kreistagen, wenn dadurch eine nicht anderweitig ausgeräumte Interessenkollision entsteht. Art. 137 GG gestattet allerdings, die Wählbarkeit von Angestellten des öffentlichen Dienstes in kommunalen Gebietskörperschaften durch Gesetz zu beschränken. Damit soll verhindert werden, dass Mitglieder des Kreistages zugleich Bedienstete des Kreises sind, den der Kreistag kontrollieren soll. Das Grundgesetz unterstellt die Gefahr einer solchen Interessenkollision bei Beamten, Richtern und Soldaten sowie bei den damaligen Angestellten, nicht jedoch bei den Arbeitern des öffentlichen Dienstes.
Das Berufungsgericht hatte – in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise – entschieden, dass ein Pförtner hiernach zur Gruppe der Angestellten und nicht der Arbeiter zu rechnen ist, weil er nicht überwiegend körperlich tätig ist. Es hatte aber verkannt, dass der Gesetzgeber jedenfalls bei kommunalen Vertretungsorganen – wie Stadträten und Kreistagen – nicht unterschiedslos alle derartigen Arbeitnehmer von der Wählbarkeit ausschließen darf. Anders als gewählte Abgeordnete im Bundestag und in den Landtagen erhalten kommunale Mandatsträger keine Diäten. Sie haben damit keine realistische Möglichkeit, ihren Beruf für die Dauer des Mandats ruhen zu lassen. Ihre Wählbarkeit kann daher nur unter besonderen Voraussetzungen, nämlich nur dann beschränkt werden, wenn die Gefahr von Interessenkollisionen, der Art. 137 GG begegnen will, in ihrem Tätigkeitsbereich auch typischerweise besteht. Das ist bei Arbeitnehmern wie dem Kläger nicht der Fall, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie auf die Verwaltungstätigkeit ihres Arbeitgebers, des Kreises, inhaltlich Einfluss nehmen können.
⇒ BVerwG 10 C 2.16 – Urteil 14.06.2017
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Sonderzahlungen – Spezialwissen / 18.05.2017
Amts-Sonderzahlungen in Entgeltfortzahlung |
Leitsatz: Ausgleichszahlungen, die das Betriebsratsmitglied gem. § 37 Abs. 3 S.3 BetrVG wegen erforderlicher Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit ohne Möglichkeit des Freizeitausgleichs erhalten hat, sind bei der Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle zu berücksichtigen (Anschluss an BAG, Urteil v. 11.01.1995, 7 AZR 534/94; anderer Auffassung LAG Thüringen, Urteil v. 16.12.2010, 5 Sa 143/10).
⇒ LAG Hamm Urteil 23.08.2016 – 7 Sa 245/16
Amtstätigkeit in der Freizeit? |
Leitsatz: Die nach § 37 Abs. 3 BetrVG von einem Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit geleistete und vergütete Betriebsratstätigkeit ist bei der Berechnung des Urlaubs- und Feiertagsentgelts zu berücksichtigen (im Anschluss an BAG 11.01.1995 – 7 AZR 543/94; anderer Auffassung LAG Thüringen 16.12.2010 – 5 Sa 143/10)
⇒ LAG Köln Urteil 14.07.2016 – 8 Sa 219/16
Aus der Begründung: [Die] Berechnung des Urlaubsentgelts unter Berücksichtigung der Vergütung der von der Klägerin unstreitig geleisteten und vergüteten Betriebsratstätigkeit nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG steht § 11 Abs.1 BurlG nach Änderung nicht entgegen. Danach bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts Thüringen in seiner o.g. Entscheidung handelt es sich bei der nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG vergüteten Betriebsratstätigkeit um keine Überstunden. Wie bereits im Anschluss an das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 11.01.1995 (7 AZR 543/94) ausgeführt, erbringt das Betriebsratsmitglied vielmehr unter den Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 2 zweiter Halbsatz BetrVG eine zusätzliche Leistung, die über die von ihm vertraglich geschuldete Leistung hinausgeht.
Das rechtfertigt die Vergütung »wie Mehrarbeit«, ist jedoch keine Mehrarbeitsvergütung (so auch ErfK/Gallner § 11 BurlG RN 8; HWK/Schinz § 11 BurlG RN 33; Fitting § 37 RN 113; Däub-ler/Wette § 37 RN 85; Hess/Schlochauer/Glock § 37 RN 98; offen gelassen Richar-di/Thüsing 15. Aufl. § 37 RN 66). Für eine entsprechende Anwendung der restriktiv auszulegenden Ausnahmevorschrift des § 11 Abs.1 Satz 1 2.Halbsatz BurlG gibt es keine tragfähige Begründung.
Auf die umstrittene Frage, ob einem Teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglied auch Mehrarbeitszuschläge zu zahlen sind (vgl. dazu Fitting 28. Aufl. § 37 RN 111 m.w.N.) kommt es hier nicht an, da die Klägerin keine Mehrarbeitszuschläge geltend gemacht hat.
Antrag, Verweigerung, Entgelt |
Ob Betriebsrat, Personalrat oder Mitarbeitervertretung – die Gewählten sind zur Amtstätigkeit auch dann verpflichtet, falls es einmal ihre Freizeit trifft. Anschließend müssen sie Freizeitausgleich entsprechend diesem Zeitaufwand beantragen (BetrVG 37 (3) / LPVG NRW § 42 / MVG § 19 Abs. 2 / MAVO § 19).
Bei strittiger Lage des Freizeitausgleichs greift zunächst die Mitbestimmung des Gremiums. Denn der Ausgleich betrifft hier nicht die Amtsinhaber, sondern ihrer Rolle als Arbeitnehmer/innen.
Lehnt der Arbeitgeber den Ausgleich als solches ab und kommt es zu keiner Einigung, dann wandelt sich der Zeit- in einen Vergütungsanspruch.
Vertiefte Kenntnisse zu BetrVG § 87 (1) nr 2 und 3 |
In der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ist auch anerkannt, dass Schulungen von Betriebsratsmitgliedern zu Arbeitszeitfragen grundsätzlich erforderlich sein können. Entgegen der Rechtsauffassung der Arbeitgeberin geht auch die Beschwerdekammer davon aus, dass grundsätzlich auch eine vertiefende Schulung eines Betriebsratsmitglieds über Arbeitszeitfragen, wie sie auf dem Seminar vom 29.11. bis 01.12.2011 vermittelt worden sind, dem Grunde nach erforderlich sein kann, auch wenn der Beteiligte zu 2. aufgrund seiner vorherigen Teilnahme an Grundlagenschulungen im Arbeitsrecht und im Betriebsverfassungsgesetz über entsprechende Grundkenntnisse verfügte.
Auch Wiederholungs- und Vertiefungsschulungen über Arbeitszeitfragen und sich hieraus ergebende betriebsverfassungsrechtliche Problematiken können zur Auffrischung und Erweiterung der bisherigen Kenntnisse bei einem konkreten, aktuellen betriebsbezogenen Anlass erforderlich sein (BAG 08.02.1977 – 1 ABR 124/74 – AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 26; BVerwG 10.07.2006 – 6 PB 8.06 – AP BPersVG § 46 Nr. 27; LAG Hamm 10.03.2006 – 10 TaBV 154/05 –; Fitting, a.a.O., § 37 Rn. 145, 156; DKK/Wedde, a.a.O., § 37 Rn. 105 f.; GK/Weber, a.a.O., § 37 Rn. 194, 175 m.w.N.).
⇒ LAG Hamm 16.05.2012 – 10 TaBV 11/12
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD-K Billiges Ermessen / 28.03.2017
diesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ TVöD-K 2017 Februar digital
⊗ billigem Ermessen
TVöD-K 2/2017 digital |
Die ⇒digitale Ausgabe Februar 2017 des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser steht bereit:
* zum freien Download
* zum Lesen, Nachschlagen und Markieren
* zum Vermailen im Betrieb
Zum 1. Februar 2017 wurden die Tabellenwerte um 2,35 v.H. erhöht. Wir haben also alle Hilfstabellen (Stundenvergütung, Überstunden, Bereitschaftsdienstentgelt) angepasst.
Diese Ausgabe soll dann auch als Print-Ausgabe über die Bezirke verteilt werden. Die Ausgabe des TVöD-B 2/2017 folgt hoffentlich bald.
Bestimmungsrecht: Billiges Ermessen |
Die Entscheidung: Versetzung |
»Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein – hier auf betriebliche Gründe beschränkter – nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb des Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat (vgl. BAG 13. November 2013 – 10 AZR 1082/12 – Rn. 41; BGH 18. Oktober 2007 – III ZR 277/06 – Rn. 20, BGHZ 174, 48). Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte (st. Rspr., zuletzt zB BAG 3. August 2016 – 10 AZR 710/14 – Rn. 26).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat (BAG 14. Juli 2010 – 10 AZR 182/09 – Rn. 89 mwN, BAGE 135, 128).
a) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen (§ 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB) verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (st. Rspr., zuletzt im Hinblick auf Versetzungen zB BAG 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 40 mwN).
b) Beruht die Weisung auf einer unternehmerischen Entscheidung, so kommt dieser besonderes Gewicht zu. Das unternehmerische Konzept ist dabei nicht auf seine Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen. Die Arbeitsgerichte können vom Arbeitgeber nicht verlangen, von ihm nicht gewollte Organisationsentscheidungen zu treffen. Eine unternehmerische Entscheidung führt aber nicht dazu, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen wäre und sich die Belange des Arbeitnehmers nur in dem vom Arbeitgeber durch die unternehmerische Entscheidung gesetzten Rahmen durchsetzen könnten. Die unternehmerische Entscheidung ist ein zwar wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Weisung rechtfertigt. Das ist der Fall, wenn die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung die Versetzung auch angesichts der für den Arbeitnehmer entstehenden Nachteile nahelegt und sie nicht willkürlich oder missbräuchlich erscheinen lässt (BAG 28. August 2013 – 10 AZR 569/12 – Rn. 41 f.).«
⇒ BAG, Urteil 30.11.2016 – 10 AZR 805/15
Das Ergebnis: Zurück zur Prüfung |
Das angegriffene Urteil wurde deshalb aufgehoben. Mangels entsprechender Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht konnte der Senat in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Landesarbeitsgericht muss nun anhand der Vorgaben die Tatsachen nacharbeiten und das billige Ermessen überprüfen.
Nutzen für unsere Praxis |
Betroffene Kolleginnen, ebenso aktive Interessenvertretungen, stellen zunehmend unternehmerische Entscheidungen in Frage: Den Einsatzort, die Schichtplanung oder die Arbeitsinhalte. Mit Recht! Zwar räumt GewO § 106 dem Arbeitgeber sein 'Direktionsrecht' ein. Doch zugleich zieht es ihm Grenzen: Gesetze, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Mitbestimmung, Rücksichtsnahmepflicht und das 'billige Ermessen'.
Wenn wir das 'billiges Ermessen' angreifen, suchen wir Argumente. Gewichtig sind insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange der Betroffenen (Familie, Gesundheit, gewerkschaftliche Organisierung, Religion). Und wir fragen nach dem 'Gewicht' der beabsichtigten unternehmerischen Maßnahme. Liegt sie 'nahe', trotz der 'Nachteile' für die betroffene Kollegin?
Wir – oder das Gericht – können dabei nur werten und abwägen, was der Arbeitgeber offenlegt. Manchmal ist der Chef verschwiegen und verstockt. Dann ist ihm nicht zu helfen:
»Die Leistungsbestimmung hat in einem solchen Fall gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch das Gericht zu erfolgen. Grundlage ist dafür der Sachvortrag der
Parteien; eine Darlegungs- und Beweislast im prozessualen Sinn gibt es nicht. Äußert sich der bestimmungsberechtigte Arbeitgeber zu bestimmten Faktoren nicht, geht dies nicht zu Lasten des Arbeitnehmers. Von diesem kann kein Vortrag zu Umständen verlangt werden, wie zB der Höhe eines Bonustopfes, die außerhalb seines Kenntnisbereichs liegen.«
⇒ BAG, Urteil 03.08.2016 – 10 AZR 710/14
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Feiertag Rufdienst Amt / 26.01.2017
diesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ Freizeitausgleich für Feiertagsarbeit
⊗ Inanspruchnahmen in der Rufbereitschaft
⊗ Amt und Arbeitszeit
Freischicht für Feiertagsarbeit |
»Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Freizeitausgleich für die an gesetzlichen Feiertagen, die auf einen Werktag fallen, geleistete Arbeitszeit gemäß Satz 1 der Protokollerklärung zu § 8 Abs. 1 Satz 2 Buchst. d idF des § 43 Nr. 5 TV-L im Dienstplan des Klägers gesondert auszuweisen.«
Der Fall |
Die Entscheidung |
Praxis-Tipp |
Rufdienst: Inanspruchnahmen und Aufschlagsatz |
In unserem ⇒ Newsletter vom 17.11.2016 berichteten wir über eine Entscheidung des BAG, welche die Vergütung der Inanspruchnahmen im Rufdienst behandelt. Die Begründung zu dieser Entscheidung steht nun auch im Internet zum Download.
⇒ BAG Urteil 20.09.2016 – 9 AZR 429/15
Abbruch der Nachtschicht wegen Amt in der Freizeit |
Das BAG entschied am 18.01.2017: Die Fortsetzung einer Schicht kann mit Blick auf die Sitzung am folgenden Nachmittag (hier: Betriebsrat) unmöglich oder unzumutbar sein.
Diese Rechtsprechung lässt für den Alltag der Interessenvertretung viele Fragen offen. Die Antworten würden den Rahmen dieses Newsletters sprengen.
Hier nur so viel: Ursachen von Missverständnissen und Streit sind hier oft unsere Fehler bei der Dienstplanung. Amt gehört nicht in den Plan! Sonst muss manche/r zwei Jahre auf die Vergütung warten.
⇒ BAG Urteil 18.01.2017 – 7 AZR 224/15
Sondertag: Amt und Arbeitszeit | ||||
Tag und Nacht arbeiten - Tag und Nacht im Amt ![]() |
In Düsseldorf, am 06.03.2017 untersuchen wir die Besonderheiten der Kliniken, Heime und ambulanten Dienste. Anmelden: ⇒175409 ❍ Arbeitszeit bei der Betriebsratstätigkeit ❍ Die Gerichtsentscheidungen: BAG 18.01.2017 – 7 AZR 224/15, BAG 07.06.1989 – 7 AZR 500/88, LAG Hamm 20.02.2015 – 13 Sa 1386/14 ❍ Geplante und überraschende Amtsgeschäfte ❍ Amt nach Dienstplan? ❍ Dokumentationspflichten ❍ Freistellung, Freizeitausgleich, Schadensersatz ❍ Fahrzeiten und -kosten ❍ Arbeitsbefreiung bei Schichtbetrieb |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD-K digital 1-2017, Urlaub / 17.01.2017
diesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ demTVöD-K digital Januar 2017
⊗ der Bringpflicht beim Urlaub
TVöD-K digital Januar 2017 |
Muss Urlaub angeboten werden? |
Leitsatz: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Urlaubsanspruch nach dem Bundesurlaubsgesetz von sich aus zu erfüllen. Dies ergibt sich daraus, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch dem Gesundheitsschutz der Beschäftigten dient und arbeitsschutzrechtlichen Charakter hat. (Revision zugelassen)
⇒ LAG Berlin-Brandenburg 12.05.2014 – 21 Sa 221/14
Es entsteht ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung als Schadensersatz bei unterlassener Urlaubsgewährung ohne vorherige Aufforderung durch den Arbeitgeber. (In Revision)
⇒ LAG München 06.05.2015 – 8 Sa 982/14
Ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Urlaub ohne einen Antrag oder Wunsch des Arbeitnehmers im Urlaubsjahr zu gewähren und ihm den Urlaub aufzuzwingen? Behält ein Arbeitnehmer Urlaubsanspruch aus dem Vorjahr, falls der Arbeitgeber dies versäumt?
Diese Rechtsfrage legte nun das BAG zum Jahresende dem Europäischen Gerichtshof vor.
⇒ BAG 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A)
Was tun?
Zunächst informieren wir uns bei der Geschäftsführung: »In welcher Höhe und für welche Beschäftigten bilden Sie in der Jahresbilanz 2016 Rückstellungen für mögliche Ansprüche auf Schadenersatz aufgrund nicht gewährter Urlaubsansprüche (BAG 13.12.2016 – 9 AZR 541/15 (A))?«
Danach untersuchen wir betriebliche Regelungen zur Urlaubsplanung und die Praxis der Mitbestimmung bei Konfliktfällen. Kündigen? Handlungsbedarfe? Beschäftigte informieren?
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Grippe, Beschäftigungsverbot, BV-DV / 05.01.2017
diesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ Grippe und respiratorischen Erkrankungen 2017
⊗ kein Urlaub bei Beschäftigungsverbot
⊗ Veröffentlichung von betrieblichen Vereinbarungen
Grippe und respiratorischen Erkrankungen 2017 |
Urlaub bei Beschäftigungsverbot |
1. Ein tätigkeitsbezogenes generelles Beschäftigungsverbot nach § 4 MuSchG verhindert den zur Erfüllung des Urlaubsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB erforderlichen Leistungserfolg auch dann, wenn der Urlaubszeitraum bereits vor Eintritt des Beschäftigungsverbots festgelegt war und der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin keine zumutbare Ersatztätigkeit zugewiesen hat.
2. § 17 Satz 2 MuSchG regelt die Unvereinbarkeit von Urlaub und einer (vollständigen) Arbeitsbefreiung infolge mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote mit der Folge, dass das Risiko der Leistungsstörung durch ein in den festgelegten Urlaubszeitraum fallendes Beschäftigungsverbot dem Arbeitgeber zugewiesen wird.
⇒
BAG Urteil 09.08.2016 – 9 AZR 575/15
Aus der Begründung: Der Erfüllung des Urlaubsanspruchs steht entgegen, dass für die Klägerin infolge des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 MuSchG iVm. § 4 Abs. 1 Satz 1 MuSchArbV keine Arbeitspflicht bestand.
MuSchG § 17 Erholungsurlaub Für den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub und dessen Dauer gelten die Ausfallzeiten wegen mutterschutzrechtlicher Beschäftigungsverbote als Beschäftigungszeiten. Hat die Frau ihren Urlaub vor Beginn der Beschäftigungsverbote nicht oder nicht vollständig erhalten, so kann sie nach Ablauf der Fristen den Resturlaub im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr beanspruchen. |
Veröffentlichung von betrieblichen Vereinbarungen |
Während der Schichtplan-Fibel-Tagung vom 19.-21.12.1016 im Bunten Haus wurde gebeten, Rechtsentscheidungen zum öffentlichen Charakter von Betriebs- und Dienstvereinbarungen zusammenzustellen. Kann sich der Chef auf sein Copyright berufen?
Zweiseitige Vereinbarung mit binnen-Wirkung auf die Beschäftigten
Das BetrVG regelt in § 77: »Betriebsvereinbarungen sind von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam zu beschließen und schriftlich niederzulegen. […] Der Arbeitgeber hat die Betriebsvereinbarungen an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen. […] Betriebsvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend.«
Das BPersVG regelt in § 73, Dienstvereinbarungen »sind in geeigneter Weise bekannt zu machen.«
Das MVG regelt in § 36 – »(2) Dienstvereinbarungen sind schriftlich niederzulegen, von beiden Partnern zu unterzeichnen und in geeigneter Weise bekannt zu geben.
(3) Dienstvereinbarungen gelten unmittelbar und können im Einzelfall nicht abbedungen werden.«
Die MAVO regelt in § 38 – »Dienstvereinbarungen gelten unmittelbar und zwingend. Werden Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern durch die Dienstvereinbarung Rechte eingeräumt, so ist ein Verzicht auf sie nur mit Zustimmung der Mitarbeitervertretung zulässig […] und in geeigneter Weise bekannt zu machen.«
➱ Bei der Betriebsvereinbarung über das betriebliche Eingliederungsmanagement handelt es sich nämlich nicht um geheimhaltungsbedürftige Informationen der Beklagten. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind Tatsachen, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehen, nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers geheim zu halten sind (BAG 16.03.1982 – 3 AZR 83/79 – AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 1; BAG 15.12.1987 – 3 AZR 474/86 – AP BGB § 611 Betriebsgeheimnis Nr. 5; BAG 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 – AP BetrVG 1972 § 103 Nr. 58, Rn. 23 m.w.N.). Eine Betriebsvereinbarung fällt grundsätzlich nicht unter ein derartiges Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis. Dies ergibt sich schon daraus, dass sie nach § 77 Abs. 2 Satz 3 BetrVG an geeigneter Stelle im Betrieb auszulegen sind. Die Pflicht zur Bekanntmachung einer Betriebsvereinbarung dient dazu, alle Arbeitnehmer des Betriebes in die Lage zu versetzen, sich ohne besondere Umstände mit dem Inhalt vertraut zu machen. Ein notwendiges Geheimhaltungsinteresse der Beklagten bestand danach schon nicht. Der Inhalt der Betriebsvereinbarung über das betriebliche Eingliederungsmanagement ist von der Beklagten auch nicht ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden.
⇒
LAG Hamm Beschluss vom 30.09.2011 – 10 Sa 471/11 (Absatz 124)
➱ Durch die Aushänge an den Schwarzen Brettern [hat die Arbeitgeberin] deutlich gemacht, dass sie kein Interesse daran hat, dass die Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch betriebsfremde Dritte ausgeschlossen wird. Denn durch diese Form der Weitergabe besteht die Möglichkeit, dass die Informationen beliebigen Dritten zugänglich werden.
Die Arbeitgeberin hätte deshalb im Einzelnen vortragen müssen, welche betriebsinternen Informationen Herr Michels durch seine Vorgehensweise an Dritte weitergegeben haben soll, bei denen sie ein schutzwürdiges Interesse hat, dass sie betriebsintern bleiben. Betriebsvereinbarungen generell zählen nicht dazu. Auch in den von der Arbeitgeberin angeführten Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Hessen, 9 TaBV 190/03 und des Arbeitsgerichts Paderborn, 1 BV 35/97 ging es um die Veröffentlichung von betriebsinternen bzw. betriebsratsinternen Vorgängen. Betriebsvereinbarungen dürften jedoch in aller Regel keine derartigen Informationen enthalten.
⇒
ArbG Essen Beschluss 21.08.2013 – 4 BV 41/13
Ergebnis:
Betriebs- wie Dienstvereinbarungen sind aufgrund ihres betriebsöffentlichen Charakters nicht geheimhaltunsgbedürftig (kein enger Personenkreis). Sie sind nicht alleiniges geistiges Eigentum des Arbeitgebers. Er ist nicht – losgelöst von der anderen Vereinbarungspartei – alleiniger Urheber. Er kann sich daher nicht auf den Schutz des Urheberrechts berufen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Schlafwachen, Rufdienst / 17.11.2016
diesmal beschäftigen wir uns mit
⊗ Bereitschafstdienst oder Arbeitsbereitschaft (Schlafwachen)
⊗ Rufdienst
Schlafwachen |
Vor einigen Wochen erreichte die Schichtplan-Fibel ein Hilferuf:
»In meinen nächtlichen Bereitschaftsdiensten drücken die behinderten Bewohner ihre Notklingel, oder sie
schreien laut, weil sie in einen Streit geraten oder nur schlecht geträumt haben. Sehr häufig klopfen sie an
die Dienstzimmertür, weil sie über Sorgen sprechen wollen oder Schmerzen haben oder Konflikte mit ihren
Mitbewohnern. Oder, oder, oder ... Eigentlich ist es nachts genauso wie in den Tagschichten – der Arbeitgeber hält sich raus, und ich muss wissen, was ich wie zu tun habe. Doch in der Nacht verdiene ich dabei kaum fünf Euro die Stunde, also weniger als den gesetzlichen Mindestlohn. Die Mitarbeitervertretung hat das seit Jahren so hingenommen, obwohl die Kolleginnen sich wiederholt beschwerten. Kann ich meinem Arbeitgeber nun sagen, dass dies kein Bereitschaftsdienst ist? Liebe Grüße, Paul« |
Rufdienst: Inanspruchnahmen und Aufschlagsatz |
Inanspruchnahmen im Rufdienst: nicht im Referenzentgelt
»Das für Zeiten der tatsächlichen Inanspruchnahme während einer Rufbereitschaft zustehende Entgelt ist nicht in das Referenzentgelt gemäß § 21 TV-L einzubeziehen.«
⇒ BAG, Urteil 10.04.2013 – 5 AZR 97/12
Das nur mühsam nachvollziehbare Argument des 5. Senats des BAG war – bei dem Überstundenentgelt, mit dem Inanspruchnahmen in Rufbereitschaften vergütet werden, handele es sich um Entgelt für Überstunden. Und dies sei ausdrücklich in EntgFG § 4 Abs 2 ausgenommen, folgerichtig auch in TV-L § 21 von der Bemessung des tagesgleichen Aufschlagsatzes (Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Vorfesttagsfrei) .
Inanspruchnahmen im Rufdienst: doch im Referenzentgelt
Das Entgelt für die Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft war bei der Bemessungsgrundlage der Entgeltfortzahlung (§ 22 TV Ärzte VKA) zu Gunsten des klagenden Oberarztes zu berücksichtigen.
⇒ BAG, Urteil 20.09.2016 – 9 AZR 429/15
Der 9. Senat des BAG hat sich zunächst mit dem 5. Senat abgesprochen. Die neue Rechtsprechung wird nun Bestand haben.
Die Niederschriftserklärung zu § 22 TV-Ärzte / VKA lautet:
»Bereitschaftsdienst- und Rufbereitschaftsentgelte, einschließlich der Entgelte für Arbeit in der Rufbereitschaft, fallen unter die Regelung des § 22 Satz 2. Arbeitsvertraglich hierfür vereinbarte Pauschalen werden von Satz 1 erfasst.«
Im TVöD und seinen Nachfolgern gibt es eine solche Niederschriftserklärung nicht. Niederschriftserklärungen begründen selbst keine Rechte. Sie erläutern lediglich den Willen der tarifschließenden Parteien. Es fehlt jedoch jeder Hinweis, dass die Tarifparteien beim Abschluss des TVöD mit demselben Tarifvertrags-Wortlaut hier etwas anderes wollten, als im TV-L. Sie haben sich im TV-L und TV-Ärzte/VKA nur besser erklärt.
Der Tarifvertragstext (TVöD § 8 Abs. 3 Satz 4) stellt Vollzeitkräfte und Teilzeitkräfte gleich:
»Für die Arbeitsleistung innerhalb der Rufbereitschaft außerhalb des Aufenthaltsortes im Sinne des § 7 Abs. 4 wird die Zeit jeder einzelnen Inanspruchnahme einschließlich der hierfür erforderlichen Wegezeiten jeweils auf eine volle Stunde gerundet und mit dem Entgelt für Überstunden sowie mit etwaigen Zeitzuschlägen nach Absatz 1 bezahlt.«
Es handelt sich um einen Rechtsfolgenverweis. Auch für Inanspruchnahmen im Rufdienst, bei denen es sich ja nicht um Überstunden handelt, soll die Vergütung der Überstunden als Maßstab herangezogen werden.
Geltend machen und klären
Deshalb sollten Beschäftigte im TVöD, TV-L und in deren Nachfolger schriftlich geltend machen:
Bei der Bemessung der tagesgleichen Aufschlagsätze bei Entgeltfortzahlungstatbeständen in den zurückliegenden 8 Kalendermonaten wurde versäumt, die Inanspruchnahmen in meinen Rufdiensten einschließlich den Wegezeiten und die Stundenrundung zu berücksichtigen. Ebenfalls sind bei der Jahressonderzahlung im November 2016 die Vergütung der Inanspruchnahmen im Juli, August und September einzubeziehen. Ich mache dies hiermit geltend. |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überstunden Minusstunden Personalplanung / 13.10.2016
diesmal beschäftigen wir uns mit Gerichtsenscheidungen zu
⊗ Überstunden (Verpflichtung)
⊗ Überstunden (Beweislast)
⊗ Minusstunden (Probleme für Arbeitgeber).
⊗ Anspruch auf Unterlagen zur Personalplanung
Notfallmäßige Doppelschicht |
Ein Kollege wendet sich an die Schichtplan-Fibel:
»Unser Betriebsrat vertritt die Meinung, dass – wenn ein Kollege in der Pflege (TVöD-K) kurzfristig erkrankt und wir dadurch alleine im Dienst wären – wir die Station nicht verlassen dürfen, bis eine andere Pflegekraft uns ablöst. Dies würde dann bedeuten, dass – falls kein Ersatz für den ausgefallenen Kollegen gefunden wird – wir 16 Stunden am Stück arbeiten müssten.
Hat unser Betriebsrat mit seiner Auffassung recht? Oder können wir nach einer bestimmten Arbeitszeit die Station verlassen?«
Schichtplan-Fibel: Da liegt wohl einiges im Argen. Doch einzelne Beschäftigte können nicht ohne Weiteres die gesetzliche Interessenvertretung auf Spur bringen.
Unsere Antworten -
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss 18.12.2014 – 5 TaBV 7/14) hat anlässlich eines erfolglosen Kündigungsversuchs gegen eine Rettungssanitäter dazu ein paar klare Worte gefunden, an Deinen Betriebsrat und an Dich.
»Grundsätzlich ist ein Arbeitnehmer – selbst bei Ausblendung möglicher Beteiligungsrechte eines Betriebsrates – nur zur Arbeitsleistung während der arbeitsvertraglich vereinbarten Regelarbeitszeit verpflichtet.«
Du darfst also Deinen Betriebsrat fragen, ob der Chef, Du und er selbst seine Beteiligungsrechte (BetrVG § 87 Abs. 1 nr 3) unbekümmert ausblenden, oder ob die Zustimmung des Betriebsrates die Voraussetzung der Arbeitszeitverlängerung bleibt.
»Eine Pflicht zur Ableistung von Überstunden kommt dann in Betracht, wenn es hierzu eine auf das Arbeitsverhältnis anwendbare Vereinbarung gibt oder aber der Arbeitnehmer aus der Treuepflicht heraus zur Ableistung von Überstunden verpflichtet ist, wenn sich der Arbeitgeber in einer Notlage befindet, der anders nicht begegnet werden kann.«
Bei Dir prüfen wir TVöD § 6 Abs. 5 (Verpflichtung zur Leistung betrieblich begründeter Überarbeit; dann die angemessene Ankündigungsfrist) und ArbZG § 14 Abs. 2 nr. 2 (Öffnungen, falls in der Pflege dem Arbeitgeber keine Vorsorge zumutbar war).
'Not kennt kein Gebot'. Doch um sich auf so einen Ausnahmezustand berufen zu können, gibt es für den Arbeitgeber und seinen Betriebsrat weitere Hürden:
»4. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn ein Rettungssanitäter einen wichtigen privaten Termin eine halbe Stunde nach geplantem Schichtende vereinbart.
5. Wenn der Arbeitgeber im Rettungsdienst typischerweise mit Folgeaufträgen auch kurz vor Dienstende von Rettungssanitätern rechnen muss, dann ist dies der bekannte betriebliche Normalfall, auf den der Arbeitgeber mit entsprechender Organisation des Arbeitskräfteeinsatzes zu reagieren hat. Der Umstand, dass ständig ohne jedwede Planbarkeit Rettungseinsätze eingehen können, ist dem vom Arbeitgeber zu tragenden unternehmerischen Risiko zuzurechnen. Dieser bekannte fortlaufende Umstand ist nicht dadurch aufzulösen, dass die Arbeitnehmer sich eine gewisse Zeit nach ihrem Arbeitszeitende weiterhin für den Arbeitgeber einplanen müssen. Anderenfalls wäre diese Zeit nicht mehr als Freizeit zu werten.«
Möglicherweise gibt es in Eurem Krankenhaus gelegentlich mal eine Krankmeldung. Falls dies öfters vorkommt, wird sich der Arbeitgeber vernünftig auf diese Überraschung vorbereiten, ähnlich wie er sich auf Brände, Wasserschäden, Strom- oder Telefonausfall vorbereitet. Du darfst Dich daher auf Dein pünktliches Schichtende verlassen, musst allerdings im – echten – Ausnahmefall helfen, die Patienten noch schnell – wie für solche Fälle geregelt – auf die besetzten Nachbarstationen zu verteilen. Oder Du darfst die PDL anrufen, die sich für solche Fälle in weiß umkleidet und ablöst.
Beweislast bei Überstunden |
Nicht einmal der Entgeltnachweis nützt
»Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass geleistete Überstunden angeordnet, gebilligt, geduldet oder jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich waren, trägt der Arbeitnehmer als derjenige, der den Anspruch erhebt. Dabei gelten folgende Grundsätze:
Für eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden muss der Arbeitnehmer vortragen, wer wann auf welche Weise wie viele Überstunden angeordnet hat. Dazu fehlt es an substantiiertem Sachvortrag, wenn pauschal und stereotyp wiederholt behauptet wird, eine dem Arbeitgeber zuzurechnende Person habe 'die Überstunden angeordnet' (BAG v. 10.04.2013 – 5 AZR 122/12, Rz. 13 ff.). […]
Die Klage kann auch nicht insoweit Erfolg haben, als auf die unstreitig bar gezahlten 1.000,00 EUR Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge entfallen. Zwar sind in der von dem Beklagten mit der Berufungserwiderung als Anlage B 1 zur Akte gereichten 'Lohn- und Gehaltsabrechnung 12.2014' unter der Lohnart '250' Überstunden aufgeführt, denen ein Bruttobetrag von 1.543,50 EUR zugewiesen wird. Aber auch daraus kann weder auf Anordnung und Leistung einer bestimmten Anzahl von Überstunden, noch unabhängig davon auf einen zusätzlichen Vergütungsanspruch für Dezember 2014 in Höhe von 1.543,50 EUR brutto geschlossen werden. Die Lohnabrechnung stellt mangels erforderlicher Schriftform kein abstraktes Schuldanerkenntnis i. S. v. § 781 BGB dar. Auch die Bedeutung eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses kommt der Lohnabrechnung regelmäßig nicht zu (BAG v. 27.02.2014 – 6 AZR 931/12, Rz. 41).«
⇒ LAG Berlin-Brandenburg, Urteil 28.04.2016 – 5 Sa 79/16
Tipp: Der Dienstplan dokumentiert u.a. gemäß ArbZG § 16 die geleistete Arbeitszeit, ihm kommt da ein besserer Beweiswert zu.
Beweislast bei Minusstunden |
Nicht einmal der Entgeltnachweis schadet
»Der Beklagte hat offensichtlich die Vorstellung, dass ein vom ihm im Rahmen der Lohnabrechnung mitgeteilter Saldo des Stundenkontos vom Kläger anerkannt wird, wenn dieser nicht ausdrücklich dagegen protestiert. Es mangelt jedoch an einer Rechtsgrundlage für die Annahme einer solchen Anerkennungswirkung. Zudem könnte man dem Anerkennungsgedanken allenfalls dann nähertreten, wenn der Beklagte im Rahmen der Lohnabrechnung nicht nur einen Saldo mitgeteilt hätte, sondern auch die einzelnen Buchungsvorgänge im Plus und im Minus mitgeteilt hätte, damit der Arbeitnehmer überhaupt nachvollziehen kann, durch welche Ereignisse sich der Saldo in welcher Weise vom jeweiligen Stand des Vormonats zum aktuellen Stand entwickelt hat.«
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil 13.10.2015 – 2 Sa 113/15
Monatsvergütung trotz Minusstunden |
Minusstunden sind nicht einfach in Entgeltvorschuss umzudeuten
»Die Vereinbarung der Parteien zur Führung des Stundenkontos sind schon nach § 307 BGB unwirksam, da die zwischen den Parteien getroffenen Zusatzvereinbarungen nicht 'klar und verständlich' im Sinne des § 307 Absatz 1 BGB sind. So ist unklar und im Einzelnen unverständlich, welche Zeiten gemäß Ziffer 2 der getroffenen Vereinbarungen auf welche Weise im Arbeitszeitkonto berücksichtigt werden sollen und welche nicht. Es ist nicht erkennbar, was der Beklagte mit 'Garantiezeiten' und mit 'Fehlzeiten' meint. Hinsichtlich der Fehlzeiten erfolgt keine Differenzierung, ob es sich um berechtigte oder unberechtigte Fehlzeiten handelt und ob diese aus Gründen in der Sphäre des Klägers oder des Beklagten vorlagen. Ebenso wenig ist erkennbar, was der Beklagte unter 'Mehrarbeit' versteht, nachdem sich in der Vereinbarung selbst die Definition befindet, wonach 'Überstunden' diejenigen Arbeitszeiten sind, die über die Regelarbeitszeit hinausgehen. Schließlich wird bei 'Krankheitstagen' nicht danach differenziert, ob dies solche sind, die innerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums liegen oder außerhalb. Auch ist nicht erkennbar, wie und unter welchen Umständen es zu einem 'Freizeitausgleich' kommen soll (so schon Arbeitsgericht Stralsund 29. April 2014 – 1 Ca 524/12 – und LAG Mecklenburg-Vorpommern 19. Februar 2015 – 5 Sa 138/14 – aaO.). […]
Um es noch einmal deutlich zu formulieren: Selbstverständlich ist es ohne Verstoß gegen § 615 BGB auch im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung möglich, ein Stundenkonto zu führen, soweit dieses nur dazu dient, über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleistete Stunden des Arbeitnehmers und gegebenenfalls deren Abbau durch bezahlte Freizeitgewährung zu protokollieren. Ein solches Konto – das man üblicherweise mit dem Begriff des Überstundenkontos verbindet – kann aber denknotwendig nur im Plus geführt werden. Die Vorstellung eines 'Minus auf dem Überstundenkonto' ist ebenso absurd wie die Vorstellung eines 'Überstundensaldos im Minus'.«
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil 13.10.2015 – 2 Sa 113/15
Personalplanung in der Psychiatrie |
Kleine Mitbestimmung für Betriebsräte
Der Betreiber eines psychiatrischen Krankenhauses ist verpflichtet , den bei ihm gebildeten Betriebsrat anhand von Unterlagen über den aufgrund der sogenannten Psychiatrie Personalverordnung (Psych PV) ermittelten Personalbedarf für Ärzte, Krankenpflegepersonal und sonstiges therapeutisches Fachpersonal zu informieren.
1. Gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat alle Tatsachen bekannt geben, die er zur Grundlage seiner jeweiligen Personalplanung machen will. Der Betriebsrat soll sich vergewissern können, ob die vom Arbeitgeber zur Personalplanung gemachten Angaben auch tatsächlich zutreffen (vgl. BAG 19.06.1984 – 1 ABR 6/83).
2. Die Verwirklichung des Vorschlagsrechts gemäß § 92 Abs. 2 BetrVG setzt eine umfassendere Unterrichtung des Betriebsrats als nach § 92 Abs. 1 BetrVG voraus. Dem Betriebsrat sind hierzu nach § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG auf Verlangen die erforderlichen Unterlagen schon dann zur Verfügung zu stellen, wenn erst ihre Prüfung ergeben kann, ob der Betriebsrat aus eigener Initiative zur Erfüllung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben tätig werden soll oder kann, sofern nur wahrscheinlich ist, dass die geforderten Unterlagen eine solche Überprüfung überhaupt erst ermöglichen.
⇒ LAG Niedersachsen. Beschluss 01.06.2016 – 13 TaBV 13/15; Anlage 1 zur Bundespflegesatzverordnung, BetrVG §§ 80, 90, 92
Tipp: Informationen zum Unternehmen werden dann zum Tabu, wenn sie uns nützen können. Wir wollen ihre Herausgabe erzwingen. Dazu müssen wir nachweisen, dass es solche Unterlagen gibt; denn das Unternehmen braucht für uns keine gesonderten anfertigen. Die Verordnungen zur Krankenhausfinanzierung beschreiben für uns wertvolle Dokumentationspflichten der Unternehmen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD-K 2016 PDF Arbeitsgesetze / 06.09.2016
diesmal und eher zwischendurch beschäftigen wir uns mit unserem
⊗ TVöD-K 2016 Digital,
denn kaum hatte ich mich urlaubsbedingt Richtung Süd-Osten aufgemacht, kam die Nachricht: »Die aktuelle Fassung wurde ins Internet eingestellt.« Wir ergänzen um
⊗ Tipps für Deine Praxis mit PDF
für deren weiteren Einsatz. Obendrein gibt es
⊗ Arbeitsgesetze digital.
TVöD-K Digital 2016 |
Tipps für Deine Praxis mit PDF |
Die Tariffassungen als pdf-Datei bringen zusätzliche Funktionen mit sich -
* Einsatz derselben Fassung Plattform-übergreifend – auf dem Smartphone, Laptop oder am Arbeitsplatz
* Suchen im Tariftext
* Lesezeichen setzen
* mit einem Klick auf in Bezug geommene Tarifregelungen (Querverweise) den Text entschlüsseln
* Markierungen setzen (farbig, unterstreichen)
* eigene Anmerkungen erfassen und Anhänge speichern
Auf dem PC oder Notebook unterstützen die Betrachtungs-Programme das Zurück-und Vorwärtsspringen (Querverweise) über Tastenkombinationen –
Arbeitsgesetze digital |
Bei den Tests entstand eher nebenbei auch eine Sammlung der wichtigsten -
⊗ ⇒Arbeitsgesetze.
Die enthält gliedernde Lesezeichen, Markierungen und Anmerkungen. Wir werden sie bei Seminaren einsetzen, als Hilfe zumindest für diejenigen, die nicht wie dringend angeraten ihre persönliche Sammlung mit im Gepäck haben.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Urlaub – Mitbestimmung – TVöD-2014 / 29.07.2016
TVöD-K Digital 2014 |
Erworbenen Urlaubsanspruch schützen! |
Wechsel in die Teilzeit
»Das einschlägige Unionsrecht, insbesondere Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Paragraf 4 Nr. 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung, ist dahin auszulegen, dass
es nationalen Bestimmungen oder Gepflogenheiten wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, nach denen die Zahl der Tage bezahlten Jahresurlaubs, die ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer im Bezugszeitraum nicht in Anspruch nehmen konnte, wegen des Übergangs dieses Arbeitnehmers zu einer Teilzeitbeschäftigung entsprechend dem Verhältnis gekürzt wird, in dem die von ihm vor diesem Übergang geleistete Zahl der wöchentlichen Arbeitstage zu der danach geleisteten Zahl steht.«
⇒ EuGH, Beschluss 13.06.2013 – C-415/12)
Diese Rechtsprechung wurde kaum zwei Jahre später ins deutsche Richterrecht aufgenommen:
»Die Regelung in § 26 Absatz 1 Satz 4 TVöD 2010, derzufolge sich der Urlaubsanspruch bei einer anderen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit als auf fünf Tage in der Woche entsprechend erhöht oder vermindert, ist wegen Verstoßes gegen § 4 Absatz 1 TzBfG gemäß § 134 BGB unwirksam, soweit sie die Anzahl der während einer Vollzeitbeschäftigung erworbenen Urlaubstage mindert.«
⇒ BAG, Urteil 10.02.2015 – 9 AZR 53/14
Aufstockung der Teilzeit
»Paragraf 4 Nr. 2 der am 6. Juni 1997 geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit im Anhang der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit in der durch die Richtlinie 98/23/EG des Rates vom 7. April 1998 geänderten Fassung und Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass
im Fall einer Erhöhung der von einem Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden die Mitgliedsstaaten nicht verpflichtet sind, vorzusehen, dass die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub, der bereits erworben war und eventuell in Anspruch genommen wurde, nach dem neuen Arbeitsrhythmus dieses Arbeitnehmers rückwirkend nachberechnet werden müssen. Eine Nachberechnung ist jedoch für den Zeitraum vorzunehmen, in dem sich die Arbeitszeit des Arbeitnehmers erhöht hat.«
⇒ EuGH, Urteil 11.11.2015 – C 219/14;
Dies ist so noch nicht in die Rechtsprechung des BAG eingegangen. Unsere tariflichen und einzelvertraglichen Regeln können hier besserstellen, indem sie die Umrechnung erworbener Ansprüche aufgrund der erhöhten Zeitschuld vorschreiben. Doch manche Arbeitgeber werden bald einwenden, es handele sich dabei lediglich um eine erläuternde (deklaratorische) Wiederholung der vermeintlichen Gesetzeslage.
Handlungsbedarfe
Zunächst fordert die gesetzliche Interessenvertretung auf, alle, die ihre individuell vereinbarte regelmäßige Wochenarbeitszeit (ivrAZ) ändern, mögen sich zur Unterstützung bei der Umrechnung ihrer Urlaubsansprüche zum Beratungsgespräch melden. In der Beratung richten wir unseren Augenmerk auf Urlaubstage, die Zeitpunkt der Arbeitszeitänderung erworben aber noch nicht gewährt sind (Resturlaub). Diese rechnen wir in Stunden um.
Entsteht in der verteilten neuen Arbeitszeit eine Lücke? Bleiben Ansprüche strittig? Dann raten wir dazu, den gesamten Urlaubsanspruch durch Urlaubsanträge noch im selben Jahr einzufordern. Abgelehnte Urlaubsanträge können dann im Zuge der Mitbestimmung kollektivrechtlich bearbeitet werden (BetrVG § 87 Abs 1 nr 5, MVG § 40 d und § 42 k, BPersVG § 75 Abs. 3 nr 3; MAVO § 36 Abs. 1 nr 2).
Mitbestimmungsrechte bei der Dienstplangestaltung |
Der Fall:
Ein Betriebsrat in einer Reha-Klink widerspricht den vorgelegten Dienstplänen. Er wünscht Einsichtnahme in das sogenannte Wunschbuch, in das Beschäftigte eigene Wünsche für die Dienstplangestaltung eintragen können. Außerdem verlangt der Betriebsrat, dass ihm »die bei der Dienstplanung aus Arbeitgebersicht zu beachtenden betrieblichen Notwendigkeiten« mitgeteilt werden. Der Arbeitgeber setzt die Pläne um. Der Betriebsrat erstreitet erfolgreich eine Unterlaßungsverfügung gegen eine solche Durchführung von nicht ausdrücklich mitbestimmten Dienstplänen.
Die Entscheidungsbegründung
[Arbeitzeiten ohne ausdrückliche Zustimmung verletzen die Mitbestimungsrechte]
§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG verlangt eine durch Beschluss des Gremiums herbeigeführte Zustimmung des Betriebsrats zu jedem Dienstplan, mit dem der Arbeitgeber die Arbeitszeit der davon betroffenen Arbeitnehmer verbindlich festlegen will; davon kann allenfalls im Rahmen einer Betriebsvereinbarung, in der Grundsätze der Dienstplanung geregelt sind, in engen Grenzen abgewichen werden. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, dem Betriebsrat eine Frist zur Zustimmung zu setzen, bei deren Verstreichen er von einer Zustimmungsfiktion ausgeht. Aus dem bloßen unterlassen einer Äußerung des Betriebsrats zu dem Dienstplanentwurf kann nicht auf eine (konkludente) Zustimmung geschloßen werden.
[Betriebsöffentliche Planentwürfe? Ja!]
»Auszugehen ist von dem Umstand, dass die Dienstplanung in den einzelnen Bereichen im Idealfall möglichst unter Einbeziehung aller betroffenen Beschäftigten zu erfolgen hat. Soweit die betrieblichen Notwendigkeiten Spielräume für die Berücksichtigung privater Wünsche der Beschäftigten lassen, hat jeder und jede betroffene Beschäftigte ein gleiches Anrecht darauf, dass ihre privaten Freizeitinteressen bei der Dienstplanung berücksichtigt werden. um diese Interessen überhaupt berücksichtigen zu können, ist eine möglichst frühzeitige Kommunikation der Dienstplanung in der Belegschaft notwendig und hilfreich. Eine transparente und betriebsöffentliche Planung der Dienste ist auch geeignet, sonstige Planungsmängel frühzeitig erkennen und ausbügeln zu können. Insoweit kann das Gericht nicht ein einziges legitimes Interesse des Betriebsrats erkennen, die zukünftigen Dienstpläne im Vorplanungsstadium den davon später Betroffenen vorzuenthalten.
Insbesondere dann, wenn diese Pläne beim Aushang durch die Bezeichnung als 'Entwurf' oder durch die Zufügung der Bezeichnung 'noch nicht vom Betriebsrat bewilligt' als nicht endgültig und damit als unverbindlich gekennzeichnet sind, können in der Belegschaft durch diese offene Kommunikation auch keine falschen Erwartungen geweckt werden. Wenn der Betriebsrat dann im Einzelfall nach Verabschiedung und Veröffentlichung des mitbestimmten Dienstplans wegen von ihm durchgesetzter Änderungen in Rechtfertigungsdruck gelangen sollte, wäre auch das nicht zu beanstanden. Es gehört zum Geschäft der gelebten Mitbestimmung dazu, dass der Betriebsrat auch außerhalb der Wahlen dazu gezwungen wird, sich für einen Standpunkt in der Sache vor der Belegschaft rechtfertigen zu müssen. Gerade in Fragen der Dienstplanung wird der Betriebsrat gelegentlich Standpunkte einnehmen müssen, die einzelnen Beschäftigten missfallen. Daraus entstehende Konflikte muss der Betriebsrat als Chance begreifen, für die sachliche Rechtfertigung der von ihm verfolgten kollektiven Interesse in der Belegschaft werben zu können.«
[Doch: Dulden heisst anordnen]
»Soweit die beteiligte Arbeitgeberin versuchen sollte, durch den Aushang der streitigen Dienstplanentwürfe das Arbeitszeitverhalten der Beschäftigten zu beeinflussen, sozusagen in der Hoffnung, dass alle Betroffenen entsprechend dem Entwurf arbeiten, würde die Arbeitgeberin gegen die vom Arbeitsgericht erlassene und vom Beschwerdegericht klargestellte Unterlassungsverfügung verstoßen. Denn Arbeitszeiten können auch dadurch angewiesen werden, dass die Arbeitgeberin in der Erwartung oder gar in der Gewissheit, dass sich die Betroffenen entsprechend verhalten, lediglich unverbindliche Entwürfe der Dienstplanung so aushängt, wie das bisher für die verbindlichen Dienstpläne üblich war. Eine Arbeitgeberanweisung in Ausübung seines Direktionsrechts ist beispielsweise auch dann verbindlich, wenn sie als freundliche Bitte kommuniziert wird. […]
In diesem Sinne kann auch der Aushang eines Dienstplanentwurfs je nach den Umständen des Einzelfalles als eine verbindliche Arbeitszeitregelung auszulegen sein, etwa dann, wenn er in einer Art und Weise ausgehängt wird, wie das im Betrieb bisher für den Aushang der verbindlichen Dienstpläne üblich war und beispielsweise auch im weiteren Vorlauf zu der Geltungszeit des Dienstplans dann auch kein verbindlicher Dienstplan mehr nachgeschoben wird. Läge ein solcher Fall vor, könnte dies – ohne dass das Beschwerdegericht einer eigenständigen Bewertung des Sachverhalts durch das Arbeitsgericht im Rahmen der Vollstreckung vorgreifen möchte – als Verstoß gegen die vorliegende Unterlassungsverfügung zu bewerten sein.«
⇒ LAG Mecklenburg-Vorpommern Beschluß ⇒ 10.11.2015 – 2 TaBVGa 5/15
Lehren für die Praxis
Die Interessenvertretung sollte unterstützen, dass die Absichten und Pläne des Arbeitgebers frühzeitig und für alle Betroffenen zugänglich ausgehängt werden. Sie besteht darauf, dass der Arbeitgeber den Plan als unverbindlich kennzeichnet und von der späteren Anordnung eindeutig absetzt. Sie darf bei der Vorlage der Pläne zur Mitbestimmung zusätzlich unter anderem die Vorlage der Wunschbücher und Mindestbesetzungen (betriebliche Notwendigkeiten) verlangen; wir denken ebenso an einzelvertragliche Abreden und dem Arbeitgeber bekannte Behinderungen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mindestlohn – Umkleidezeit / 09.06.2016
Arbeitsrichter entscheiden, was ihnen zur Beurteilung vorgelegt wird. Manchmal wäre es besser, wir würden das im Betrieb gleich befriedigend regeln – über den Tarifvertrags, den Arbeitsvertrag oder die betriebliche Vereinbarung. Dies gilt für Bereitschaftsdienst genauso wie für den Gesundheitsschutz durch Umkleiden.
Bereitschaftsdienst und Mindestlohn |
»Zeitstunde« meint stundendurchschnittlich?
1. Bereitschaftsdienste unterfallen § 1 MiLoG.
2. Für die Einhaltung des Mindestlohns kommt es auf die im Abrechnungszeitraum nach § 2 Abs. 1 MiLoG gezahlte Vergütung sowie die geleisteten Stunden an. Werden in einem Monat sowohl Vollarbeit als auch Bereitschaftsdienste erbracht, muss im Monatsdurchschnitt der Mindestlohn pro Stunde erreicht werden. Unerheblich ist dabei, ob ein Tarifvertrag für den Bereitschaftsdienst eine Stundenvergütung vorsieht, die für sich gesehen die Grenze des § 1 Abs. 2 MiLoG nicht erreicht.
⇒ ArbG Hamburg, Urteil 02.03.2016 – 27 Ca 443/15 (Leitsätze)
Revison beim LAG Hamburg eingelegt – 4 Sa 27/16
Der Fall
Ein Heilerziehungspfleger in Teilzeit mit 77,49 % einer Vollzeitkraft, auf dessen Arbeitsverhältnis der Kirchliche Tarifvertrag Diakonie (KTD) angewandt wird. Der KTD differenziert – anders als z.B. der TVöD – nicht zwischen Bereitschaftsdienst und Bereitschaftszeit (Arbeitsbereitschaft). KTD § 11 Abs. 3 definiert: Bereitschaftsdienst ist die Verpflichtung der Arbeitnehmerin auch außerhalb der Jahres-Soll-Arbeitszeit an einer vom Anstellungsträger festgelegten Stelle innerhalb oder außerhalb des Betriebes sich aufzuhalten, um ihre Arbeitstätigkeit aufnehmen zu können, falls dies erforderlich sein sollte.
[Die Urteilsbegründung verwendet etwas verwirrend den Begriff »Bereitschaftszeit« für die inaktive Arbeitszeit während eines Bereitschaftsdienstes.]
Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst?
Aus der Urteilsbegründung: Der Kläger kann seinen Anspruch nicht darauf stützen, dass er Arbeitsbereitschaft leistet und diese nach dem KTD wie Vollarbeit zu vergüten sei. Bei der Tätigkeit des Klägers handelt es sich im arbeitsrechtlichen Sinne nicht um Arbeitsbereitschaft, sondern Bereitschaftsdienst. Um eine Vergütung für Arbeitsbereitschaft geltend zu machen, müsste der Kläger darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass seine Tätigkeit Arbeitsbereitschaft und nicht Bereitschaftsdienst darstellte. Unter Arbeitsbereitschaft sind 'Zeiten wacher Achtsamkeit im Zustande der Entspannung' zu verstehen (BAG v. 30.01.1996 – 3 AZR 1030/94 -, Rn. 16, juris mwN). Bei der Arbeitsbereitschaft hat der Arbeitnehmer von sich aus tätig zu werden, beim Bereitschaftsdienst 'auf Anforderung' (BAG v. 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12 -, Rn. 16, juris mwN). […]
[Die beklagte Arbeitergeberin trägt vor:] Der Kläger müsse nachts keine Rundgänge machen, sondern werde im Bedarfsfall durch die Bewohner geweckt. Seine Behauptung, er müsse von sich aus tätig werden, hat der Kläger hingegen nicht substantiiert.
Zeitstunde oder Stundendurchschnitt?
Aus der Urteilsbegründung: Für die Anwendung des MiLoG kann es nicht maßgeblich sein, welche Arbeitsleistung erbracht wird, solange diese im Rahmen einer vertraglich geregelten Austauschbeziehung erbracht wird. Entsprechend ist das BAG zu dem Ergebnis gekommen, dass Bereitschaftsdienste dem Mindestlohn der Pflegebranche unterfallen und grundsätzlich geringer vergütet werden können als Vollarbeit, jedoch nur soweit eine gesonderte Vergütungsregelung besteht (BAG v. 19.11.2014 – 5 AZR 1101/12 -, Rn. 16, juris). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung hat der Gesetzgeber erst mit der 'Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche' vom 27.11.2014 geschaffen. Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält das MiLoG hingegen nicht, sodass kein Unterschied zu machen ist, ob Vollarbeit oder aber Bereitschaftsdienst zu vergüten ist. […]
Obwohl auf das Entgelt für die Zeitstunde abgestellt wird, ist das Ziel des Gesetzes, dass ein auf die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zugeschnittenes pauschaliertes Existenzminimum als Monatseinkommen erreicht wird. Hierfür ist es aber unerheblich, ob einzelne Arbeitsstunden mit weniger als € 8,50 brutto vergütet werden, solange im (Monats-)Durchschnitt dieser Mindeststundenlohn erreicht wird.
Konsequenzen
Strittig ist hier: Handelt es sich um Bereitschaftsdienst, nicht vielmehr doch um Bereitschaftszeit im Sinne TVöD § 9 oder um Arbeitsbereitschaft im Sinne des BAG? Folgt man der Rechtsauffassung der Hamburger Arbeitsrichter, werden zukünft viele Arbeitsbereitschaften in Bereitschaftsdienst umgedeutet.
• Ob an der Pfortenschranke oder im Rettungsdienst – die/der Beschäftigte wird stets auf eine Anforderung hin tätig. Zwar nicht auf Aufforderung des Arbeitgebers, aber auch nicht 'von sich aus', sondern auf Anforderung von Besuchern und Klienten.
• Bis zum fordernden Impuls handelt es sich nicht um einen zwingend 'wachen Zustand'. Doch stellt die unmittelbare räumliche Verfügbarkeit bereits den Radius eines DECT-Telefon – in Gebäuden bis 30 Metern, auf dem Betriebsgelände bis zu 200 Metern – in Frage.
• Die Beschäftigten – nicht der Arbeitgeber – untersuchen dann selbst und recht wach, ob es Handlungsbedarf gibt.
Die Bundesarbeitsrichter werden wohl am 29. Juni 2016 entscheiden, ob Bereitschaftszeiten mit dem Mindestlohn zu vergüten sind (Az: 5 AZR 716/15). Es geht um Bereitschaftszeit im Rettungsdienst und in Leitstellen (Abschnitt B des Anhangs zu § 9 TVöD-V: 'Bereitschaftszeiten werden innerhalb von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit nicht gesondert ausgewiesen.'). Es handelt sich hier jedoch nicht etwa um Bereitschaftsdienst (TVöD § 7 Abs. 3),
Beurteilt wird dabei, ob solche Bereitschaftszeiten vergütungspflichtige Arbeitszeiten im Sinne des Mindestlohngesetzes sind und ob hier eine auf den Monatsdurchschnitt bezogene Betrachtung zur Ermittlung der Vergütungshöhe zulässig ist.
Wir überlassen solche Entscheidungen besser nicht den Arbeitsrichtern! In betrieblichen Vereinbarungen kann neben dem Aufenthaltsort auch die Arbeitsaufgabe im Bereitschaftsdienst genauer umrissen werden. Zum Beispiel so:
• Für die Zeit des Bereitschaftsdienstes bestimmt der Arbeitgeber / Dienstgeber, dass die Beschäftigten zunächst ihren Aufenthaltsort beschränkt auf das Betriebsgelände bis hin zu ..... frei wählen können. Hierzu gehören unter anderem die Cafeteria, die verschiedenen Bereitschaftsdienstzimmer bzw. die persönlich zugewiesenen Dienstzimmer und die dafür ausgewiesenen Rauchzonen außerhalb der Betriebsgebäude. • Die Beschäftigten stellen dabei durch ein betriebliches DECT-Telefon ihre Erreichbarkeit auch in den gesetzlichen Pausen und bei Toilettengängen sicher, um so auf Abruf der Arbeitgeberin oder von ihr beauftragten Beschäftigten im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. |
Umkleidezeit, Vergütungspflicht |
Umkleidezeiten sowie der anschließende Weg zum Arbeitsplatz sind vergütungspflichtige Arbeitszeit auch ohne ausdrückliche oder konkludente Weisung des Arbeitgeber, dass das Umkleiden am Arbeitsplatz erfolgen muss, wenn die vom Arbeitnehmer zu tragende Schutzkleidung so auffällig ist, dass es dem Arbeitnehmer nicht zumutbar ist, in dieser Kleidung den Weg von der Arbeit zu seiner Wohnung zurückzulegen.
Das Gleiche gilt, wenn das Tragen der Schutzkleidung auf dem Weg zur Wohnung wegen starker Verschmutzung für Arbeitnehmer und Passanten unzumutbar ist.
⇒ Hessisches LAG 23.11.15 – 16 Sa 494/15; Revision anhängig unter 6 AZR 75/16
Konsequenzen
Eine aktivierte Interessenvertretung sorgt für Klarheit und Weisung. Denn ist die Kleidung unzumutbar verschmutzt, liegt eine Belastung im Sinne ArbSchG § 5 vor! In dieser Entscheidung rüttelt uns etwas anderes auf: Mit dem Umkleiden (zu Hause) beginnt und endet die Arbeitszeit ...
Höhepunkt im Jahr 2016: Schichtplan-Fibel aktuell |
||||
![]() |
Bereits vorgemerkt? Vom 19.-21.12.2016 treffen sich Aktivisten rund um das Arbeitszeit-Recht im Bunten Haus (Bielefeld). Aktuelle Themen: Amt und Arbeitszeit, Überstunden oder Mehrarbeit, Ausgleichszeiträume, Schlafwachen, Entlastung in Teilzeit, Besetzung einer Einigungsstelle und Auswahl deren Vorsitzenden, Mindestlohn ... ⇒165410 |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Rahmenplan – Billiges Ermessen / 25.05.2016
Arbeitsrichter entscheiden, was ihnen zur Beurteilung vorgelegt wird. Manchmal entscheiden sie klug, manchmal sogar für uns hilfreich. In anderen Fällen lesen wir ihre Begründungen etwas fassungslos.
Diesmal betrachten wir zwei solche Gutachten. Das eine Mal stellten BAG-Richter klar, wie gering die kollektivrechtliche Wirkung von Rahmendienstplänen ist. Das andere Mal stellt das LAG-Hamm die Rechtsauffassungen der Bundesarbeitsrichter bezüglich des 'billigen Ermessen' vom Kopf wieder auf die Füße.
Rahmenplan |
Keine Mitbestimmung bei unverbindlichen Grundlagen
Der vom Betriebsrat gewünschte Rahmendienstplan begründet kein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts unter II 1 c der Beschlussgründe wird der Rahmendienstplan zunächst einseitig vom Arbeitgeber erstellt. Erst durch ein anschließendes gemeinsames Handeln entstehen eine oder mehrere Betriebsvereinbarungen.
Das Arbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob dabei der Plan selbst als Rahmenbetriebsvereinbarung beschlossen wird oder ob er ein unverbindlicher Vorschlag bleibt, auf dessen Grundlage konkrete Dienstpläne als allein verbindliche Betriebsvereinbarungen beschlossen werden. Dies bedarf keiner näheren Aufklärung. In beiden Fällen liegt ein Rechtsverhältnis nicht vor.
Bleibt der Rahmendienstplan eine unverbindliche Planungsgrundlage, so stellen erst die aus ihm entwickelten konkreten Dienstpläne eine Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2, § 77 Abs. 4 BetrVG dar. Erst sie begründen deshalb ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten.
Wird der Rahmendienstplan selbst als Betriebsvereinbarung beschlossen, so begründet der bloße Entwurf des Arbeitgebers ebenfalls noch kein Rechtsverhältnis. Auf die Vorlage eines Entwurfs mit einem bestimmten Inhalt hat der Betriebsrat keinen Rechtsanspruch. Zur Durchsetzung eigener Vorstellungen steht ihm sein Initiativrecht zur Verfügung.
⇒ BAG Beschluss 18.02.2003 – 1 ABR 2/02
Konsequenzen
Zum einen lesen wir: In den Augen der Bundesarbeitsrichter sind Dienstpläne regelmäßig in der Form von Betriebsvereinbarungen abzuschließen. Durch eine bloße Zustimmung des Betriebsrates zu den Vorschlägen des Arbeitgbers entstände ja nur eine Regelungsabrede, mit geringerer Rechtswirkung.
Zu anderen lesen wir: Allgemeine Rahmendienstpläne werden meist nicht den Betroffenen gegenüber angeordnet. Sie binden den Arbeitgeber nicht, weil sie die Lage der Schichten nicht abschließend bestimmen. Wir zweifeln daher, ob sie zum Beispiel für Zeiträume mit Freistellungen von der Arbeitspflicht (Urlaub, Krankheit, Feiertage) eine Wirkung auf die Ansprüche von Beschäftigten oder des Betriebsrates entfalten können.
Billiges Ermessen |
Unbillig? Nicht verpflichtend!
Der Fall:
Alltagsfragen landen meist erst im Zuge sehr starker Konflikte im Gerichtssaal. Hier ging es um einen Streit, der vom Arbeitgeber durch eine unangenehme Versetzung an einen entfernteren Ort vorangetrieben wurde. Weder der Arbeitsvertrag noch tarifliche Regeln standen dem im Wege. Der Betriebsrat nahm hier in der Frist keine Stellung. Der Arbeitnehmer weigerte sich dennoch. So blieb dem Gericht zu prüfen, wie es sich mit GewO § 106 (Direktionsrecht) und BGB § 315 (billiges Ermessen) verhält. Musste der Arbeitnehmer der unbilligen Anweisung folgen, bis ein Arbeitsgericht dies gemäß BGB § 315 bestätigt hat und die unwirksame Anweisung ersetzt?
Leitsätze:
Eine nicht aus anderen Gründen rechtsunwirksame, lediglich unbillige Weisung des Arbeitgebers begründet nicht die Verpflichtung des Arbeitnehmers, ihr vorläufig bis zur Rechtskraft eines Gestaltungsurteils nach § 315 Abs.2 Satz 2 BGB Folge zu leisten. Der Arbeitgeber ist deshalb nicht berechtigt, wegen der Weigerung des Arbeitnehmers, der Weisung nachzukommen, eine Abmahnung auszusprechen, und ist verpflichtet, Annahmeverzugslohn zu leisten (entgegen BAG 22.02.2012 – 5 AZR 249/11).
Die Revision wurde zugelassen.
⇒ LAG Hamm Urteil 17.03.2016 – 17 Sa 1660/15 /
⇒Volltext
Aus der Begründung:
Es kann nicht von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer erwartet werden, die juristischen Unterschiede zwischen nichtigen Weisungen, die er nicht befolgen muss, und unverbindlichen Weisungen, die er zunächst bis zur gerichtlichen Entscheidung befolgen muss, zu kennen und im konkreten Fall auch zu erkennen.
Konsequenzen
Die 17. Kammer bringt sich über 330 Absätze und über 20 Seiten hinweg in Stellung gegen den 5. Senats des BAG. Denn dieser hat am Wortlaut und Sinn des BGB § 315 vorbei für Recht erkannt, dass unbillige Anweisungen zwar für den Verpflichteten unverbindlich seien, nicht zur Umsetzung fällig, aber eine Möglichkeit und darum zumindest zunächst insoweit noch wirksam und bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung zu befolgen.
Das LAG Hamm hat nun wohlüberlegt, gründlich und nachvollziehbar alle Schwachstellen dieser Auffassung bloßgelegt. Die unbillige Anweisung binde zwar den 'Leistungsbestimmer' (hier: Arbeitgeber). Doch erst die gerichtliche Entscheidung binde auch den Arbeitnehmer. Dieser sei lediglich dazu verpflichtet, sich in irgendeiner Form auf die Unbilligkeit zu berufen, wobei die Geltendmachung nicht im Klagewege erfolgen müsse und auch nicht an Fristen gebunden sei.
Folgerichtig wurde der Weg für eine Revision vor dem BAG eröffnet. Falls der Kläger und der beklagte Arbeitgeber sich nicht vergleichen, kann das BAG nun Rechtssicherheit und Klarheit herstellen.
Bis dahin gilt: Geht ein Arbeitnehmer das Risiko ein und verweigert die Durchführung einer Anweisung, die er für unbillig hält, so kann er sich vor Gericht zumindest darauf berufen, dass auch Richter des LAG Hamm keine Verpflichtung zum Gehorsam erkennen konnten.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Bereitschaftsdienst faktorisieren / 04.04.2016
Bereits die regelmäßige Arbeitzeit belastet. Sie belastet besonders, wenn sie zu ungewöhnlichen Zeiten geleistet werden muss. Heftig wird's für diejenigen, die nachts und an Wochenenden Bereitschaftsdienst zusätzlich leisten.
Das schreit nach Ausgleich durch Freizeit. Schlimm aber, wenn dabei 12 Stunden Arbeitszeit als Bereitschaftsdienst in den Ausgleich durch bloß 8 Stunden regelmäßige Arbeitszeit 'faktorisiert' werden. Unterm Strich mehr Arbeitszeit, aber nicht mehr Entgelt? Ein böser Zauber!
Ausgleich (Freizeit) für Bereitschaftsdienst |
Die quälenden Rechtshinweise:
Der 6. Senat entfernt sich weiter und weiter von der schönen Schichtplan-Fibel-Regel – »Freizeitausgleich in Zeile zwei stellt von geplanter Arbeitszeitszeit frei.« Der Arbeitgeber kann Freizeitausgleich für Bereitschaftsdienst allein durch Kürzung der regelmäßigen Zeitschuld im Zuge der Saldierung gewähren.
Diese Faktorisierung (Wandlung) stößt erst an eine Grenze, wenn das gesamte Tabellenentgelt samt Zulagen sich in bezahlten Freizeitausgleich verwandelt hat.
Die Regelung soll Arbeitsgeber davor schützen, sich durch von ihnen angeordneten Bereitschaftsdienste in einen Annahmeverzug bei der regelmäßigen Zeitschuld zu bringen.
Der Fall:
Arzt, AVR DD Anlage 8 Abschn. A Abs. 3 AVR. Strittig war, ob die bloße Verrechnung der Bereitschaftsdienststunden (zusätzliche Areitszeit) mit der wochendurchschnittlichen Zeitschuld (regemäßige Arbeitszeit) den zusätzlichen Vergütungsanspruch ersetzt.
Die Entscheidung:
»Im Ergebnis wird die geleistete Bereitschaftsdienstzeit auf die Sollarbeitszeit angerechnet und – falls nicht abweichende Regelungen bestehen – entsprechend vergütet. Der Mitarbeiter erhält bezahlte Freizeit statt arbeiten zu müssen (vgl. BAG 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09 – Rn. 12, BAGE 135, 179; Schlottfeldt/Kutscher NZA 2009, 697, 698). Die Leistung des Bereitschaftsdienstes tritt an die Stelle der an sich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit (Meinel Anm. AP TVG § 1 Tarifverträge: Arzt Nr. 14 zu 2.). Freizeitausgleich führt damit wesensimmanent zur Absenkung der Sollarbeitszeit. Er soll die Einhaltung der Regelarbeitszeit erleichtern, wenn der Dienstgeber Bereitschaftsdienst anordnet (vgl. BAG 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09 – Rn. 18, aaO). […]
Gemäß Anlage 8 Abschn. A Abs. 10 AVR sind für die Zeiten eines Freizeitausgleichs nur das Entgelt nach § 14 Abs. 1 AVR, also das Grundentgelt und der Kinderzuschlag, sowie die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen zu zahlen. Diese Bestimmung verdrängt als lex specialis die Regelung in Anlage 8 Abschn. A Abs. 4 AVR, wonach für Bereitschaftsdienststunden an sich das Überstundenentgelt zu zahlen ist. Die Kommission wollte dadurch offenkundig verhindern, dass sich das Entgelt auch dann erhöht, wenn Bereitschaftsdienst durch Freizeitausgleich abgegolten wird. Es soll nur das für das Erbringen der vertraglichen Sollarbeitszeit geschuldete Entgelt gezahlt werden. Dies bringt ihren Willen zum Ausdruck, Zeiten des Freizeitausgleichs zur Absenkung der Sollarbeitszeit zu verwenden, sie also insoweit auf die Sollarbeitszeit anzurechnen. Nur dann macht die Beschränkung der Entgeltzahlungspflicht auf das Entgelt nach § 14 Abs. 1 AVR statt des nach Anlage 8 Abschn. A Abs. 4 AVR eigentlich für die faktorisierten Bereitschaftsdienststunden zu leistenden Überstundenentgelts Sinn. Bereitschaftsdienst ist durch die Entgeltregelung in Anlage 8 Abschn. A Abs. 10 AVR bei Anordnung von Freizeitausgleich entgeltrechtlich dem Erfüllen der Sollarbeitszeit gleichgestellt.
3. In der Gesamtschau der Regelungen in Anlage 8 Abschn. A Abs. 1, Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 10 AVR hat die Beschränkung der Befugnis des Dienstgebers zur Anordnung von Bereitschaftsdiensten auf die Zeit 'außerhalb der vertraglichen Soll-Arbeitszeit' in Anlage 8 Abschn. A Abs. 1 AVR nur die Bedeutung, dass der Dienstgeber auch im Wege des Freizeitausgleichs dem Mitarbeiter nicht so viele Bereitschaftsdienste und so wenig Normaldienste zuweisen darf, dass der Mitarbeiter infolge der Faktorisierung nach Anlage 8 Abschn. A Abs. 3 iVm. Abs. 5 AVR die vertragliche Sollarbeitszeit nicht mehr erreichen kann. Mittelbar stellt Anlage 8 Abschn. A Abs. 1 AVR damit sicher, dass es durch das Anordnen von Bereitschaftsdienst nicht zu einem Unterschreiten des vertraglich geschuldeten Entgelts und damit nicht zu einer Annahmeverzugssituation kommt. Das ist insbesondere für Bereitschaftsdienste der Stufe A von Belang, die gemäß Anlage 8 Abschn. A Abs. 3 und Abs. 5 AVR für die Vergütung zu höchstens 60 % als Arbeitszeit zu werten sind. Wiese der Dienstgeber in einem solchen Fall dem Mitarbeiter wöchentlich 48 Stunden Bereitschaftsdienst zu, würden von den im Monat zu leistenden 207,1 Stunden höchstens 60 % und damit 124,24 Stunden erbracht und zu vergüten sein. Das schließt Anlage 8 Abschn. A Abs. 1 AVR aus. […]
Die von der Beklagten vorgenommene Gewährung des Freizeitausgleichs im Wege der Saldierung ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und der Klägerin von Anlage 8 Ab-schn. A Abs. 5 AVR gedeckt.
1. Freizeitausgleich muss entgegen der Annahme der Klägerin nicht zwingend im Vorfeld der Arbeitspflicht gewährt werden. Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinn lediglich das Gegenteil von Arbeitszeit (BAG 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09 – Rn. 20, BAGE 135, 179). 'Ausgleich' bedeutet Ersatz, Gegenleistung, Gegenwert, Äquivalent (Duden Das Synonymwörter-buch 5. Aufl.) bzw. Bezahlung (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl.). Das von der Klägerin dem Begriff 'Freizeitausgleich' entnommene zukunftsbezogene Element gibt es nicht. Eine der danach von Anlage 8 Abschn. A Abs. 5 AVR gedeckten Möglichkeiten zur Gewährung des Freizeitausgleichs ist die Saldierung. Dabei werden zunächst die Stunden der Normaldienste einerseits und der Bereitschaftsdienste andererseits erbracht und separat addiert. Am Ende des festgelegten Zeitraums wird ein etwaiges Minus bei der durch die Normaldienste geleisteten Sollarbeitszeit durch die nach Anlage 8 Abschn. A Abs. 3 iVm. Abs. 5 AVR faktorisierten Bereitschaftsdienststunden abgedeckt und die Bereitschaftsdienststunden auf diese Weise abgegolten, die verbleibenden Stunden werden ausbezahlt (vgl. BAG 22. Juli 2010 – 6 AZR 78/09 – Rn. 19, aaO; Schlottfeldt/Kutscher NZA 2009, 697, 699). […]
2. Anders als das Landesarbeitsgericht annimmt, bedurfte es auch keiner ausdrücklichen Anordnung, an welchen Tagen für wie viele Stunden Freizeitausgleich gewährt wird.«
⇒ BAG Urteil 6 AZR 742/14 vom 19.01.2016
Übertragbarkeit auf andere Tarife:
Der TVöD reget dies für Ärzte im Sinn gleich. Schlimmer: In Abs. 8 werden für die übrigen Beschäftigten (nicht Ärzte) Optionen auf Freizeitausgleich eröffnet. Die Regelung endet – »In diesem Fall gilt Absatz 7 entsprechend.«
TVöD § 8.1 Abs. 7:
»Anstelle der Auszahlung des Entgelts nach Absatz 4 für die nach den Absätzen 1 und 3 gewertete Arbeitszeit kann diese bei Ärztinnen und Ärzten bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich). Die Möglichkeit zum Freizeitausgleich nach Satz 1 umfasst auch die den Zeitzuschlägen nach Absätzen 5 und 6 1:1 entsprechende Arbeitszeit. Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden das Entgelt (§ 15) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.«
Der TV Ärzte/VKA (§ 12 Abs. 6) regelt dies aktuell anders:
»Die nach Absatz 1 errechnete Arbeitszeit kann bei Ärztinnen und Ärzten, einschließlich der eines ggf. nach Absatz 4 zu zahlenden Zeitzuschlags 1:1 entsprechenden Arbeitszeit, anstelle der Auszahlung des sich nach den Absätzen 1, 2 und 4 ergebenden Entgelts bis zum Ende des dritten Kalendermonats auch durch entsprechende Freizeit abgegolten werden (Freizeitausgleich). Erfolgt Freizeitausgleich in Zeiten, zu denen gemäß §§ 5 und 7 Abs. 9 ArbZG Ruhezeit zu gewähren ist, wird abweichend von Absatz 1 und Satz 1 diese Zeit in der Bereitschaftsdienststufe III mit dem Faktor 100 v.H., in der Bereitschaftsdienststufe II mit dem Faktor 85 v.H. und in der Bereitschaftsdienststufe I mit dem Faktor 70 v.H. als Arbeitszeit bewertet. Für die Zeit des Freizeitausgleichs werden das Entgelt (§ 18) und die in Monatsbeträgen festgelegten Zulagen fortgezahlt.«
Konsequenzen:
Wie so oft heißt der Gegenzauber 'Mitbestimmung'.
Die gesetzliche Interessenvertretung kann bereits in der Betriebsvereinbarung regeln, dass stets im ersten Schritt im Schichtplanturnus die gesamte Zeitschuld verplant wird.
Sie kann im nächsten Schritt sicherstellen, dass im Anschluss an einen Bereitschaftsdienst im Schichtplan eine mindestens 23-stündige Ruhezeit folgt.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Teilzeit anteilig / 22.02.2016
Aufwerten und Entlasten – damit geht es voran. In der Tarifrunde können wir die Aufwertung erreichen. Ebenso, wenn wir den Mindestlohn für 'Schlafwachen' erstreiten und die übersehenen Zulagen und Zuschläge aufspüren.
Zunehmend begnügen sich aktive Betriebsgrupppen nicht mehr damit, dem Arbeitgeber 'Überlastung anzuzeigen'. Sie beschweren sich, gemeinsam, und sie fordern Abhilfe.
Teilzeitkräfte hoffen auf eine Entlastung durch individuelle Arbeitszeitverkürzung. Das geht nicht ganz so einfach ...
Nur anteilige Belastung für Teilzeitkraft |
Der Fall:
»[Die Klägerin] ist als medizinisch-technische Laborassistentin (MTLA) im Labor der Klinik der Beklagten tätig. Dieses ist rund um die Uhr besetzt. Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält eine Bezugnahme auf die 'Richtlinien für
Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR)'. […] Hintergrund der zahlreichen Wochenenddienste sei der Personalmangel, was auch die vielen Überlastungsanzeigen deutlich machten.«
Leitsätze des Urteils:
2. Das gesetzliche Benachteiligungsverbot erfasst alle Arbeitsbedingungen. Das gilt insbesondere auch für die Möglichkeit der Freizeitgestaltung an Wochenenden, weil die zusammenhängende Freizeit an den Wochentagen Samstag/Sonntag ganz allgemein als erstrebenswert und vorteilhaft angesehen wird (vgl. BAG 24. April 1997 – 2 AZR 352/96, zu II 2 b der Gründe).
3. Die Beklagte setzt die Klägerin an jeweils zwei Wochenendtagen im Monat mit derselben Stundenzahl ein wie Vollzeitbeschäftigte. Bezogen auf ihre Gesamtarbeitszeit bedeutet dies eine deutlich überproportionale Heranziehung der Teilzeitbeschäftigten an Wochenenden. Der Vergleich mit den Vollzeitbeschäftigten ist der entscheidende Vergleichsmaßstab (vgl. BAG 21. April 1999 – 5 AZR 200/98, Rn. 26).
4. Die Benachteiligung erfolgt auch 'wegen der Teilzeitarbeit'. Einen sachlichen Grund, der diese Differenzierung rechtfertigen könnte, hat die Beklagte nicht vorgetragen.
5. Die Klägerin hat ihren Antrag zutreffend dahingehend konkretisiert, dass sie ihn mit einem Ausgleichszeitraum versehen hat. Ohne einen entsprechenden Zeitrahmen wäre die Feststellung nicht geeignet, den Rechtsstreit der Parteien endgültig zu befrieden. Ob die Klägerin auch einen Ausgleich im Rahmen eines kürzeren Zeitraums beanspruchen könnte, konnte dahinstehen.
Aus der Begründung:
»Allein der Umstand, dass Vollzeitbeschäftigte dadurch an Wochenenden mehr Stunden leisten müssen, steht dem nicht entgegen. Sie haben hier über einen längeren Zeitraum durch die rechtswidrige Heranziehung der Teilzeitkräfte an Wochenenden profitiert. Erst wenn einem der Rechtslage entsprechenden Einsatz der Vollzeitkräfte rechtliche Grenzen (zB. arbeitszeitrechtliche) entgegen stünden, wäre zu prüfen, ob dies einen sachlichen Grund darstellen könnte oder ob die Beklagte diesen Gesichtspunkt durch den Einsatz zusätzlichen Personals angemessen zu berücksichtigen hätte.
Angesichts der arbeitszeitlich identischen Heranziehung der Teilzeitbeschäftigten und der Vollzeitbeschäftigten zur Wochenendarbeit besteht ein notwendiger innerer Zusammenhang zwischen Teilzeit und überproportionaler Heranziehung. Die Benachteiligung steigt proportional mit der Verringerung der Arbeitszeit. Es fehlt auch an einem engeren Zusammenhang mit anderen Ursachen als der Teilzeitarbeit. Ebenso wie bei einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG kommt es dabei auf ein Verschulden des Arbeitgebers nicht an, sondern nur auf die objektiv diskriminierenden Auswirkungen einer Vereinbarung oder Maßnahme.«
⇒ LAG Berlin-Brandenburg, 20.08.2015 – 26 Sa 2340/14
Was tun:
Teilzeitbeschäftigte können sich dagegen wehren, mehr als nur ihren Anteil an ungewöhnlichen und besonders belastenden Arbeitszeiten. Wir haben dazu unseren Musterbrief unter ⇒www.geltendmachen.schichtplanfibel.de aktuell ergänzt. Wenn die Interessenvertretung bereits den Ausgleichszeitraum klargezogen hat, ist dies von Vorteil!
Die betriebliche Interessenvertretung sollte die Pläne überprüfen. Achtung! Die Entscheidung des LAG enthält einen wichtigen Hinweis: Die Vollzeitkräfte haben bislang von der rechtswidrigen Praxis 'profitiert', zu Lasten der Kolleginnen in Teilzeit. Dem Arbeitgeber wird eine Umverteilung zunächst egal sein. Nur wenn wir zugleich die Höchstbelastungen der Vollzeitkräfte zum Thema machen und regeln, verhindern wir eine Entsolidarisierung.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TVöD Überstunden Mehrarbeit / 21.01.2016
Die zweite Ausgabe von 'Schichtplan-Fibel – Das Buch' wird in diesen Tagen ausgeliefert.
Die Dokumentation des Fachtags zu Essen steht im Internet.
Zunehmend bekomme ich als Rückmeldungen aus Betrieben – »Wir haben mit der Mitbestimmung der ersten Dienstpläne begonnen ...«
Ja! Das Jahr 2016 lässt sich gut an.
Zu lang, zu oft, zu viel – Dokumentation des Fachtags |
In der frisch erschienenen Dokumentation der Beiträge des Fachtag Krankenhäuser NRW (30.10.2015 in Essen) steckt viel, was uns ganz konkret in den Betrieben hilft. In vielen Betrieben wurde mit Geltendmachungen gestartet, einige sind auf dem Gerichtsweg.
Ihr könnt Euch die ⇒fachtag-2015-dokumentation.pdf (1,1 MB) unmittelbar aus dem Netz herunterladen.
Sie kommt digital als pdf-Datei daher und ist für das Lesen am Bildschirm optimiert. Die Datei kann aber auch am betrieblichen Laser-Drucker (im Drucker-Menü: Anpassen der Seitengröße – 'Broschürendruck') für besondere Anlässe in diese DinA5-Papierform gebracht werden.
TVöD Überstunden-Zeitzuschlag für Teilzeitkraft |
Urteil: »Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 315.02 € brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2015 zu zahlen.«
Der Fall:
»Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, an den Kläger für in der Zeit
von November 2013 bis Oktober 2014 an einzelnen Tagen über die geplante tägliche Arbeitszeit
des Klägers hinaus von diesem erbrachte Arbeiten Überstundenzuschläge zu
zahlen.«
Der Kläger ist Heilerziehungspfleger in Teilzeit bei der Lebenshilfe, TVöD-B. Der Schichtplan wird monatlich angeordnet, die Schichten von 05:00 bis 22:00 Uhr, nachts Bereitschaftsdienst. Ohne explizite Anordnung der Beklagten wurde das Ende von Schichten um 0,5 bis zu 3,25 Stunden hinausgeschoben. »Bei diesen Stunden handele es sich nicht um eigenmächtig von ihm (dem Kläger) geleistete Stunden, sondern um eine betriebsnotwendige Arbeitsleistung, welche der Beklagten bekannt gewesen sei und von dieser sowohl geduldet als auch gebilligt worden sei.«
Die Beklagte gibt an, »für den Charakter einer Überstunde der vom Kläger hierfür geltend gemachten Arbeitszeit fehle es bereits an der notwendigen arbeitgeberseitigen Anordnung der Arbeitsstunden. Im Übrigen sei die jeweilige Arbeitszeit des Klägers im Schichtplanturnus deutlich unter der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten von 169,60 Stunden pro Monat geblieben. Auch habe der Kläger bis auf die Monate Dezember 2013, März 2014 und April 2014 seine jeweilige vertraglich vereinbarte durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit, bezogen auf den Schichtplanturnus nicht erreicht.«
Aus den Gründen:
»Es mag durchaus sein, dass diese Bezahlung aus praktischen Gründen im Rahmen eines gegenseitigen Vertrauensverhältnisses geschehen ist. Auf das Vertrauen auf diese Handhabung in diesem Rechtsverhältnis können sich jedoch beide Partner, demnach auch der Kläger berufen.
[…] Die zweite Alternative in § 7 Abs. 8 Buchstabe c erfasst den Fall, dass von vorneherein im Schichtplan Arbeitsstunden vorgesehen werden, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten hinausgehen und im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden. Nur für die zweite Alternative hat die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten Bedeutung. Dies lässt sich auch aus der Randnummer 38 des bereits zitierten Urteils des Bundesarbeitsgerichts [Urteil vom 25.04.2013 -Aktenzeichen 6 AZR 800/11] ableiten.
[…] Wie im Verlauf des Rechtsstreits offenbar wurde, beschäftigt die Beklagte ganz überwiegend Teilzeitbeschäftigte und nur wenige Vollbeschäftigte. Dies ist ihre freie unternehmerische Entscheidung. Die Beklagte muss dann aber auch mit den entsprechenden tarifvertraglichen Konsequenzen bei dem hier zu Grunde liegenden Sachverhalt leben. Dem Kläger muss andererseits bewusst sein, dass in Zukunft die Beklagte möglicherweise die nachträgliche Billigung von nicht angeordneten bzw. nicht als angeordnet unterstellten
Arbeitsstunden nicht mehr in der bislang gezeigten Großzügigkeit weiter gewähren wird. Die Beklagte wird andererseits bei einer Fallgestaltung wie der vorliegenden auch bei angeordneten oder als angeordnet unterstellten Arbeitsstunden des Klägers, die über die im Schichtplan festgelegte tägliche Arbeitszeit hinausgehen den Überstundenzuschlag nach § 8 Abs. 1 Buchstabe a BT-B nicht vermeiden können.«
⇒ ArbG Würzburg Urteil 13.08.2015 – 8 Ca 74/15
Die aktuellen Fassungen unserer Unterlagen für Eure Geltendmachungen findet Ihr unter
⇒https://www.schichtplanfibel.de/zu-lang-zu-oft-zu-viel.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überstunden Nachtarbeit / 17.12.2015
»Zwischen den Jahren«, beschreibt die Spanne, in der 2015 nichts Schlimmes mehr passieren soll,und das Jahr 2016 noch unberührt vor uns liegt. Ab dem 27.12. nach dem Weihnachtstrubel und bis zum zum 30.12. – vor dem letzen Trubel – sortieren wir uns das kommende Jahr.
Vielleicht ziehen wir dabei auch Zwischenbilanz: Welche von den guten Vorsätzen und Plänen haben wir umgesetzt? Die Schichtplan-Fibel hat in 2015 'geliefert': Ein Lesebuch kam heraus, sechs Wochenseminare legten Grundlagen, 18 Ausgaben unseres Newsletter ereichten den Stamm von nun rund 400 Abonnenten.
Schichtplan-Fibel – Das Buch |
Nachtarbeit: Angemessener Ausgleich? |
Presseerklärung des BAG: Bestehen keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach §6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag iHv. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Nachtarbeitsstunden angemessen. Bei Dauernachtarbeit erhöht sich dieser Anspruch regelmäßig auf 30%.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Lkw-Fahrer im Paketlinientransportdienst tätig. Die Arbeitszeit beginnt in der Regel um 20.00 Uhr und endet unter Einschluss von Pausenzeiten um 6.00 Uhr.
Die Beklagte ist nicht tarifgebunden. Sie zahlte an den Kläger für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr einen Nachtzuschlag auf seinen Stundenlohn iHv. zunächst etwa 11%. Später hob sie diesen Zuschlag schrittweise auf zuletzt 20% an. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 30% vom Stundenlohn zu zahlen oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für 90 geleistete Nachtarbeitsstunden zu gewähren.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgeben, das Landesarbeitsgericht hingegen nur einen Anspruch iHv. 25% festgestellt. Die Revision des Klägers hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Bestehen – wie im Arbeitsverhältnis der Parteien – keine tarifvertraglichen Ausgleichsregelungen, haben Nachtarbeitnehmer nach §6 Abs. 5 ArbZG einen gesetzlichen Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag oder auf eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage für die zwischen 23.00 Uhr und 6.00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden. Regelmäßig ist dabei ein Zuschlag iHv. 25% auf den Bruttostundenlohn bzw. die entsprechende Anzahl bezahlter freier Tage angemessen. Eine Reduzierung der Höhe des Nachtarbeitsausgleichs kommt in Betracht, wenn während der Nachtzeit beispielweise durch Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst eine spürbar geringere Arbeitsbelastung besteht. Besondere Belastungen können zu einem höheren Ausgleichsanspruch führen. Eine erhöhte Belastung liegt nach gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen bei Dauernachtarbeit vor. In einem solchen Fall erhöht sich der Anspruch regelmäßig auf einen Nachtarbeitszuschlag iHv. 30% bzw. eine entsprechende Anzahl freier Tage.
Da der Kläger Dauernachtarbeit erbringt, steht ihm ein Ausgleichsanspruch iHv. 30% zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein für die Zeit zwischen 21.00 Uhr und 23.00 Uhr gezahlter Zuschlag nicht anrechenbar. Ebenso wenig ist die Höhe des Stundenlohns des Klägers relevant. Erkennbare Anhaltspunkte dafür, dass in diesem bereits ein anteiliger Nachtarbeitszuschlag enthalten ist, bestehen nicht.
⇒ BAG Urteil BAG Urteil 09.12.2015 – 10 AZR 423/14
Kommentar: Damit festigt sich die Rechtsprechung weiter, dass die Belastungen durch Nachtarbeit durch 25 bis 30 % Zeitzuschlag angemessen ausgeglichen werden. Als tarifliche Ausgleichsregelung kombiniert unser TVöD den Zeitzuschlag von 15 bis 20 % mit 3 Tagen Zusatzurlaub (etwa 2 Stunden je Kalendermonat) sowie mit der Wechselschichtzulage (TVöD §8 Abs. 5: 0,63 Euro für alle Arbeitsstunden in Tag- oder Nachtarbeit). Weder die höchstrichterliche noch die tarifliche Bemessung orientieren sich am gesetzlichen Ziel, dem vollen Ausgleich. Stattdessen wird mit Branchenüblichkeit oder Finanzierbarkeit verteidigt, was deutlich hinter dieser Vorgabe zurückbleibt.
Mehr zu Ausgleichs-Bemessung von ungewöhnlichen Arbeitszeiten findet Ihr in den Folien von ⇒Dr. Anna Arlinghaus.
Ebenso lesenswert ist das Konsensdokument der Arbeitszeitgesellschaft zu Dauernachtarbeit; es wurde dieses Jahr auf ihrem Symposium im Oktober in Wien verabschiedet: ⇒Dauernachtarbeit – Eine Sichtung des vorhandenen Wissenstandes mit Thesen, Empfehlungen & Forschungsfragen der Arbeitszeitgesellschaft.
Überstundenvergütung trotz Teilzeit |
ver.di haben in den vergangenen Wochen sorgfältig ein kleines Weihnachtspaket zusammengestellt. Es richtet sich an die Kolleginnen und Kollegen, die im TVöD-K und -B sowie in regelungsgleichen Tarifverträgen durch Längerarbeit belastet werden. Aufwerten und Entlasten – das sind auch hier unsere sehr konkreten Botschaften.
Aufwerten: Die Teilzeitbeschäftigten haben einen tariflichen Anspruch auf 100 % Überstundenvergütung und 30 % Zeitzuschlag!
Entlasten: Überplanung und überraschendes Verschieben des Feierabends sind keine Kavaliersdelikte. Wir können 'Nein'-sagen, einzeln und gemeinsam!
Die aktuellen Fassungen der Unterlagen findet Ihr unter
⇒https://www.schichtplanfibel.de/zu-lang-zu-oft-zu-viel.
Wir wollen etwas erreichen. Das Maximum ist erreicht, wenn in einem Betrieb die besten drei bis vier Verfahren – jeweils zwei Teil- und Vollzeitkräfte – auf den Weg durch die Instanzen bis zum BAG gebracht sind. Für diejenigen, die dann noch warten: Für geltend gemachte in Zeitpunkt und Anzahl substantiierten Ansprüche fallen 3 volle Kallenderjahre lang Verzugszinsen an; die liegen derzeit bei 4,1 Prozent.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Grippe, Vorfesttage / 03.12.2015
Bricht die Grippewelle aus? Wöchentlich klicke ich auf den ⇒ Praxisindex des Robert Koch Instituts. Hier wird die aktuelle Saison anhand der gemeldeten akuten respiratorischen Erkrankungen verfolgt. Im Menü links findest Du unter 'Diagramme – Deutschland (gesamt)' auch den Blick auf Dein Bundesland. Als Nordrhein-Westfale bin ich gut vorbereitet, schon bevor die Kliniken und Heime Alarm schlagen und die Kolleginnen aus dem Frei einspringen sollen. Im richtigen Moment verschicken wir unsere vorbereitete Presseerklärung und stellen die Zusammenhänge her zwischen Unterfinanzierung, Unterversorgung und Personalmangel.
Praxisindex Woche 48
Mitbestimmung: Top-Themen |
Seit Mitte Oktober sammeln sich auf unserer ⇒Ratgeber-Seite die Nach-Hilfe-Rufe. Wie erwartet geht es da viel um störrische Arbeitgeber. Die wurden über Jahre verwöhnt, insbesondere in der Diakonie. Jetzt sind sie offenbar verzogen.
Erfreulich: Gefragt ist auch die Identifizierung von Überstunden und die Umsetztung von tarifkonformen Arbeitszeitkonten.
Damit dies alles übersichtlich bleibt, haben wir die einzelnen Beiträge entsprechend ihrem Thema und der Mitbestimmungs-Grundlage farblich markiert.
Vorfesttags-Frei und Verminderung |
Leitsatz: »§ 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT gilt auch bei nur teilweiser dienstplanmäßiger Freistellung an einem gesetzlichen Wochenfeiertag.«
Im beurteilten Fall arbeitetet die Kollegin nach einem festen Rahmen mit unterschiedlich langen Schichten (zwischen 4 und 8 Stunden arbeitstäglich) an allen sieben Wochentagen.
»Der Donnerstag dieser Woche, der 7. Juni 2012, war in Bayern ein gesetzlicher Wochenfeiertag (Fronleichnam). Die Klägerin erbrachte an diesem Tag keine Arbeitsleistung. Sie erhielt nach § 2 Abs. 1 EFZG für die wegen des Feiertags nicht zu leistende Arbeitszeit von 07:30 Uhr bis 11:30 Uhr eine Entgeltfortzahlung für vier Arbeitsstunden.
Die Klägerin hat gemäß § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT einen Anspruch darauf, dass die Beklagte eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit um vier Arbeitsstunden für den 7. Juni 2012 bei der Dienstplangestaltung umsetzt. […]
Die regelmäßige Arbeitszeit vermindert sich nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT jedoch nicht durch einen gestaltenden Akt des Arbeitgebers. Die Verminderung erfolgt vielmehr von Rechts wegen. […]
Der Umfang der Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit bestimmt sich nach den »dienstplanmäßig ausgefallenen Stunden«.[…]
Dabei muss individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Feiertagsarbeit herangezogen worden wäre […] Dies mag bei schwankender Dienstplaneinteilung im Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Ermittlung der maßgeblichen Stundenzahl führen […]. Solche Umsetzungsprobleme ändern aber nichts an der tariflichen Vorgabe. […]
Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K muss demgegenüber individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Vorfeiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Nur diese Stundenzahl ist von der Sollarbeitszeit abzusetzen (vgl. BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 286/12 – Rn. 48). Die Protokollerklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K entspricht daher der Erklärung zu § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT mit dem Unterschied, dass wegen § 6.1 TVöD-K die Worte »am Feiertag« nicht enthalten sind.«
⇒ BAG Urteil 24.09.2015 – 6 AZR 510/14
Übertragbar auf: TV-L, TV-Ärzte (VKA), TV tgDRV, TV VBGK, AVR Caritas, TV KAH, TV VKKH
Im Ergebnis wurde die Kollegin damit sowohl für 4 Stunden von der Arbeitspflicht am betreffenden Feiertag freigestellt, als auch die Zeitschuld im Ausgleichszeitraum um weitere 4 Stunden vermindert.
Das BAG weist zugleich darauf hin, dass diese Praxis im Dienstleistungsbereich TVöD-K und TVöD-B nur aber eben auch auf die Vorfesttage zu übertragen ist! Dies betrifft all diejenigen, die am 24. und 31.12. eine kurze Schicht arbeiten oder nur von dieser Kurzschicht freigestellt werden. Sie erhalten ihre Zeitschuld um die Differenz zu der Schichtlänge vermindert, die sie an solchen Tagen normalerweise abgefordert bekommen.
Wurde die Verminderung nicht richtig erkannt? Wurde deshalb überplant? Dann ist die Überstunden- bzw. Mehrarbeitsvergütung geltend zu machen.
Leider finden wir in der Begründung Randnummer 27 auch eine unschöne Passage. Die Bundesarbeitsrichter erwägen den Fall und seine Folgen, »wenn ein Feiertag auf einen ohnehin freien Wochentag fällt. In dieser Konstellation hat der Teilzeitbeschäftigte nicht wegen des Dienstplans am Feiertag frei […]. Die Nichtanwendbarkeit des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT auf Teilzeitbeschäftigte in dieser Situation bewirkt entgegen der Revision nicht deren Schlechterstellung, denn die Teilzeitkraft ist dann nicht zur Vor- oder Nacharbeit verpflichtet. Der Feiertag steht außerhalb ihrer vertraglichen Leistungsverpflichtung.«
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Überstunden mitbestimmen / 10.11.2015
Aufwerten & entlasten – das sind derzeit die beiden Hauptaufgaben. Überstunden belasten. Dafür braucht es einen Ausgleich. Je höher dieser Ausgleich, umso vorsichtiger und zurückhaltender werden Arbeitgeber mit der Anordnung. Darum werten wir überraschende und überplante Stunden höher.
Überstunden belasten. Zur Entlastung braucht es die Mitbestimmung. Je stärker die gesetzliche Interessenvertretretung eingreift, umso wirksamer die Entlastung. Bei der Überplanung und bei der vorübergenden Verlängerung der Arbeitszeit sind Betriebsrat, Personalrat und Mitarbeitervertretung besonders stark. Sie könnten, wenn sie wollten.
Beiträge zum Fachtag Krankenhäuser nrw 2015 |
Gut 150 Besucherinnen, zum Teil von weit her angereist, hörten, sahen und diskutierten am 30.10.2015 beim ver.di-Fachtag Krankenhäuser nrw in Essen Fakten, Argumente und Deutungen zu Überlastung und Überstunden in den Krankenhäusern. Im ersten Schritt des Nachgangs haben wir für Euch
⇒ die Folien der Referentinnen
ins Netz gestellt. Dies betrifft insbesondere die vielen arbeitswissenschaftlichen Hinweise von Dr. Arlinghaus, sowie die Hinweise der BAG-Richterin Spelge zu Klärungsbedarfen rund um Überstunden im öffentlichen Dienst. Nach der Erfassung der eigentlichen Redebeiträge will der Bundesfachbereich noch in diesem Jahr eine digitale Zusammenfassung herausgeben.
Doch zunächst bereiten wir für die Handlungsaufgabe »Vergütung der überraschenden / ungeplanten Überstunden samt Zuschlägen und Zulagenanteil – auch für Teilzeitbeschäftigte« (TVöD und Nachfolger) ein Muster-Flugblatt vor, unterstützende Unterlagen für die betreuenden Sekretäre und ver.di-Aktiven im Betrieb und eine Muster-Geltendmachung.
Nach-Hilfe bei der Mitbestimmung |
Im letzten Newsletter gab es bei der Verlinkung zunächst noch ein Problem. Doch mittlerweile läuft der Zusatz-Service der Schichtplan-Fibel gut an. Beim Wissen und Können rund um die Mitbestimmung hilft nun unsere ⇒Ratgeber-Seite.
Mitbestimmen trotz MVG oder PersVG |
Urteil zu MVG § 40: (Nichtamtlicher Leitsatz aus Arbeitsrecht und Kirche 3/2015)
1. Auch Änderungen eines Dienstplanes unterliegen dem Mitbestimmungsrecht der Mitarbeitervertretung. Gegenstand der Mitbestimmung für die Aufstellung der Dienstpläne ist unter anderem auch die Anordnung von Mehrarbeit außerhalb des planmäßigen Teils der Arbeitszeit.
2. Vorläufige Regelungen müssen hinter der beabsichtigten endgültigen Maßnahme soweit zurückbleiben, dass eine wirksame Ausübung des Mitbestimmungsrechtes möglich bleibt. Eine vorläufige Maßnahme liegt dann nicht vor, wenn sie sich mit der beabsichtigten endgültigen Maßnahme deckt.
⇒ Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Beschluss 10.07.2015 Az. 1 KS 7/15
Vorfest- und Feiertage Vorwegabzug, Vermindern, Freizeitausgleich? |
||||
![]() |
Allerheiligen am Sonntag, der zweite Weihnachtstag fällt — wie schon der 3. Oktober — auf einen Samstagß Pechß
Oder Aufgabe für Überwachung des TVöD-K/-B, TV-L, TV-Ärzte (VKA), TV tgDRV, TV VBGK, AVR Caritasß Dienstag 01.12.2015, 09:30 bis 16:30 Uhr Düsseldorf, ver.di-Landesbezirk, Raum 1 (300 Meter vom Hbf.) |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Nachhilfe Teilzeit / 26.10.2015
Mitbestimmen braucht drei Kernkompetenzen: Wissen, Wollen und Können. Um Wissen zu tanken, fahren die Interessenvertreter/innen zum Seminar. Das Wollen kommt und geht, je nach Laune und Lage im Betrieb. Das Können aber verlangt stetige Übung und selbstkritische Überprüfung.
Im ⇒ Buch der 100 Fragen behandeln wir seit einigen Jahren die unmittelbaren Nöte derjenigen, die unter diesen Schichtplänen leiden. Täglich rufen 150 bis 200 die Seite auf.
Nun bietet die Schichtplan-Fibel auch für das Wissen und Können rund um die Mitbestimmung eine Ratgeber-Seite an. Unter ⇒ www.nach-hilfe-rufe.schichtplanfibel.de bekommen diejenigen, die rufen, Nachhilfe.
Wir werden sehen, ob auch hier das einfache Spiel aus Frage und Antwort funktioniert.
Reisezeit zum Seminar |
Betriebsratsamt ist nach § 37 Abs. 1 BetrVG ein »Ehrenamt«. Die Tätigkeiten des Betriebsrats – und hierzu zählen auch Reisezeiten – außerhalb der regulären Arbeitszeit werden daher nicht durch Freizeit oder Entgelt ausgeglichen.
Von diesem Grundsatz gibt es zwei Ausnahmen:
Zum einen, wenn die Tätigkeit nach § 37 Abs. 3 BetrVG »aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen ist«. Hierzu müssen die Gründe in der Eigenart des Betriebes und seiner Abläufe liegen. Das ist bei der Teilnahme an Seminaren regelmäßig nicht der Fall.
Zum anderen, wenn hinsichtlich der Reisezeiten eine allgemeine betriebliche Regelung getroffen worden ist. Diese gilt dann selbstverständlich auch für den Betriebsrat.
Tipp: Meist ist eine betriebliche Reisekostenrichtlinie zwingend mitzubestimmen, weil und soweit Fragen des Datenschutzes, der Forbildung (TVöD / TV-L § 5) oder bezüglich der Aufwände des Betriebsrates bei Anwaltsbesuchen, Gericht oder der Gewerkschaft betroffen sind. Eine allgemeine Regelung über die notwendige Anfahrt am Vortag zu Seminaren schafft Klarheit und Gerechtigkeit!
Siehe -
⇒ BAG Urteil 27.06.1990 -7 AZR 292/89
⇒ BAG Urteil 16.04.2003 – 7 AZR 423/01
⇒ BAG Urteil 10.11.2004 – 7 AZR 131/04
Seminar-Teilnahme in der Teilzeit |
BetrVG § 87 (6) Satz 2:
»Betriebsbedingte Gründe im Sinne des Absatzes 3 liegen auch vor, wenn wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung die Schulung des Betriebsratsmitglieds außerhalb seiner Arbeitszeit erfolgt; in diesem Fall ist der Umfang des Ausgleichsanspruchs unter Einbeziehung der Arbeitsbefreiung nach Absatz 2 pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.«
Aus der Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 14/5741 Seite 41: |
Urteil: Hiernach kann die Klägerin zum Ausgleich für die außerhalb ihrer Arbeitszeit erfolgte Teilnahme an der Schulung einschließlich der während der Schulungstage angefallenen Pausen und der erforderlichen Reisezeiten grundsätzlich entsprechende Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts beanspruchen. Der Umfang des Ausgleichsanspruchs ist allerdings pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers.
Dabei ist grundsätzlich auf die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebs der Beklagten abzustellen. Sollte diese unterschiedlich festgelegt sein, zB für verschiedene Abteilungen oder Arbeitnehmergruppen, kommt es für den Umfang des Ausgleichsanspruchs der Klägerin auf die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer der Abteilung oder Arbeitnehmergruppe an, der die Klägerin angehört (BAG 10.11.2004 – 7 AZR 131/04 – zVv., zu II 1 der Gründe). Fehlt ein solcher Arbeitnehmer, ist die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entsprechend § 2 Abs. 1 Satz 4 TzBfG anhand des für den Betrieb der Beklagten fachlich geltenden Tarifvertrags, bei Fehlen eines solchen nach der Branchenüblichkeit zu bestimmen.
⇒ BAG, Urteil 16.02.2005 –7 AZR 330/04
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Mindestlohn Faktorisierung / 13.10.2015
In den Gesundheits- und Betreuungsbereichen werden bizarre Arbeitszeiten praktiziert wie in kaum einer anderen Branche. Wem können wir Minusstunden erklären, Pausenrufdienste, Stand-by-Dienste oder Schlafwachen? Und: Wer erklärt sie uns? Die Schichtplan-Fibel trägt zumindest etwas zu ihrer Aufklärung bei.
Mindestlohn im Bereitschaftsdienst |
Unverändert häufig wird nachgefragt, wie sich die 25%ige-Stundenvergütung bei Schlafwachen zum Beispiel im TVöD mit dem Mindestlohn zusammenreimt. Antwort: Gar nicht!
MiLoG § 1 – »(2) Die Höhe des Mindestlohns beträgt ab dem 1. Januar 2015 brutto 8,50 Euro je Zeitstunde.«
TVöD-B § 8.1 – »(3) Für die Beschäftigten gemäß § 7.1 Abs. 10 wird zum Zwecke der Entgeltberechnung die Zeit des Bereitschaftsdienstes einschließlich der geleisteten Arbeit mit 25 v.H. als Arbeitszeit bewertet.«
Bei der Zeitstunde des MiloG handelt es sich nicht etwa bloß um das als Arbeitszeit bewertete Rechenergebnis, sondern um »die Zeit des Bereitschaftsdienstes« (TVöD-B). Neudeutsch wird von Bruttoarbeitszeit gesprochen. Der TVöD-B ist hier durch das Gesetz unwirksam geworden. Für jede Stunde mindestens 8,50 €!
Die Zeitzuschläge für Nachtarbeit (TVöD-B § 8.1 Abs. 5: 15 v.H.) sind gemäß ArbZG § 6 Abs. 5 »auf das ihm hierfür zustehende Bruttoarbeitsentgelt« zu zahlen. Sie sind also zusätzlich und nicht auf den Anspruch auf Mindestlohn anrechenbar.
Säumige Arbeitgeber bedroht das MiLoG in § 21 »mit einer Geldbuße bis zu fünfhunderttausend Euro«. Bei Rückfragen helfen die zuständigen Behörden der ⇒Zollverwaltung.
Faktorisierung – Arbeitszeitkonto
Eine Anrechnung der nächtlichen Schlafwachen auf die regelmäßige Arbeitszeit war und ist tarifwidrig. Denn TVöD-B § 8.1 beschreibt nur eine einzige Alternative zur Vergütung:
TVöD-B § 8.1 – »(6) Das Bereitschaftsdienstentgelt kann im Falle der Faktorisierung nach § 10 Abs. 3 im Verhältnis 1:1 in Freizeit abgegolten werden.« Gemeint ist die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos, die Freigabe zur Buchung des Bereitschaftsdienstentgeltes durch eine Betriebsvereinbarung und zuletzt die Buchungsentscheidung der einzelnen Beschäftigten.
Für diejenigen, die diesen Weg gehen, müssen wir aufklären: Es ist das »Bereitschaftsdienstentgelt« (also mindestens 8,50 €) entsprechend dem individuellen Stundenentgelt umzurechnen und dem Konto zuzubuchen. Grob geschätzt werden da rund 40 Minuten je Bereitschaftsdienststunde gutgeschrieben.
Der Betriebsrat hat aufgrund seiner Betriebsvereinbarung einen kollektivrechtlich Durchführungsanspruch bezüglich der richtigen Buchung. Diesen Anspruch kann er gerichtlich mit Ordnungsgeldern durchsetzen.
Ebenso im BAT-KF
Der BAT-KF ist im Prinzip regelungsgleich. Das Mindestlohngesetz greift.
Nicht so in AVR DD
Diese kirchlichen Regeln unterlaufen in der Anlage 8 B die Mindestlohnregeln erfolgreich. Denn sie verlängern die übrige regelmäßige Arbeitszeit ohne Entgeltausgleich. Hier ist allerdings die Gesamtdurchschnittsvergütung zu betrachten. Beim Einsatz von studentischen Hilfskräften einzig zum Zweck solcher Bereitschaftsdienste fehlt die übrige regelmäßige Arbeitszeit. Das Mindestlohngesetz greift.
Für Krankenhäuser sind die gestuften Regeln der Faktorisierung (Frei statt Geld für Bereitschaftsdienst) in TVöD § 8.1 unter
⇒www.tvoed.schichtplanfibel.de aufgeschlüsselt.
TVöD-K: Unwirksame Faktorisierung |
Urteil: Beschäftigte, denen der Arbeitgeber den Bereitschaftsdienst mit Freizeit ausgleicht, behalten dennoch ihren Anspruch auf Vergütung der Dienste. Denn der Arbeitgeber kann einseitig nur dann den Freizeitausgleich für geleistete Bereitschaftsdienste anordnen, wenn ein Arbeitszeitkonto nach § 10 TVöD eingerichtet worden ist. Auch die seit dem 01.08.06 neu in Kraft getretenen § 46 Abs. 7 berechtigt den Arbeitgeber ohne Weiteres zum faktorisierten Freizeitausgleich.
In diesem Fall konnte sich der Arbeitgeber nicht darauf berufen, der Freizeitausgleich sei zur Einhaltung der Vorschriften des ArbZG erforderlich gewesen (TVöD § 46 Abs. 7). Denn er selbst verstoße ja bereits bei der Einteilung der Schichten eindeutig gegen das ArbZG und den TVöD und habe so erst die Notwendigkeit zur Ruhezeitgewährung im Dienstplan herbeigeführt. Nun könne er für sich nicht rechtsmißbräuchlich die Faktorisierung beanspruchen.
⇒ LAG Niedersachsen, Urteil 21.07.2008 – 6 Sa 5/08
TVöD-K: Wirksame Faktorisierung |
Urteil: Die nach § 8.1 Abs. 7 TVöD-K erforderliche Zustimmung der Beschäftigten zum Freizeitausgleich muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch durch widerspruchslose Inanspruchnahme der gewährten Freizeit erklärt werden. Eine solche konkludente Zustimmung der Klägerin lag vor. Auf ihr Einverständnis mit der Abgeltung der Bereitschaftsdienste durch Freizeit vom März 2006 kam es deshalb nicht an.
⇒ BAG, Urteil 19.11.2009 – 6 AZR 624/08 – Pressemitteilung
Nr. 112/09
Ungesunde Berufe |
Arbeit im Altenheim: Sehr ungesund. Arbeit als Arzt: Unschädlich.
Auf den ersten Blick könnte die Statistik der Spitzenreiter beim Krankmelden so gedeutet werden.
Doch Achtung: Bei den ärztlichen Arbeitsplätzen handelt es sich oft um Alleinarbeit; eine Krankmeldung fällt da besonders schwer, und der Griff in den Arzneimittelschrank zur Selbstbehandlung fällt besonders leicht.
![]() |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] ungewöhnlichen AZ / 04.10.2015
Arbeitsrichter entscheiden, was Recht sein soll in den Betrieben. Die eine entscheidet so, der andere so. Weltfremd in der Mehrzahl der Fälle. Sie blicken in den Arbeitsvertrag, als ließe sich dort der Wille nicht nur der Arbeitgeber lesen. Die haben den Vertrag aufgesetzt. Haben auch die Beschäftigten diesen Vertragstext gelesen, verstanden und auf gleicher Augenhöhe ausgehandelt?
Ohne Vertragsklausel: Keine Wochenendarbeit! |
Urteil: Der Arbeitgeber darf nicht ohne weiteres Wochenendarbeit anordnen. Voraussetzung dafür ist eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitnehmers. Eine solche Pflicht folgt nicht aus dem sogenannten Direktionsrecht des Arbeitgebers, sondern kann sich allenfalls aus entsprechenden Vereinbarungen im Arbeitsvertrag ergeben. Weigert sich ein Busfahrer, Wochenendfahrten zu übernehmen, zu denen er vertraglich nicht verpflichtet ist, ist eine darauf gestützte Kündigung ungerechtfertigt.
⇒ LAG Rheinland-Pfalz, Urteil 30.07.2003 – 9 Sa 521/03
Ohne Vertragsklausel: Sonn- und Feiertagsarbeit! |
Beschluss: Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Arbeitgebers
für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive Regelung einschränken, müssen hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen. Das gilt auch für den Ausschluss gesetzlich und kollektivrechtlich erlaubter Sonn- und Feiertagsarbeit.
⇒ BAG, Urteil 15.09.2009 – 9 AZR 757/08
Gib Deine Unterschrift! Für eine gesetzliche Personalbemessung! Du kannst heute ⇒ die Krankenhauspetition mitzeichnen.
Arbeit zu ungewöhnlichen Zeiten |
Ausgeschlafen zur Arbeit gehen, Feierabend, bevor es draußen dunkel wird, am Wochenende frei haben, um etwas mit Freunden oder der Familie zu unternehmen. Für viele ist das schöner Traum. Sie arbeiten zu ungewöhnlichen Zeiten. Die Arbeitszeiten wirbeln ihr Leben durcheinander.
Jede zehnte erwerbstätige Frau, jeder fünfte Mann arbeitet regemäßig oder gelegentlich nachts.
Fast jede/r zweite muss auch samstags arbeiten, jede/r vierte am Sonn- oder Feiertagen.
![]() |
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Feiertage – Bildungsanspruch / 24.09.2015
Nicht nur die Vorfesttage, auch die Weihnachts-Feiertage können Probleme bereiten. Schade, wenn die betriebliche Interessenvertretung nicht auf der Höhe ihrer Überwachungsaufgabe ist. Schade auch, wenn so unbemerkt Überstunden abgefordert werden.
Feiertage: Sollarbeitszeit zu hoch? Überstunden! |
Urteil: [TVöD § 6 Abs. 3, aus der Begründung] Eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT kann auch dazu führen, dass Überstunden in einem zeitlichen Rahmen entstehen, der ohne die Verminderung noch von der regelmäßigen Arbeitszeit umfasst wäre. Überstunden können nach den Vorgaben des TVöD-AT bei den Beschäftigten des Bundes erst dann entstehen, wenn die geleisteten Arbeitsstunden über die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT hinausgehen (vgl. § 7 Abs. 7 und Abs. 8 TVöD-AT; zu Überstunden bei Schichtarbeit vgl. BAG 25. April 2013 – 6 AZR 800/11 – Rn. 16 f.). Reduziert sich die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-AT, bewirkt dies eine Absenkung der Stundenzahl, ab deren Erreichen Überstunden geleistet werden. Die Vergütungspflicht umfasst dann die ab dem abgesenkten Schwellenwert geleisteten Stunden als Überstunden unter Berücksichtigung der tariflichen Vergütungsvorgaben.
⇒ BAG 27.03.2014 – 6 AZR 621/1
Krankenhauslandschaft NRW 1995 – 2013 |
Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) hat die Zahlen der Entwicklung über zwei Jahrzehnte zusammengesucht. Auf den ersten Blick scheint es, als ob ein Viertel (113) der Krankenhäuser verschwunden, ein Drittel der Betten verschrottet wurden. Tatsächlich wurden meist Standorte zusammengelegt, Leistungen konzentriert und unterm Strich ausgebaut. 22% mehr Behandlungsfälle, und die KGNW zählt fast unverändert eine viertel Million Krankenhaus-Beschäftigte. Geht die nächste Rationaliserungswelle ähnlich aus?
![]() |
Gib Deine Unterschrift! Für eine gesetzliche Personalbemessung! Du kannst heute → die Krankenhauspetition mitzeichnen.
Pflicht, Tarifvertrag zu kennen |
Urteil: »Ein im 20. Jahrhundert lebender deutscher Arbeitnehmer muss sich im Grundsatz selbst bemühen, die Rechtskenntnisse zu erwerben oder sich mit Hilfe Dritter bzw. von Organisationen zugänglich zu machen, die er im Arbeitsleben zur Wahrung seiner sozialen Belange braucht.«
⇒ BAG Urteil 15.06.1972 – 5 AZR 32/72
Beschäftigte müssen sich also selbst kümmern. ver.di hilft ihnen dabei.
Anders der Betriebsrat / die Mitarbeitervertretung. Wir haben Anspruch darauf, jedes Mitglied in den Regelungen der einschlägigen Mantel-Tarifverträge schulen zu lassen. Denn diese Grundkenntnisse fließen in die Beurteilungen und Initiativen unserer Tagesarbeit ein. Der TVöD, der TV-L und der TV-Ärzte sind noch relativ jung, erst über die Jahre festigt sich die Rechtsprechung. Bis dahin muss das Grundwissen regelmäßig aktualisiert werden.
Wirf einen Blick auf unsere Seminarangebote. Du kannst sie beim DGB-Bildungswerk → suchen und buchen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Vorfesttage – Überstunden / 15.09.2015
Bald liegen Schichtpläne zur Mitbestimmung vor, in die Heiligabend und Silvester fallen werden. Der TVöD (ebenso der TV-L) hat dazu sehr spezielle Regeln. Sie sind besser als die betriebliche Praxis! Überwachen reicht da oft nicht aus ...
TVöD § 6 (3) Satz 3: Vorfesttage und Teilzeit |
Urteil: [Psychiatrie, Pfleger Teilzeit 80%] Der Kläger hat Anspruch auf Verminderung seiner Sollarbeitszeit für den 24. Dezember und 31. Dezember eines Jahres um seine tägliche Arbeitszeit von jeweils acht Stunden […] Allen Beschäftigten soll zusätzliche bezahlte Freizeit für Heiligabend und Silvester zukommen, unabhängig davon, ob sie nach dem Dienstplan zur Arbeit verpflichtet oder nicht zur Arbeit eingeteilt sind. […] Nach § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-K, den § 6.1 TVöD-K nach seinem Eingangssatz ergänzt, muss demgegenüber individuell festgestellt werden, wie viele Stunden der betreffende Arbeitnehmer hätte arbeiten müssen, wenn er dienstplanmäßig zur Vorfeiertagsarbeit herangezogen worden wäre. Nur diese Stundenzahl ist von der Sollarbeitszeit abzusetzen.
⇒ BAG 24.10.2013 – 6 AZR 286/12
TV-L: Vorfesttagsfrei trotz Rahmenplan |
Urteil: Der dienstplanmäßige Stundenausfall nach § 43 Nr. 3 und § 6 Abs. 3 Satz 3 TV-L betrifft Beschäftigte, deren regelmäßige Arbeitszeit nach einem bestimmten Schema auf Kalendertage verteilt wird und bei denen die konkret vorgenommene Zuteilung der regelmäßigen Arbeitszeit vollumfänglich auf andere Tage als den 24. und/oder 31. Dezember entfällt. Auf eine Unterscheidung von rahmenplanübernehmender und rahmenplanabweichender (Einzel-)Dienstplangestaltung kommt es dabei nicht an.
⇒ LAG Rheinland-Pfalz 25.01.2013 – 6 Sa 405/12
Antworten auf Fragen: • TVöD-K und -B intensiv • 07.-11.12.2015 • Gladenbach • Seminarnummer 155439 |
Fachtag Krankenhäuser NRW 2015 |
![]() |
Du willst um und gegen Überstunden im TVöD streiten? Lies nach! → www.tvoed-ueberstunden.schichtplanfibel.de! |
Fachtag Krankenhäuser NRW Zu lang, zu oft, zu viel. |
|
![]() |
Ursachen, Folgen und Mitbestimmung der Überstunden. Freitag, 30.10.2015, 10 bis 16 Uhr Essen, Philharmonie (300 Meter vom Hbf.) Jetzt → anmelden! |
Gib Deine Unterschrift! Für eine gesetzliche Personalbemessung! Du kannst heute → die Krankenhauspetition mitzeichnen.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Zugreifen – Amt – mitbestimmen / 07.09.2015
Es kostet etwas Mühe, den Überblick zu behalten:
Die Interessenvertretung bestimmt mit und löst Konflikte um die Arbeitszeit der Kolleginnen.
Die Interessenvertretung leistet dies selbst nicht als Arbeitszeit, sondern als Amtszeit. Doch die Schutzregeln der Arbeitszeit sind an diese Amtszeit anzulegen.
Schwierig? Sogar verwirrend? Lest selbst!
Schichtplan-Fibel – mobil
Im August haben wir endlich Zeit für eine wichtige Anpassung an die Nachfrage gefunden. Unsere → Schichtplan-Fibel wird nun auch auf Mobilgeräten – Smartphones, Tabletts – »freundlich« dargestellt. Dabei passt sich das Layout entsprechend dem kleineren Bildschirm an.
Die Inhalte bleiben dieselben. Und werden fortlaufend aktualisiert um Gerichtsentscheidungen und Hinweise.
So findet Ihr unter → mitbestimmen.schichtplanfibel.de eine kleine Sammlung Entwürfe für Betriebvereinbarungen, aktualisiert aufgrund immer neuer Erfahrungen.
Schichtplan-Fibel – Das Buch
Lösungen für Konflikte rund um die Arbeitszeit
Dieses Buch, 1. Auflage August 2015, 242 Seiten DinA5, gibt es u.a. bei → Seminaren. Ihr könnt es aber auch über Euren ver.di-Bezirk (Fachbereich 3) bestellen lassen (Stückpreis: 2,50 €, Artikel-Nr.: 2802-14-10000534, Lieferant: IVB, Katalog_FB_03_2015-0730_V1.pdf).
BR-Amtszeit. § 3 ArbZG mittelbar bedeutsam
Urteil:
1. Betriebsratsarbeit ist keine Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG.
2. Nimmt ein Betriebsratsmitglied an einer außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit stattfindenden Betriebsratssitzung teil und ist es ihm deswegen unmöglich oder unzumutbar, seine vor oder nach der Betriebsratssitzung liegende Arbeitszeit einzuhalten, so hat es insoweit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG einen Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung (im Anschluss an BAG 07.06.1989, 7 AZR 500/88).
3. Eine Unzumutbarkeit in diesem Sinne ist regelmäßig anzunehmen, wenn ansonsten bei Zusammenrechnung der für die Betriebsratstätigkeit aufgewendeten Zeiten mit den persönlichen Arbeitszeiten die werktägliche Höchstarbeitszeit nach § 3 ArbZG überschritten werden würde.
⇒ LAG Niedersachsen 12. Kammer, Beschluss vom 20.04.2015 – 12 TaBV 76/14
Keine vorläufige Regelung der Dienststelle bei Schichteinteilung
Urteil: Zwar ist bei der Beurteilung, ob eine Maßnahme i. S. v. § 74 NPersVG keinen Aufschub duldet, allein auf die objektiven Gegebenheiten abzustellen, nicht hingegen darauf, ob die Dringlichkeit die Folge vorausgegangener Versäumnisse ist. Gleichwohl kann ein zunächst zögerliches Handeln in Bezug auf die später als dringlich angesehene mitbestimmungspflichtige Maßnahme ein Indiz für deren tatsächlich nicht gegebene Unaufschiebbarkeit sein.
⇒ VG Hannover 17. Kammer, Beschluss vom 24.06.2015 – 17 A 7819/14
Aus der Begründung: Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Veränderung der Spätdienstregelung in diesem Sinne unaufschiebbar war. […] Regelmäßig wird nämlich eine Dienststelle einen einmal erkannten dringenden Handlungsbedarf zügig umsetzen wollen. Sind Hinderungsgründe für eine frühere Umsetzung nicht erkennbar, spricht dies jedenfalls nicht dafür, dass eine Regelung dann plötzlich unaufschiebbar wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn die der beabsichtigten Maßnahme zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse bereits seit einem längeren Zeitraum im Wesentlichen unverändert sind.
⇒ VG Hannover 17. Kammer, Beschluss vom 24.06.2015 – 17 A 7819/14
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Betriebsvereinbarungen – Teilzeit / 02.09.2015
Es gibt zwei betriebliche Interessenvertretungen: Die gesetzliche (Betriebsrat, Personalrat, Mitarbeitervertretung) und die gewerkschaftliche (Betriebsgruppe, Vertrauensleute). Gemeinsam ist ihnen – sie sind für die unterschiedlichen Berufsgruppen im Betrieb zuständig, für Pflege, Ärzte, MTA, MFA, Assistenten, Handwerker, Verwaltung. Diese umfassende Sicht unterscheidet sie von den »Pflegekammern«. Und weiter: Mit ihren Verträgen und Vereinbarungen können sie tatsächlich den betrieblichen Alltag gestalten.
Betriebsvereinbarungen bewerten
Gelegentlich schicken mir Betriebs- oder Personalräte Entwürfe für Vereinbarungen zu. »Was hältst Du davon?«« Eine betriebliche Vereinbarung ist ein Abkommen über einen Waffenstillstand. Die Beurteilung aus der Ferne fällt darum schwer. Schnell verengt sich mein Blick auf ein paar handwerkliche Mängel: zu viel Text, unbestimmte Begriffe, fehlende Sanktionen.
Verengter Blick ist schlecht. Beim schnellen Urteil hilft mir die einfache Formel:
Erfolg = Ansprüche – (Pflichten + Mitbestimmungs-Verbrauch)
Die einzelne Beschäftigtigte soll in der Vereinbarung klare Anspruchsgrundlagen finden: Ich brauche nicht mehr als 7 Schichten in Folge hinnehmen, auf mein Dienstwochenende folgt ein freies, um 12:00 Uhr gehe ich in die Mittagspause …
Vielleicht hat der Arbeitgeber im Gegenzug ein paar Pflichten festschreiben können? Das Tragen von genormter Dienstkleidung oder ein Verbot von Handy-Nutzung am Arbeitsplatz. Pflichten und Verbote lassen sich meist besser in Vereinbarungstexten identifizieren als Rechte. Darauf achten die Personalchefs.
Zuletzt schauen wir, ob die gesetzliche Interessenvertretung mit der Vereinbarung eines ihrer Mitbestimmungsrechte »verbraucht«. Zugeständnisse des Arbeitgebers gibt es selten umsonst. Doch die meisten Interessenvertretungen nutzen nur einen Bruchteil ihrer Mitbestimmungsrechte. Nicht jeder Verlust schmerzt.
Da braucht es keinen Experten: Für jeden Anspruch ein Pluszeichen, für jede Pflicht und für jeden Rechteverbrauch ein Minus. Strich drunter und zusammengezählt: Auf das Ergebnis kommt es an.
Teilzeit: Keine Gründe nachschieben
Urteil: Erklärt der Arbeitgeber eine Änderungskündigung mit dem Ziel, den Rechtszustand, der
gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG eingetreten ist, zu beseitigen, kann er im
Kündigungsschutzrechtsstreit zur Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen
grundsätzlich nur solche Tatsachen vortragen, die er dem Teilzeitverlangen des Arbeitnehmers
vor Ablauf der einmonatigen Frist des § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG nicht hätte entgegenhalten
können.
⇒ BAG, Urteil 20.01.2015 – 9 AZR 860/13
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Pause – Pflegekammer / 15.07.2015
Die Gewährung von Pausen schreibt ArbZG § 4 vor. Die Arbeitgeber lieben jede Unterbrechung ihrer Vergütungspflicht. Die Unterbrechung unserer Arbeit fällt ihnen weniger leicht.
Anordnung von Arbeit während festgelegter Pausen
Beschluss:
a) Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es künftig zu unterlassen, gegenüber Beschäftigten, die nach Schicht- und Dienstplänen arbeiten, anzuordnen oder zu dulden, dass diese eine Arbeitsleistung in den dort vorgesehenen Pausenzeiten erbringen.
b) Der Arbeitgeberin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung zu Ziff. 2 a ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 Euro angedroht.
⇒ BAG, Beschluss 07.02.2012 – 1 ABR 77/10
Nicht immer können Betriebsräte (ebenso Personalräte oder MAV) die klaren Arbeits-Anordnungen der Arbeitgeberin gerichtlich nachweisen. So im folgenden Fall. Für einen Unterlassungsanspruch gegen Anordnungen fehlte den Arbeitsrichtern der Tatsachenvortrag. Das Verfahren blieb dennoch erfolgreich.
Annahme von Arbeit während festgelegter Pausen
Beschluss:
Der Arbeitgeberin wird aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber den Arbeitnehmern des Betriebes die unter den Geltungsbereich des § 1 der Betriebsvereinbarung »Dienstplangrundsätze« vom 25.08.2010 fallen, eine Arbeitsleistung für die Dauer der vorgesehenen Pause von 30 Minuten im vorgegebenen Pausenrahmen entgegenzunehmen oder zu dulden, es sei denn, dass eine Zustimmung des Betriebsrates hierzu vorliegt oder die Zustimmung durch die Einigungsstelle ersetzt worden ist.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
⇒ LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss 17.09.2014 – 15 TaBV 706/14
Pflegekammern – Fürsprecher oder Selbsthilfe?
Pflegekammern sollen – so ihre Befürworter – mit »einer Stimme für die Pflege« sprechen.
Für die Pflege? Die Krankenhausträger bestimmen die Betriebsleitung. Meist gehört eine Pflegedirektorin dazu (überdurchschnittlich häufig wurde ein Mann für diesen Karrieresprung ausgesucht). Spricht die Pflegedirektorin in der Betriebsleitung im Namen der Pflege, stellvertretend, als Fürsprecherin? Oder fügt sie die Pflege geschmeidig in die betrieblichen Zwänge ein?
Sie ruft Versammlungen der von ihr ausgewählten Stationsleitungen ein, die »ösen«. Die Pflegedienstleitungen führen solche Versammlungen. Hier spricht, so glauben sie, die Pflege. Mit diesen Erfahrungen streben sie nach Höherem. Die Pflegekammer wird in Ihrer Fantasie zum landesweiten »ösenball«.
Doch auch unter den Pflegekräften gibt es recht unterschiedliche Interessen, je nach Qualifikation, Alter und Beschäftigungsanteil. Wer will das auf eine einzige Stimme beschränken? Wir in ver.di organisieren unsere Mitglieder in Aktionen, damit sie selbst für sich sprechen können. ver.di ist darum eine Selbsthilfe-Organisation.
Schichtarbeit: Schlecht für den Sex
Die DGUV ist Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Paritätisch sorgen Arbeitnehmer-Vertreter/innen und Arbeitgeber für den Schutz der Gesundheit. Das Ergebnis ist nicht nur Papier.
Überraschung? Die sozial wirksamste Freizeit liegt am Abend und am Sonntag.
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] TzBfG – Statistik – Pflegekammer / 18.06.2015
Vorsicht: Befristeter Teilzeitantrag
Urteil: Unwirksamer Antrag auf befristete Verringerung
Verlangt ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber die Zustimmung zur befristeten Verringerung seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, so liegt kein wirksames Verringerungsverlangen iSd. § 8 Abs. 1, Abs. 2 TzBfG vor, das die Rechtsfolgen des § 8 Abs. 3 bis Abs. 5 TzBfG auslöst.
⇒ BAG, 12.09.2006 – 9 AZR 686/05)
Aber genau das ermöglicht – unter bestimmten Voraussetzungen – § 11 TVöD. Doch Vorsicht! In diesem Fall ist die oft besonders wichtige Verteilung der Arbeitszeit nicht mehr erzwingbar.
Urteil: § 11 TVöD regelt nur die befristete Verringerung zur Teilzeit günstiger als TzBfG
§ 11 Abs. 1 TVöD-B wird nicht durch § 8 Abs. 4 TzBfG verdrängt. Der in § 8 Abs. 4 TzBfG geregelte Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung ist zwingend und bindet auch die Tarifvertragsparteien (§ 22 Abs. 1 TzBfG). Tarifliche Regelungen, die dem gesetzlichen Verringerungsanspruch widersprechen, sind daher unwirksam. Günstigere Vereinbarungen sind aber nicht ausgeschlossen. Hierzu gehört § 11 Abs. 1 TVöD. Abweichend von § 8 Abs. 4 TzBfG ermöglicht die Tarifvorschrift dem Arbeitnehmer, die Arbeitszeit befristet herabzusetzen. […]
§ 11 Abs. 1 TVöD gewährt Beschäftigten unter den dort genannten Voraussetzungen nur einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. Die Vorschrift begründet jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit zu ändern. […]
Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD bestimmt, dass der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation der/des Beschäftigten Rechnung zu tragen hat. Damit haben sie dem Beschäftigten bezüglich der Lage der Arbeitszeit keinen Anspruch auf eine änderung des Arbeitsvertrags eingeräumt.
⇒ BAG Urteil 16.12.2014 – 9 AZR 915/13
Zahlen sind umsonst, Ausbildungsplätze fehlen
Wie viele fehlen in der Pflege? Das in NRW zuständige »Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des
Landes Nordrhein-Westfalen« führt dazu die Statistik.
Berechnung der Ausbildungskapazität in den Pflegeberufen 2014
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Pflegekammer – 162.000 fehlen / 06.06.2015
Kein Freizeitausgleich an freien Tagen
Urteil (zu Manteltarifvertrag in einer Klinik): Die Beklagte hat der Klägerin keinen Freizeitausgleich gewährt, indem sie Werktage, an denen die Klägerin laut Dienstplan ohnehin frei hatte, als Ausgleichstage bezeichnet hat.
Freizeit ist im arbeitsrechtlichen Sinne das Gegenteil von Arbeitszeit. Freizeitausgleich bedeutet, statt Arbeitszeit ableisten zu müssen, bezahlte Freizeit zu erhalten.
Der Freizeitausgleich erfolgt durch Reduzierung der Sollarbeitszeit (BAG vom 17.03.2010, 5 AZR 296/09, AP Nr. 35 zu § 611 BGB Arbeitszeit; BAG vom 11.02.2009, 5 AZR 341/08, AP Nr. 44 zu § 1 TVG Tarifverträge: Lufthansa; BAG vom 09.07.2008, 5 AZR 902/07, a. a. O.).
An den Tagen, die die Beklagte als Freizeitausgleichstage bezeichnet hat, war die Klägerin nach der Dienstplaneinteilung ohnehin nicht zur Arbeit verpflichtet. Sie konnte damit auch nicht von einer Arbeitsverpflichtung freigestellt werden. Maßgeblich ist insoweit nicht, dass der jeweilige Werktag rechnerisch mit einer Sollarbeitszeit belegt war, sondern die Einteilung der Klägerin in den Dienstplänen.
⇒ LAG Niedersachsen Urteil 03.06.2014 – 15 Sa 967/13
Personalbemessung statt Pflegekammer
Bereits im Februar 2013 hat Ver.di mit vereinten Kräften in hunderten Krankenhäusern einen »Pflegecheck« durchgeführt. Das Ergebnis: 162.000 Pflege- und Versorgungskräfte fehlen auf den Stationen und in den Funktionsabteilungen. Es warten aber nicht zehntausende dreijährig qualifizierte Gesundheits- und Krankenpfleger/innen arbeitslos auf eine Anstellung. Das Abwerben aus dem Ausland ist der falsche Weg. Auch dort brauchen Patienten und Alte dringend Pflegekräfte.
Ver.di setzt sich darum ein:
• für eine gesetzliche Personalbemessung!
Wir haben dabei alle Berufsgruppen im Blick.
Am 24. Juni 2015 machen wir erneut den Personalmangel in den Krankenhäusern und die überlastung öffentlich. Für das gemeinsame Ziel, die gesetzliche Personalbemessung, organisieren wir den Druck auf die Gesetzgeber.
Nicht Pflegekammern, sondern die von allen wählbaren Parlamente beschließen Gesetze. Sie betreffen alle.
Wir wollen die Belastung beschränken. Wem aber hilft eine Kammer, die den Zugang zum Beruf und dessen Ausüben systematisch beschränken will?
betrifft: [✂ Schichtplan-Fibel aktuell] Urlaub umrechnen – Pfelgekammer / 19.05.2015
Urlaubstage umrechnen
Urteil: Zeitabschnitte zum Erreichen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
Zur Ermittlung des Urlaubsanspruchs bei unregelmäßigen Schichtplänen ist die Anzahl der
Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der Urlaubstage zueinander ins Verhältnis zu setzen. Für diese Verhältnismäßigkeitsrechnung ist auf den Zeitabschnitt abzustellen, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erreicht wird.
⇒ BAG 08.09.1998 – 9 AZR 161/97
Urteil: Ermittlung über bis zu ein Jahr
Unterscheidet sich die Arbeitszeitregelung von einer regelmäßigen Arbeitszeit innerhalb einer Woche – hier von der tariflich zugrunde gelegten 5-Tage-Woche – kann eine Gleichwertigkeit hinsichtlich der ausgefallenen Arbeitszeit mit der urlaubsrechtlichen Grundregelung nur durch eine Umrechnung von Urlaubsansprüchen erreicht werden.
(1) Für diese Umrechnung ist grundsätzlich auf Arbeitstage, die Arbeitsschichten entsprechen, abzustellen (Senat 22. Oktober 1991 – 9 AZR 621/90 – BAGE 68, 377). […]
Bei der Umrechnung ist die unterschiedliche Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht mit der Anzahl der Urlaubstage zueinander ins Verhältnis zu setzen. Dabei ist für diese Verhältnismäßigkeitsrechnung auf den Zeitabschnitt abzustellen, in dem im Durchschnitt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit erreicht wird (Senat 8. September 1998 – 9 AZR 161/97 – BAGE 89, 362; 18. Februar 1997 – 9 AZR 738/95 – aaO). Das ist hier ein Jahr. […]
Die danach maßgebliche Umrechnungsformel lautet:
Vorgeschriebene Arbeitstage Urlaub/ Jahr x tatsächliche Arbeitstage/Jahr
: mögliche Arbeitstage/Jahr
= Arbeitstage Urlaub/Jahr. […]
Bei der Errechnung der tatsächlichen und der möglichen Arbeitstage pro Jahr sind zunächst die auf 52 Wochen bezogenen Werte zu ermitteln. Da 52 Wochen nur 364 Tage ergeben, das Jahr aber nach § 191 BGB mit 365 Tagen anzusetzen ist, kommt jeweils noch der Wert für einen einzigen Tag hinzu..
⇒ BAG Urteil 05.11.2002 – 9 AZR 470/01
Bringt eine Pflegekammer die Aufwertung »der« Pflege?
Das Meinungsforschungsinstitut forsa wurde vom dbb (Beamtenbund) beauftragt. In einer »Bürgerbefragung öffentlicher Dienst 2014« erfragte es die Wertschätzung für die unterschiedlichen Berufe.